Читать книгу Flora Flitzebesen - Band 3 - Eleni Livanios - Страница 7
ОглавлениеSchule der fliegenden Künste
Am nächsten Morgen stand Flora an ihrem geöffneten Fenster und ließ sich eine Nachricht von einem Postgrashüpfer zuflüstern. „Nachricht von Laurus Nobilis“, wisperte der Grashüpfer. „Liebe Flora, ich möchte eine Flugkunstschule aufmachen. Das war eine gute Idee von dir! Brauche bitte deine und Maltes Hilfe für die Vorbereitungen. Treffen uns um neun Uhr. Herzlicher Hexengruß von Laurus.“
Na, Laurus hatte vielleicht Nerven! Warum mussten sie sich denn so früh treffen? Flora hatte sich schon auf ein ausgiebiges Sonntagsfrühstück mit Mama und Omimi gefreut. Dazu war nun gar keine Zeit mehr.
Flora rannte nach unten, schnappte sich aus dem Brotkörbchen einen Hexenwecken und nahm schnell einen Schluck Kräutertee.
„Seit wann frühstücken wir im Stehen?“, fragte Omimi. Mama war in ihre Zeitung vertieft. Sonntags kam immer der Hexenrosenbote und den fand Mama viel aufrichtiger als das Hexenklatschblatt. Deshalb schaute sie nur kurz auf und warf Flora eine Kusshand zu.
„Hab’s eilig“, rief Flora und lief hinaus in den Garten, dicht gefolgt von Kringel.
Als Treffpunkt diente den Freunden wie immer der Nymphenbrunnen. Malte und Laurus waren schon da. „Ich habe mir überlegt, wir könnten diese Flugschule gemeinsam machen“, redete Laurus sofort los, als Flora sich auf den Brunnenrand setzte.
„Wie? Ich soll auch unterrichten?“, fragte Flora überrascht.
Laurus nickte. „Ich gebe Stunden im Kunstfliegen und du im Besenflitzen.“
Flora war begeistert. Das würde riesigen Spaß machen! Die drei liefen zu Laurus nach Hause, wo dieser eine Menge Papier und Ölmalkreiden aus seinem Schreibtisch hervorkramte. Den ganzen Vormittag über malten sie Plakate, um Laurus’ Flugkunstschule anzukündigen, und Malte dachte sich den Text dazu aus.
Zufrieden rollten die Kinder schließlich die Plakate zusammen und machten sich auf, um sie im ganzen Städtchen zu verteilen.
In fetten Lettern stand auf den Schildern:
Schule der fliegenden Künste. Flugkunststücke und schnelles Fliegen sind keine Hexerei – jeder kann es lernen! Laurus Nobilis, Flugakrobat, und Flora Flitzebesen, schnellste Besenfliegerin weit und breit, zeigen euch die besten Tipps und Tricks. Ab heute jeden Sonntag- und Mittwochnachmittag. Treffpunkt: Mohnblumenwiese, wenn die Rathausuhr dreimal schlägt.
„Wir beginnen mit einer ganz einfachen Übung“, erklärte Laurus wenige Stunden später. Eine Menge Hexenkinder aus dem Städtchen waren gleich zur ersten Flugstunde gekommen. Malte saß im Gras an einen Baum gelehnt und las. Er wollte nicht mitmachen, nur zusehen. Typisch. Malte war nicht so sehr von der sportlichen Sorte. Die übrigen Kinder aber standen mit ihren Besen bereit.
Flora ließ ihren Blick über die kleine Versammlung schweifen. Da entdeckte sie einen Hexenhut hinter einem Busch. Einen indigoblauen Hut mit bunten Flicken. Sie wusste ganz genau, wem der gehörte: Majoranus. Na klar, Majoranus war neugierig auf Laurus’ Schule der fliegenden Künste. Aber um sich anzumelden, war er wohl zu stolz. Niemals würde Majoranus sich von einem anderen Kind etwas beibringen lassen. Lieber spähte er aus seinem Versteck hervor und verfolgte von dort aus alles.
„Für die erste Übung müsst ihr auf dem schwebenden Besen entlangbalancieren“, sagte Laurus. „Es reicht aber, wenn der Besen nur etwa kniehoch über dem Boden schwebt.“ Mit ein paar Handbewegungen dirigierte Laurus seinen Besen in die Höhe, in der er ihn haben wollte. Die anderen Kinder taten es ihm gleich.
Es hatten sich wirklich viele auf der Mohnblumenwiese eingefunden. Unter ihnen waren Viola, Cosmea und Lia. Sogar Piper und Salvia, Majoranus’ treue Begleiter, waren gekommen.
Laurus bestieg seinen über dem Erdboden schwebenden Besen.
Mit sicheren Schritten lief er auf dem Stiel entlang, drehte sich elegant um und lief wieder zurück. Es sah ganz leicht aus. Bei den anderen klappte das nicht so gut. Flora stolperte gleich ein paarmal vom Besenstiel, aber nach einiger Zeit hatten fast alle den Dreh raus.
„Als Nächstes üben wir das Abrollen vom Besen“, verkündete Laurus. „Das ist wichtig, falls wir bei Gefahr einmal abspringen müssen.“
Laurus machte es vor und eine Weile übten nun alle Kinder voller Hingabe. Sie zischten auf ihren Besen über die Mohnblumenwiese, ließen sich auf Kommando ins Gras herunterfallen und rollten sich nach hinten über die Schulter ab.
Später flog Laurus mit seinen Flugschülern zum Fluss. Nun kamen die schwierigeren Übungen an die Reihe. „Wir werden unsere Besen jetzt höher fliegen lassen“, erklärte Laurus. „Da ist es besser, wir fallen ins Wasser, falls wir abstürzen.“
„Aber das Wasser ist noch so kalt!“, wandte Cosmea ein. „Es ist doch erst Ende März!“
Aber Laurus zeigte bereits die erste Übung: verkehrt herum am Besenstiel hängen.
Während Flora es ihm nachmachte und kopfüber an ihrem Besen baumelte, betrachtete sie die Landschaft unter sich. Hinter einem Baum entdeckte sie wieder den indigoblauen Hexenhut mit den Stoffflicken. Majoranus war ihnen also gefolgt.
Laurus übte mit seinen Schülern, bis die Dämmerung einsetzte. Als sie gerade aufhören wollten, weil es zu dunkel wurde, leuchteten am Flussufer plötzlich kleine Lichtlein auf. Eines nach dem anderen. Es waren Leuchtkröten, die sich ans Wasser gesetzt hatten und zusahen. Flora fand es richtig romantisch, wie sich die kleinen Lichter im Wasser spiegelten. Als sie genauer hinsah, entdeckte sie zierliche Gestalten mit langem Haar, das im Schein der Lichtlein glitzerte. Sie saßen auf Steinen am Flussufer und verhielten sich ganz still.
„Das sind die Flussnixen“, raunte Viola Flora zu. Flora nickte. Flussnixen waren sehr scheu, aber nun waren sie angelockt worden von dem Gelächter und Gekreische der Hexenkinder und sahen ihnen bei ihren Flugübungen zu.
Als Laurus den Unterricht beendete, stand schon der Mond am Himmel. „Ihr seid alle ganz wunderbare Flugschüler“, rief Laurus den Hexenkindern zu. „In der nächsten Stunde wird Flora Flitzebesen euch zeigen, wie man seinen Besen so richtig zum Flitzen bringt!“, fügte er dann noch hinzu.
Alle klatschten und jubelten und hinter einem Baum löste sich ein Schatten und lief auf das Hexenrosenstädtchen zu. Majoranus! Die Flussnixen waren wieder verschwunden und die Leuchtkröten hüpften kreuz und quer und reihten sich neu auf. Nun leuchteten sie den Weg zum Städtchen hinein.
Der nächste Tag war ein Montag und Frau Boswelia sammelte gleich als Erstes alle Hausaufgaben ein. Als sie bei Flora angekommen war, zeigte diese ihr den Schulrucksack mit den glitzernden Spinnweben und erklärte, warum sie nicht an ihre Hefte hatte gelangen können. „Spinnweben am Rucksack gelten nicht, Flora“, meinte Frau Boswelia. „Deine Ausreden werden immer schlechter.“ Die Stimme der Lehrerin war streng, aber Flora sah an ihren Augen, dass sie nicht wirklich böse war. Schnell versprach Flora, die Aufgaben am Nachmittag nachzuholen. Ansonsten würde es einen schwarzen Tintenklecks auf die leere Seite im Hausaufgabenheft geben. Einen von den Tintenklecksen, die abscheulich stanken. Und darauf konnte Flora verzichten.
Frau Boswelia war inzwischen zur Tafel zurückgekehrt und klatschte in die Hände. „Da nun der Frühling im Hexenrosental eingekehrt ist, werden wir uns in der nächsten Zeit mit Kräuterkunde befassen“, verkündete sie. Dann verteilte sie ein dickes Buch an jedes Kind. „Das ist der berühmte Kräuteralmanach, den jede Hexe in der dritten Klasse bekommt. Es ist wichtig, dass ihr die Heilkräuter in unserem Tal kennt.“
„Aber auch die giftigen Pflanzen“, rief Piper heraus.
„Nicht einfach reinrufen“, erinnerte Frau Boswelia. „Aber es stimmt. Ihr müsst die giftigen Pflanzen gut erkennen können, damit ihr auch wisst, um welche ihr am besten einen großen Bogen macht. Im hinteren Teil des Buches findet ihr alle Giftpflanzen. Nur erfahrene Kräuterhexen kennen den richtigen Umgang mit ihnen.“
Flora blätterte sofort in ihrem Kräuteralmanach auf die hinteren Seiten. „Gift- und Zauberpflanzen“ stand da. Flora las einige der Namen: Schwarzes Bilsenkraut, Gemeiner Stechapfel und Tollkirsche. Dazu gab es schöne Zeichnungen und auch eine Liste der Wirkungen, die die Pflanzen hatten. Erbrechen und Schwindel waren dabei, Wahnvorstellungen und Herzrasen, oder man bekam keine Luft mehr. Das war ja entsetzlich! Flora schüttelte sich. Dann erst bemerkte sie, dass Frau Boswelia schon begonnen hatte, über die Zauberkräuter zu reden. „Das Sepienkraut hat sehr viele Zauberkräfte und ist äußerst schwer zu finden“, sagte sie gerade. „Es ist in den Blüten, Blättern und der Wurzel stark giftig.“ Frau Boswelia zeichnete ganz flink ein Bild an die Tafel. Das Kraut wirkte wie ein Tintenfisch mit acht langen Wurzelarmen, die sternförmig angeordnet waren. „So sieht eine Sepienwurzel aus“, sagte sie. „Die Wurzelarme erinnern an die eines Tintenfisches. Und wie er hat auch die Sepienwurzel viele kleine Saugnäpfe, mit denen sie sich festsaugen kann. Oft kann man sie nur noch mit aller Kraft von der Haut ablösen.“
Iiiih, das tat doch sicher scheußlich weh! Flora lief es kalt den Rücken hinunter.
„Wenn man eine Sepienwurzel aus der Erde zieht, kann es sein, dass sie einen stinkenden dunkelbraunen Saft durch die Luft spritzt. Vor dem sollte man sich in Acht nehmen, denn diesen Geruch wird man nur schwer wieder los“, erklärte Frau Boswelia weiter.
„Na, dann ist es wohl besser, man lässt dieses grausige Wurzelungetüm in der Erde“, meldete sich Laurus.
„Wieso? Hast du Angst?“, rief Majoranus. „Ist ja lächerlich. So ein dummer Erd-Tintenfisch.“
Majoranus saß hinter Flora und nun tippte er ihr auf die Schulter. „Solche Sepienkräuter wachsen bei uns zu Hause im Garten“, zischelte er ihr zu.
„Pfff“, machte Flora nur.
„Wetten?“ Majoranus machte eine wichtige Miene. „Und heute reiße ich eines mitsamt den Wurzeln aus.“
„Du spinnst ja“, sagte Flora nur.
„Ruhe!“, rief Frau Boswelia. „Ich habe heute eine lustige Hausaufgabe für euch. Schreibt eine Seite über die Pflanze, von der ihr euren Vornamen oder euren Nachnamen habt. Und zeichnet ein ganz genaues Bild von der Pflanze dazu. Aber ich möchte, dass ihr von der Natur abzeichnet, nicht etwa aus dem Buch.“
„Über welche Pflanze soll ich denn nur schreiben?“, grummelte Malte nach der Schule vor sich hin. „Meine Eltern haben mich nicht nach einem Kraut oder so benannt.“
„Dann such dir doch irgendein interessantes Zauberkraut aus“, schlug Flora vor.
„Ein möglichst giftiges“, meinte Laurus.
Malte fand, das sei eine gute Idee. Aber giftige Zauberkräuter gab es nur bei Calendula, der weisesten Kräuterhexe im Tal. Niemand sonst durfte diese Giftpflanzen züchten, denn es war einfach zu gefährlich. „Wir fliegen am Nachmittag zu Calendula“, meinte Flora. „Dann können wir alle gleich unsere Hausaufgaben dort machen.“
Malte und Laurus stimmten sofort zu, denn Calendula war sehr nett und lebte in einem Bootshaus am Fluss. Da gab es immer wieder etwas Neues zu entdecken.