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Gleiche Würde

Eines ist also das auserwählte Volk Gottes: ‚Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe‘ (Eph 4,5); gemeinsam die Würde der Glieder aus ihrer Wiedergeburt in Christus … eine wahre Gleichheit in der allen Gläubigen gemeinsamen Würde und Tätigkeit zum Aufbau des Leibes Christi“ (Lumen Gentium 32). Ganz ähnlich schon Papst Leo der Große († 461) : „In der Einheit des Glaubens und der Taufe genießen wir unterschiedslos Gleichheit und gemeinsame Würde.“

Das Konzil hat eine geschwisterliche Kirche vor Augen. Eine Kirche, in der alle, gleich welcher Stellung, einander ebenbürtig aus der Taufe ein und dieselbe Würde besitzen. Und auch das Tun und das Engagement jeder und jedes Einzelnen in der Kirche und für sie sind von gleichem Wert!

Im Kirchenrecht von 1917 waren die Kleriker noch die allein legitimen Träger des kirchlichen Handelns, und von den Rechten aller Übrigen war darin nur ganz vereinzelt die Rede. Es wurde 1983 durch einen neuen, sich am Geist des Konzils orientierenden Kodex abgelöst. Man kann den Schritt des Konzils hin zur Erklärung einer solchen fundamentalen Gleichheit aller Getauften nicht hoch genug einschätzen. Obwohl zutiefst in der Hl. Schrift verankert und in der Geschichte wieder und wieder angeklungen oder gar gefordert, konnte sie von höchster kirchlicher Autorität erst in unseren Tagen so deutlich zum Ausdruck gebracht werden. Und diese hat damit zugleich die Bedeutung des Amtes in der Kirche in keiner Weise herabgesetzt! Dennoch wird es noch manche Zeit und mühevolle Wege brauchen, bis diese fundamentale Gleichheit aller in ihrer „gemeinsamen Würde und Tätigkeit zum Aufbau des Leibes Christi“ selbstverständliches Gemeingut der Kirche wird.

Menschenwürde – Christenwürde

Das Konzil hat ausdrücklich im Sinn der Menschenwürde aller gedacht und gesprochen – ein Denken, wie es sich (durchaus auch aus christlichen Wurzeln) in der Neuzeit, insbesondere seit der „Aufklärung“, bis hin zur Charta der Vereinten Nationen 1948 entfaltet hatte. Was in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte durch die Vereinten Nationen zum Ausdruck gebracht wurde, erlebt in den Aussagen des Zweiten Vatikanums innerhalb der Kirche einen Höhepunkt. Der leidenschaftliche Sinn für die Gleichheit aller gehört zu den unverwechselbaren Charakteristika dieses Konzils.

Eindringlich haben uns wiederum schwerwiegende Fehlverhalten in den letzten Jahren und Jahrzehnten gelehrt, wie gebieterisch und grundlegend die Menschenrechte zur „Charta“ zur Kirche selbst gehören und gehören sollten. Sie wäre sonst nicht die Kirche Jesu! Menschenwürde und Christenwürde korrespondieren zutiefst; sie inspirieren, helfen und stützen einander und müssen dies immer neu lebendig tun. Durch sein klares Eintreten für Gleichheit, Würde und Wert aller in Person und Handeln verändert das Konzil die „Landschaft“ der Kirche. Denn der Geist Jesu, der Geist Gottes selbst erneuert unaufhaltsam nicht nur das Antlitz der Erde (Psalm 104,30), sondern ebenso – wieder und wieder auch unerbittlich – das Antlitz der Kirche. Und nur so, an Menschenwürde und -recht orientiert, kann unsere gemeinsame Würde aus der Taufe, kann unser Christsein in Alltag und Feier königlich-priesterlich sein!

Ein verbreitetes Bedenken

Ein kurzes Wort soll ein verbreitetes Bedenken zerstreuen. Das Priestertum aller in Jesus im Neuen Testament geht der Reformation lange voraus. Die katholische Kirche sieht bis heute keinen Widerspruch darin, den Eucharistievorsitz dem ordinierten Amtsträger vorzubehalten, also diese Form amtlicher Ausübung des einen Priestertums der Kirche samt der Verwaltung der übrigen Sakramente an die Ordination und somit an den Leitungsdienst der Kirche zu binden. Als „priesterliches Dienstamt“, so das Konzil, ist der Presbyterat dem Hirtenamt, also dem Leitungsamt zugehörig und ist von Jesus der Kirche als Hilfe für ihre Leitung, ihren Weg und ihren Aufbau gegeben. Sein amtsspezifischer priesterlicher Charakter ist in der „priesterlichen Gemeinschaft“, die die ganze Kirche ist (Lumen Gentium 11), begründet und in sie eingebunden. Es besteht kein Konkurrenzverhältnis unter den verschiedenen Ausprägungen des einen Priestertums Jesu in unserem einen christlichen Priestertum.


Für Reflexion und Austausch

Ihr seid alle durch den Glauben Söhne Gottes in Christus Jesus. Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus (als Gewand) angelegt. Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid „einer“ in Christus Jesus.

Gal 3,26–28

Eines ist also das auserwählte Volk Gottes : „Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe“ (Eph 4, 5); gemeinsam die Würde der Glieder aus ihrer Wiedergeburt in Christus, gemeinsam die Gnade der Kindschaft, gemeinsam die Berufung zur Vollkommenheit, eines ist das Heil, eine die Hoffnung und ungeteilt die Liebe. Es ist also in Christus und in der Kirche keine Ungleichheit aufgrund von Rasse und Volkszugehörigkeit, sozialer Stellung oder Geschlecht; denn „es gilt nicht mehr Jude und Grieche, nicht Sklave und Freier, nicht Mann und Frau; denn alle seid ihr einer in Christus Jesus“ (Gal 3, 28; vgl. Kol 3,11). Wenn also in der Kirche nicht alle denselben Weg gehen, so sind doch alle zur Heiligkeit berufen und haben den gleichen Glauben erlangt in Gottes Gerechtigkeit (vgl. 2 Petr 1,1). Wenn auch einige nach Gottes Willen als Lehrer, Ausspender der Geheimnisse und Hirten für die anderen bestellt sind, so waltet doch unter allen eine wahre Gleichheit in der allen Gläubigen gemeinsamen Würde und Tätigkeit zum Aufbau des Leibes Christi.

Lumen Gentium 32

„Das Amtspriestertum ist eines der Mittel, das Jesus in seinem Volk einsetzt, doch die große Würde kommt aus der Taufe, die allen zugänglich ist. … In der Kirche begründen die Funktionen (vgl. schon Johannes Paul II. !) keine Überlegenheit der einen über die anderen“.

Papst Franziskus, Apostolisches Schreiben

„Evangelii gaudium“, 104

Das Priestertum aller Getauften

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