Читать книгу Das 1 × 1 des Kartenlegens - Elfriede Jahn - Страница 8
ОглавлениеMEINE LEBENSGESCHICHTE
Meine Wiege stand in Wien und war sehr einfach. Wahrscheinlich lag ich bei meinen Eltern im Ehebett, denn es gab kein bißchen Luxus im Leben meiner Eltern. Wir lebten erst später in einem großen Mietshaus, und mein Vater und meine Mutter machten alle Arbeiten, die in diesem Hause zu tun waren, um es instandzuhalten. Sie waren die Hausbesorger. Dieser Berufsstand hat bis heute noch nicht zu Reichtum geführt, und so gab es halt immer den Kampf ums Geld. Zu meiner Familie gehörte bereits ein Kind, meine Schwester, die drei Jahre alt war, als ich zur Welt kam.
Ich weiß, daß wir arm waren. Trotzdem gab es einen immensen Reichtum während meiner Kindheit: die wärmende, alles überdeckende Liebe meiner Eltern. So tat es mir nicht weh, daß ich kaum anständige Sachen zum Anziehen hatte, daß oft nicht genug zu essen da war – und meine Eltern sich dieses Wenige, das wir bekamen, sicher noch vom Munde abgespart hatten. Mein Vater war aus dem Krieg mit einer schweren Kopfverletzung heimgekehrt, und er und wir litten oft unter seinen furchtbaren Anfällen von irrsinnigen Schmerzen. Er wußte dann nicht, was er tat, schrie und tobte, und wir fürchteten uns vor diesen Stunden. War der Anfall vorbei, gab es keinen besseren Menschen als ihn außer meiner Mutter. Denke ich heute an sie, so weiß ich, daß sie der liebevollste, gütigste, geduldigste Mensch war, der mein Leben begleitete.
Das Verhältnis zu meiner Schwester war leider immer getrübt. Wir waren wohl zu verschieden – innerlich und äußerlich – und ich denke heute, daß sie vielleicht Grund zum Neid hatte. Ich war die zarte, blonde Prinzessin, die alle Leute bewunderten, die viel kränkelte und daher vielleicht mehr umsorgt wurde als sie.
Ich wurde zu einer Zeit geboren, als die Welt sehr aus den Fugen war: Krieg, Armut, Hunger waren die Begleiter des täglichen Lebens.
Ich kam im Winter, als Steinböckchen, an einem kalten 11. Januar zur Welt.
Blicke ich jetzt auf meine Kindheit zurück, bin ich Gott dankbar dafür, daß ich nicht im Überfluß aufwuchs, denn dann hätte sich mein Leben bestimmt nicht in dieser Weise entwickelt, und ich hätte die vielen Facetten des Lebens niemals kennengelernt. Ich kann heute sagen:
„Ich bin durch Himmel und Hölle gegangen, nichts Menschliches ist mir fremd geblieben; ich durfte Reichtum und Armut kennenlernen, Gesundheit und Krankheit, Liebe und Verzweiflung. Ich habe den lauten Trubel der Welt erlebt und die Einsamkeit zu schätzen gelernt. Das Schönste gab mir Gott zum Schluß: Die vielen Menschen, denen ich seit nunmehr fast zwanzig Jahren raten und helfen darf.“