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ОглавлениеKapitel 1
Kommunikation
»Er sprach viel, sagte dabei aber wenig.«
Wenn Thomas sich nicht unmittelbar nach seinem Feierabend bei Franziska meldet, kann es passieren, dass zu Hause die Fetzen fliegen. Das Besondere dabei ist, dass sich der Streit ergibt, ohne dass auch nur ein einziges Wort gesprochen wird. Ein böser Blick und die Stimmung kippt.
Noch verrückter wird es, wenn wir uns vor Augen halten, dass Franziska oder Thomas mit ihrem vermeintlich bösen Blick gar kein böses Anliegen im Sinn haben. Vielleicht schauen sie einfach nur neutral und mit wenig Anteilnahme, und der jeweils andere interpretiert diesen Blick als »böse«.
In der Kommunikation zwischen Menschen lauern Falltüren. Wir können nicht nicht kommunizieren – sobald ein anderer Mensch anwesend ist, interagieren beide miteinander, ob sie wollen oder nicht.
Auf sprachwissenschaftlicher Ebene ist diese Weisheit ein alter Hut. Jedes Verhalten beinhaltet Kommunikation, ob es das gesprochene Wort ist, der erzeugte Tonfall, das angeschlagene Tempo oder die dargebotene Körperhaltung. Bereits 1967 haben Watzlawick, Beavin und Jackson in »Menschliche Kommunikation: Formen, Störungen, Paradoxien« festgestellt, dass wir in einer zwischenpersönlichen Situation nicht die Freiheit haben, nicht zu kommunizieren – denn auch nonverbale Äußerungen (Gestik und Mimik) führen dazu, dass der andere Mensch eine Botschaft wahrnimmt. Sogar dann, wenn wir schweigen, signalisiert unser Körper, dass wir nichts sagen wollen, und allein das ist ein Statement für sich.
Noch aus dem Deutschunterricht wissen wir, dass jede menschliche Kommunikation mehrere Seiten hat. Der Kommunikationswissenschaftler Schulz von Thun formulierte, jede Kommunikation bringe einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt mit sich (Schulz von Thun, 1981, S. 13). Wir teilen also nicht nur den Sinn der Worte (Inhalt) mit, sondern definieren auch, wie Sender und Empfänger einer Nachricht zueinander stehen. Die nötige Motivation vorausgesetzt, enthält jede Mitteilung Hinweise darauf, wie der Sender sie vom Empfänger verstanden haben möchte. Niemand sagt etwas mit der Absicht, nicht verstanden werden zu wollen; im Gegenteil, wir ersuchen das Verständnis des anderen und wollen, dass wir gehört und verstanden werden.
Jeder Mensch besitzt Wahrnehmungsfilter, anhand derer er die einfallenden Eindrücke sortiert. Ein »Würdest du morgen den Flur putzen?« kann je nach Wahrnehmungssystem des Empfängers alle möglichen Reaktionen hervorrufen, von Schrecken über Ärger bis hin zu purer Freude. Es ergeben sich unzählige Wirklichkeiten, so wie es auch unzählige Persönlichkeitstypen gibt: Jeder Mensch sieht und interpretiert die Welt und die Wirklichkeit anders. Die sogenannte Wirklichkeit ist nichts anderes als das Ergebnis der individuellen Wahrnehmung und Informationsverarbeitung.
Was genau ist Wirklichkeit?
Streng genommen ist Wirklichkeit nur eine Betrachtungsweise. Wie wir am Beispiel mit dem Flurputzen gesehen haben, kann die Reaktion unterschiedlich ausfallen, obwohl die Frage gleich bleibt.
Der Grund liegt in der Vielfalt der Menschen und deren unterschiedlichen Erfahrungen. Kein Mensch ist wie der andere und deswegen ist es nicht möglich, die Welt zu hundert Prozent so zu sehen, wie unsere Mitmenschen. Wir greifen auf einen individuellen Schatz an Lebenserfahrung zurück und niemand versteht die Welt exakt so, wie wir es tun. Das erklärt, warum ein Ereignis im Nachhinein von den Beteiligten immer anders erzählt wird. Es gibt zahllose individuelle Auffassungen von Wirklichkeit, die sich mitunter gegenseitig widersprechen. Eine ewige, objektive Wahrheit brauchen wir also gar nicht erst zu suchen; es gibt sie nicht, stattdessen ist Wirklichkeit immer subjektiv (Watzlawick, 1976).
Kommunikation ist genau deshalb störanfällig. Wenn wir die Welt aus dieser Sichtweise betrachten, existiert in der Wirklichkeit kein Streit, sondern eine endlose Schleife, da Kommunikation immer eine Abfolge von Aktion und Reaktion ist. Die Kommunikation gleicht einem Wechselspiel.
Thomas und Franziska merken das. Wenn beispielsweise er eine passiv-zurückgezogene Haltung an den Tag legt, neigt sie zu übertriebenem Nörgeln. Der Mann beschreibt seine Haltung als einzig mögliche Verteidigung gegen ihr Nörgeln, während sie nörgelt, weil er sie meidet. Daraus entsteht eine endlose Schleife, die wir grafisch so darstellen können:
Abb.1: Endlose Schleife bei einem Ehestreit (Watzlawick, Beavin & Jackson, 1980, S. 59)
Selbst die Frage danach, wer den Streit angefangen hat, lässt sich nicht klar beantworten. Es entsteht ein zwischenmenschlicher Teufelskreis, der in der jeweils eigenen Wirklichkeit begründet ist.
Genauso verschieden wie die Wahrnehmungsfilter sind auch die Vorstellungen darüber, wie eine Beziehung zu sein hat. Franziska möchte ihre Partnerschaft zu Thomas vielleicht anders gestalten als er – und beide reagieren wiederum auf die Vorstellungen des anderen, entweder mit Bestätigung, Akzeptanz oder mit Ablehnung. Die Kommunikation kann symmetrisch oder komplementär sein; die Beziehung basiert auf Gleichberechtigung oder Dominanz der Gesprächspartner.
Symmetrisch bedeutet, dass es sich um zwei gleich starke Partner handelt (die Partner bemühen sich, Ungleichheiten untereinander zu minimieren, sie können in Stärke, Schwäche, Härte wie Güte ebenbürtig sein), in der komplementären Beziehung gibt es immer einen »Superior« (primäre Stellung) und einen »Inferior« (sekundäre Stellung).
In jedem Fall ergänzen sich die Partner in ihrem Verhalten, wobei diese Beziehungen auch auf gesellschaftlichen oder kulturellen Kontexten beruhen können (Watzlawick, Beavin & Jackson, 1980).
Kapitel 1.1
Henne oder Ei
Sind wir Menschen rational oder emotional?
Es gibt viel Literatur, in der behauptet wird, Männer seien tendenziell rational und Frauen eher emotional. Bereits unsere Alltagserfahrungen zeigen, dass das so pauschal nicht stimmt.
Ob Mann oder Frau – wir sind in der Regel überzeugt davon, dass wir unsere Entscheidungen auf rationale und gut durchdachte Weise treffen. Wenn wir etwas tun wollen, sagen wir uns innerlich Sätze wie: »Es ist logisch, was ich sage«, »Ich habe es gründlich durchdacht« oder »Ich bin aufgrund der mir vorliegenden Faktenlage überzeugt«. Je vehementer sich jemand gegen unsere Argumente stellt, umso zähnefletschender verteidigen wir sie. Es scheint, als seien unsere Sichtweisen die »einzig richtigen«, blenden dabei aber aus, dass wir Emotionen in uns tragen, die uns beeinflussen, ob wir wollen oder nicht. Freude, Angst, Ärger, Trauer oder Wut – all das spielt in unsere Entscheidungsfindung mit rein. Unsere
Emotionen arbeiten stets im Hintergrund und lassen sich nicht ausschalten, sie sind mit unserem Wesen verbunden. Freilich wäre es einfacher, ohne die negativen und aufwühlenden Emotionen zu existieren, aber erstens wären wir dann Roboter – und zweitens sind es gerade die negativen Emotionen, die das »Salz in der Suppe« sind und uns den notwendigen Kontrast zu den positiven Seiten des Lebens vermitteln.
Körper und Geist lassen sich nicht voneinander trennen, ebenso wenig Emotionen von rationalem Denken. Jede Erfahrung in unserem Leben wird von Emotionen begleitet und verknüpft, sie werden sofort »aktiviert«, wenn wir uns in einer ähnlichen Situation wiederfinden. Unser Emotionsgedächtnis wird wach und wir reagieren nach unserem Bauchgefühl.
Antonio Damasio (1944) ist ein portugiesischer Neurowissenschaftler, der die Hypothese der somatischen Marker (soma [griechisch]: somatos – Körper) aufstellte. Diese besagt, dass emotionale Erfahrungen im Menschen verkörperlicht sind und auf diese Weise Entscheidungen beeinflussen (Damasio, 2020). Diese Aussage wäre ohne neurowissenschaftlichen Hintergrund nicht möglich gewesen.
Wie funktioniert unser Gehirn?
Wo landen die Reize, Impulse aus der Außenwelt?
Gemäß der neurowissenschaftlichen Denkweise beruhen Erleben und Verhalten auf dem Nervensystem, dessen Aktivität in Wechselwirkung mit anderen körperlichen Vorgängen (zum Beispiel Immunreaktionen, hormonelle oder Herz-Kreislauf-Aktivitäten) steht. Funktionell gliedert sich das Nervensystem in das zentrale Nervensystem (ZNS) (Gehirn und Rückenmark) und das periphere Nervensystem (stellt die Verbindung zu den Körperorganen und der Muskulatur her) (Asendorpf, 2007).
Abb. 2: Funktionelle Gliederung des Nervensystems (Asendorpf, 2007, S. 83)
Die meiste Informationsverarbeitung findet direkt im Gehirn statt. Dieses bildet die »Kommandozentrale« des Nervensystems und des hormonellen Systems. Die 2–4 Millimeter dicke Oberfläche, auch Großhirnrinde (Kortex: lat. »Cortex«) genannt, enthält zirka 14 Milliarden Neuronen und besteht aus einer linken und einer rechten Hälfte (= Hemisphäre). Beide Hälften sind durch einen breiten Nervenstrang (Balken) miteinander verbunden.
Auf der Großhirnrinde lassen sich verschiedene Bereiche lokalisieren: Die primären Felder im sensorischen Kortex verarbeiten Informationen, zum Beispiel über das Sehen, Hören oder einfache Bewegungen (Finger, Mimik). Unter der Großhirnrinde befinden sich die evolutionär älteren Teile: das Kleinhirn (Gleichgewicht, Bewegung, unbewusstes Lernen), der Thalamus (Vermittlungsaufgaben zwischen sensorische und motorische Informationen zum und vom Großhirn), der Hypothalamus und die Hypophyse (zentrale Kontrollorgane des hormonellen Systems). Außerdem liegt dort das limbische System, das sich aus Amygdala (Mandelkern), Hippocampus und Gyrus cingulus zusammensetzt. Letztere ist für die emotionalen Bewertungen und Reaktionen verantwortlich und spielt eine große Rolle für die Gedächtnisbildung. Der Hirnstamm ist unser evolutionär ältester Teil; er ist zuständig für elementare und reflexartige Steuermechanismen (ebd., 2007).
Abb. 3: Limbisches System (Blausen, 2014)
Aus Fernsehsendungen und Erklärvideos wissen wir, dass bestimmte psychische Funktionen räumlich definierten Gehirnarealen zugeordnet werden, etwa das limbische System als der »Sitz der Emotionen« oder die rechte Großhirnrinde als die, die der Intuition naheliegt. Auch wenn das nicht ganz falsch ist und sich primäre Rindenfelder gut mit bestimmten sensorischen Qualitäten verbinden lassen, sind mehrere, voneinander getrennte Hirnareale an den komplexen Leistungen des Gehirns beteiligt – und nicht nur ein einziges. Bei Angstreaktionen werden viele biologische Systeme aktiviert und Emotionen finden im gesamten Körper statt, nicht nur im limbischen System (Asendorpf, 2007). Außerdem muss in Betracht gezogen werden, dass wir auf biochemischer Ebene derzeit zirka 60 verschiedene Substanzen kennen, die an der menschlichen Informationsverarbeitung beteiligt sind (Gazzaniga & Heatherton, 2003). Die Zuordnung biochemischer Systeme zu Informationsverarbeitungsprozessen muss also mit Vorsicht behandelt werden; genau wie die räumliche Zuordnung sind diese Beziehungen erst ansatzweise erforscht (Asendorpf, 2007).
Mithilfe bildgebender Verfahren (zum Beispiel fMRT oder PET) können wir feststellen, welche Hirnareale zu welchen Zeitpunkten aktiv sind. Wenn benachbarte Regionen an verschiedenen Funktionen beteiligt sind, kann das ein Hinweis auf eine Art Zusammenarbeit dieser Funktionen sein. Die rechte Hemisphäre unterstützt etwa das Wörterlesen sowie die Verarbeitung von Emotionen und bildet zudem das Areal der Selbstwahrnehmung (Kuhl, 2010). Sie wird umfassender und direkter mit Körpersignalen versorgt als die linke und wir müssen damit rechnen, dass Leistungen, die eng mit Intuition, kreativen Einfällen oder Assoziationen zusammenhängen, beeinträchtigt sein können, wenn die Körpersignale für diese Leistung nicht mehr vorhanden sind. Dies wurde von Antonio Damasio beschrieben (Damasio, 2004).
Da die Hirnareale zusammenarbeiten und den »Informationsaustausch« innerhalb von Millisekunden abwickeln, hat dies eine sofortige Auswirkung auf unser Verhalten und entsprechend auch auf unsere Kommunikation, denn Verhalten wirkt sich immer auf unsere Kommunikation aus (Watzlawick, 1980). Die Verarbeitung der Signale, seien sie verbal oder nonverbal, erfolgt in unserem Gehirnareal.
Zusammenfassend kann man sagen, dass die Vorstellung, wir seien rein rationale Wesen, bei denen Körper und Geist getrennt existieren, einem Irrtum gleichkommt. Das Denken ist nicht das Selbst, da wir nicht nur Gedanken, sondern ebenso Emotionen haben und Gefühle empfinden, positiv oder negativ. Jede Reaktion ergibt sich aus Gedanken und Gefühlen.
Kapitel 1.2
Kurzschluss- und bedachte Reaktionen
Nicht nur Franziska und Thomas kennen das; wir alle werden immer mal wieder von Kurzschlussreaktionen heimgesucht und nur wenige Minuten später fragen wir uns, was da gerade eben vor sich gegangen ist. Wie kann das sein?
Die klassischen Persönlichkeitstheorien beschreiben die kognitiven und emotionalen Erstreaktionen, mit denen wir auf Situationen reagieren, und die abhängig davon sind, ob jemand eher optimistisch oder pessimistisch, gelassen oder besorgt, mutig oder ängstlich, misstrauisch oder vertrauensvoll ist. Solche Erstreaktionen sind teils genetisch bedingt (und daher kaum veränderbar), teils basieren sie auf früheren Erfahrungen. Die genetischen Dispositionen sind bei manchen stärker ausgeprägt als bei anderen.
Die Erstreaktionen zeigen sich – wie der Name schon sagt – als erste unmittelbare Antwort in bestimmten Situationen. Durch sie hinterlassen wir einen ersten Eindruck, anhand dessen wir eingeordnet und beurteilt werden.
Eine ängstlich wirkende Person kann auf den ersten Blick als »schwach« eingestuft werden, obwohl diese vermeintliche Schwäche bloß eine tief verwurzelte Stärke verdeckt, die erst sichtbar wird, wenn man erlebt, wie engagiert und freudig die Angst überwunden wird (Kuhl, 2010). Wie Stephen Hawking sagte: »Quiet people have the loudest minds« (engl.: »In ruhigen Menschen geht es oft am lautesten vor«).
Wir sprechen gemeinhin auch vom Temperament, also der emotionalen Reaktionsstärke und Bereitschaft eines Menschen, die Stimmungen und Gefühle zu äußern. Es ist Ausdruck der individuellen Besonderheiten in emotionalen und formalen Aspekten des Verhaltens, die schon sehr früh in der Entwicklung vorhanden sind und im Laufe unseres Lebens ziemlich stabil bleiben. Daher ist das Temperament der Grundstein der späteren Persönlichkeit (Lexikon Stangl, 2020). Thomas zum Beispiel ist ein eher ruhiger Zeitgenosse, den nichts aus der Bahn werfen kann und bei dem es dauert, bis er gefühlsmäßig »auf Touren kommt«.
Wie sehen unsere eigenen Erstreaktionen aus? Kann man sie messen und unter die Lupe nehmen? Sind wir, wenn etwas nicht so läuft, wie wir es uns vorstellen, verärgert oder reagieren wir verhalten und sprachlos? Oder, genereller gefasst: Wie erleben wir eine bestimmte Situation und wie sieht unsere Reaktion darauf aus? Manchmal merken wir, wie groß der Unterschied zwischen unseren ersten Reaktionen und dem späteren Verhalten ist.
Ein Beispiel dazu: Herr Baumann repariert sein Auto und ist tief in die Arbeit versunken. Sein Telefon klingelt und er hebt gereizt ab: »Was ist?« Sofort korrigiert er sich: »Entschuldigung –wie kann ich helfen?« Seine Verärgerung darüber, dass er aus seiner Arbeit gerissen wurde, trat als natürliche Erstreaktion auf und wich einem freundlicheren Verhalten, nachdem er seinen unangemessenen Ton unmittelbar reflektierte.
Wie ist es möglich, nach unserem Erstimpuls anders zu reagieren?
Wir können lernen, den Umgang mit unseren Erstreaktionen zu verändern. Der PSI-Persönlichkeitsanalyse-Test von Julius Kuhl zeigt uns nicht nur unsere tiefliegenden Motive und unsere Selbststeuerung, sondern kann auch die zugrundeliegenden persönlichkeitstypischen Erstund Zweitreaktionen auf der emotionalen und der Verhaltensebene (kognitiver Stil) erfassen. Dadurch wird die klassische Diagnostik, wie zum Beispiel die Big Five (siehe Punkt I. e) konkretisiert und differenziert.
Es folgen Tipps, anhand derer wir unsere Erstreaktionen auch ohne Test besser wahrnehmen können: In einem ersten Schritt können wir Beispiele sammeln, wie unsere spontanen Reaktionen aussehen. Denken Sie an eine Situation, in der Sie spontan reagiert haben und stellen Sie sich folgende Fragen:
• Wie habe ich mich gefühlt? (Empfand ich Freude, Ärger, Wut oder Zufriedenheit?)
• Wie habe ich mich verbal ausgedrückt? (Welche Wörter habe ich verwendet und in welcher Reihenfolge?)
• Wie sah mein Verhalten aus? (Habe ich gestikuliert? Hatte ich eine gerade Körperhaltung oder war ich nach vorne/hinten gebeugt?)
• Wie hat die andere Person auf mich reagiert? (Zeigte sie Emotionen? Welche Emotionen konnte ich wahrnehmen? Was hat sie gesagt und wie hat sie sich verhalten?)
Die Beschreibung der Geschehnisse sowie eine bildliche Vorstellung darüber helfen uns, unsere Emotionen, je nach Situation, besser wahrzunehmen.
Der zweite Schritt besteht darin, dass wir uns die Frage nach dem »Warum« stellen: Wie kam es dazu, dass ich so reagiert habe? Wenn wir von Zwangsimpulsen absehen, kommt eine Reaktion für gewöhnlich nicht aus dem Nichts, sondern entstammt einem Bedürfnis, das auf einen Mangel hinweist. Wenn ich in den Kühlschrank greife, tue ich das, weil ich hungrig bin. Wenn ich einen Freund anrufe, um ihm etwas Nettes zu sagen oder mir ein Ohr zu leihen, empfinde ich einen Mangel an Aufmerksamkeit. Wenn ich mein Auto repariere und dabei unterbrochen werde und verärgert reagiere, bedeutet das, dass ich einen Mangel an Ruhe verspüre.
Wir können unsere Bedürfnisse in einer konkreten Situation wahrnehmen, indem wir kurz innehalten, tief Luft holen und warten, bis die ersten Impulse (wie wir am liebsten reagieren würden) schwächer werden. Gerade bei Konfrontationen werden zuerst oft negative Gefühle wie Wut, Ärger oder Angst hervorgerufen. Dadurch entsteht eine Blockade, weil wir den Kontakt zu unserem Selbst verlieren und unsere Bedürfnisse nicht mehr wahrnehmen. Die Selbstwahrnehmung braucht allerdings ein bisschen – mit Sofortreaktionen geht das nicht. Während dieser »Wartezeit« haben wir die Möglichkeit zu überlegen, wie wir gegenüber unserem Gesprächspartner reagieren möchten und was wir eigentlich von ihm wollen, was also das Ziel unserer Kommunikation ist. Die Ruhe können wir bewahren, indem wir ihn nicht unterbrechen, sondern aktiv zuhören. Anstatt sofort Antworten zu liefern, können wir Fragen stellen, um ein besseres Bild über seine Absichten, Vorstellungen und Wünsche zu erhalten.
Diese Ausgangslage ist ruhig und hilft uns dabei, in die anderen hineinzufühlen und Empathie aufzubringen. Auf diese Weise entsteht eine kooperative und auf gegenseitigem Verständnis basierende Kommunikation. Wenn wir das üben, wird es uns immer leichter fallen, diesen Kommunikationsstil beizubehalten und wir werden in ähnlichen Situationen »automatischer« reagieren.
Noch eine kurze Bemerkung: Häufig gehen wir davon aus, dass wir wissen, was der andere von uns verlangt oder welche Absichten er verfolgt. Ist dem wirklich so? Sehen wir die Gedanken des anderen wie auf einem Bildschirm – oder befinden wir uns nicht vielmehr in unserem eigenen Kopf?
Meine Vorstellungen über andere Personen sind immer, ohne Ausnahme, subjektiv. Jede Person hat seine individuelle Lebensgeschichte, die durch Emotionen, Wissen und Erfahrungen geprägt ist. Kein Mensch gleicht dem anderen – und so können wir auch nicht sicher wissen, was im Kopf dieses anderen Menschen vorgeht. Bevor wir uns in Interpretationen verheddern und diese zum Besten geben, sollten wir erst aufrichtig zuhören (Gedankenwelt, 2020).