Читать книгу Zum Heldentod begnadigt - E.R. Greulich - Страница 4

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"Sie haben sich am Montag, dem Soundsovielten 1942, in der Knabenschule Tempelhofer Ufer zu stellen.

Zeit: 14.30 Uhr.

Grund: Eintritt zum aktiven Wehrdienst.

So steht auf der Postkarte, die am Freitagabend in meinem Briefkasten steckt. Ich habe also praktisch zwei Tage Zeit, meine Siebensachen zu regeln und Schluss zu machen mit dem Privatleben.

Auf dem Rand der Karte steht mit roter Schreibmaschinenschrift: Für die Dauer Ihres Wehrdienstes sind Sie durch ein Gesetz des Führers wehrwürdig.

In den verbleibenden sechzig Stunden komme ich kaum mehr zum Schlafen.

Auf meiner Arbeitsstelle, zu der ich nach meiner Haftentlassung zwangsverpflichtet wurde, sind sie erstaunt. Es hatte immer so ausgesehen, als würde ich nie eingezogen.

Man zahlt mir meinen Akkordrest aus, ich verabschiede mich. Das übliche Händeschütteln. Übliche Segenswünsche. Die meisten verhehlen ihr Mitleid nicht und ihre Freude, dass es sie nicht erwischt hat. Es ist gut, dass ich so wenig Zeit habe. So kann ich die Abschiedszeremonien auf ein Mindestmaß herabschrauben.

Bei Bella geht das natürlich nicht. Sie bleibt die ganze Nacht. Und was bei ihr Abschiedskummer und Leid zu einem großen lodernden Gefühl zusammendrängt, bewirkt bei mir das Gegenteil. Ich möchte schlafen. Schlafen und vergessen. Noch ein einziges Mal als Zivilist in einem richtigen Bett träumen dürfen. Bella ist traurig darüber. Sie versteht mich nicht. Ich verstehe sie sehr gut. Gerade das macht mich nervös. Es ist ein gespanntes letztes Zusammensein. Gute Bella, verzeih mir, ich höre schon platzende Granaten, rieche Phosphor und sehe Menschenfleischfetzen in Stacheldraht hängen. Ich kann mich keiner Liebesstunde mehr hingeben.

Nun ist es soweit.

Ich stelle den Koffer vor die Tür und gehe noch einmal zurück in die Stube. Vor einem halben Jahr kam ich aus der Haft. Heimlos und einsam stand ich damals auf der Straße. Jetzt gerade ist meine Junggesellenbude fertig geworden. Eine Titanenarbeit in Zeiten des totalen Krieges bei zehn- und zwölfstündiger Arbeitszeit. Traulich schauen mich alle Dinge an, schon deswegen so traut und kostbar, weil sie so schwer zu beschaffen waren.

Ich werfe mich noch einmal auf die selbst gezimmerte Couch und starre gegen die Decke. Komische Gedanken fluten in solchen Momenten. Alles schaut so seltsam klar und kristallscharf aus. Wie in Gelee konserviert und unter eine Glasglocke getan. Wirst du wohl jemals wieder diesen Raum betreten? Oder wird er von Fliegerbomben zerstört sein? Jetzt kommt eine Zeit der großgeschriebenen Wenns.

Ich springe hoch. Die Zeit rast, ich muss mich beeilen. Der Abschied von meiner Bude war der längste.

Am Alexanderplatz steige ich in die Bahn. Ich ziehe noch einmal die bewusste Karte aus der Brieftasche. Wohl zum zehnten Male vergewissere ich mich über Stellungszeit und -ort. Mir gegenüber sitzen drei Landser. Sie grinsen verständnisinnig. Der Koffer und mein Studieren der Karte verraten ihnen alles.

"Ham wa allet hinta uns!" sagt der eine.

"Mal muss et ja sein", bestätigt der andere und spricht vom Soldat werden wie von einem unabwendbaren Kismet.

Die Soldaten von anno Tobak haben's schöner gehabt. Mit klingendem Spiel sind sie zum Bestimmungsort gebracht worden, und die ganze Heimat half tüchtig mit, ihre Stimmung hochzuheben. Ein Verurteilter, fahre ich einsam und still durch meine Vaterstadt Berlin, meinem Kriegsschicksal entgegen.

Am Kottbusser Tor steige ich hinauf zur Hochbahn. In meinem Abteil sind noch vier Personen, zwei junge Männer in meinem Alter und deren Mütter. Offenbar haben sie das gleiche Ziel wie ich. Die Mütter sind besorgt, als brächten sie Sechsjährige zum ersten Schultag. Die jungen Männer lassen stoisch ihre Ermahnungen über sich ergehen. "Ja, ja", ist ihre stereotype Antwort. Ihre Gedanken sind schon weit weg von der sorgenden Mutter. Sie steigen aus, und ich halte mich hinter ihnen.

An der Ecke Großbeerenstraße wartet Walter auf mich. Das stimmt mich froh. Ein vernünftiger Freund ist das Beste in solcher Situation.

Auf dem Schulhof stehen sie gruppenweise nach Buchstaben.

Nachdem ich meine Gruppe gefunden habe, melde ich mich bei einem unwirschen Herrn in Uniform mit vielen Zetteln in der Hand. Ein heiserer Bass blökt mich an: "Dass Sie überhaupt kommen, ist viel wert, Herr Volksgenosse!" Ich werfe einen Blick auf die Armbanduhr: "Es ist gerade 14 Uhr 30", sage ich.

"Egal", beharrt er, "ein Soldat hat fünf Minuten früher zu kommen, um pünktlich zu sein."

Ich zucke mit den Achseln und gehe.

"Kommse mal her!" ruft er, "wenn man sich von einem Vorgesetzten wegwendet, macht man das mit einer zackigen Kehrtwendung! Verstanden?"

"Ja", sage ich.

"Jawoll heißt es", grollt er, "haunse ab."

Ich trolle mich zu meiner Gruppe. Walter steht dort schon und lacht schadenfroh, "siehst du, deinen ersten Anschiss hast du weg."

"Wenn schon", sage ich wenig bewegt, "solche Lappalien sind wir vom Knast her gewohnt."

"Großer Vorteil für dich", antwortet er.

In meiner Gruppe wird "gerüchtet". Das Wort Afrika huscht immer wieder in meine aufnahmegierigen Ohren.

Laufend kommen noch Leute mit Pappkartons und billigen Koffern.

"Angehörige, Abstand nehmen!" ruft der Barsche, und ich bin froh, dass es nun losgehen soll. Doch jetzt kommt erst zu jeder Gruppe ein Unteroffizier, um die Einladungskarten einzusammeln und die Vollzähligkeit der Gruppe festzustellen. Das dauert wieder eine halbe Stunde. Gut, dass Walter noch da ist. Wir können Stichworte wechseln. Sonst wäre das hier eine langweilige Angelegenheit. Ich bin dem Burschen gram.

Mich fährt er an, weil ich auf die Minute pünktlich gekommen bin. Jetzt ist es eine Stunde später, und wir stehen noch immer auf dem öden Schulhof.

"Hat jemand noch eine ernsthafte Angelegenheit, über die er im Zweifel ist?", fragt laut mein Anranzer.

Stichwort für mich, den Arm zu heben.

"Herkommen!" befiehlt er.

Ich zücke das Attest meines Zahnarztes und erkläre, dass ich in Zahnbehandlung stehe wegen einer neuen Zahnbrücke.

"Zeigense mal." Ich sperre meinen Mund weit auf.

"Hahaha", sein Lachen ist mit sardonisch noch zu flau bezeichnet.

"Junger Mann, den Krieg gewinnen wir auch ohne die Brücke. Zurück ins Glied, marsch, marsch."

Warum ist der Mann bloß so hämisch? In Wahrheit läuft seine Rederei darauf hinaus, dass wir den Krieg verlieren, wenn ich vierzehn Tage später eingezogen werde. Der Befehl kommt: "Alle Angehörigen den Schulhof verlassen!" Walter gibt mir die Hand. Wir sehen uns an und sprechen nichts. Er dreht sich kurz um und geht.

Wir müssen zu dreien antreten und zum Anhalter Güterbahnhof marschieren. Vor dem Schulgebäude schließt sich uns wieder der Tross der Frauen, Mütter und Bräute an. Kein Offiziersverbot und kein Güterbahnhofsgitter kann sie abhalten, neben ihrem Mann, Sohn oder Bräutigam herzu trippeln.

Personenwagen dritter Klasse werden uns angewiesen.

"Ick seh schwarz", sagt einer im Abteil, "wenn jetzt noch keene Lokomotive da is, stehn wa hier noch ne jute Weile." Mehrere teilen seine Befürchtungen. Orakeleien und Gerüchte schwirren durch den Wagen. Keiner kann mit Bestimmtheit sagen, wo der Truppenübungsplatz Heuberg liegt.

"Wenn wa Schwein ham, sind wa morgen früh da", hofft einer, und Frau Grosser und Frau Schulbein sind auch der Meinung. Diese beiden Frauen zweier Kameraden sind noch in unserem Abteil. Gute Ehekameradinnen, die jetzt tapfer in Zweckoptimismus machen. Für jeden von uns haben sie ein Fünkchen Anteilnahme, die ehrlich ist und von Herzen kommt. Die feine Haltung der Frauen tut wohl und strahlt wieder zurück. Im Abteil ist ein Scherzen, das im krassen Widerspruch zur Tatsache des Abschieds steht.

Endlich geht ein Rucken durch die Wagenreihen. Die Frauen verabschieden sich hastig und verlassen uns. Der Zug holpert langsam über Weichen, rollt aus und steht. Ein wenig später rumpeln wir wieder zurück. Wir werden rangiert. Das marternde Spiel des Hin- und Herrollens setzt sich fort bis in den späten Abend. Am anderen Morgen um drei Uhr fangen wir an zu fahren. Jetzt beginnt der Fahrwind wirksam zu werden. Es wird ungemütlich kalt. Ich opfere meine Decke, die einzige im Coupé, und wir bringen sie vor den Fenstern der Windseite an. Es wird viel gefroren, viel geraucht und wenig geschlafen. Am Nachmittag ist das erste Mal offizieller Halt. Es gibt eine Wassergraupensuppe in Pappbechern.

Die Stimmung ist nullpunktmäßig über die schlechte Unterbringung und noch schlechtere Verpflegung.

"Wart‘s man ab", ruft einer, "det kommt allet noch ville schöner." Gedankenvoll nicken viele. Es findet sich kein Widerspruch.

Die Diskussionen sind tastend, vorsichtig. Wir sind alles Vorbestrafte. Der kleinere Teil politisch. Unschwer erkennt man bei den Einzelnen, ob es sich um Politische oder Kriminelle handelt. Die Politischen bewegen sich vorsichtig, sprechen aber über ihre Strafe freimütig. Bei den Kriminellen ist es umgekehrt.

Auf manchen Güterbahnhöfen liegen wir stundenlang. Auf anderen werden wir bis zum Blödsinnigwerden hin und her rangiert. Je weiter wir nach Süddeutschland kommen, um so kälter wird es. Schmutzige Schneereste vergrößern die Trostlosigkeit der Landschaft. Mein Rücken schmerzt vom Versuch im Gepäcknetz zu schlafen. Die Füße schlafen immer öfter ein, und die Knie schmerzen vom ewigen Sitzen. Die Aborte haben kein Wasser und sind bald bis oben voll, beschmutzt, besudelt. Übernächtigt und unrasiert sehen wir bald aus wie rückkehrende Frontschweine.

Einmal noch in 'diesen drei Tagen bekommen wir Wassergrieß und einmal lauwarmen Ersatzkaffee in den obligaten NSV-Bechern.

Endlich heißt es aussteigen. "Thiergarten (Sigmaringen)" steht auf den Schildern der Station. Ein netter kleiner Bahnhof mit einem langen Bahnsteigdach. Wir müssen zu dreien antreten. Neben dem Dach am Ende des Perrons, langsam sickert grauer Tauschnee vom Himmel. Wir stehen eine Stunde, keine freundlichen NSV-Schwestern begrüßen uns mit warmem Kaffee. Ein Unteroffizier schlendert hinterm Bahnsteigzaun und mustert unsere Reihen.

"Na, ihr Burschen", sagt er vielsagend.

Die ersten Pappkoffer beginnen aufzuweichen. Wir stehen jetzt eineinhalb Stunde und unsere Verfassung ähnelt der der aufgeweichten Koffer. Zehn Meter links von uns beginnt der trockene Bahnsteig mit dem schützenden Dach.

Weiter hinten lockt der Wartesaal mit Wärme und heißer Bouillon. Aber niemand darf das Glied verlassen. Wir sind ja Soldaten. Nach eindreiviertel Stunden qualvollen Stehens ertönt das Kommando: "Links um, alles marsch!"

Aus dem Tal der Donau steigt der Weg bergan. Je höher wir kommen, desto weißer und fester wird der Schnee. Ein Stück vom Bahnhof weg heißt es: "Halten. Links um!" Ein junger Leutnant in Afrika-Uniform tritt vor die Front und hält eine kurze Rede.

Auf Befehl des Führers würden hier Spezialregimenter aufgestellt für Afrika. Wir wären alles Vorbestrafte und jeder hätte jetzt die Chance, seine alte Schuld zu tilgen, durch unbedingten Einsatz als Soldat und notfalls durch Hingabe des Lebens. Niemandem würde etwas nachgetragen werden, und wir würden von Offizieren und Ausbildern behandelt werden wie jeder andere Soldat. Sollten wir uns dieses großen Vertrauens würdig erweisen, so zweifle er nicht, dass wir zu den tapfersten und ruhmreichsten Regimentern der deutschen Armee zählen werden. Darauf dürfen wir kurz wegtreten zum Austreten oder um eine Zigarette zu rauchen.

Auf der Höhe pfeift uns eisiger Wind um die Ohren. Wir sind vom strammen Bergansteigen verschwitzt und frieren jämmerlich. Wie eine Horde Verbannter ziehen wir durch Stetten am kalten Markt. Wir finden den Namen des Ortes äußerst zutreffend.

Kurz hinter Stetten beginnt der in sich abgeschlossene Komplex des Truppenübungsplatzes. Flache, einstöckige Häuser stehen ausgerichtet wie die Soldaten. Von außen machen sie einen passablen Eindruck. Innen verwohnt und überaltert. Faulende Dielen, wacklige Schemel, uralte Strohsackbetten dreifach übereinandergebaut, ein schwerfälliger Ofen, zwei rohe Holztische und sargähnliche schmale Spinde, das' ist die Inneneinrichtung unserer zukünftigen Behausung. Wir werden erst provisorisch untergebracht.

Am nächsten Tag geht es zur ärztlichen Untersuchung. Jeder hat genaue und wahrheitsgetreue Angaben zu machen über gehabte Krankheiten und dergleichen, wird uns eingeschärft. Nach einem ganzen Vormittag Warten stehe ich vor dem Arzt. "Welche körperlichen Mängel haben Sie?"

Ich Neuling antworte wahrheitsgetreu: "Plattfüße, kurzsichtig, Herzfehler und gerade in Zahnbehandlung."

"Ach", sagt der vor mir stehende, etwa zehn Jahre jüngere Arzt ironisch, "und nun glauben Sie, im Krieg nicht zu taugen?"

"Ganz im Gegenteil", kommt meine bissige Antwort, "ich freue mich außerordentlich, endlich Soldat geworden zu sein."

"Na also." Pro forma horcht er mein Herz ab. "Wer hat Ihnen gesagt, dass Sie einen Herzfehler haben?"

"Bis jetzt alle Ärzte!" "Hm, dann hat sich Ihr krankes Herz erstaunlich gebessert."

Abschließend bemalt er einen Schein, den ich einer Gruppe sitzender Offiziere überreichen muss. Ein Monokel und mehrere Brillengläser fixieren mich Nackten scharf. Es ist, als hätte man auch seine Seele entblößt vor diesen Angezogenen.

"Sie sind Grafiker von Beruf?"

"Jawohl."

Die Herren tuscheln miteinander. Dann fragt der eine: "Welches war Ihr Delikt?"

"Hochverrat", antworte ich wahrheitsgemäß.

Der Frager bekritzelt den Schein. "Warten Sie auf der Stube, bis Sie von Ihrer Einheit abgeholt werden. Sie sind eingeteilt zum Stab, xtes Bataillon." Ich darf mich anziehen und gehen. In langer Reihe stehen schon viele meiner augenblicklichen Stubenkameraden vor dem Essraum. Ich stelle mich hinten an. Es gibt Sauerkohl und Pellkartoffeln.

Den ganzen Nachmittag hocken wir auf der Stube herum. Am Abend werde ich mit noch zwei anderen von einem Obergefreiten geholt.

Wir sind die drei letzten für die nächsten Tage, die zum Stab eingewiesen werden. Der lange Paul Lewenz wird neben mir einquartiert, der dicke Heinrich Polz über mir. Die schon Anwesenden tun kameradschaftlich, mimen aber auffällig die Alten, da gewesenen.

Das große Wort führt der Stubenälteste, Unteroffizier Hedler, ein Mann, der sich gern reden hört. Sein Lieblingsthema bekommt man schon nach wenigen Stunden satt: Seine Heldentaten im Allgemeinen, seine russischen im Besonderen. Ansonsten spielt er den guten Vorgesetzten, der sich sogar erbietet, auf etwa noch bei uns im Besitz befindliche Fleisch- oder Brotmarken aus Stetten etwas mitzubringen.

"Wieso?" frage ich, "dürfen wir selbst denn nicht in den Ort?"

"Nee, mein Lieber", feixt er, "ohne besondere Genehmigung darf von euch niemand den Truppenübungsplatz verlassen."

"Ach so", entfährt es mir resigniert.

"Sie müssen das nicht falsch verstehen", bemüht er sich, die Wirkung seiner Worte abzuschwächen, aber ehe man nicht weiß, wie sich die Einzelnen bewegen werden, musste man zu dieser Vorsichtsmaßnahme greifen."

"Dann gibt es also keinen Ausgang, keinen Stadturlaub?" vergewissert sich Paul Lewenz.

"Vorläufig nicht", sagt Hedler, und kann sich ein schadenfrohes Grinsen nicht verkneifen. Es entsteht eine aufgeregte Diskussion in der Stube. Die helle Stimme Hedlers reißt alle Unterhaltung an sich, schließlich in eine Rede ausartend, die sich bedeutend detaillierter in Auslassungen ergeht als jene, die wir gestern von dem jungen Leutnant hörten. Zum Schluss beteuert er seine Loyalität, insbesondere unseren Vorstrafen gegenüber, und dass alles begraben und vergessen sei.

Dann wird Post verteilt. Drei Briefe kommen in die Stube. Alle drei sind an Hedler adressiert. Ein Brief ist von seiner Frau, die beiden anderen von Freundinnen.

Hedler sonnt sich im Neid der Anderen und spielt Don Juan.

Am nächsten Tag ist Einkleidung. Wird es so sein, wie man es oft erzählen hört? Dass man seine Sachen und den dröhnenden Befehl: "Rrrraus!" an den Kopf geworfen bekommt?

Es ist nicht einen Deut anders. Ergebnis nach eingehender Anprobe auf der Stube: "Mütze etwas zu groß, Rock sehr knapp, Hosenlänge stimmt zufällig, Stiefel zu eng, dafür scheuernd. Unterwäsche geht einigermaßen."

Ich komme mir vor wie eine Vogelscheuche und lese auf Pauls Gesicht ähnliche Empfindungen. Dergestalt äußerlich umgewandelt, müssen wir einzeln zur Schreibstube kommen. Jeder wird namentlich gerufen. Mir ist nicht ganz wohl, als ich über den Flur gehe. Ich habe die bestimmte Ahnung, dass das gelernt sein muss, dieses Hineinkommen in die Schreibstube. Wie macht man's aber vorschriftsmäßig? Ich habe keinen blassen Schimmer davon. Ich will noch anklopfen, unterlasse es aber. Mein geängstigtes Hirn hat den vermeintlichen Lichtschimmer, anklopfen wäre zu devot und eines deutschen Soldaten unwürdig. Mein zweiter Fuß ist noch lange nicht über die Schwelle, da brüllt's mir auch schon entgegen: "Noch mal rrausss!" Fluchtartig schließe ich die Tür und stehe wieder da wie vor einer unüberwindlichen Eskaladierwand. Diesmal klopfe ich an und nehme die Mütze in die Hand. Wieder muss ich zurück. Beim dritten Mal endlich hat der Himmel Erbarmen, besser gesagt der Spieß, was ja hier dasselbe ist, vielleicht auch ein bisschen mehr.

"Richtig ist's noch lange nicht", sagt der Spieß, "aber bleiben Sie jetzt hier. Sie heißen mit Vornamen?" Er trägt alles fein säuberlich ein.

"Sie sind Grafiker", sagt er sarkastisch am Schluss, "dann tippe ich bei Ihnen auf Hochverrat."

"Erraten", antworte ich nicht ganz soldatisch, was ihm aber sichtlich imponiert. Er gibt mir nun Belehrungen, wie ich die Schreibstube zu verlassen hätte, und mit gespieltem Bemühen zaubere ich einen einigermaßen Abgang.

An diesem Abend füllt wieder das Geschwätz Hedlers die Stube. Er steht kurz vor seiner Prüfung als Kraftfahrlehrer und sieht sehr schwarz für sich! Er stellt seine Prüfung so dar, als wäre sie für einen normalen Durchschnittsmenschen einfach nicht zu bestehen. In den nächsten Tagen ist er sehr nervös, sehr engagiert, und seine selbst gepriesene Loyalität hat wesentlich nachgelassen. Unteroffizier Gotze übernimmt für ihn den Dienst des Stubenältesten.

Gotze schauspielert den Strengen und macht mächtigen Rabatz, wie der Landser sagt. Er hat's auch bitter nötig, denn er ist von Natur alles andere als ein Soldat. Viel zu gutmütig und menschenfreundlich, die beiden unbrauchbarsten Eigenschaften beim Kommiss.

Zwei interessante Gegensätze: Hedler spiegelt vor, was bei ihm nicht da ist: Kameradschaft und Menschlichkeit. Gotze spiegelt vor, was bei ihm nicht da ist: Strenge und eiserne Härte.

Kein Wunder, dass man sich mit Gotze besser versteht. Sein Theaterdonner, den er oft über unsere Stube hinpoltert, kränkt nicht, sondern amüsiert mich insgeheim. Selbst dann, wenn ich manchmal mitleiden muss unter allgemeinen Strafprozeduren.

Wir werden eingeteilt. Der größte Teil des Stabes muss vorerst Dienst bei der 1. Kompanie mitmachen, der kleinere Teil kommt zu Feldwebel Tarstag in Funkerausbildung. Ich gehöre nicht zu den Letzteren. Ich lerne bei Unteroffizier Scharer, dass ich reinweg gar nichts kann. Nicht mal stillstehen. Gott sei Dank können es die anderen auch alle nicht. Wir bekommen es gelehrt. Linksum, rechtsum, stillgestanden, in Linie zu einem Gliede angetreten usw., wie der Landser sagt, bis zur Vergasung.

Ich glaube, dass der Dienst bei den Funkern nicht ganz so nervtötend ist, und spreche mit dem Spieß wegen meiner Versetzung zu den Funkern. Der Versuch glückt, und ich komme vom Regen in die Traufe. Wir paar Mann werden von Feldwebel Tarstag gesondert geschliffen, und zwar noch toller als in der 1. Kompanie. Lediglich in der Zeit, in der die anderen am Maschinengewehr gedrillt werden, weiht man uns in die Wunder des Funkens ein.

Heute muss der ganze Stab das erste Mal antreten. Der Spieß hält eine Rede, die dasselbe Konzept verrät wie die des Leutnants. Danach kommen die praktischen Tagesfragen. Vielerlei wird durchgesprochen. Aber eine Angelegenheit wird nur schüchtern gestreift: Wir dürfen einen Feldpostbrief in der Woche schreiben, der unverschlossen auf der Schreibstube abzugeben ist und vom Führer des Stabes gelesen wird. Leutnant Grabe liest auch alle ankommenden Briefe. Es ist bei Strafe verboten, das Postamt des Truppenübungsplatzes zu benutzen, ganz gleich, zu welcher Art der Nachrichtenübermittlung. Telegramme bedürfen der ausdrücklichen Genehmigung des Regimentschefs.

Nachdem wir weggetreten sind, summt es heftig auf der Stube. Am schwersten leiden die unter den Bedingungen, die schon seit Langem ihre Strafe hinter sich haben und die Unbequemlichkeiten des Gefangenseins fast vergaßen. Diejenigen, die direkt aus dem KZ hierher geholt wurden, nehmen es stur. Für sie hat sich die Lage insofern gehoben, als sie relativ besseres Essen bekommen. Alle anderen Beschränkungen sind sie zu gewohnt, als dass es sie sehr berühren könnte. Die aus dem Moor Gekommenen haben nur eine begreifliche Hauptsorge. Wann können uns unsere Frauen besuchen?

Die Antwort ist sehr dazu angetan, hohe Kampfeslust unter uns neuen Rekruten zu entfachen. Vorläufig überhaupt nicht heißt es, nach Weihnachten soll versucht werden, denen, die sich tadellos geführt haben, einen Besuch ihrer Frau zu ermöglichen.

Ein buntes Gitter umgibt uns, gewirkt aus einem reizenden Muster von Versprechungen, Verboten, Verboten, Versprechungen.

"Bist du auch T d f geschrieben?" fragt mich Paul, dem es ebenfalls gelungen ist, zu den Funkern zu kommen.

"T d f?" glotze ich dumm.

"Ja, tropendienstfähig. Was auf dem Zettel gestanden hat bei der ärztlichen Untersuchung."

Ach so, der Zettel. Da habe ich das Draufsehen verpasst.

Aber ich weiß ohnehin, dass ich T d f bin."

"Gut", sagt Paul befriedigt, "da bleiben wir ja zusammen."

Er war Angestellter bei einem großen Konzern. Seine höhere Schulbildung erkennt man leicht an der gepflegten Sprache. Die neue Atmosphäre bedrückt ihn. Der meist zusammengekniffene Mund ist sichtbarer Ausdruck dafür. Seine Ungeschicklichkeit nimmt oft rührende Formen an gerade, weil er sich krampfhaft bemüht, ein guter Soldat zu sein.

Als ich ihn einmal allein fassen kann, sage ich ihm, dass mir sein unverhohlener Eifer auffällt. "Du könntest bei deiner Unbeholfenheit doch gut den braven Soldaten Schweyk mimen", schließe ich meine Beobachtung.

"Nein", sagt Paul ernst, "erstens fehlt mir die pfiffige Dummfrechheit des Schweyk dazu, und dann ist das doch kein Massenausweg. Besonders nicht in unserer Einheit, wo man sowieso auf derartige Manöver von uns rechnet. Ganz abgesehen davon", fährt er schmunzelnd fort, "halte ich den anderen Weg für klüger, denselben, den du auch gehst."

"Nämlich?" frage ich gespannt.

"Durch Vorbildlichkeit in Kameradschaft und jeder anderen Beziehung eine stille Autorität unter den Kameraden zu erwerben.

"Sehr gut", sage ich nun auch schmunzelnd, "du hast wohl den ,Stillen Don' gelesen, Paul?"

"Allerdings", lacht er, "und noch andere gute Bücher. Und schon daher weiß man, dass dieser Wahnsinn eines Tages zusammenbrechen muss. Und auf wen werden dann die führungslosen Kameraden hören?"

"Nicht auf die, die sich die Zeit vorher zu Kompanieclowns machten", ergänze ich Paul. "Richtig", sagt er und gibt mir die Hand. Wir verstehen uns.

Es kommt nach mehr Nachschub in unsere Stube. Teils Schicksalskameraden, teils "Unbelastete" von anderen Truppenteilen, Oberschützen Gefreite, Obergefreite. Die Kommandierten sind völlig unbescholten und durchweg mehrere Jahre Soldat. Das Leben wird toll in der Bude. Etwa sechzig Mann in einem Raum von ungefähr 8 mal 10 Metern. Trotzdem muss alles nach altpreußischem Muster wie am Schnürchen klappen. Der väterliche Ton des Spießes und der Ausbildungsunteroffiziere ist nach einer knappen Woche weggeblasen wie Tarnungsgras vom Winde.

Am Sonntagmorgen haben wir als Soldaten die erste Instruktionsstunde beim Führer des Stabes, Leutnant Grabe. Zuallererst beschwert er sich, dass unsere soldatischen Manieren schlecht sind, und droht endgültig für falsches Betreten der Schreibstube Strafen an. Dann teilt er uns mit, dass derjenige, der vor dem Feinde fällt, vom Führer die Wehrwürdigkeit zugesprochen bekommt. Ob jemand noch irgendwelche Fragen hätte. Viele melden sich. Der erste fragt: "Wie ist das zu verstehen, Herr Leutnant, auf unseren Gestellungsbefehlen steht doch extra in Rotschrift: Für die Dauer Ihres Wehrdienstes ist Ihnen die Wehrwürdigkeit verliehen. Jetzt sagen Sie, die wird erst nach dem Heldentod vom Führer gegeben."

Leutnant Grabe ist unangenehm berührt. "Sie haben doch noch nichts geleistet. Um Ihre endgültige Wehrwürdigkeit zu erlangen, müssen Sie erst einmal beweisen, dass Sie bereit sind, für Führer und Vaterland alles zu opfern, notfalls das Leben. Was auf Ihren Gestellungsbefehlen stand, ist eine vorläufige Angelegenheit."

Die Instruktionsstunde ist wirklich wertvoll. Ich weiß nun, dass es in Deutschland zwei Arten von Wehrwürdigkeit gibt, eine vorläufige und eine endgültige. Die vorläufige ist für das aus Strafhäusern und KZs zusammengetriebene Kanonenfutter, die endgültige, wenn dieses Kanonenfutter im Massengrab liegt.

Es wird weiter gefragt. Leutnant Grabe macht ein ungeduldiges Gesicht.

"Was ist dann", fragt einer, "wenn man gefangen genommen wird?"

Der Führer des Stabes richtet sich auf: "Darüber müssen Sie sich klar sein, dass dies das größte Unglück ist, das Ihnen zustoßen kann. In jedem Falle wird es Ihnen nach Beendigung des Krieges schwerfallen, nachzuweisen, dass Sie nicht übergelaufen sind, sodass Sie bei Ihrer Rückkehr mit einem Landesverratsprozess zu rechnen haben. Sie wissen, das bedeutet die Todesstrafe."

Mäuschenstill ist es nach diesen Worten des Leutnants. Man hört die Einzelnen atmen.

Zum Abschluss sucht Leutnant Grabe uns klarzumachen, dass die Briefzensur nicht so schwer genommen werden solle. Er, nur er persönlich lese die Briefe, und wenn er auch noch verhältnismäßig jung sei, so habe er sich als Soldat die nötige Lebenserfahrung geholt. Zudem sei er selbst verlobt, kenne die kleinen Freuden und Leiden von Braut- und Eheleuten und lese sowieso diskret über die intimen Briefstellen hinweg.

Woran wir die Kontrolle hätten, dass nur er die Briefe lese, wagt einer zu fragen. 'Leutnant Grabe lächelt überlegen: "Erstens durch mein Wort, das ich Ihnen gebe, dann an meinem Namenszug auf der Rückseite der zensurierten Briefe, und drittens merken Sie ja selbst, dass Sie lange auf die Post warten müssen. Wenn sie jeder x-beliebige Mann lesen würde, bekämen Sie die Briefe schneller ausgehändigt und dürften auch mehr wegschicken je Woche. Aber ich kann mich nicht zerreißen, ich bin auch nur ein Mensch."

Die Instruktionsstunde war beendet, und wir hatten das Wort des Leutnants, dass nur er allein unsere Briefe zensuriere. Nach drei Wochen kam Leutnant Grabe weg von uns. Die nächsten Briefe waren mit dem Zeichen des Spießes und teilweise mit dem Feldwebel Tarstags versehen.

Die Unentwegten bohren immer wieder an um Ausgang. Da fällt das Zauberwort: Nach der Vereidigung. Selbstverständlich warten nun alle mit Ungeduld auf den "großen Tag". Der Probesonnabend kommt. Die Offiziere sind aufgeregt, als gelte es heute schon. Selbstverständlich geht alles daneben. Wie auf einer richtigen Generalprobe. Tolle Dinge werden angedroht, sollte die morgige Uraufführung nicht besser ausfallen.

"Das kommt mir vor wie eine Farce", sagt Paul, "zu so einer feierlichen Handlung eine Generalprobe."

"Kommiss, Paul", versuche ich seine Stirnfalten aufzulockern. "du bist immer noch zu sehr Zivilist. Bevor du wirklich Soldat bist - das heißt, der Mann, der sich fürs Dritte Reich mit dem Tod rumschlägt - bist du erst mal Schauspieler. Die besten Schauspieler kommen am schnellsten zu Sternen und Tressen. Hier ist alles Kino, fauler Zauber, Kulisse. Natürlich nach festen Regeln, genaueren als auf der Bühne. Du kannst ein Schweinehund sein. Wenn deine Kehrtwendungen klappen, wenn's klatscht bei deinen Gewehrgriffen, dann bist du ein angesehener Mann. Dein Stillgestanden mag technisch einwandfrei sein, wenn's nicht knallt dabei, weil deine Hacken zu konisch und nicht mit einem Hufeisen versehen sind, dann taugt es nur halb soviel. Im schlimmsten Schauerdrama wird nicht mit soviel Gewitter- und Windmaschinen gearbeitet. Wer den farblosesten Untergrund liefert, lässt sich am besten streichen, gibt also das beste Material."

"Das heißt also, der Charakterloseste hat hier die größten Chancen", sagt Paul.

"Erraten", spöttele ich.

Sonntag früh hat es gefroren. Der Schnee knirscht, und mir tut die Kapelle leid. Das Regiment nimmt im Karree Aufstellung und wartet. Wartet ziemlich lange, und dann kommt der Regimentschef, Oberstleutnant Harung. Er soll ein alter Afrikaner sein. Seine Stimme jedenfalls macht es glaubhaft. Er röhrt wie ein heiserer Schakal. Gemessenen Schrittes betritt er das Pult, das mit Tannengrün und dem Hoheitszeichen geschmückt ist, und spricht bekannte, schon oft gehörte Worte. Die Eidesformel wird von einem Offizier vorgesprochen, Satz für Satz wird nachgebetet. Ich muss wieder an Pauls gestriges Wort denken: Farce. - Wir sehen uns eine Sekunde lang in die Augen, und ich weiß, dass auch er daran denkt.

Wir stehen, stechen die Eidesfinger in die Luft, und der Arm wird uns lahm. Ich denke: Ein erzwungener Eid ist kein Eid. Ich weiß, dass Hunderte Kameraden jetzt ähnlich denken. Das allein macht die peinliche Theatervorstellung erträglich.

Am nächsten Morgen nach der Vereidigung haben wir Instruktionsstunde beim Führer des Stabes. Wieder ein wichtiges Thema. Leutnant Grabe klärt uns über den genauen Begriff der Fahnenflucht auf.

"Wenn ein Soldat in der Kneipe sitzt", beginnt der Leutnant mit einem praktischen Beispiel, "und geht nicht rechtzeitig nach Hause, sondern bleibt über die Urlaubszeit dort sitzen, was ist das, Schneider? Schneider, setzen Sie sich noch einmal hin! 'Himmeldonnerwetter, was ist das für ein lahmarschiges Aufstehen! Das mach ich ja mit meinen verwundeten Beinen besser! Also los, Schneider, machen Sie Ihren Mund auf. Was begeht der Soldat, der seinen Urlaub überschreitet und dabei gefasst wird?"

"Fahnenflucht."

"Falsch, Schneider! - sagen Sie es ihm, Thieme, Sie sind ja ein alter Aktiver."

"Unerlaubte Entfernung von der Truppe, Herr Leutnant!"

"Sehr gut. Sehn Sie, Schneider, so wird geantwortet,"

"Jawohl, Herr Leutnant!"

"Na also", schnauzt Leutnant Grabe.

"So, und wenn nun einer hier die Lust verliert, zu seinem Kameraden äußert, dass er nicht mehr mitmachen will, steigt bei Nacht und Nebel über die Umzäunung und wird nach einigen Tagen gefasst, was ist das?"

Der dicke Heinrich Polz grient.

"Na, Polz, was ist das?"

Polz springt auf, grient aber weiter. Der Leutnant ist mindestens ebenso gespannt wie wir.

"Pech, Herr Leutnant."

"Stimmt, Polz", Grabe geht auf den Scherz ein, "ich meine jetzt juristisch gesehen, als Tat."

"Landesverrat, Herr Leutnant."

"Blödsinn, Polz, das hat mit Landesverrat nichts zu tun, das ist Fahnenflucht. Und womit wird das bestraft, Griebe?"

"Mit dem Tode, Herr Leutnant"

Durch … Litke?"

"Durch das Gewehr, Herr Leutnant,"

"Quatsch, Litke, wie heißt das?"

"Es heißt so, Herr Leutnant."

"Warum heißt es so?"

"Es heißt ja auch durch den Strang, durch das Beil oder durch den elektrischen Stuhl, Herr Leutnant."

"Einverstanden, Litke. Aber in unserem Fall heißt es durch Erschießen. Und das ist eine unangenehme Sache. Ich rate Ihnen, Finger davon. Wenn man erst dieses heiße Metall im Bauch hat, braucht man nie wieder eine andere warme Mahlzeit. Ganz abgesehen von der Unehre, die für alle Ewigkeit auf demjenigen lastet."

"Det würde mir ooch zeitlebens bedrücken", flüstert einer in meiner Nähe.

Leutnant Grabe erhebt sich befriedigt über den Eindruck seiner Worte. "So, Schluss jetzt." Er wendet sich zum Gehen. Einer spritzt wie ein Besessener zur Tür und reißt sie auf. Einer brüllt "Achtung!"

Als hätten sie Explosivstoff unter den Gesäßen, springen sechzig Mann in einem einzigen Knall auf, Blickwendung zum Leutnant. Der steht lächelnd in der Tür, dankt noch einmal durch lässiges Anlegen der Hand an die Mütze und geht. Es klappt schon ganz schön. Ein doller Rummel.

Zum Heldentod begnadigt

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