Читать книгу Der übliche Wahnsinn - und dann kam Corona - Emma Hermann - Страница 7

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Rund um Kinder

Wer kennt sie nicht, die Familien, bei denen nach außen alles perfekt zu sein scheint. Nach meiner Ansicht sind das die Schlimmsten. Es ist wirklich selten alles super. Es gibt sicher solche Phasen. Aber wenn wirklich immer alles perfekt sein soll, dann ist das sehr merkwürdig. Aber manchen ist der Eindruck, den sie bei Dritten machen, besonders wichtig. Und nein, wenn man Kinder hat, dann ist ständig was Neues. Gerade wenn die Kinder klein sind – wobei ich dann immer mit Erschrecken an den Spruch „kleine Kinder, kleine Sorgen – große Kinder, große Sorgen“ denken muss. Aber soweit bin ich noch nicht.

Wenn man den Geschichten vieler Eltern glaubt, müssten über 90 % der Kinder total easy sein, geradezu Anfängerbabys, wie es so schön heißt. Sie schreien nicht, trinken und essen von Anfang an gut und sind einfach nur süß! Von wegen! Wenn Eltern ehrlich sind, wovon es zum Glück auch einige gibt, und an die sollte man sich auch auf jeden Fall halten, wird schnell klar, dass Kinder unsere Nerven stark beeinflussen. Der Schlafmangel nach der Geburt und die Unsicherheit, jedenfalls beim ersten Kind, sind nicht zu unterschätzen. Nein, man ist nicht nur himmelhochjauchzend und glücklich. Und die Partnerschaft leidet auch.

Ich weiß noch wie heute, wie schlimm es war, als der Tag gekommen war, wo ich mit unserem Sohn nach der Geburt das erste Mal alleine war und Papa wieder ins Büro musste. Nach zwei Wochen. Die Verantwortung ganz allein übernehmen. Naja, am Abend gebe ich zu, dass ich mich hauptsächlich deshalb auf meinen Mann gefreut habe, um ihm noch im Anzug das Kind in die Hand zu drücken, um einfach mal fünf Minuten Ruhe zu haben. Natürlich habe ich mich auch gefreut meinen Mann zu sehen, aber es überwog ganz klar der Gedanke der eigenen Entlastung. Ich denke, das ist auch ganz normal, denn als Mutter ist man rund um die Uhr für das Kind da. Da gibt es keinen Grund sich schlecht zu fühlen. Habe ich natürlich trotzdem teilweise.

Während der Schlafphasen wird das Kind durch die Gegend geschoben. Kaum wird die Wohnung betreten, verlangt das Kind nach der Brust. Die Taschen werden gerade noch in die Ecke geworfen, die Jacke auch und los geht es. Ruhephasen gibt es nicht wirklich. Gerade in der Zeit habe ich versucht die Eltern zu meiden, bei denen alles perfekt ist, gerade, wenn das Kind sie angelächelt hat, denn da hätte ich aggressiv werden können. Es ist das beste, einige enge Vertraute zu haben, wo ehrlich alles erzählt werden kann, ohne dass einer das Jugendamt anruft oder fragt, ob man nicht besser einen Psychologen anrufen sollte.

Es macht nicht nur Spaß. Arztbesuche, kreischende Kinder bei der Impfserie, die in den ersten Jahren zu absolvieren ist. Wenn ich an die Warterei im Wartezimmer denke mit gefühlt hunderten von Keimen und Bakterien in der Luft. Die Panik, dass das Kind auf dem Boden beim Arzt oder durch das Anfassen von Spielsachen erst richtig krank wird, war groß. Bei unserem Kinderarzt war es schlimm. Unter einer Stunde wartete man dort nie. Auch nicht, wenn man mit seinem gesunden Kind zur U-Untersuchung kam. Das war Stress pur. Die hustenden, leidenden kranken Kinder und warten, warten und nochmals warten. Bis eine Freundin bei dem Arzt anfing zu arbeiten. Ab da zogen wir den Hass der anderen Eltern auf uns, weil wir meist direkt in ein Zimmer durchgehen durften. Und ich muss zugeben, in dem Fall war mir völlig egal, was die anderen dachten. Man musste ja auch mal Glück haben und die Vorteile nutzen. Da hat der Arzt unserem Sohn, der Partout keine Antibiotika zu sich nehmen wollte, die Spritzen mit dem ekligen rosa Saft höchstpersönlich verabreicht, jeden einzelnen Tag. Ach ja, das Thema Medikamente ist bei vielen Kindern ein absolutes Drama. So auch bei uns. Meine größte Sorge bei jeder Krankheit war, bitte kein Antibiotikum. Quasi egal, was das Kind hat, aber bitte keine Medizin, die drei Mal am Tag genommen werden muss. Beim Warten auf das Ergebnis des Abstrichs war ich nervöser als vor einer Examensklausur. Was haben wir nicht alles versucht. Saft in Ketchup unterrühren, im Erdbeer Actimel, in Leberwurst. Wir ließen nichts unversucht. Das hat ganz gut geklappt, nur leider wollte unser Sohn nicht das ganze Brot essen oder den ganzen Actimel trinken. Das hatte natürlich zu Folge, dass auch nicht die Folgen eintraten, die bei richtiger Einnahme eintreten sollten. Horror hoch 10! Wie gut, dass wir damals eine Kinderärztin als Freundin hatten, die den Kapselinhalt genau berechnen konnte, sodass wir in nur einem Löffel den gesamten Inhalt des Pulvers verstauen konnten und dieser dann auch verzehrt wurde. Ich werde nie vergessen, wie wir beim ersten Mal versucht haben das Antibiotikum in den Mund zu bekommen. Ein Gebrüll, zwei Erwachsene versuchten das Kind festzuhalten und den Mund aufzusperren und den Saft einzuflößen. Und als wir es endlich geschafft hatten, wurde der Saft im hohen Bogen wieder ausgespuckt. Mein Puls ging auf 180. Eine derartige Hilflosigkeit hatte ich im Leben vorher noch nie gespürt. Wie sollte der eine kleine Löffel Saft nur in den Mund rein gehen. Es hätte alles so leicht sein können. Mund auf, rein und runterschlucken und gesund werden. Aber ich muss zugeben, der Saft schmeckt auch wirklich scheußlich. Warum kann nicht ein besser schmeckender Saft entwickelt werden? Es würde vielen Eltern so ungemein helfen. Denn ich kannte einige, die ein ähnliches Drama erlebt haben. Ich habe damals die Eltern geliebt, die ganz bedauernd sagten: „Echt, das ist bei uns gar kein Thema. Unsere Kinder nehmen alles ein.“ Da fühlte ich mich richtig super nach so einem Gespräch. Sowieso sind in den ersten Jahren die anderen Mütter diejenigen, die einem oft ein schlechtes Gefühl geben. Die Konkurrenz geht schon bei den ersten Kursen los, die mit ca. vier Monaten besucht werden konnten. Wer kann was als erster? Die Frage aller Fragen. Ich gebe zu, motorisch war unser Sohn immer ganz weit vorne. Wenn es um anstrengend sein ging, aber auch. Es kann eben nicht alles perfekt sein.

Ich erinnere mich noch zu gut an die erste „Pekipstunde“ (bei uns damals Fabel Kurs genannt). Der Kleine war munter und machte super mit. Aber eine viertel Stunde vor dem Schluss begann das Brüllen. Es war das erste Mal, wo weder Stillen noch auf den Arm nehmen was gebracht hat. Keiner konnte mehr ein Wort der Kursleiterin verstehen. Das Brüllen war so laut. Die mitleidigen Blicke der anderen Mütter haben mir damals den Rest gegeben. Als wäre ich nicht schon gestresst genug und dazu noch Schweiß gebadet in dem gefühlt 30 Grad warmen Raum, denn die Babys waren ja nur in Windeln unterwegs. Ich habe nur noch alles zusammengepackt und bin so schnell es ging raus. Habe den Kleinen in den Kinderwagen gelegt und kaum waren wir an der frischen Luft, schlief er schon. Mir wäre es eigentlich ein Bedürfnis gewesen, wieder in den Raum zu gehen und zu zeigen, er war nur müde und schläft. Aber ich war einfach nur froh, draußen an der frischen Luft zu sein. In der nächsten Stunde kannte mich in dem Kurs jeder und dachte, mir kluge Ratschläge zum Thema „Schreikind“ zu geben. Nein, wir hatten kein „Schreikind“. Er war einfach nur müde und kam in dem Raum mit 20 Kindern und Müttern nicht zur Ruhe. Irgendwie auch verständlich. Aber innerlich war ich mehr als bedient im Hinblick auf die gut gemeinten Tipps. Meist kommen solche Tipps ja gerade von denen, die sich selber gar nichts sagen lassen oder die selber die Tipps am Nötigsten hätten. Das ist leider im Berufsleben genau das gleiche. Aber dazu später im nächsten Kapitel mehr.

Ich weiß noch, wie eine Kollegin von meinem Mann sich damals wunderte, dass unser Sohn immer so spät einschläft und abends noch so viel trinkt. Komisch war, dass, wenn wir uns bei gemeinsamen Freunden getroffen haben, unser Sohn nach zehn Minuten im Reisebett schlief im Nebenzimmer und ihre Kinder gar nicht zur Ruhe kamen und sie quasi an der Abendunterhaltung nicht teilnehmen konnten. Ich frage mich, ob einige die Realität verkennen oder es ein gefundenes Fressen für sie ist, wenn es woanders nicht oder zumindest vermeintlich nicht läuft. Wohl alles zusammen. Oder sie werden von den eigenen Sorgen abgelenkt und vergessen in dem Moment, wie es bei ihnen selber läuft. Ich habe keine Ahnung. Auf jeden Fall finde ich es sehr nervig. Ich würde mich da immer zurückhalten, denn jeder lebt sein eigenes Leben und sollte nicht über das von anderen urteilen.

Eins meiner Lieblingsthemen im negativen Sinne ist das Thema „Einzelkind“. Ja, auch wir sind glücklich, auch wenn wir in den Augen vieler keine „richtige“ Familie sind mit nur einem Kind. Aber vielleicht ist man manchmal sogar glücklicher als Eltern mit zwei oder mehr Kindern. Denn die Eltern sind teilweise völlig überfordert. Es gibt Kinder, die wünschen sich keine Geschwister. Dazu gehört unser Sohn auch. Er ist glücklich so wie es ist. Klar, er kennt es nicht anders. Aber wenn das Thema mal angesprochen wird oder ein Freund ihn fragt, ob er gerne Geschwister hätte, sagt er: „Ich bin froh, dass ich keine Geschwister habe.“ Zu Weihnachten und auch sonst ist er der Mittelpunkt mit Omas und Opas und den Eltern. Im Zweifel bekommen Einzelkinder mehr Geschenke und einen Adventskalender mit größeren Paketen. Unser Sohn sagt immer: „Ist ja klar, dass andere nicht so große Dinge bekommen, weil die Eltern für mehr Kinder alles besorgen müssen. Das ist dann viel zu teuer.“ Und das Beste für ein Einzelkind ist, man muss nicht mit Geschwistern teilen. Und oh Wunder, auch nicht jedes Einzelkind ist asozial oder unsozial, denn auch mit Freunden und im Kindergarten, in der Schule oder im Sportverein lernt man Rücksicht zu nehmen, nachzugeben oder verzichten zu müssen. Dafür braucht ein Kind keine Geschwister. Ich gebe zu, es ist vorteilhaft, weil Geschwister zusammenspielen können und man selber dadurch etwas mehr Zeit hat für eigene Dinge. Aber die Streitereien und Eifersüchteleien vermisse ich beim besten Willen nicht. Wenn ich das von Freunden höre, was dort los ist zu Hause. Dann bin ich heilfroh, dass wir nur ein Kind haben. Und damit bin ich auch ausgelastet.

Manchmal kommen dann Fragen wie: „Hat das Kind denn genug soziale Kontakte?“ „Ja“, hat es. Denn in den Urlaub fahren wir entweder mit Freunden, die Kinder im ähnlichen Alter haben oder unser Sohn lernt neue Freunde kennen. Es ist natürlich leichter zu zweit aufzutreten im Urlaub bei unbekannten Kindern. Aber dadurch lernen die Kinder sich kommunikativ zu öffnen und sich nicht hinter den Geschwistern zu verstecken. Unser Sohn hat bisher in jedem Urlaub neue Freunde gefunden. Und der Vorteil ist dann, dass man trotzdem alleine Urlaub macht und das Kind dennoch mit Kindern spielen kann, wenn es möchte.

Und wenn ich höre, dass es ja auch später viel schöner ist, wenn sich nicht nur ein Kind allein um die Eltern kümmern muss, mag das sein. Aber dafür kenne ich auch leider zu viele Personen, die sich mit ihren Geschwistern gar nicht verstehen. Wenn man sich zwei Mal im Jahr zu Ostern und zu Weihnachten trifft, obwohl man mit den Geschwistern in einer Stadt lebt, dann ist das schön, aber betrachtet auf das gesamte Jahr, nicht wirklich relevant. Dafür braucht man keine Geschwister.

Einzelkinder brauchen daher niemandem leid zu tun. Unser Sohn und auch wir sind glücklich so wie es ist. Jeder lebt nur einmal und kann sich zum Glück aussuchen, wie er das Leben gestaltet. Und auch ohne Kinder kann man glücklich sein. Denn wenn man ehrlich zu sich ist, gibt es mit Kind auch sehr viele anstrengende Phasen und zusätzliche Sorgen, die Eltern sich machen. Natürlich auch sehr viele schöne. Aber auch hier gilt, bitte lasst jeden sein Leben so leben, wie er es gerne möchte. Man sollte niemanden verurteilen, vielleicht sogar, weil man selber unzufrieden ist. Erstaunlich ist aber, dass sich nur Leute mit mehreren Kindern ein Urteil über Einzelkinder-Familien bilden und nicht andersherum. Mittlerweile versuche ich einfach auf Durchzug zu schalten. Das hilft in manch einer Situation ganz gut.

Am liebsten ist es mir aber, wenn Leute mit mehreren Kindern mir Aufgaben aus der Schule oder dem Sportverein übertragen wollen, weil man ja nur ein Kind und damit quasi nichts zu tun hat. Da könnte ich an die Decke gehen. Denn im Zweifel hat man als berufstätige mit einem Kind mehr zu tun und vor allem weniger Freizeit als jemand, der mehrere Kinder hat und nicht arbeitet. Da sollte sich jeder zurücknehmen und auf sich schauen. Ein Urteil über das Leben des anderen sollte sich jede der Parteien verkneifen. Denn es kann nicht geklärt werden, wer den härteren Tag hat. Das kommt sicher auf das Alter der Kinder an. Denn je älter die Kinder werden, desto selbständiger sollten sie sein und umso mehr Freizeit hat die Mutter.

Eine Frage, die mir direkt in dem Zusammenhang einfällt ist die, ob nach der Geburt die Mutter oder der Vater den stressigeren Part hat. Fragt man die Mutter, lautet die Antwort „Ich“. Fragt man den Vater lautet die Antwort ebenfalls „Ich“. Schließlich hat jeder eine wichtige Aufgabe. Der Vater hat durch den Familienzuwachs eine noch größere Verantwortung, was das Finanzielle betrifft. Mindestens eine Person mehr muss versorgt werden. Ein Kind ist ziemlich teuer, sodass der Druck nach einem guten, vor allem sicheren Job steigt. Das kann natürlich Stress verursachen.

Die Mutter hat auf einmal keine Minute mehr frei, sondern kümmert sich permanent um den Nachwuchs. Das ist eine sehr schöne, aber zugleich auch sehr herausfordernde Aufgabe. Das Schreien und Nörgeln zehren enorm an den Nerven. Was für mich als ordnungsliebenden Menschen am schwersten war, war die Unordnung und das fremdgesteuert sein. Ich konnte nicht mehr nach meinen Bedürfnissen agieren, sondern musste mich komplett nach dem Rhythmus des Kindes richten. Da muss man gerade als Perfektionist erst einmal eine harte Schule durchlaufen. Denn das Kind nimmt alles in den Mund, schmeißt Sachen durcheinander und hat die Windel nicht immer zur gleichen Uhrzeit voll. Und der Hunger kommt auch mal jetzt und mal später. Jeder Tag war eine Challenge und ein Lernen an sich selber.

Warum ist das eigentlich so schwierig? Es gibt einfach Menschen wie mich, die bekommen zum Beispiel bei Unordnung körperliche Schmerzen. Ich habe damals die Mütter beneidet, die selber so unordentlich waren, dass sie das Chaos gar nicht gestört hat. Es ist alles eine Frage des Typs, daher sind ordentliche Menschen meiner Ansicht nach mit Kindern auch deutlich unentspannter. Aber immerhin besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit und zumindest Hoffnung, dass das eigene Kind auch ordentlich wird. Und das wäre ja auch ein großer Gewinn. Auch wenn es in dem Moment kein Ausgleich ist.

Die Elternzeit ist eine wirklich tolle Zeit, denn man lernt viele neue Leute kennen und es entstehen sehr viele enge Freundschaften. Seit dem Studium hatte man nie so viel Zeit sich zu verabreden. Das war sehr schön. Dennoch war ich jeden Abend völlig kaputt und froh, wenn ich meinem Mann unseren Sohn überreichen konnte – in dem Moment, in dem er im Anzug die Wohnung betrat. Ja, es wartete kein selbstgekochtes Abendessen oder eine schick angezogene Frau auf den Mann, sondern eine gestresste in „Lungerklamotten“ mit Milch- und Breiflecken befindliche Frau, die nur ein paar Minuten Ruhe brauchte und niemanden sehen wollte. Bei den perfekten Familien war das sicher anders. Aber in der Realität und bei vielen, die ehrlich sind, sieht es genauso aus.

Als ich wieder angefangen habe zu arbeiten waren es die alltäglichsten Dinge wie in der Teeküche stehen und kurz mit Kollegen quatschen, die ich am meisten genossen habe. So sehr einem das Kind am Anfang gefehlt hat, so hat man auch die etwas wiedererlangte Freiheit genossen. „Rabenmütter“, wie ich eine bin, jedenfalls. Denn natürlich gibt es auch Eltern, insbesondere Mütter, die ihre Kinder nicht abgeben wollen an Fremde. Das ist auch ihr gutes Recht. Aber auch da wollen diese Mütter einem ein schlechtes Gewissen machen, dass man seine Kinder schon mit unter einem Jahr z.B. zur Tagesmutter oder noch schlimmer in den Kindergarten gibt und damit in fremde Hände. Es hat bisher aber noch keinem Kind geschadet, mit anderen Kindern zu spielen. Ob eine gestresste Mutter zu Hause besser ist als fröhlich spielende Kinder, mag ich bezweifeln. Aber es gibt eben Übermütter, die sich nicht eingestehen wollen, dass man ein Kind nicht ewig nur an sich binden kann. Das sind dann auch meistens die Mütter, bei denen die Eingewöhnung im Kindergarten gar nicht klappt. Denn sie klammern so sehr an den Kindern, dass diese tatsächlich am Hosenbein von Mami hängen und weinen. Für die Mütter sind natürlich die Erzieherinnen schuld, die ihrem Kind nicht die nötige Aufmerksamkeit widmen. Am Ende muss die Eingewöhnung abgebrochen werden und die Mami kann beruhigt mit ihrem Kind nach Hause gehen und sie hat eine Aufgabe und vor allem eine Rechtfertigung, nicht mehr arbeiten zu müssen. Denn es ist für das Kind in deren Augen viel besser, wenn die Kinder bis zur Schule zu Hause bleiben.

Ein weiteres Thema sind diejenigen Mütter, die die Schuld immer bei anderen suchen, wenn es um das eigene Kind geht. Wer kennt sie nicht, die Mütter, deren Kinder sich unmöglich benehmen, nach Ansicht der Mütter aber zum Beispiel die Erzieher sich nicht ausreichend um die Kinder kümmern. Oder die unentdeckten Fähigkeiten der Kinder nicht erkennen, was vielleicht daran liegen könnte, dass das Kind keine besonderen Fähigkeiten besitzt. Aber egal. Es gibt Leute, die es vergessen, ihre Kinder zu erziehen und Dritte für das Scheitern oder Probleme verantwortlich machen. Denn die Erzieherinnen könnten ja schon mal mehr Einsatz zeigen, schließlich sei das Kind zu Hause ganz anders. Warum können Leute nicht zugeben, dass ihre Kinder etwas daneben sind. Nach außen muss immer der Eindruck vermittelt werden, dass alles perfekt ist und man gar nicht versteht, was das Kind jetzt eigentlich hat. Dann muss es sich wohl in der Einrichtung nicht wohl fühlen, sonst würde er nie andere Kinder hauen oder nicht hören und das machen, was von ihm verlangt wird.

Unser Sohn hat z.B. im Alter von ca. eineinhalb bis drei Jahre gerne jeden umgehauen, der ihm in die Quere kam. Bei der Tagesmutter nicht, aber zum Beispiel auf dem Spielplatz. Ich fand das ganz furchtbar und habe mich dafür geschämt. Aber mir wurde immer gesagt, dass sich das auswächst und dass vor allem einige Jungs in dem Alter das machen, um Aufmerksamkeit zu bekommen, egal ob positive oder negative. Dafür konnte ich aber keinen Dritten verantwortlich machen. Immer und immer wieder hat man gebetsmühlenartig auf das Kind eingeredet. Mit Erfolg. Im Kindergarten war das vorbei.

Die Eltern, die andere für die Fehler ihrer Kinder verantwortlich machen, sind auch meist die Eltern, die sich schön zurückhalten, wenn es um die Übernahme von Aufgaben geht. Denn ein Fest im Kindergarten oder in der Schule lebt von Eltern, die sich engagieren, Dinge besorgen und mitbringen und Kuchen backen. Wie oft habe ich von Eltern, die nicht arbeiten erlebt, dass sie keinen Beitrag für das Kuchenbuffet mitgebracht haben. Mit der Begründung, letztes Jahr war ja viel zu viel da. Wenn so alle denken würden, dann würden viele schöne Feiern nicht stattfinden können. Das sind dann leider auch die Eltern, die im Kindergarten eine Notfallbetreuung in Anspruch genommen haben, obwohl die Mutter nicht berufstätig war. Aber der Yoga Kurs an dem Vormittag sollte eben nicht entfallen und war wichtiger. Und wofür gibt es schließlich die Notfallbetreuung? Selbst viele berufstätige Mütter haben es möglich gemacht, das Kind nicht in den Kindergarten zu bringen.

Aber als Egoist kommt man gut und leider meistens auch noch besser durchs Leben. Man macht sich aber auch nicht überall beliebt.

Kommen wir zu einem weiteren meiner Lieblingsthemen, wenn es um Kinder geht. Es gibt Bücher, die heißen „Bist du glücklich oder hast du Kinder in der Schule?“. Derartige Bücher bekommen eine ganz andere Bedeutung, wenn das eigene Kind in die Schule kommt.

Haben wir nicht alle hochbegabte Kinder? Am liebsten waren mir die Mütter, die bereits vor dem Schuleintritt erzählt haben, dass ihr Kind sich total langweilt, weil es den Stoff der ersten Klasse schon kann. Schließlich sei das Kind in der Vorschule gewesen und daher könne es das alles schon. Das mag vielleicht die ersten Wochen auch stimmen. Aber man sollte sich doch sehr zurückhalten. Peinlich wird es nämlich dann, wenn sich herausstellt, dass leider andere Kinder sehr viel mehr wissen, als das Kind, was sich angeblich so langweilt.

Auch bei Elternabenden sollte man sich zurückhalten. Die sind meistens nicht vergnügungssteuerpflichtig. Momente zum Fremdschämen sind garantiert. Einige Eltern stellen sich mit ihren Kommentaren so ins Abseits, ohne es selber zu merken. Zum Beispiel wollte eine Mutter bei dem Elternabend, der vor den Sommerferien und damit vor Beginn der ersten Klasse stattfand, wissen, wie sie die Lehrerin erreichen kann. Daraufhin entgegnete die Lehrerin ganz cool: „Gar nicht.“ Die Telefonnummer und Mail-Adresse bekämen die Eltern bei Schulstart. Die Antwort fand ich ziemlich amüsant. Wo kommen wir denn dahin, dass Eltern Lehrer bereits mit Anrufen oder Mails bombardieren, bevor die Schule überhaupt losgegangen ist. Wahrscheinlich um mitzuteilen, dass ihr Kind hochbegabt ist und besonders gefordert werden muss. Mir selber fällt zu so einem Verhalten nichts ein.

Besonders schön ist es dann, wenn solche Kinder gar nicht in den angebotenen Forderkursen für besonders gute Schüler drin sind, weil eben andere Kinder, wie auch immer das passieren konnte, eben besser sind. Und dass, obwohl die Eltern sich nicht in den Vordergrund spielen. Das ärgert die Eltern der vermeintlich besonders schlauen Kinder am meisten. Ich erinnere mich noch gut an eine Szene, wo unser Sohn zu einem anderen Kind nach den Bundesjugendspielen aus Spaß gesagt hat: „XY hat keine Ehrenurkunde.“ Dabei wussten alle, dass er eine hatte. Daraufhin war sofort die Mutter zur Stelle und sagte mit einem ziemlich aggressiven Ton:

„Mein Sohn hat einen Punkt mehr als Du – hättest Du Dich wohl ein bisschen mehr anstrengen müssen.“ Ich kam gerade auf dem Fahrrad angefahren und hatte nicht wie die andere Mutter bei der Siegerehrung zugeschaut und war einfach nur fassungslos über diesen Tonfall gegenüber anderen Kindern. Vor Ehrgeiz zerfressen. Leider fehlt einem manchmal die Schlagfertigkeit, weil die Fassungslosigkeit überwiegt.

Warum kann nicht einfach jeder mit seinem Kind so zufrieden sein, wie es ist? Stattdessen wird die ganze Zeit verglichen, wer was besser macht und kann. Damit wird keiner glücklich. Denn jedes Kind hat eigene Talente. Zum Glück sind nicht alle gleich. Aber es ist einfacher sich damit abzufinden, dass das eigene Kind vielleicht nicht der Beste in der Schule ist, anstatt Druck aufzubauen.

Absurd ist es auch, wenn Mütter vergleichen, wie weit Kinder mit ihren Lernplänen sind, damit ihre Kinder nach dem Wochenende eine Seite weiter sind. Lehrer vergeben ihre Noten meines Wissens nicht nach Schnelligkeit, sondern danach, welches Kind im Unterricht und in den Tests den Stoff beherrscht. Einige Eltern kommen schon auf merkwürdige Ideen.

Ich erinnere mich noch an die Bemerkung einer Mutter, als die eigene Klassenlehrerin netterweise wegen ständiger Krankheit der Mathelehrerin auch die Mathestunden übernommen hat. Sie hatte Sorge, dass der Unterricht in der Grundschule nicht von einer examinierten Mathelehrerin übernommen wurde. Die Ansicht stieß im Klassenchat nicht auf geteilte Meinung, denn zwei Eltern traten direkt danach aus. Mir persönlich war das ganz egal, denn ich freute mich einfach nur, dass es in Mathe endlich etwas voran ging. Aber einige haben sich anscheinend enorm geärgert über solche Aussagen. Ich gehe aber davon aus, dass die Klassenlehrerin sicher begeistert gewesen wäre von einer solchen Aussage. Wenn sie das gehört hätte, wäre ihr sicher die Lust vergangen, ihre Stunden den Kindern zuliebe aufzustocken. Gerade wenn das eigene Kind in Mathe sehr gut ist, war mir einfach nur wichtig, dass nicht in der zweiten Klasse noch der Stoff der ersten Klasse absolviert wird. Mir wäre es in dem Moment auch recht gewesen, wenn jemand die Kinder unterrichtet hätte, der gar kein Examen hat, Hauptsache es geht weiter. Vielleicht hätte ich auch anders gedacht, wenn unser Sohn nicht gut in Mathe gewesen wäre. Das mag ich nicht ausschließen.

Ein Austreten aus dem Klassenchat kommt für mich nicht in Frage, weil er ja schließlich dazu da, seine Meinung zu sagen und es ist auch gut, dass es Menschen gibt, die sich einsetzen und Ziele verfolgen. Auch wenn man nicht jede Ansicht teilt. So wurde schließlich auch erreicht, dass die Klasse eine neue Lehrerin bekommen hat. Dafür braucht es Menschen, die sich engagieren.

Bevor ich zum Abschluss des Kapitels komme, möchte ich noch ein paar Absurditäten preisgeben, die ebenfalls ohne Kinder nicht passiert wären.

Was machen Kinder, die zu Hause wenig bis keine Süßigkeiten bekommen, als erstes, wenn sie eingeladen sind und auf dem Tisch Süßigkeiten sehen? Genau, Süßigkeiten in rauen Mengen essen. Blöd ist nur, wenn sich die Kinder am Erwachsenen Tisch bedienen und dort Alkohol Pralinen stehen. Den Rest kann sich jeder denken. Zum Glück schmecken diese Pralinen den Kindern nicht, sodass sie gleich ausgespuckt werden. Man sollte sich also eher an den Kindertisch halten beim Naschen.

Was man als Eltern auch besonders mag, ist, wenn sich Dritte in die Erziehung einmischen. Egal ob Freunde oder die Familie. Jeder fühlt sich sofort bevormundet und angegriffen, wenn etwas am eigenen Kind kritisiert wird oder man selber schlaue Tipps erhält, wie man die ein oder andere Situation besser regeln könnte. Der Ton macht natürlich die Musik und auch der Weg, wie man etwas sagt. Was in jedem Fall nicht zu guter Laune beiträgt ist ein Erziehungsratgeber als Geschenk. Egal ob gut gemeint oder nicht. Solche Geschenke sollten zwingend vermieden werden, um die Stimmung nicht zu gefährden.

Was ebenfalls zu hervorragender Stimmung beiträgt sind Konkurrenzsituationen unter Geschwistern. Ganz unter dem Motto: Mein Haus, mein Pferd und mein Auto. Als wir in unser Haus gezogen sind, waren wir natürlich sehr stolz. Da waren wir nicht gut auf Gäste zu sprechen, die sich durch das Haus führen ließen und nicht ein Wort währenddessen sagten. Die sich während der „Führung“ die längste Zeit im Kinderzimmer aufhielten, um zu checken, was für die eigenen Kinder alles angeschafft werden muss. Das musste sofort bei Amazon bestellt werden. Nachdem die Bestellungen fertig waren, war dann Zeit für Kaffee und Kuchen. Mir verging schon die Lust eine gute Gastgeberin zu sein. Muss das wirklich sein, dass man ein Kinderzimmer genau abcheckt auf den Inhalt? Ich kann das nicht verstehen. Vor allem, wenn man sich zu den Geburtstagen der Kinder immer genau vorgegebene Dinge wünscht. Vielleicht könnte man so eine Gelegenheit einmal nutzen, um neue Ideen und Überraschungen zu bekommen. Aber gut, jeder Jeck ist anders.

Der übliche Wahnsinn - und dann kam Corona

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