Читать книгу Flora Flitzebesen - Sammelband 2 in 1 - Eleni Livanios - Страница 11

Mutproben

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„Flora, aufwachen“, sang Mama fröhlich.

Flora stöhnte. Es war doch Sonntag. Warum sollte sie nicht noch länger schlafen? Sie drehte sich um und öffnete mühsam ein Auge.

Floras Mutter stand vor dem Bett und schwenkte den Hexenrosenboten in der Luft. Dann legte sie die Zeitung auf die Bettdecke. Kringel bohrte sofort seinen flauschigen Kopf unter das raschelnde Papier und versuchte darunterzukriechen. Er liebte es, Verstecken zu spielen.

„Kuckuck“, rief Flora und riss dann ungläubig die Augen auf. Da, auf der Titelseite, das war ja sie selbst, wie sie auf ihrem Flugbesen durch die Luft schoss. „Flora Flitzebesen!“, stand unter dem Foto in fetten Buchstaben. Was sollte denn das heißen?

„Lies, was da über meine Tochter steht!“, sagte Mama stolz. Flora las laut vor:

„Die achtjährige Flora Floribunda, Tochter der bekannten Heilerin Anemona Floribunda, nahm dieses Jahr zum ersten Mal am Besenwettfliegen teil. Ganz offensichtlich handelt es sich bei der kleinen Flora um ein ausgesprochenes Flugtalent. Noch nie in all den vergangenen Jahren hat das Hexenrosental einen derartig schnellen Besenflug gesehen. Mit viel Geschick und Mut lenkte Flora ihren Besen durch alle Hindernisse und flitzte dann entschlossen und weit vor allen anderen ins Ziel. Flora ist die schnellste Besenfliegerin aller Zeiten. Es wäre kein Wunder, wenn das Mädchen ab sofort nur noch Flora Flitzebesen genannt werden würde!“

Ein zufriedenes Lächeln breitete sich auf Floras Gesicht aus. „Flora Flitzebesen, das gefällt mir“, sagte sie. Ihre Mutter nickte lächelnd.

Beim Frühstück las Omimi in aller Ruhe den Artikel und tätschelte Flora stolz den Kopf. „Unsere kleine Besenflitzerin“, murmelte sie.

„Diese Weiden, die sich wie Karussells gedreht haben, die hatten es ganz schön in sich“, erzählte Flora. „Aber ich bin einfach schnurgerade durch die Zweige durchgeflogen.“

„Ja, ja“, bestätigte Omimi, „das kannst du dir überhaupt fürs Leben merken: immer den geraden Weg nehmen und sich niemals für andere verbiegen!“

Am nächsten Tag ging die Schule wieder los, und obwohl Flora ziemlich müde war, war es nach den langen Sommerferien ganz lustig, wieder hinzugehen.

Auf dem Schulhof sah sie sofort Malte. Er war braun gebrannt und rief schon von Weitem: „Gratuliere, Flora! Ich habe gehört, du bist die Siegerin vom Besenwettfliegen!“

„Danke“, sagte Flora. „Schade, dass du nicht dabei warst.“


Plötzlich ging ein Raunen über den ganzen Schulhof und alle Hexenkinder sahen wie gebannt zum großen Tor. Da kam jemand mit wild zerzaustem Haar und einer Strickjacke mit vollgestopften Taschen angeflogen. Aber er saß nicht auf seinem Besen, wie jeder es tat, nein, er flog stehend!

„Das ist Laurus Nobilis“, sagte Flora. „Ich habe ihn beim Wettfliegen kennengelernt. Er ist neu im Hexenrosenstädtchen.“

„Neu und wohl auch ein bisschen verrückt“, murmelte Malte. „Wer fliegt denn schon im Stehen?“

„Vielleicht ist ihm sitzen einfach zu langweilig?“, meinte Flora. „Also ich finde das richtig hexig!“

Laurus kam in die gleiche Klasse wie Flora und Malte.

In der großen Pause nach den ersten beiden Schulstunden setzte er sich gemeinsam mit Flora und Malte im Schulgarten unter den Pflaumenbaum.

Laurus wusste eine Menge nützlicher Zaubersprüche. Einer ging so:


„Früchte am Baum,

es wär’ mein Traum,

wenn ihr den Ast verlasst

und in meinen Mund passt.“

Laurus lag auf dem Rücken im Gras und hielt den Mund sperrangelweit auf. Tatsächlich fiel in diesem Moment eine Pflaume direkt in seinen Mund.

Flora legte den Kopf schief. „Das war Zufall“, sagte sie schließlich. „So komische Hexensprüche gibt es nicht. Den hast du gerade selbst erfunden, gib es zu!“

„Was heißt da Zufall?“, fragte Laurus kauend. „Das ist höchste Hexenkunst.“ Er spuckte den Kern quer über den ganzen Schulgarten. „Und das hier ist höchste Spuck-Kunst.“

Malte pflückte sich eine Pflaume vom Baum, aß sie, so schnell er konnte, und spuckte den Kern in hohem Bogen über das Schuldach. Das war auch nicht schlecht!


„Jetzt ich!“, rief Flora, schnappte sich auch eine Frucht und spuckte den Kern ungefähr zwei Meter weit … direkt vor Majoranus’ Füße! Er stand da und grinste, seine beiden Freunde Piper und Salvia, die ihm stets wie Schatten folgten, neben ihm.

„Na, im Weitspucken bist du jedenfalls schwach unterwegs“, stellte Majoranus fest.

Flora schnaubte verärgert.

„Und mit deinen Flugkünsten ist es auch nicht weit her“, fuhr er spöttisch fort.

„Was soll das denn heißen?“, fragte Malte und richtete sich auf.

„Das soll heißen, dass Flora Flitzebesen eigentlich Flora Schwindelbesen heißen sollte“, sagte Piper. „Das Ganze war doch ein riesiger Betrug! Niemals fliegt Flora wirklich so schnell. Sie hat alle reingelegt!“

Malte, Flora und Laurus wollten gerade ganz empört etwas erwidern, da waren Majoranus und seine beiden Freunde schon weitergegangen.

In jeder Pause rief Majoranus Flora nun irgendeine Dummheit nach. Einmal rief er: „Puuuh, hier stinkt es nach Flugsalbe! Sicher ist es Flora. Die verwendet ja kiloweise Flugsalbe, das weiß doch jeder.“

„Sag mal, geht’s dir noch gut?“, rief Flora zurück. „Jeder nimmt Flugsalbe beim Besenwettfliegen.“

„Ja schon, aber nicht kiloweise“, meldete sich nun Piper.

„So ein Schwachsinn, es macht überhaupt keinen Unterschied, ob man den Besenstiel mit viel oder wenig Flugsalbe einreibt“, konterte Laurus. „Ihr seid echt blöd, wenn ihr das glaubt!“

„Ich weiß nur eins“, schrie Majoranus wütend zurück. „Flora hat geschummelt! Ich wette, dass ihre Oma ihr irgendeine verzauberte Flugsalbe gegeben hat und sie nur deshalb so schnell war!“

Flora zupfte Majoranus am Ärmel. Laurus und Malte standen dicht hinter ihr. „Du glaubst also, dass ich nicht die schnellste Besenfliegerin im ganzen Hexenrosental bin, ja?“, fragte Flora wütend.

Salvia war hinzugetreten. „Ich habe einen Vorschlag“, sagte sie. „Flora und Majoranus machen heute Nachmittag noch mal ein Wettfliegen. Nur die beiden, ganz ohne Flugsalbe und dann werden wir sehen, wer schneller ist.“

Flora verdrehte die Augen. „Das ist ja lächerlich, aber bitte sehr, wenn ihr unbedingt wollt.“ Sie überlegte kurz. „Wir treffen uns um Punkt drei Uhr an der Südostecke des Efeuwaldes.“

„Was sollen wir denn ausgerechnet da?“, fragte Majoranus erstaunt. „Im Efeuwald spukt es. Niemand geht freiwillig dorthin.“

Flora grinste zufrieden. „Das sollte doch so einen tollen Flieger wie dich nicht stören! Jetzt ist es nicht nur ein Wettfliegen, sondern auch eine Mutprobe! Wir werden pfeilschnell durch den Efeuwald fliegen. So schnell, dass der Spuk uns gar nicht erwischen kann.“

Majoranus sah gar nicht begeistert aus. Aber Malte und Laurus pfiffen durch die Zähne und klopften Flora anerkennend auf die Schultern.

Majoranus, Piper und Salvia warteten schon an der Südostecke des Efeuwaldes, als Flora, Laurus und Malte eintrafen. Hille flatterte heran und ließ sich etwas atemlos auf Laurus’ Schulter nieder.

„Also“, sagte Malte. „Beim Startpfiff fliegen Flora und Majoranus einmal quer durch den Efeuwald. Ich habe zu Mittag zusammen mit Salvia an der Nordwestecke des Waldes ein rotes Tuch angebracht. Es hängt an einer Tanne ganz am Waldrand. Dieses Tuch schnappt sich derjenige, der als Erstes dort ankommt, nimmt es mit und fliegt über die Baumspitzen hinweg wieder zurück an den Start. Wer das Tuch in den Händen hält, ist der Sieger.“

„Nun lasst uns eine Kontrolle machen“, sagte Piper. „Keiner von euch beiden darf Flugsalbe verwendet haben.“


Piper schnupperte an Floras Besenstiel und Malte schnupperte an Majoranus’ Besen. „Sehr gut! Es riecht nicht nach Flugsalbe“, stellten beide fest.

Malte und Salvia flogen nun über die Baumspitzen hinweg zur Nordwestecke. Sie wollten beim roten Tuch warten, um sicherzugehen, dass es keine Schwindeleien gab.

„Was ist, wenn der Spuk Flora erwischt?“, jammerte Hille. Laurus pflückte sich die kleine Helfe von der Schulter und sah ihr fest in die Augen. „Flora Flitzebesen wird so schnell durch den Wald flitzen, dass dem Spuk die Augen rausfallen werden“, versuchte er, sie zu beruhigen.

„Verfaulte Krähenkralle, können wir jetzt endlich anfangen?“, maulte Majoranus.

„Macht euch bereit“, sagte Laurus.

Flora setzte sich auf ihren Besen, beugte sich vor und konzentrierte sich. Majoranus tat es ihr nach.

„Viel Glück, Flora“, rief Hille. Dann erschallte ein greller Pfiff von Laurus’ Lippen.

Flora und Majoranus schossen mit ihren Besen hoch in die Luft und zwischen den ersten Tannen hindurch.

Du liebe Kreuzspinne, war das gefährlich! Man musste sich rechtzeitig ducken oder sich zur Seite drehen, um den Ästen auszuweichen. Der Wald war ein einziges Gestrüpp aus Tannenzweigen und Efeu! Die dunkelgrünen Ranken wuchsen an den Bäumen hinauf und baumelten in langen Bändern von den Ästen. Mehrmals verfing sich Floras Haar darin.

„Himmelhageldonnerwetter, das tut weh!“, schrie Flora. Der Efeu zog und zerrte an ihr, und es kam ihr vor, als würden ihr die Äste nur so entgegensausen.

Aber sie dachte gar nicht daran, langsamer zu fliegen. Geschickt lenkte sie ihren Besen zwischen all den Bäumen hindurch. Einmal schnalzte ihr ein Tannenzweig über die Wange.

„Auuuuh!“

Aber nichts da! Weiter, immer weiter! Flog sie überhaupt noch in nordwestliche Richtung? Und wo war Majoranus? Sie sah und hörte nichts von ihm.

Endlich lichtete sich der Wald ein wenig. Es schien so, als hätte Flora gleich den Waldrand erreicht.

„Na, hoffentlich bin ich nicht ganz am verkehrten Ende des Waldes angekommen“, murmelte Flora. Sie begann, nach dem roten Tuch zu suchen, von dem Malte gesprochen hatte.

„Nichts als Äste und Efeu in diesem Wald!“, schimpfte Flora vor sich hin. Doch da! Da leuchtete etwas Rotes. Flora schoss direkt darauf zu. Ja, es war das Tuch! Sie schnappte es sich flink von dem Tannenzweig.

„Bravo, Flora!“, rief Malte, der einige Meter entfernt aufpasste. „Du hast es geschafft!“

Flora strahlte ihren Freund an und dann pfiff sie über die Tannenwipfel hinweg, zurück in Richtung Südosten, wo die anderen warteten. Nur wo war Majoranus?

Laurus und Hille johlten vor Freude. „Flora, du bist die Schnellste! Ich wusste es!“, rief Hille. Im nächsten Moment fing sie an zu kichern. „Wie siehst du denn aus?“

Flora sah an sich herab. Ihre Kleidung war aufgerissen und überall hingen Efeu und Tannennadeln. Sie nahm ihren Hut ab und begann, Efeuranken aus ihren Haaren zu ziehen. Auch um die Spitze ihres Huts hatte sich eine Ranke gewickelt, aber Flora hatte keine Zeit, sie herunterzuholen, denn in diesem Augenblick kamen Salvia und Malte zurück.


„Wo ist Majoranus?“, riefen alle zusammen.

„Das wissen wir auch nicht“, antworteten Malte und Salvia. „Wir hatten gehofft, er sei inzwischen hier aufgetaucht.“

„Nein, keine Spur von ihm“, sagte Laurus.

„Komisch“, überlegte Flora. „Hoffentlich ist ihm nichts passiert.“

Noch eine ganze Weile standen die Kinder da und warteten auf Majoranus. Laurus kramte in seinen ausgebeulten Jackentaschen und fand einen Bleistift. Dann zog er aus seinem rechten Stiefel seinen Zauberstab heraus und tippte damit auf den Bleistift:


„Liebes Schreibholz,

sei nicht stolz.

Werde ein Fernrohr

oder lande im Moor!“


Es war kaum zu glauben, aber der Bleistift verwandelte sich tatsächlich. Zuerst fiel die Mine heraus, dann veränderte sich das Holzröhrchen und nahm die Form eines Fernrohrs an.

„Das ist echt hexig!“, rief Flora begeistert.

„Das ist mit Abstand der schlechteste Zauberspruch, den ich je gehört habe“, sagte Malte. „Liebes Schreibholz, sei nicht stolz … also echt!“

„Der Spruch hat funktioniert, oder?“, antwortete Laurus ein wenig beleidigt. „Man muss kein Poet sein, um gute Zaubersprüche zu erfinden. Das sagt mein Vater immer. Hauptsache, sie funktionieren.“

„Lass mich mal durchschauen“, meldete sich nun Flora. Sie hob das Fernrohr an und suchte damit den Himmel über den Baumspitzen ab. Doch Majoranus war nirgendwo zu entdecken.

„Als wir vorhin über den Wald flogen, habe ich Hilferufe gehört“, sagte Salvia.

„Was? Das sagst du erst jetzt?“ Malte sah sie entgeistert an.

„Ich glaube, ich fliege noch mal los und suche ihn“, sagte Flora schließlich.

„Kommt ja gar nicht infrage“, rief Hille. „Was ist mit seinen treuen Freunden hier? Sollen die ihn doch suchen!“

Gerade in diesem Augenblick stolperte Majoranus aus dem Wald heraus. Er hatte eine große Beule am Kopf und seinen Besen hielt er in beiden Händen. Er war zerbrochen.

„So, jetzt ist es wenigstens eindeutig!“, rief ihm Malte entgegen. „Genau, jetzt ist es eindeutig!“, rief Majoranus zurück. „Im Efeuwald spukt es, dass einem das Grauen kommt!“

„Das meinte ich nicht“, sagte Malte. „Ich meinte, es ist jetzt eindeutig, dass Flora die beste Besenfliegerin ist!“

Majoranus winkte ab. „Ganz offensichtlich hat Flora Glück gehabt. Mich hat der Spuk nämlich voll erwischt. Es war schrecklich! Ich bin vom Besen gefallen und dann wurde ich von allen Seiten gekitzelt. Anschließend hat man mir die Augen zugehalten und mich mit Efeuranken gefesselt. Als ich die Augen wieder öffnete, war nichts und niemand zu sehen. Ich lag auf dem Waldboden und konnte mich nicht bewegen. Überall hörte ich es flüstern und zischeln. So was von unheimlich, sage ich euch! Habt ihr meine Hilferufe nicht gehört?“

Majoranus sah fix und fertig aus. Ohne sich noch einmal umzublicken, stiefelte er Richtung Hexenrosenstädtchen. An seiner Kleidung hingen überall zerrissene Efeuranken.

„Was ist jetzt?“, rief ihm Hille hinterher. „Gibst du nun zu, dass Flora Flitzebesen die beste Besenfliegerin ist?“

Majoranus antwortete nicht. Er wandte sich nicht einmal um. Seine beiden Freunde folgten ihm in gebührendem Abstand.


„Lass nur“, sagte Flora zu Hille. „Es ist doch jetzt gar nicht mehr wichtig.“

„Fliegen wir nach Hause“, sagte Laurus. Malte, Hille und Flora nickten. Es sah nach Regen aus. Nach diesem Abenteuer würde es jetzt richtig gemütlich sein, in Floras Zimmer zu sitzen, Tee zu trinken und Hexenquartett zu spielen.

Flora Flitzebesen - Sammelband 2 in 1

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