Читать книгу Gendersensible Berufsorientierung und Berufswahl (E-Book) - Елена Макарова - Страница 41

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Die Ergebnisse unserer Studie machen deutlich, dass sich Jugendliche durch die vorherrschende Geschlechtstypik der Berufe in ihrer Berufswahl einschränken lassen. Nur wenige Jugendliche entschieden sich für einen Ausbildungsberuf, der für das eigene Geschlecht untypisch ist. Dabei wird insbesondere die Zone der akzeptablen Berufe (Gottfredson, 2002) der jungen Männer eingeschränkt. Die Mehrheit der jungen Männer erwirbt in der beruflichen Grundbildung einen männerdominierten Beruf und es gibt kaum junge Männer (1.4 %), die sich in der Ausbildung in einem frauendominierten Beruf befinden. Etwas flexibler scheint die Berufswahl junger Frauen zu sein, da sie sich mehrheitlich in der Ausbildung zu einem geschlechtsneutralen Beruf befinden und doppelt so häufig wie junge Männer einen geschlechtsuntypischen Beruf erwerben. Dies deckt sich mit Befunden anderer Studien zum Berufswahlverhalten von Jugendlichen (Faulstich-Wieland, Scholand, Beer, Carroccia & Lucht, 2017; Makarova & Teuscher, 2018; OECD, 2006; WEF, 2017).

Dass sich die am Arbeitsmarkt de facto vorhandene horizontale Geschlechtersegregation auf die eigene Berufswahl einschränkend auswirkt, ist den Jugendlichen nicht bewusst. Ihrer Einschätzung nach ist die berufliche Geschlechtstypik sowohl für die Wahl der Berufslehre als auch für die Wahl der späteren Berufslaufbahn unbedeutend. Dieses Ergebnis lässt sich vor dem Hintergrund von sozialisationstheoretischen Ansätzen der Berufswahl gut einordnen, da die geschlechterstereotypen Zuschreibungen bereits in der Kindheit auf die berufswahlbezogenen Präferenzen wirksam einwirken und sich mit der Zeit zu relativ stabilen Überzeugungen verfestigen, die meistens nicht hinterfragt werden. Somit braucht es gezielte Maßnahmen im Bereich der gendersensiblen Berufsorientierung, die eine Reflexion der Rolle der beruflichen Geschlechtstypik für die eigene Berufswahl hervorrufen können (Makarova & Herzog, 2013).

Ähnlich urteilen Jugendliche über den Einfluss der Eltern auf die eigene Berufswahl. Sie messen der Erfüllung der Elternerwartungen bei der Wahl der Berufslehre und der Berufslaufbahn eine äußerst geringe Relevanz bei. Die Forschung belegt jedoch, dass elterliche Erwartungen eine zentrale Rolle im Berufswahlprozess ihrer Kinder spielen (Makarova et al., 2016b; Makarova & Herzog, 2014).

Generell lässt sich aufgrund der Ergebnisse zu Berufswahlmotiven sagen, dass sich Jugendliche sowohl bei der Wahl der Berufslehre als auch bei der Wahl der künftigen Berufslaufbahn stärker durch intrinsische als durch extrinsische Motive leiten lassen. Jedoch gewichten Frauen bei der Wahl der Berufslehre eine erfüllende Arbeit viel stärker als Männer; diese messen einem lückenlosen Übergang in das Erwerbsleben retrospektiv eine höhere Relevanz bei. Ähnlich verhält es sich mit der Begründung der künftigen Berufslaufbahn: Für Frauen sind die gemachten Erfahrungen in der Berufslehre ausschlaggebender, während es für Männer vor allem um die Karrierechancen, die Möglichkeit, das Hobby zum Beruf zu machen, und das Einkommen geht (BFS, 2009; Heine et al., 2008). Diese Unterschiede in den Berufswahlmotiven gehen mit der vorherrschenden gesellschaftlichen Arbeitsteilung (Eagly & Wood, 1999) einher, nach der die Übernahme der «Ernährerrolle» bei den jungen Männern stärker ins Gewicht fällt als bei jungen Frauen.

Dass eigene berufliche Präferenzen durch die Konjunktur am Arbeitsmarkt beeinflusst werden, scheint den Jugendlichen schon während der Berufslehre bewusst zu sein. Dabei sorgen sich vor allem Jugendliche in den geschlechtstypischen Berufen um ihre Chancen am Arbeitsmarkt: So gewichten junge Männer in der geschlechtstypischen Berufslehre einen lückenlosen Übergang nach der Ausbildung in den Beruf viel stärker als junge Frauen. Sie finden es wichtig, offen gegenüber beruflichen Alternativen zu sein. Aber auch junge Frauen in der Ausbildung zu einem frauendominierten Beruf gewichten die Offenheit gegenüber Alternativen stärker als Frauen in Berufslehren mit anderer Geschlechtstypik.

Bezogen auf die berufsbezogene Zufriedenheit während der Berufslehre bestätigt unsere Studie die Befunde vorausgehender Forschung in der Schweiz (Neuenschwander et al., 2012) und zeigt, dass sich junge Frauen und Männer bezüglich der Zufriedenheit mit dem gewählten Beruf generell nicht unterscheiden. Dennoch unterscheiden sich Frauen in ihrer berufsbezogenen Zufriedenheit in Zusammenhang mit der Geschlechtstypik der gewählten beruflichen Grundbildung. So befinden sich Frauen, welche unzufrieden mit dem gewählten Beruf sind, eher in der Ausbildung zu einem männerdominierten Beruf. Dies lässt nicht ausschließen, dass die verhältnismäßig geringe Zufriedenheit mit dem gewählten Beruf mit unvorteilhaften Erfahrungen, die jungen Frauen in einem geschlechtsuntypischen Berufsfeld begegnen können, zusammenhängt (Aeschlimann et al., 2016; Makarova et al., 2016a). Wenn es um die Zufriedenheit im Beruf nach dem Eintritt ins Erwerbsleben geht, sind es generell mehr Männer und dementsprechend weniger Frauen, die mit ihrem Beruf zufrieden sind. Der ermittelte Interaktionseffekt zwischen dem Geschlecht und der geschlechtsbezogenen Passung in der beruflichen Orientierung zeigt jedoch, dass sich dieser Unterschied besonders stark unter Männern und Frauen in geschlechtstypischen Berufen akzentuiert. Diese Ergebnisse machen deutlich, dass die Geschlechtstypik des gewählten Berufs während der beruflichen Ausbildung oder Ausübung zu einer nicht zu unterschätzenden kontextuellen Bedingung gehört, die die Beurteilung der Zufriedenheit im Beruf mitzuprägen vermag.

Unsere Studie ist durch ein querschnittliches Design und eine kleine Fallzahl – insbesondere von männlichen Jugendlichen in den geschlechtsuntypischen Passungen – limitiert. Daher tragen die Ergebnisse einen tendenziell deskriptiven Charakter. Sie sind deswegen jedoch nicht weniger aufschlussreich. Insgesamt zeigen die Ergebnisse unserer Studie, dass die berufliche Geschlechtstypik nicht nur ein gewichtiger Faktor ist, wenn es um die Begründung der Berufswahl und der Wahl der Berufslaufbahn, sondern auch wenn es um die Beurteilung der Zufriedenheit mit dem gewählten Beruf geht.

Gendersensible Berufsorientierung und Berufswahl (E-Book)

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