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Im Lager der Sioux

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An dem Ufer eines Nebenflusses des Red River waren gegen hundert Wigwams aufgeschlagen. Die Frauen und Mädchen gerbten im Scheine der Abendsonne am Wasser Büffelhäute, das Ergebnis der letzten Jagd, die meisten Männer lagen rauchend vor dem Eingange ihres Zeltes, einige beschäftigten sich mit den Pferden, schönen, kräftigen Mustangs, andere leiteten die Uebungen der heranwachsenden Jugend mit Tomahawk und Pfeil und Bogen, die kleineren Kinder aber balgten sich jauchzend herum, indem sie als ihre Spielgefährten auch die zahlreichen Hunde betrachteten.

Es war ein hübsches, friedliches Bild aus dem Wildnisleben im fernen Westen, obgleich auch jetzt, wo die Männer keine Kriegsfedern in den Skalplocken trugen, das ganze Dorf von einer unsichtbaren Kette weit vorgeschobener Wachtposten umgeben war.

Aus dem Walde kam plötzlich ein Wagen mit zwei Pferden und rollte über die pfadlose Buchtung dem Dorfe zu. Die Kinder rannten ihm entgegen, und die Freuen blickten neugierig und auch sehnsüchtig nach ihm hin, während die Krieger es unter ihrer Würde hielten, auch nur den Kopf ihm zuzuwenden.

Das Gefährt gehörte Old Tom, einem ‚Indiantrader‘, der von der Regierung einen Schein hatte, daß er mit seinem Wagen von Stamm zu Stamm fahren und ihnen gegen Häute Decken, bunte Tücher, Tabak und anderes verkaufen durfte. Daß er auch mit Feuerwasser handelte, war zwar verboten, die Regierung hatte ihn aber besonders damit beauftragt, und da die Indianer dies nicht wußten, so behandelten sie den kleinen, alten Mann mit dem verschmitzten Gaunergesicht als eine Art von heimlichem Vertrauten, weil er doch immerhin seine Haut riskierte, um sie in den Besitz des verpönten Labsals zu setzen. Zugleich brachte Old Tom auch stets die letzten Neuigkeiten mit, und man hörte ihm gern zu, wenn man auch wußte, wie sehr der alte Sünder log.

Das Tauschgeschäft war bald beendet. Gleichgültig hatten die Männer eingehandelt, was sie brauchten, in einem Wigwam war auch ein geheimnisvolles Fäßchen verschwunden; und nun wurden die Frauen beschenkt, und unter die Kinder warf der Hausierer, der natürlich bei dem ganzen Handel am besten weggekommen war, Kandiszucker.

„Hüte Dich, Häuptling,“ wandte er sich dann, als er damit fertig war und sich nun mit dem Packen der Felle beschäftigte, mit so lauter Stimme an einen älteren, herkulisch gebauten Krieger, daß ihn das ganze Dorf hören mußte, „ich komme eben aus dem Lager der Cherokesen. Ihre Krieger haben etwas gegen Euch vor. Mich geht’s ja eigentlich nichts an, denn ich bin ein friedliebender Trader und darf mich auch in so etwas nicht mischen, aber Ihr seid doch meine Freunde, und ich möchte Euch daher warnen. Die Cherokesen graben den Tomahawk aus, sie sind nach den Skalpen der Sioux lüstern. Habt Ihr noch nichts von dem fremden Indianer gehört, der von einem Lagerfeuer der Cherokesen zum anderen geht? Er fordert zum Kampfe gegen Euch auf.“

„Die Cherokesen sind feige Hunde,“ entgegnete der rote Adler ohne irgend welche Ueberraschung, den die alte Feindschaft mit dem genannten Stamme hatte immer bestanden. Erst kürzlich noch war es zwischen Cherokesen und Sioux wieder zum Kampfe gekommen, und zwar eines mit letzteren eng befreundeten Trappers wegen, der einen Cherokesen auf der Jagd erschossen hatte. Erst der Tod des Trappers hatte dem blutigen Streite ein Ende gemacht.

Auch die anderen Indianer, die die Worte des Indiantraders gehört hatten, schienen ihnen keine besondere Beachtung zu schenken.

„Der fremde Indianer,“ fuhr der Händler trotzdem mit krähender Stimme fort, „von dem niemand weiß, woher er gekommen ist, behauptet, der große Geist selbst habe ihn aus den ewigen Jagdgründen zu seinen Söhnen, den Cherokesen, geschickt, um ihnen zu sagen, daß alle Büffel ihnen gehörten und ebenso alle Skalpe der Sioux, die er hasse. Die Cherokesen nennen ihn ‚den Sohn des großen Geistes‘, sie bewundern ihn, weil er ihnen so schöne Versprechungen macht – na, wie gesagt, mich geht’s nichts an, aber hütet Euch vor den Cherokesen und diesem Lügner. Denn es könnte sein, daß er auch zu Euch kommt, um Euch mit schönen Worten, die ihm wie Honig aus dem Munde quellen, einzuschläfern, damit dann die feigen Cherokesen über Euch herfallen können.“

Mochten diese Worte auch noch so aufregend sein, man brachte dem Erzähler nur Gleichgültigkeit entgegen, denn man kannte ihn bereits als Schwätzer.

Da sprengte ein Reiter auf schäumendem Pferde über die Waldblöße daher und schwang sich neben dem Wagen aus dem spanischen Sattel. Es war eine wilde, in Leder gekleidete Gestalt. Neben dem modernen Revolver trug der Reiter auch den indianischen Tomahawk im Gürtel. Seinem ganzen Aussehen nach war er offenbar ein Mestize, der Abkömmling eines weißen Trappers und einer roten Squaw. Man kannte ihn im Lager der Sioux. Dieser Mann lebte ebenso wie sein Vater ungebunden als freier Jäger. Wo er sich des Abends zum Schlafen niederlegte, dort war er zu Hause, er verdarb es dabei mit niemandem, sodaß er bei fast allen Indianerstämmen Gastfreundschaft genoß. Weil ihm die vordersten Glieder der Finger an der linken Hand fehlten und er sich durch keine That einen besonderen Ehrennamen verschafft hatte, wurde er allgemein ‚Kurzhand‘ genannt.

Jetzt blickte er sich im Kreise um, ging auf einen alten Indianer zu, löste schweigend von seinem Gürtel ein kleines Beutelchen, zog dann einen darin steckenden Pfeil heraus und übergab ihm beides. Der Indianer hatte kaum einen Blick auf das mit Figuren bemalte Beutelchen geworfen und nur einen Moment den Pfeil betrachtet, so schritt er auf den Häuptling zu, übergab diesem beide Gegenstände, warf sich dann mit einem Ruck das auf dem Rücken hängende Hirschfell über den Kopf und verschwand so mit verhülltem Gesicht in seinem Wigwam.

Dies alles war schweigend vor sich gegangen. Der Häuptling öffnete unterdessen den Beutel, entnahm ihm eine dicht an der Wurzel abgeschnittene Skalplocke, hob diese und den Pfeil in die Höhe und rief:

„Hugh! Der springende Hirsch ist von einem Pfeile der Cherokesen getötet worden!“

Ein vielstimmiger Wutschrei erfüllte das ganze Dorf, und Frauen und Kinder brachen in ein Zetergeheul aus.

Der von fremder Hand herbeigebrachte Medizinbeutel des Sioux-Kriegers besagte seinen Tod, der Pfeil ließ erkennen, wer ihn getötet hatte, die abgeschnittene Skalplocke drückte aus, daß er heimtückisch ermordet worden war, und daß der Mörder keine Zeit mehr gefunden hatte, ihm den Skalp zu nehmen. Für den Vater des springenden Hirsches hatte der Anblick des Medizinbeutels genügt, um den Tod seines Sohnes beglaubigt zu finden. Die Rache aber hatte er in die Hände des roten Adlers, des Häuptlings des Stammes, gegeben.

Alle blickten nach dem Mestizen.

„Ein fremder Indianer geht unter den Cherokesen und anderen Stämmen von Feuer zu Feuer,“ begann dieser mit rauher Stimme zu erzählen und bestätigte so die Aussagen des Hausierers. „Sie nennen ihn den Todespfeil und geben ihm auch andere Namen. Er selbst aber nennt sich den Sohn Manitus und behauptet, er sei von dem großen Geiste geschickt, die Sioux zu vernichten. Er ist ein Lügner. Der große Geist liebt die Sioux. Der von Norden gekommene Fremde will sich nur zum Häuptling aller Häuptlinge machen und verspricht deshalb, weil er selbst nichts hat, als ein großes Maul, denen, die ihm helfen, die fetten Büffelherden der Sioux. Jetzt führt er die Cherokesen gegen Euch an. Sie haben schon ihre Skalplocken geschmückt und ihre Tomahawks geschärft. Ihre Jünglinge schwärmen voraus, und ein unreifer Knabe schoß dem springenden Hirsch, der sich auf den Jagdgründen von Freunden wähnte, diesen Pfeil durch den Rücken. Der Mörder floh vor mir, und ich rettete den Skalp des Kriegers. Kurzhand hat gesprochen.“

Ein neues Wutgeheul erhob sich. Jetzt hörte der stolze Gleichmut der Indianer auf. Der Krieg war da, obwohl die hinterlistigen Hunde von Cherokesen nicht einmal den blutigen Pfeil als Kriegserklärung geschickt hatten. Ein jeder wußte, was er zu thun habe.

Die Weiber verließen sofort die Arbeit, ebenso wie die Kinder ihre Spiele, auch sie prüften gleich den Greisen die Waffen, denn nur sie allein würden ja zum Schutze der Wigwams zurückbleiben. Im Scheine der auflodernden Feuer salbten die Krieger ihre Skalplocken und steckten Adlerfedern hinein, schärften die Tomahawks und Skalpiermesser, reinigten die Feuerwaffen, gossen Kugeln und spannten neue Sehnen auf die Bogen von Ahornholz oder vom Horn des Bergschafes. Und auch die Wachen wurden durch zum Kampfe fertige Krieger abgelöst, auf daß sie sich ebenfalls zum Rachezuge vorbereiteten, während Greise mit monotoner Stimme Heldenlieder sangen, die sich vermischten mit dem Wehklagen, das aus dem Wigwam des ermordeten Sioux hervorklang. Der Medizinmann aber schmückte sich zum Zaubersegen, und nun wurden leichtfüßige Späher in die Richtung der Jagdgründe der Cherokesen vorgesandt.

Der rote Messias

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