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3.

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Müde und gleichzeitig äußerst zufrieden mit mir selbst lehne ich meinen Kopf gegen den Fahrersitz und stelle den Motor meines Wagens ab. Die Japaner haben es mir wirklich nicht leicht gemacht. Über eine Woche habe ich mit ihnen verhandelt. Jetzt ist mir nicht nur ein Bonus, sondern auch eine Beförderung so gut wie sicher. Ich kann es kaum noch erwarten, Bea die guten Neuigkeiten zu erzählen. Schwungvoll steige ich aus dem Auto, ziehe das Garagentor hinter mir zu und laufe über den Hof. Mein Blick schweift zu den drei Mini Shettys, die vor ihrem großzügigen Unterstand stehen und ein Sonnenbad genießen. Meine Mundwinkel heben sich zu einem breiten Grinsen. Durch den Bonus kann ich Bea locker ein viertes Pony kaufen. Immer wieder hat sie erzählt, wie gerne sie Fotos von einem Schimmel im Schnee machen würde. Für den Schnee kann ich zwar nicht sorgen, aber für den Schimmel.

Zielstrebig visiere ich den Stall der beiden Haflingerstuten an. Mein grauer Anzug wird toll riechen, wenn ich damit in den Stall gehe, aber meine Vorfreude auf Bea ist einfach zu groß. Ich will nicht zuerst ins Haus gehen und mich umziehen, ich will sie sofort sehen und ihr die tollen Neuigkeiten erzählen. Am frühen Nachmittag mistet sie meistens die Ställe aus und mein Gefühl hat mich nicht getäuscht, dass sie das auch jetzt macht.

Ich bleibe vor der linken Box stehen und beobachte Bea für einen kurzen Moment dabei, wie sie schwungvoll das frische Stroh in der Box verteilt. Es gibt wohl kaum eine Frau, die in abgetragenen schwarzen Cordhosen, einem übergroßen braunen Pullover und einem lockeren Pferdeschwanz so sexy aussieht. Die Cordhose hat einen engen Schnitt und jedes Mal, wenn Bea sich bückt, muss ich einfach auf ihren wohlgeformten Hintern schauen. »Hey Schatz«, sage ich schließlich, als die Sehnsucht nach ihrem hübschen Gesicht zu groß wird. »Was freue ich mich, wieder zu Hause zu sein. Du wirst es nicht glauben, aber ich habe die Japaner doch tatsächlich davon überzeugen können, mit uns zusammen zu arbeiten.«

»Aha«, ist alles, was sie entgegnet. Sie schaut mich nicht einmal an und verteilt weiterhin emsig das Stroh.

Stirnrunzelnd sehe ich sie an. Ich habe einen etwas freudigeren Empfang erwartet. Um ehrlich zu sein, habe ich mir soeben in Gedanken vorgestellt, wie sie bei meinem Anblick die Heugabel wegwirft, mir um den Hals fällt und wir uns innig küssen. Dieser kalte Empfang lässt jene Tagträume zu Staub zerfallen. »Was ist los?«

Ächzend spickt Bea die Heugabel ins Stroh. Ihre sonst so sanften braunen Augen funkeln mich wütend an. »Wir müssen uns unterhalten.«

Oje, das klingt alles andere als verlockend. Schnell hebe ich entschuldigend die Hände. »Ich weiß, dass du nicht begeistert bist, dass ich an Lucians Geburtstag nicht da war. Aber wie du eben gehört hast, hat es sich sehr gelohnt. Herr Pust wird mir für diesen Deal eine dicke Prämie bezahlen.«

»Wie schön für dich.«

»Bea, bitte.« Ich mache einen Schritt auf sie zu, will sie in meine Arme ziehen, doch sie blockt sofort ab und zieht ihre Stirn in Falten.

»Willst du wissen, was unser Sohn mich gefragt hat, als er unser Geschenk ausgepackt hat?«

Vor meinem geistigen Auge stellte ich mir vor, wie Lucians Augen geleuchtet haben. Er hat sich dieses Auto so sehnlich gewünscht und es macht mich stolz, dass ein so teures Geschenk uns nicht dazu zwingt, in den nächsten Wochen nur Tütensuppen zu essen. »Ja, wie hat ihm sein neues Auto gefallen?«

»Er wollte es wieder zurückgeben, da er glaubt, es habe zu viel Geld gekostet. Verstehst du das? Unser Sohn denkt, du arbeitest so viel, weil seine Geschenke so teuer waren.«

Ungläubig starre ich Bea an. Wie um alles in der Welt kommt Lucian denn auf sowas? »Das ist doch Unsinn.«

Bea verzieht ihre rosafarbenen Lippen und nickt mir verächtlich zu. »Das habe ich ihm auch versucht zu erklären, aber er kann einfach nicht verstehen, wieso du an seinem Geburtstag arbeiten musstest.«

Dass Redebedarf besteht, habe ich gewusst. Aber ich habe gehofft, Bea und ich würden uns in einer ruhigen Minute zusammensetzen und dass ich bis dahin noch ein Wiedergutmachungsgeschenk auftreiben kann. So zwischen Tür und Angel ins Visier genommen zu werden, gefällt mir ganz und gar nicht. Ich werfe einen kurzen Blick auf die Uhr, ehe ich in Beas erregtes Gesicht sehe. »Ich werde später mit ihm reden.«

»Später? Wieso denn nicht gleich?«

Obwohl es eigentlich keinen Grund dafür gibt, fühle ich mich irgendwie ertappt und reibe mir verlegen über den Nacken. »Ich muss noch einmal in die Firma.«

Beas Augen weiten sich vor Zorn. »Das ist doch jetzt nicht dein Ernst?!«

»Schatz, ich habe einen Megadeal ausgehandelt, das will mein Chef natürlich feiern.« Und wenn ich zum Abendessen wieder zurück sein will, dann muss ich bald aufbrechen.

Kopfschüttelnd verschränkt Bea ihre Arme vor dem Körper. »Damian, so geht das nicht weiter. Dass du uns in den letzten Monaten immer wieder mal für ein paar Tage alleingelassen hast, verstehe ich ja noch. Das waren immer nur wenige Tage. Aber das ist jetzt zu viel. Die Firma steht für dich doch inzwischen über allem anderen.«

Ich glaube schlecht zu träumen. Wie kann Bea nur so etwas sagen? Für wen arbeite ich denn bitteschön so viel? Doch nicht nur für mich. Ich tue es, damit meine Familie ein schönes und sorgenfreies Leben führen kann. Dafür angeprangert zu werden, ist nicht fair. »Das ist nicht wahr.«

Ohne ihre Mimik etwas zu entspannen, fixiert Bea mich weiterhin an. »Wieso sagst du deinem Chef dann nicht einfach, dass ihr den Erfolg morgen feiert?«

»Das geht nicht.«

»Warum?«

Die Fragerunde nervt mich allmählich gewaltig. Ich habe lange genug mit den Japanern diskutiert, da habe ich wahrlich keine Lust, zuhause weiter zu diskutieren. »Ich hatte mich ehrlich gesagt auf einen liebevollen Empfang gefreut und kein so hitziges Gespräch erwartet.«

»Das bleibt aber nicht aus. Zuerst hast du den Geburtstag meiner Oma verpasst. Ich war zwar nicht begeistert, habe es aber verstanden. Dann hattest du keine Zeit, um mich zu Lucians Elterngespräch im Kindergarten zu begleiten. Auch das habe ich akzeptiert, genauso wie die Tatsache, dass ich zum Laternenumzug des Sankt-Martin-Festes alles allein vorbereiten musste, zu dem du ebenfalls nicht kommen konntest. Aber es wird zu viel. So wie es jetzt ist, kann es nicht weitergehen. Das ertrage weder ich noch unser Sohn.«

Mit einem bitteren Verdacht ziehe ich meine Brauen zusammen. »Was willst du mir damit sagen?«

»Das wir viel glücklicher waren, als du noch ein Mitarbeiter der Produktion in deiner alten Firma gewesen bist.«

»Nur haben wir da in Berlin gewohnt und du bist schließlich diejenige, die unbedingt in ihr Heimatdorf zurückwollte.«

»Das weiß ich und ich bin dir unendlich dankbar dafür, dass du mit Lucian und mir ungezogen bist. Ich bin dir dankbar, dass du mich meinen Traum leben lässt, aber wo bleiben wir dabei?«

Leicht gereizt verschränke ich die Arme vor dem Körper. »Die richtige Frage lautet wohl eher: Wo bleiben meine Träume? Du weißt, dass ich nie wieder in der Produktion arbeiten will. Ich habe schließlich nicht umsonst die anstrengende Weiterbildung neben meinem Beruf auf mich genommen.«

»Seit du als Außendienstmitarbeiter tätig bist, hast du immer weniger Zeit für uns. National ist das ja noch vertretbar. Es ist okay, wenn Lucian und ich hier und da mal für ein oder zwei Tage allein sind. Aber als internationaler Vertreter wird es nicht das letzte Mal gewesen sein, dass du eine Woche weg bist und dann auch noch an so wichtigen Tagen wie dem Geburtstag unseres eigenen Sohnes.«

Ich weiß nicht, was Bea noch von mir hören will. In Berlin habe ich noch ein viel besseres Jobangebot bekommen, aber ich habe mich für die Stelle in einer Firma in der Nähe von Dresden entschieden. Ich habe mich für ein Leben auf dem Land entschieden und mich in der Firma, die weltweit Baumaschinen vertreibt, innerhalb von zwei Jahren vom einfachen Büromitarbeiter zum nationalen Vertreter im Außendienst hochgearbeitet. »Was soll ich deiner Meinung nach machen?«

»Lass die Beförderung sein. Als nationaler Vertreter verdienst du genug Geld. Wir brauchen nicht noch mehr.«

Fassungslos starre ich Bea an. »Ist das dein Ernst? Du hast deine Träume verwirklicht und ich soll meine aufgeben?«

»Dein Traum war es, die Karriereleiter hinaufzusteigen. Das hast du getan. Sieh dich doch an, sieh uns an, wir haben alles, was wir brauchen.«

»Und wenn ich noch mehr will?«

Beas stößt einen langen Seufzer aus. »Wenn du dich nicht zurücknehmen kannst, sehe ich für unsere Zukunft schwarz.«

Ihre Worte treffen mich wie ein harter Schlag ins Gesicht. Im ersten Moment bleibt mir einfach nur der Mund offenstehen, ehe ich mich dazu in der Lage sehe, etwas zu sagen. »Ich kann nicht glauben, was du da sagst. Lucian und du, ihr profitiert doch auch von meinem Erfolg.«

Eisern hält Bea meinem Blick stand. »Lucian hätte an seinem Geburtstag viel lieber Zeit mit dir verbracht und gut ohne das Auto leben können. Er spielt ja kaum damit, da er noch immer glaubt, er sei schuld, dass du so viel arbeitest. Du musst mit ihm reden, aber nicht morgen oder später, sondern jetzt. Lass uns zu ihm in den Garten gehen und den Rest des Tages mit ihm verbringen. Ich muss nur noch schnell die zweite Box einstreuen.«

Ich hole Luft, da erfüllt das Klingeln meines Handys den Stall und bringt mich um eine Antwort. Ich schaue kurz auf das Display und dann wieder zu Bea. »Mein Chef.«

»Sag ihm, dass du heute nicht kommen kannst.« Ihr Blick wird flehend, ihre Stimme weicher. »Bitte.«

»Hallo Chef?«

»Herr Winterstein, wo bleiben Sie denn? Wir müssen unbedingt den jüngsten Geschäftsabschluss feiern. Haben Sie das etwa vergessen?«

»Natürlich nicht. Ich habe doch gesagt, dass ich vorher noch kurz nach Hause will.«

»Okay, aber jetzt sind Sie so gut wie auf dem Weg hierher, oder? Dann rechne in einer Stunde mit Ihnen.«

»In einer Stunde?« Unsicher schaue ich zu Bea, deren Augen mich immer verzweifelter anschauen. Ich müsste jetzt sofort los, aber so kann ich sie nicht stehen lassen. »Herr Pust hören Sie, meine Freundin und ich …«

»Ich war so frei, Ihren neuen Vertrag aufzusetzen.«

»Was?«

»Kommen Sie her, dann können Sie Ihre Beförderung umgehend schriftlich in den Händen halten. Das haben Sie sich verdient.«

Das kann und darf ich mir auf keinen Fall entgehen lassen. All die Mühe macht sich endlich bezahlt. »Gut, ich bin in einer Stunde da.«

Ein tiefer und langer Seufzer dringt aus Beas Kehle, als ich auflege. »Du gehst?«

»Ich muss. Bitte Bea, lass uns morgen in Ruhe darüber reden.«

Sie schüttelt den Kopf, wendet sich ab und greift wieder nach der Heugabel. Für einen kurzen Moment hält sie in der Bewegung inne und wirft mir einen strengen Blick zu. »Wenn du jetzt gehst, brauchst du heute Nacht nicht nach Hause kommen.«

Entnervt rolle ich mit den Augen. »Was soll das denn jetzt?«

»Ich meine es ernst. Dies hier ist kein Nachtlager. Schlaf meinetwegen bei einem Kollegen, in einem Hotel oder wo auch immer, aber nicht hier.« Damit ist für sie alles gesagt. Sie spickt postwendend die Gabel ins Stroh und beachtet mich nicht weiter.

Schweigen kann ich auch und so drehe ich mich wortlos um und laufe zurück zu meinem Wagen. Eigentlich habe ich später mit Bea feiern wollen, aber die einzige Feierlichkeit wird wohl oder übel im Büro stattfinden.

Schneegestöber und Liebesgeflüster

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