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Es liegt was in der Luft

Kaum war der Januar vorbei, stand die fünfte Jahreszeit vor der Tür. Das neue Jahr schien vielversprechend zu werden, der Frühling steckte in den Startlöchern, die Tage wurden merklich länger. Der einzige Wermutstropfen, der mich drückte, waren die Blütenpollen. Sie hingen bereits massenweise im Geäst von Büschen und Bäumen, startklar zum Angriff auf Körper und Psyche der Allergiker.

Seit meiner Kindheit begleitet mich diese Volksseuche und macht mir Jahr für Jahr das Leben tagelang zur Hölle; immer intensiver, je älter ich werde. Aus diesem Grunde bereitete ich mich vor: Letztes Jahr hatte ich mit frei verkäuflichen Tabletten aus der Apotheke gute Erfahrungen gemacht, davon abgesehen wurden sie vom Hausarzt verordnet, was sollte also in diesem Jahr dagegensprechen?

Als kein Freund von chemischen Produkten versuchte ich, die Einnahme hinauszuzögern, zumindest so lange, wie es zu ertragen war – bis zum Sonntagnachmittag bei Kaffee und Kuchen. Der von zwei uralten Birken gesäumte farbenfroh gedeckte Tisch stand im Garten dekorativ unterm Haselnussstrauch. Allergiker rollen vermutlich jetzt schon mit den Augen, weil sie wissen, was kommt. Bis dahin war ich jedoch verschont geblieben, deshalb realisierte ich nicht sofort, dass dies ein denkbar ungünstiger Ort für mich war. – Die Pollen starteten ihren erbarmungslosen Angriff. Im wahrsten Sinne des Wortes heulte ich nach Kurzem Rotz und Wasser.

Das Einzige, was mir in solchen Momenten hilft, ist der kürzeste Weg unter die Dusche, dann ab ins Bett; Rollos runter, die Decke über den Kopf. Am darauffolgenden Tag führt mein erster Weg dann in die Apotheke.

Nun gesellte sich zu dieser alljährlich wiederkehrenden Seuche etwas völlig Neuartiges: Corona, weltweit in aller Munde. Ein Ende scheint auch jetzt noch lange nicht in Sicht zu sein. Wer hätte das gedacht? Erst berichteten die Medien über die neue Abart eines altbekannten Virus, dann über eine Epidemie, die nur Tage später zur Pandemie korrigiert wurde. Die Nachrichtenkeule, die über unseren Köpfen geschwungen wurde, kannte kaum noch anderen Nachrichten. Ein Bombardement an Bad News hagelte sintflutartig auf uns nieder.

Wie wohl unsere Kinder und sensible Menschen darauf reagieren werden, fragte ich mich. Meine Neugier war geweckt. Offen für alles versuchte ich, mir einen Reim darauf zu machen.

Es war nicht von langer Dauer. Mein Interesse verwandelte sich im Laufe der Tage langsam und unaufhaltsam in einen undefinierbaren Zustand, dem zu entfliehen ich mich außerstande sah. Mein Bauchgefühl sagte mir, dass etwas undefinierbares Großes in der Luft lag. Täglich schaltete ich pünktlich zur Tagesschau das TV-Gerät ein. – Keine Ahnung, was einen da magisch anzieht, die offiziell bestätigte Einschaltquote sagt aber alles. – Jeder Seifenopernproduzent wäre froh über eine derartig rasante Steigerung der Quoten.

Bei den täglich neu produzierten Bildern blieben die Nebenwirkungen nicht aus. Beängstigend schnell steigende Fallzahlen von Infizierten und Toten, widersprüchliche Meldungen von Wissenschaftlern und Politikern, Szenen aus Krankenhäusern mit vermummten Ärzten und an Maschinen angehängten Menschen verfehlten auch bei mir nicht ihre Wirkung. Warum nur sah ich mir das an? War es Sensationsgeilheit, Neugier oder die Notwendigkeit, in einer Krisenzeit stets auf dem aktuellen Stand informiert zu bleiben? Irgendwie kam ich mir selbst fremd vor und hätte besser nicht hingesehen. Stattdessen ließ ich mich von den Öffentlich-Rechtlichen gefangen nehmen.


Meine nächtlichen Schlafperioden wurden kürzer, die Nachrichten fanden im Unterbewusstsein eine Fortsetzung. Wer schlecht schläft, bekommt spätestens am Folgetag die Quittung: Unaufmerksamkeit, Konzentrationsmangel und Müdigkeit.

In meinen Gedanken lieferten sich Zahlen von Infizierten und toten Menschen eine Schlacht mit Zukunftsängsten und Erinnerungen an eine ehemals heile Welt. Es war inzwischen für mich nicht mehr nachvollziehbar, welches Genre Film im Moment ablief: Science-Fiction, Horrorfilm, Psychothriller, Drama … oder gar alles gleichzeitig? Der Vollständigkeit halber möchte ich noch Comedy und Theater erwähnen.

Too much input!

Wer macht sich in solchen Zeiten keine Gedanken?

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