Читать книгу Der Gang durch das Ried - Elisabeth Langgässer - Страница 6
III
Оглавлениеin dieser Nacht noch wurde es kalt; der Wind fing an, sich zu drehen und kam von Nordosten her. Die Feuchtigkeit in den höheren Schichten der Luft verwandelte sich und schnürte in grauen Flocken, unwillig, unentschlossen, in welcher Form sie verharren sollte, von dem erweiterten Himmel nieder, der sich allmählich zu wölben und den Orion heraufzuführen, seine Tiefe zu klären begann.
Aladin war in das Haus gekrochen, von dem er bis jetzt noch nichts als das Dach und die zackigen Steinmauern kannte; er hatte seinen Tornister geöffnet, und weil er nicht wagte, Licht zu machen, eine finstere Mahlzeit gehalten. Sein Reiseproviant ging zu Ende; er bedachte es aber so wenig, wie ein Pferd vor der nächtlichen Krippe, das mit schnaubenden Lippen die letzten Körner aus der hölzernen Wanne nimmt. Zwei Tüten, eine mit Salz, die andere mit Zucker, hatten still ihren Inhalt entleert; ein hartgesottenes Ei war zerquetscht, die kalkige Schale zerbröckelt und überall hängengeblie; ben. Wenn er kaute, knirschte die Speise im Mundseine Hände griffen, nach Nahrung suchend, in die vermischten Dinge und schoben sie ungeschieden in die schwärzlichen Zähne hinein. Es mundete Aladin wie Kindern, wenn sie auf Puppenherden den ersten Kuchen gebacken und heiß verschlungen haben; auch war noch ein Rest von Pfefferminzschnaps in der kleinen Flasche gewesen, den er hinunterschmatzte . . . Nun trat er aus Schuhen und Strümpfen, zog an brüchiger Kette ein Silberstück, eine dünne Medaille, zwischen dem Hemd und seiner Brust hervor und nahm sie, wie ein Säugling die Nuckel, in den Mund; schob, rückte, rutschte die Knie an und bedeckte sich mit dem schlissigen Zeug einer alten Kamelhaardecke, die den Krieg und die Besatzung trüb überdauert hatte.
Dann fiel er in den Brunnen einer tiefen Bewußtlosigkeit. Sehr kühl und zugig war es dort unten, und die Ratten, die den trockenen Grund mit den grauweißen Flechten besiedelten, nagten unermüdlich das Mauerwerk an. Bald mußte ein Stein durchbrochen, die Mitte der Nacht zersägt sein. Schon war eine Spalte entstanden, durch welche ein feldgraues Tier den dürren Körper zwängte, als wieder neuer Mörtel, Grieß, Staub darüberstürzte und die Ratten verschüttete. Von heftigem Niesen gepeinigt, erwachte Aladin. Er mußte geschnarcht und mit offenem Mund die Spreu der Matratze geatmet haben, welche leise unter ihm stank. Auch merkte er nun, daß ihn fror, und setzte sich klagend hoch; er rückte fest in die Mauerecke, zog von neuem die Beine dicht an den Leib und wartete auf den Schlaf. Es war vollkommen still um den hockenden Mann in seinem Höhlengrab, den Embryo im Stein. Er bewegte den Mund und kaute die Eierschale, die ihm am Gaumen hing. Eine Weile darauf kam ihm vor, als hätte er Brot in den Händen und bräche es entzwei. Die Kruste, narbig und hart, war ringsum mit Schimmel bezogen; der Brosamen gleich darunter schien löcherig und rauh. Er hob es an die Augen und wußte: man hatte ihm würmiges Brot, einen großen Rist, zu essen gegeben, der gräulich wimmelte. Bald sah er vor Maden den Mehlback nicht mehr und bröckelte deshalb die oberste Schicht, hierauf die folgende ab, welche reinlicher, aber noch immer von Würmern durchzogen war. Die nächste schien etwas heller, als sei sie aus anderem Teig gemacht und auch freier von Ungeziefer, die übernächste desgleichen; es folgten einander die Schichten und klärten sich immer mehr, bis endlich die letzte hervorkam: weiß, strahlend und so fein, daß Aladin nicht wagte, sie mit den schmutzigen Fingern, dem Stoppelmund zu berühren, und indem er sie ansah, geblendet wurde, daß die Augen ihm übergingen . . .
Es war heller Tag, in dem Mauerloch stand eisigblauer Himmel. Der Mann erhob sich ächzend, schlug mit geballten Fäusten seine steif gefrorenen Glieder an und öffnete die Tür. Die Bäume waren entblättert, fast kahl, mit einem leichten Glast auf den Stämmen, die räumlicher schienen, tiefer führten und in den Winter gingen. Das Laub auf der Erde glänzte metallisch und schien seine pflanzenhafte Natur verwandelt oder vergessen zu haben: scharf abgegrenzt, legte sich Blatt auf Blatt und brach unter Aladins Schritten spröde und leblos entzwei. Auch die Geräusche, die fernher kamen, hatten plötzlich an Härte gewonnen, an schreckhafter Deutlichkeit. Eine Bauernkarre auf der Chaussee ging rasselnd in allen Eisenteilen, umpfiffen von Peitschenschlägen, vorüber; zwei Radglocken, hoch und tief, schlugen kräftig in ihrem Gehäuse an; das schleifende Heulen und Rauschen der elektrischen Vorortwagen zog seine Straße hin.
Als bürstete dieser Lärm ihm krätschend über den Rükken, fuhr Aladin zusammen und sah ängstlich im Kreis umher: es war alles sehr offen geworden und hatte Löcher bekommen, ja, wie ihn dünkte, schien jetzt die Gegend aus lauter Fenstern gemacht zu sein, nicht Fenster, um hindurch in fremde Räume zu sehen, sondern solche, aus denen Verrat auf seinen Nacken schaute. Nun hätte er gerne wieder geschrien, doch schlug ihm die Stimme der Wirklichkeit den Schrei in den Hals zurück; so streckte er nur zaghaft den kleinen Finger aus und stieß in die Luft hinein, schien seine Befürchtung bestätigt zu finden und drehte sich vorsichtig um. Sein Haus sah ihm gleichgültig, fremd, entzaubert und kalt entgegen; noch nicht eine Wasserleitung, fuhr es ihm durch den Sinn. Doch, hier lag eine Röhre; sie kam ungefähr aus der Richtung des Offizierskasinos und war oberirdisch geführt, schien aber kein Trinkwasser zu enthalten und würde bei Frost bald geplatzt oder eingefroren sein. An der Außenwand war ein Kranen. Aladin drehte ihn auf, und gelbliches Schmutzwasser, das sich erhellte und langsam sauber wurde, schoß wie der Geist aus der Flasche: so nämlich, als ob es gewartet hätte, endlich befreit zu werden, mit protzendem Zischen heraus . . . Der Mann nahm sich vor, die Leitungsröhre zum Ursprung zu verfolgen und sie mit Tannenzweigen notdürftig einzudecken, drehte heftig den Hahn wieder ab, der nur widerwillig gehorchte, und trat in das Steingeviert.
Etwas Roheres ließ sich nicht denken. Der Fußboden war gestampfte Erde, an der einen Wand lief eine Bank entlang, in die andere waren Haken geschlagen und zwei eiserne Halter mit Ringen, in denen Kienspäne oder Laternen mit trüber Funzel gesteckt haben mochten. Von alten Lumpen verhüllt, stand etwas in der Ecke. Der Mann hob die Tücher empor und entdeckte einen Petroleumofen, mit einer strohernen Matte umwickelt, vollkommen neu, einen Dochtkranz tragend, der noch niemals gebraucht worden war. Daneben lag eine Flasche, die etwas Erdöl enthielt; sie war schlecht verkorkt und floß, als sie Aladin anstieß, bis auf den Bodensatz aus. Er pfiff durch die Zähne: Diebesgut, das einer hier untergestellt, doch nicht mehr abgeholt hatte – ein Rabenbrot für Elias; ein Linsentopf für den armen Mann in seiner Löwengrube. Hehe, wie hatte er nur gedacht, daß er nicht bleiben könne? Nun würde er Erdöl kaufen, ein blankes Feuerchen machen. Oder wäre es möglich, die Flasche einfach ins Freie zu stellen, und Gott ließ Petroleum regnen? Es war nicht wahrscheinlich und lange her, daß Manna gefallen war. Manna . . . jetzt sah er das Traumbrot wieder und wußte, daß er nach Erdöl gehen und selber suchen müsse, was ihm die Eingeweide zu wärmen imstande wäre.
Er raffte die Lumpen auf, ballte sie und trocknete mit ihnen die gelbliche Flüssigkeit, die den Raum mit Gestank erfüllte; ging hinaus an die Leitung, wusch seine Hände und kramte in dem Tornister, dem er den Paß, eine Börse mit Silber und die Brieftasche mit dem Papiergeld entnahm, eine größere Summe, von der er nicht ahnte, wieso er sie besaß. »Au revoir . . .«, er setzte die Schildkappe auf und lüftete sie wieder, als sei der eigentliche auf dem Kalbfelltornister sitzengeblieben; dann ging er samt der Petroleumflasche sehr eilig über die Schwelle und knallte die Türe zu.
Dicht an der Hauswand hatte noch gestern ein Bergasternbusch geblüht. Er mochte vom Wind aus den Gärten der Villenkolonie, die jenseits der Landstraße lag, von Besatzungssoldaten, die überall ihre Baracken mit Blumenzeug umzogen, hierher gebracht worden sein. Nun waren die blassen Sterne tiefschwarz zusammengeschrumpft, die hellen Staubgefäße zu einem nußbraunen Butzen geworden, die Stengel aschengrau. Aladin stieß mit dem Fuß darnach, dann setzte er die Flasche, die er bis dahin umklammert hatte, stillschweigend nieder und riß das Gebüsch mitsamt seinen Wurzeln aus. Indem er noch rodete, kam der Kopf eines Steckenpferdes hervor. Bäh – es war handgeschnitzt, angemalt und stak mit dem Stock in der Erde. Allons, er zog es ans Tageslicht und klemmte es zwischen die Beine, fing lustig zu reiten an. Es ging rings um das Munitionsgebäude, einmal und zweimal und noch einmal. Dazu sang er mit schallender Stimme den Anfang eines Liedchens; ergötzte sich daran. Hopp – endlich sprang sein Gedächtnis wie über einen Stein und half seiner Stimme weiter: »fällt erin den Graben, fressen ihn die Raben. . .«, »die Raben?« Er stutzte, blieb stehen und ließ das Steckenpferd los. »Die Raben! Die Raben! Die Raben!« der Mann bedeckte die Ohren und hörte sich selber rufen, dann wieder stille werden, griff nach der Erdölflasche und wanderte davon. . .
Er ging mit gekrümmtem Rücken dem Leitungsrohre nach, das ihn zum Lager führte und bald offen zutage trat, bald von Unkraut und Unterholz dicht überwuchert wurde. Dabei entfiel ihm der Vorsatz, es frostsicher einzudecken, er hieb mit dem Gürtelmesser die Brombeerzweige ab, wo sie das Rohr verbargen, und geriet, indem er den Kopf beständig nach unten hielt, in einen flimmernden Zustand von Selbstvergessenheit . . . Hallo, hier waren Bögen, aus flachen Ziegelsteinen erbaut, und oben mit einer Rinne versehen, durch welche Wasser schoß. In den Mauerbögen wuchs Gras, und frischer blaßblauer Himmel erfüllte sie, straffte sich zwischen ihnen wie ein gewaschenes Tuch. Sie kamen, wie ihm scheinen wollte, weit aus dem Innern des Landes und führten, ich weiß nicht, wohin . . . Verflucht, er stolperte, hielt sich fest und riß sich die Hände an einer Ranke blutig, erwachte und sah, wie die Mauern zerfielen, um als gewöhnliche Wurzelstümpfe am Rand der Röhre zu hocken. Gut: aus dem Innern des Landes. Er ging in das Innere. Um Wasser zu holen. Nein, Erdöl. Das Wasser kam von selbst. Wo war seine Flasche? Da lag sie und hatte den Korken verloren. Nun, der Kaufmann besaß wohl noch andere, und Geld, er klapperte mit der Börse, war ja genug vorhanden. Dann zählte er an den Fingern ab, was er besorgen wollte: »Wasser. . .« er schauderte, schüttelte sich und dachte an den Regen. »Brot . . .?« »Würmerbrot!« sagte er zornig und stieß mit dem Fuß darnach. Also Erdöl. Richtig. . . nur Erdöl und einen Korken dazu. Ach, ein Korken war gut und verstopfte das Loch, aus dem die Gedanken rannen.
Die Flasche im Arm lief er weiter und kam an einer Schonung mit jungen Buchen vorbei, die man eingesetzt hatte, um Mischwald zu haben, der trotz dieses mageren Bodens schön zu gedeihen schien; hierauf an den riesigen Eisenmasten der Hochspannungsleitung vorüber, die, je nach der Beleuchtung, bald mystischen Tiergerippen, bald Tempelpforten gleichen, die in ein Heiligtum führen, dessen Wände unsichtbar sind; zuletzt über sandiges Dünengelände, das die Truppen zu künstlichen Hügeln, zu Schluchten, Schießscharten, Höhlen gestaltet und aufgetrieben hatten wie den Bauch einer Geiß, wenn sie trocken steht, geschwängert mit Geschossen, nach denen diese Erde wie nach den Eisengerüsten und den Buchenreisern verlangte. . . diese Erde, die nur davon lebt, sich beständig verändern zu lassen, und nicht weiß, wie sie aussehen würde, wenn nicht Menschen über sie hergefallen und von ihr angereizt worden wären, das Bild ihres eigenen Wesens aus ihr hervorzutreiben. Doch war, was auch herauskam, schon wieder dunkel geworden, und wenn man es befragte, so gab es nicht ja oder nein, sondern, ach, wie vieles zur Antwort, das durcheinanderging . . . Diese Sandschlucht zum Beispiel – der Mann sah hinüber und hörte Knabenstimmen – was wollte die doch bedeuten?
Er näherte sich, nahm Kinder wahr, die den letzten Tag der Kartoffelferien mit Räuberspielen verbrachten und, auf Händen und Füßen kriechend, die Ränder bewimmelten. Nun brachten sie einen Gefangenen her und warfen ihn in die Höhle, sie fesselten seine Hände und erschossen ihn dann mit Scherzpistolen, deren Zündplättchen in der klaren Luft hart und belustigend krachten. Das Kind sank wahrheitsgetreu in den eckigen Knien zusammen, kugelte seitwärts zur Erde, zuckte und legte sich hin. Die Revolvertruppe zog wieder ab und ließ nur zwei Wächter zurück, die sich hoch auf der Schlucht postierten. »Bon jour«, sagte Aladin laut und dann erst Guten Tag, als er am Eingang stand. Die Buben sahen ihn an und stoben eilig davon, der Tote rührte sich nicht. »Brav! brav!« nickte Aladin, von wilder Freude erfüllt, und starrte besessen hin. In der Ferne tobten die andern und sammelten sich unter Pfiffen, ihre Stimmen entfernten sich rasch und liefen, da nirgends ein Echo war, wie runde feste Tropfen an einer Ölhaut ab.
Mit einem Ruck fuhr der Knabe empor und blickte den Fremden an. Sie waren beide erschrocken, der Mann bedeckte die Augen und flehte: »liegen bleiben!«
»Nä«, gab der Junge patzig zurück, seine Angst unter Frechheit verbergend.
Der Mann warf ein Silberstück hin: »Pst, pst, nicht herauskommen«, bettelte er, »bis der Franzos’ um die Ecke ist.«
Der Junge begriff. »Spielt ihr mit?«
»Ja«, flüsterte Aladin.
»Ach so«, er steckte das Geldstück ein und legte sich auf den Rücken; wie ein Sandvogel rannte Aladin mit vorgestrecktem Kopf und lächerlich kurzen Schritten durch die künstlichen Dünen davon.
Erschöpft blieb er endlich am Eingang der Lagergrenze stehen und drehte sich vorsichtig um. Es war niemand nachgekommen; es war nicht herausgekommen, das kleine Tote dort... Weil der Weg ihn hinangeführt hatte, umfingen die Blicke des Mannes das eben begangene Land. Die Mittagssonne durchtränkte den Himmel mit feuerblauem Glanz und kerbte den unbewegten Saum der hohen Kiefernwälder, deren Kreis die Schonung der Buchenstämme und den Zug der Maste umschließt, tiefschwarz am Horizont ein. Diesen Blick – er kannte ihn doch aus einem anderen Leben, das er verlassen hatte, um Aladin zu werden. Er war ihm vertraut, freilich so, als ob er vorher von Stangen umrahmt und eingeschlossen gewesen, jetzt aber offen wäre. Richtig, hier hatten Baracken gestanden, die nach dem Vertrag zerstört werden mußten, als die Truppen das Land verließen. Man konnte noch deutlich bemerken, wie das Gras ihren Grundriß bezeichnete, und die ausgesparte Fläche erkennen, welche Wohnraum gewesen war. Sie lag dürr und tot, gleichsam ausgebrannt, wie es Aladin vorkam, und man konnte sich denken, daß Klette und Beifuß sie nur langsam, fast widerwillig, besiedeln und dem übrigen Boden angleichen würden. »Wüst!« sagte der Mann und empfand gleich darauf einen stechenden Schmerz im Hinterkopf: eine reißende Klarheit, die ihm das Hirn wie ein Fremdkörper zu zersprengen drohte. . . die Bodenfläche entflammte sich, wurde glühend und ockergelb, von einem Himmelsrand abgegrenzt, dessen Bläue nicht zu ertragen war . . . hier hatten doch die Männer der Fremdenlegion gelegen, die deutschen Legionäre, gleich hinter dem Militärgefängnis, dessen Backsteinbau mit den kleinen, hoch eingesetzten Fenstern dort drüben zu sehen war? Und weiter. . . was weiter, Aladin? Der Schmerz hatte nachgelassen, eine dumpfe, betäubende Leere erfüllte seinen Kopf. In einiger Entfernung ging eine große Säge beharrlich auf und nieder; sie schien ihm die harten Nähte seiner Hirnschale aufzubeißen, ihm schrecklich helfen zu wollen . . . Ruhig – es war keineswegs Gottes Säge, deren Zähne ihn raspelten; er sah jetzt deutlich das Eisen durch die mageren Büsche blitzen und ging erschöpft darauf zu. Ja, wirklich: da sägte einer in dem offenen Gartenhaus, das zu der eingezäunten Gemüsepflanzung gehörte, die schon in deutschen Zeiten dem Anbau von Borratsch, Dill, von Blumen und Obst hatte dienen müssen, jetzt aber nichts anderes mehr als ein verwilderter Grasgarten war, den das graubraune Laub der Zwetschgenbäume dicht überrieselt hatte.
»He, Kamerad!« rief Aladin, der sich selbst und den Ton der Säge nicht länger ertragen konnte. Der andere hörte ihn nicht, hielt die Stirne gesenkt und schaffte mit verbissenem Ausdruck weiter. Der Wanderer trat an den Gartenzaun und merkte: da war was nicht richtig; der Mann zersägte ein Schemelchen und hatte schon eine Bank, einen Tisch, ein Regal zerkleinert, deren Teile neben ihm lagen. Nun ja, hier erwischte wohl jeder den andern auf einer Missetat; und fragte er, Aladin, diesen Mann, so würde der rückwärts deuten, mit den Schultern zucken wie alle und ihm zur Antwort geben, dieses Zeug sei zu nichts anderem wert, als daß man es eingrabe, kleinhacke, säge, verbrenne und vergesse. Ein Zeitalter wurde zerhauen, und es war nicht gut, wie ein Wildschwein in dem Boden nach Trüffeln zu suchen. Wer suchte, der fand wohl – doch nichts, was ihm zur Nahrung dienen und seinen Bauch, wenn er abgesackt war, aufs neue mästen könnte. Eingraben . . .! Zuschütten . . .! befahl sich der Mann, salutierte, stand stramm: zu Befehl. Er schulterte die Flasche, ging im Paradeschritt ab. Marschieren. Marschieren. Marschieren. Da hinten schloß sich das Totenfeld mit seinen steinernen Kammern; das Stumme, das Niegesagte, sank wie ein Zug Fische zum Wassergrund, wenn es kälter wird und die Decke vereist, wenn die Netze hereingeholt und geflickt, die Korken erneuert werden . . . Korken! Jetzt wußte er endlich, wo er ihn hernehmen sollte, wo sein Brot für den Winter gebacken würde, sein Feuerchen knackte und sprang. Er mußte zum Altrhein hinüber, dorthin, wo die Wege sich gabelten – der eine in die Irrenanstalt, der andere zu den Höfen mit Fischpacht und Bootshäusern führte. Die Netze. Wenn sie im Wasser nichts mehr zu suchen hatten, so fuhren sie durch das Trockene und schleiften die Hauswand entlang; sie ratschten über den Boden und hatten ihn eingefangen: keine fette Schleie, ach nein, nur einen erbärmlichen Weißling, dem die Grätenschon durch die Seiten stachen. Wie er sich drehen würde, blieb er doch immer darunter, vermochte nicht durchzuschlüpfen; die Maschen waren zu eng, und ein Leben war sicher zu kurz, um das Loch, das er suchte, zu finden . . . das Loch, das ein Ausgang war.