Читать книгу Ja, so ist das Leben, eben. - Erik Kejser - Страница 6

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Kein Vergleich mit unseren Turnproffesen. Sie liebten mich wirklich, ich meine Ehrlich. Da spielte neben meiner Sportlichkeit auch manchmal etwas Glück eine gewisse Rolle.

Z.b. Basketball. Körperlich nicht der Größte dribble ich in der Ecke, in aussichtsloser Position herum. Vor mir unser einmetersiebenundneunzig Dino. Ich stehe hinter dem Korb, eigentlich sogar hinter der Korbwand. In meiner Verzweiflung werfe ich den Ball irgendwie Richtung Korb und laufe in Verteidigungsposition. Großes Gejohle bei den Freunden. Two Points. Eigentlich unmöglich. Die Amerikaner zu Dilettanten degradiert.

Boxen oder so ähnlich. Unser ganzer Stolz in der Klasse ist eine blade Prolosau, Hans H., weißblonde fette Haare, Akne-Schweinsgesicht. Terrorisiert fast die ganze Klasse. Während des Umziehens in unserer Sporthalle, teile ich ihm mit, dass er ein Arschloch ist, worauf er mir einen Stoß gibt, dass es mich drei Meter rückwärts versetzt. Ich schnappe meine Schultasche und will sie ihm die Gosch’n hauen, als unser Sportproffesor eingreift: „Nächstes mal boxt’s gegeneinander, o.k.?“

In dieser Minute hätte ich ihn vermutlich umgebracht, aber im Laufe von zwei Tagen dachte ich zu viel nach. Strategie, Timing.....

Ich hätte in meinem Leben weniger denken sollen.

Nach zwei Tagen der Kampf des Jahrhunderts. Drei Runden. Ich tänzelte wie Muhammad Ali in seinen besten Zeiten und gab ihm ein paar Jabs auf die Augen. Einen Moment nicht aufgepasst, haute mir die Neunzigkilosau eine rein, dass ich fest glaubte die Schulglocke zu hören. Etwas vorsichtiger geworden gab ich ihm noch ein paar aufs Maul. Man glaubt nicht wie lange drei Runden dauern. Nach Kampfende ließ sich der Blade auf die Matte fallen und brachte kein Wort mehr heraus. Mein Gott, wenn ich das gewusst hätte. Mir fehlte eindeutig der Coach.

Auf jeden Fall machte er einen großen Bogen um mich und Ende des Jahres wurde er gegangen.

Zehn Jahre nach Schulschluss traf ich am Würstelstand einige ehemalige Schulkameraden, die mir schöne Grüße vom Hans ausrichteten.

Zu meinen Highlites gehört auch, dass in einer Englischstunde wo ich in fünf Minuten mein fachkundiges Nichtwissen beweisen sollte, ein Schüler aus der Nachbarklasse erschien und unseren Englishmen ersuchte, mich eine halbe Stunde zu Sportstudienzwecken abzustellen. (Englischlehrer war übrigens der Typ, der gemeinsam mit Bundeskanzler Sinowatz die Bundespräsident Waldheim- Watchlistaffäre anzettelte.)

In der Sporthalle vor versammelter Mannschaft, sollte ich einen Salto vorführen. Als die Jungs die Matten auflegen wollten, gab ich die Vorstellung auf dem Holzparkett, erstmalig, hätte auch einmalig sein können, wenn ich auf dem Arsch gelandet wäre.

Erster Skikurs mit meinen bereits erwähnten Superski. Silbermetallic ohne Werbung.

Perfekt. Die Enttäuschung folgte sofort. Zweite Leistungsgruppe von sechs möglichen. Unser Turnprofessor, ein Basketballfreak scharte natürlich seine Balli-Lieblingskinder um sich. Aber wir hatten es besser erwischt. Aushilfsprofessor „Petzi“, so mussten wir ihn auch ansprechen. Vollbart, schulterlange struppige Haare, dunkle Sonnenbrille, die er auch beim Schlafen trug.

Erster Abendausgang, bis acht Uhr, wir wollten unseren Intelligenzquotient testen.

Fünf nach acht erschienen die ersten Mitschüler, jeder zweite besoffen. Unsere Professoren mussten sich an der Tür postieren, sortieren und ihren Ärger bändigen.

Wir waren in der Pension geblieben, im Rustikalstüberl, hatten jeder in einem Tonkrug einen halben Liter Milch geordert. Zufällig erblickte uns die einzige nicht unhübsche Professorin: „Seid’s ihr komplett verblödet?“ Mit geröteten Gesicht, wie wenn sie gerade gefickt hätte, wollte sie sich unsere Tonkrüge krallen, als ihr das „Weißbier“ auffiel: „Milch?“

„Frau Professor, wir sind doch Sportler.“

Nützte alles nichts, nächsten Vormittag statt Skifahren – die Pistenregeln. Ein Vollzugsorgan schärfte sie uns mit dem Elan einer Schlaftablette zum achten Male ein, wir blickten gelangweilt aus dem Fenster. Unser Flehen nach Abwechslung wurde erhört. Direkt hinter dem Vortragenden fiel der Allerblödeste, natürlich fett wie ein japanischer Öltanker, vom Balkon in einen Schneehaufen. Perfekte Haltungsnote. Als Preis durfte er nächsten Tag auf eigene Kosten nach Hause fahren.

Nächsten Tag hatte der Turnprofessor seine Supertruppe auf einen Jagatee eingeladen, worauf ein Schützling bei einem Christbäumchen fast ein Auge einbüßte. War dem Staatsdiener aber wurscht, uns auch.

Wir hatten andere Interessen.

In der wunderschönen Flachau waren nämlich fünf bis sechs Klassen weibliche AHS-Schülerinnen stationiert. Bei unseren kurzen Abendausgängen kontaktierten wir einige Mädchen. „Unsere Professoren lassen anfragen ob wir nicht einen gemeinsamen Abschlussabend veranstalten können.“ Die Mädchen nahmen die Botschaft begeistert mit.

Unseren Autoritäten erzählten wir, die Professorinnen der Mädchenschulen lassen anfragen ob.......“Na, wenn das so ist...“

Hunderte Schülerinnen, Riesendisco, nau mea

hobn’s net braucht.

„Absolutes Alkohol und Rauchverbot! Benehmt’s euch!“ Nach zehn Minuten hatte fast jeder ein Krügerl am Tisch, ein Mädel im Arm und einen Tschik im Gesicht. Als dann noch unser „Petzi“, Cowboystiefel, weiße Jean, schwarzes Leiberl, die Haare auf Berglöwe geföhnt und natürlich „dark Sunbrills“, auftauchte, meinte einige Mädels: „ Wie oft ist der eigentlich schon sitzen geblieben?“

„Das ist unser Brotfresser!“

Das Skirennen gewann natürlich einer aus der zweiten Gruppe. Ich war zu langsam, genau wie in der Diskothek, erst am letzten Tag „ging mir der Skiknopf auf“, mein Antrag auf Wiederholung des Rennes wurde jedoch einstimmig abgelehnt.

Wieder in Wien, schnappte ich in dieser hyperaktiven Zeit, meine Schi, meinen Freund Leo S. und wir begaben uns zwecks „Schifoan“ auf’s Stuhleck. Die Sonne schien so stark, dass meine Metallic Lieblings-Noname Schi mich so stark blendeten, dass sie fast eine Bindehautentzündung verursachten. Wir „murmelten“ heiter die Pisten herunter, bis kurz vor Betriebsschluss eine kleine Delle in der Piste mich verschluckte. Als ich meine Sonnenbrillen vom Schnee befreit hatte, traute ich meinen Augen nicht: Beide Schi gebrochen, bzw. gestaucht! Ich konnte es nicht fassen. Um wenigstens die Bindung zu retten, schlenderte ich unter den schadenfrohen Blicken der „„Nichtskönner“ zur Tal/Zugstation. Eine Station bis Semmering, dann Umsteigen, Richtung Wien. Nach fünf Minuten hielt der Zug „Wir sind schon da? Leo aussteigen! Schnell!“ Wir sprangen vom Zug in den Tiefschnee und standen vor einem roten Haltesignal. Der Zug fuhr wieder langsam an. Leo stieg relativ gemütlich ein. Doch ich musste durch den Tiefschnee laufen, denn die ÖBB beschleunigte. Ich wäre fast unter die Räder gekommen, konnte mich aber mit letzter Kraft unter Verlust meiner Schi raufhieven. Leicht angeschlagen saß ich also Gott sei Dank wieder im Zug.

In der Station Semmering erzählte ich dem Fahrdienstleiter vom meinem Missgeschick. Fahrdienstleiter ruft zum weit entfernten Lokführer: „Koarl, bleib do! Der Bua do hot seine Schi zum Hoitesignal dazua gstöd. Ha, Ha.“

Lokführer: „Kummt’s hea Bursch’n. Foa ma.“

Leicht verdutzt kletterten wir auf den Führerstand und fuhren im Retourgang Richtung Haltesignal. Mit ehrlichen Mitgefühl blickte er auf meine ramponierten Schi: „ Nau de hot’s oba gaun sche herbeitelt. Oba nix wegschmeißen, de Bindung kaunst no brauchen.“ Eben. Danke.

Wieder in Wien, beschlossen wir etwas „Entspannungspolitik zu betreiben. „Check point Charly“ war der Zwölf Apostelkeller im ersten Wiener Gemeindebezirk. Es gibt einen extrem teuren Ribiselwein, filterlose Zigaretten (die gefürchteten Dreier) und nach dem ersten Viertel jede Menge Selbstbewusstsein. Genau nach dem ersten Viertel entert eine Horde Mädchen, so um die fünfzehn Stück, den größten, bereits reservierten Tisch des Lokals. Nach einem kurzen Lauschangriff trauten wir unseren Ohren nicht: Die Mädels waren aus der DDR!

Leo und ich beschlossen uns wichtig zu machen. Charly und Pepsch (Josef) kapitulierten vor der weiblichen Übermacht. (Hatten vermutlich noch zu wenig Blut im Alk.) Bei einer besonders hitzigen politischen Debatte rief Leo laut: „No, aber wirklich nicht!“

Eigentlich war uns Politik zu diesem Zeitpunkt scheißegal.

Um unseren Standpunkt untermauern zu können, mischten wir uns nach ordern einiger neuer Ribisel, unter die Kommunistenmädels. Nichts ahnend schlitterten wir in eine Diskussion, die sich gewaschen hatte. Auf den Vorwurf: „Ihr habt’s ja nicht einmal Bananen, meinten die politisch geschulten Gören: „Aber zehn geschmeidige Finger.“ Großes gekichere. Ich muss zugeben, uns blieb diese ordinäre Pointe vorerst verborgen. Auf die Frage: „Wollt ihr nicht wieder ein Einig-Vaterland sein?“, antworteten sie „Na sicher, wenn der Westen unser System übernimmt.“

Wenn wir nicht gesessen wären, hätte es uns auf den Arsch gesetzt.

Es war richtig gespenstisch wie diese Ideologie sich in so kurzer Zeit in diesen Mädchen festsetzen konnte. Sicher, es waren ausgesuchte, parteitreue Mädchen, sonst hätten sie nie nach Wien fahren dürfen. Das der Kommunismus meiner Meinung die beste Regierungsform ist, bin ich mir sicher. Nur funktioniert’s nicht. Das liegt aber an den Menschen die ihn praktizieren. Trotzdem war es unheimlich wie diese siebzehnjährigen jungen Frauen auf alles eine Antwort wussten. Und sie hatten Recht. Sie meinten wir sehen alles nur aus dem Blickwinkel des Westens. Die Kommunisten haben ihre Diktatoren, der Westen hat Amerika, das Land wo der Blödeste automatisch Präsident wird.

Es waren so hitzige Debatten, dass wir unser eigentliches Ziel aus den Augen verloren hatten. Als ich einen Blick zu Charly und Pepsch riskierte und die sich vor Lachen auf die Schenkel schlugen versuchte ich die Diskussion unauffällig abzuwürgen. Doch das besorgte Leo ziemlich drastisch. Mitten im Satz, begann er zu würgen und kotzte ohne Rückfrage auf die Tafelrunde. Die Osis traten unter der Parole: “So eine Sau!“ den Fluchtweg an. Wir hatten also doch noch gewonnen. Um gröberen Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen, beschlossen meine zwei übrigen Freunde und ich sich ebenfalls ins Niemandsland abzusetzen. Leo lag am Tisch, wie ein politisch Verfolgter nach stundenlangem Verhör.

Vor dem Lokal beschlossen wir etwas zu warten, um zu sehen ob die Lage sich zuspitzt. Nach zehn Minuten erschien Leo, mit durchsichtigen Gesicht: „ Hundert Schilling haben’s mir konfisziert und dann auseghaut.“ Wir wollten ihn nicht auslachen, deshalb drehten wir uns dabei um.

Bereits in frühester Kindheit entdeckte ich mein musikalisches Genie, wurde aber von meiner Mutter sabotiert. Ich wünschte mir zu Weihnachten eine Kindergitarre bekam aber eine Kindergeige. Die Haare des Fidelbogens skalpierte ich und flocht mir Zöpfe für meine Indianermontur. Mit verschiedenen Schnittmustern (Winnetou Hefte) schneiderte ich mir eine originalgetreue Ausrüstung mit Kopfschmuck, (Gänsefedern an den Spitzen eingefärbt aus dem Burgenland), einschließlich Zelt am Balkon.

Zurück. Auf einer alten Wandergitarre klimperte ich jahrelang, keine Sau verriet mir wie die Saiten heißen, Griffe, Noten. Im Arenbergpark versuchte ich mir verzweifelt einige Griffe abzukupfern. Zwecklos.

In der letzten Klasse Handelsschule lernte ich endlich meinen Mentor Manfred P. einen ruhigen, introvertierten Typ kennen. (Bis heute einer meiner besten Freunde, zurzeit an der Schwelle der Champions League der Ersten Bank).

Er zeigte mir die wichtigsten Gitarrengriffe und fast vollständig die Tonleiter. Jetzt ging mir ein Licht auf und mein Stern begann unmerklich zu strahlen.

Unser Bandname schwankte noch zwischen Rocking Chair (Schaukelstuhl) und Alvin Woodcock Band (Albert Waldschnepfe).

Mein Elektrobrett’l tauschte ich gegen einen geringen Aufpreis, (ich war bankrott) gegen einen Bass ein. Schlagzeuger Helmut, total untalentiert, Sänger Walter, Spezialfach Englisch, As Tears go by war bei Ihm „Adios, good by, ergänzten die Band.

Jetzt noch den Probekeller. Wir marschierten von Lokal zu Lokal und fragten, ob wir im Keller musizieren dürften. Ein freundlicher Gastwirt in der Erdbergstraße meinte: „Nau sicher Burschen. I hob an ganz tiafn Keller, a biß’l herrichten müß`st eahm halt.“

Wir schleppten zwei Tage Kübeln mit Schutt und Dreck. Mit Leitungen aus der Firma meines Vaters, installierte unser Elektrofreak Walter alle Leitungen neu. Wir geigten fast jeden Tag und begannen, von ganz unten, den Zenit der Rock’n Rollbranche zu erobern. Nach ungefähr drei Wochen besuchte unser Gastwirt den Keller: „Burschen, de Leit beschweren sie. Des geht net.“ Als wir gesenkten Kopfes unsere spärliche Anlage aus dem Lokal transportierten rief uns ein Gast nach: „Sche spülst Bursch’n, sche spülts.“

Kein Probelokal. Doch unser Schlagzeuger wusste Rat. Sein Cousin, Profimusiker, (mehrere Gigs in Deutschland und der Schweiz), meinte: „ Ab und zu könnt’s in meinem Keller spielen, wenn keiner da ist.“

Wann ist keiner da? Na gut. Verstärker dürfen wir auch benutzen. Es war das Musikerparadies. Ich bevorzugte einen Orange-Verstärker, damals eigentlich wegen der Farbe. Wir spielten sofort eine Klasse „erdiger“, doch plötzlich standen zwei ziemlich langhaarige, ziemlich große Studententypen im Proberaum: „Wieso spielts ihr über unsere Verstärker und außerdem und überhaupt.“ Leicht geschockt erklärten wir – Cousin, war eh das letzte Mal, etc.

Musiker sind entspannte Typen. Sie „genossen“ einige Takte unserer Musik, worauf mich das John Lennon Double darauf aufmerksam machte, dass die vier Bass-Saiten exakt mit den Gitarrensaiten stimmen müssen. Ich nahm das damals nicht so genau, spielte einfach auf einem anderen Bund. Als wir „Sympathie for the Devil“ von den Stones anstimmten, meinte ich ein leichtes Zucken der Ohren unter den langen Haaren bemerkt zu haben. Sie meinten: „ Na ja, so ähnlich, hört’s einmal zu.“ Die beiden stimmten Verstärker und Gitarren im Tiefschlaf ab und rissen an, dass die Rolling Stones ihre Gitarren in eine Ecke gestellt hätten. „Probt’s nur weiter, wir haben auch so angefangen.“

Nach ihrem Abgang meinte unser Schlagzeuger, dass wir in einem Jahr besser wären.

Ich war da etwas skeptisch.

Zur Aufheiterung, lädt uns ein Fan zur Silvesterfeier ein. Einem Mädel scheine ich sehr zu gefallen. Gaby ist bildhübsch, schwarzhaarig und richtig nett. Bei einer langsamen Nummer schmusen wir, ich bin glücklich. Nächsten Tag rufe ich sie zwecks Date an, sie hat keine Zeit.

Einige Jahre später heiratet sie unseren eher unsportlichen Gitarristen. Ich verstehe die Welt nicht mehr. (Heute schon.)

Am nächsten Samstag spielte unser Schlagzeug-Cousin in der „Koralle“, ein uns unbekanntes Zuhälterlokal, wobei wir, schon aus Solidarität nicht fehlen durften. Eine Profi-Commerz-Combo, nicht vergleichbar mit den beiden Edelgitarristen. Aber es waren hübsche Mädels da, vermutlich Nutten, was mich veranlasste, als meine Freunde sich verabschiedeten, mir noch ein zweites Bier zu bestellen. Um Mitternacht folgte ein kurzer Wortwechsel an der Bar, worauf der „Gast eine Flasche Whisky nach der „Thekenschlampe“ warf, die sich duckte und der Chivas Regal den Spiegel zerkleinerte. Ich beschloss zu zahlen und mir bewusst zu machen, dass keine Straßenbahn mehr fuhr.

Porzellangasse Richtung Schweizerpark, das ist durch halb Wien. Plus zwei sündteure Exportbiere intus. Als ich den Kleiststeg im dritten Bezirk erreichte, dachte ich an eine Gebirgskette.

Das reduzierte Schuhprofil betrachtend, dachte ich mir: Wieso gibt es in diesem scheiß Wien keinen Nachtautobus, oder so was ähnliches?“

Ich bin stolze siebzehn. Letzter Schikurs – Zauchensee. Ein Traumskigebiet, Traumwetter und dazu noch Fasching, plus drei deutsche Mädchenklassen in unserer Herberge. Erste Blickkontakte, doch die Germanenproffesorin achtet auf ihre vermutlichen Jungfrauen. Charly und ich, braungebrannt, lange Haare und im Alice Cooperlook geschminkt, haben uns in einer Hütte unauffällig ein Bier reingezogen.

Wir sind bereit eine hundertjährige Eiche auszureißen.

In unserem Stiegenhaus hocken einige Mädchen auf der Treppe und bemühen sich einer Gitarre die Griffe eines Songs abzuluchsen. Ich frage ganz bescheiden: „Darf ich mal?“ Zufälligerweise hatte ich mir dieses Liedchen kurz vorher solomäßig eingelernt. Ich fiedelte es flott herunter und die Mädchen dachten der junge Eric Clapton steht vor ihnen. Ihre Professorin war weniger begeistert und löste das Popkonzert auf.

Worauf mich die Mädels samt Gitarre in Ihr Zimmer zogen. Nach zehn Minuten kam sie, durch meine Gitarrenklänge angelockt, wieder angetrabt. „Nein, das geht so nicht!“ „Bitte, bitte Frau Professor.“ Die Alte muss ein Alice Cooper Fan gewesen sein. „Na gut eine halbe Stunde.“

Vermutlich dachte sie: „Acht Mädchen vergewaltigen, dass schafft nicht einmal ein Wiener.

Bei den Treppenhaushapenings der nächsten Tage kristallisierte es sich schnell heraus. Charly hatte Inge, eine blonde deutsche Jungnutte und ich Roswitha, rotbraune Haare, die einzige Frau die ich in meinem Leben vermutlich geliebt habe. Im Hauseingang habe ich sie das erste Mal geküsst, wenn ich mich richtig erinnere, sie war die Sanftheit pur. Die Tage vergingen im Zeitraffer. Skifahren war zur Nebensache degradiert, wir freuten uns auf den Abend.

Am Tag der Abreise machten die Mädels einige Erinnerungsphotos, natürlich auf der Treppe, wobei sich so ein Querbraterarschloch zu uns mogelte, natürlich chancenlos. Als sie mir die Photos später zuschickte, hatte sie auf der Rückseite sanft vermerkt: „Ich liebe nur Dich.“

Als die Mädchen bereits abgefahren waren bemerkte ich, dass Charlys Skistock etwas verbogen war. Die ganze Nacht im Skistadl, eiskalt: „Ich biege ihn gerade.“ „Nein!“ Klack. Aber was ist das schon, wenn man bedenkt, was heutzutage ein Flugzeugträger kostet, bzw. die vielen Briefe die mir Roswitha geschrieben hat. Richtige Liebesbriefe, keine E-Mail.

Es entwickelte sich also ein reger Briefverkehr. (Sollte sich ändern) Nachdem sie uns die Abschiedsbilder geschickt hatten, (besitze ich heute noch) vereinbarten wir, sie zu Ostern zu besuchen. Spontane Aktion – Westbahnhof, schon saßen wir im Zug Richtung Augsburg. Die fünf bis sechs Stunden vergingen relativ schnell mit unserem Filmstarlett, wie einige Seiten vorher schon erwähnt. Die Jungnutte verzupfte sich ja schon in München. Von Augsburg bis Donauwörth – Regionalzug, etwa einhundert Kilometer, mindestens zwei Stunden. Na ja.

In Donauwörth angekommen quartierten wir uns in der Jugendherberge ein. Vorauskasse. Anschließend riefen wir die Mädels an und Rosi freute sich einen Hax’n aus und erklärte uns, ihre Eltern holen uns ab und wir können im Haus schlafen. Vermutlich um alles unter Kontrolle zu haben, oder sie hatten noch nie einen Ösi gesehen. Wir meinten, nicht notwendig, wir kraftstrotzenden Österreicher gehen zu Fuß. Destination – Felsheim, ca. sechs Kilometer, zehn Häuser. Die bereits bezahlten Deutschmark für die Herberge bekamen wir auch nicht zurück und als uns auf freiem Felde zwei Phantomjets im Tiefflug überflogen waren wir schon etwa sauer. Aber wir wurden herzlich empfangen und der ganzen Verwandtschaft weitergereicht. Einmalig bayrisches Abendessen und ab in die Falle. Jeder hatte sein eigenes Zimmer, Rosi benutzte ihres aber nicht. Zwar nicht finalisiert, doch ich merkte immer mehr, diese Frau ist etwas Besonderes.

Wir hatten jede Menge Spaß und sie mit uns, z.B., Karl Valentin im TV,

ich meinte: „Endlich ein Wiener im Programm!“ Sie erklärten uns, das ist das Münchner Original. Ich konnte es lange nicht glauben und war der Ansicht, der einzige Unterschied zwischen Bayern und Österreich ist die Farbe der Autokennzeichen, oder, als wir fragten , wie lange die Militärmanöver noch andauern, wir meinten die ziemlich häufigen Kanonenabschüsse, erklärten sie uns, das ist der Überschallknall der Phantomjets. Die kleinen Kinder in der Umgebung müssen senkrecht im Schlafzimmerkasten geschlafen haben.

Am Ostersonntag wollten sie Verwandte im Schwäbischen besuchen. Charly und ich waren natürlich auch eingeladen. Schließlich waren wir herzeigbare Exoten. (Charlys Freundin hatte sich allerdings kein einziges Mal blicken lassen) Auf der Schnellstraße touchierten wir seitlich, unglaublich, mit einem anderen Auto. Unglaublich – ein Wiener. Er sprang aus dem Auto und schrie: „ De Piefke kennan net amoi Auto fohrn!“ Ich ging auf ihn zu und erklärte ihm im breitesten Wiener Dialekt: “ I glaub‘ du bist a biß’l depat. Du bist auf unsa Spur umekuma. Bist eingschlof’n ?“

Der Weana Bazi war fertig: „Na ja ich fahr doch schon ziemlich lange.“ Wir begutachteten die Autos und da beide hundertvierzig gefahren waren hatten die Seitentüren nicht einmal einen Kratzer. Beeindruckt setzte sich mein „Schwiegervater“ sich wieder hinters Lenkrad.

Angekommen, mussten wir, über eine im Bau befindliche Gartenmauer steigen. Charly meinte verschmitzt: „Nach dir Rosi.“ „Nein, du zuerst Charly!“ Sie ließ sich nicht unter den Minirock blicken.

Es gibt wenige Sachen die mich bis heute beeindrucken, diese total Belanglose, ist ein „Glanzlicht“.

Wir waren der Mittelpunkt des Nachmittages. Ungläubiges Staunen rief z.B. hervor, dass wir mit einem Stockautobus zur Schule fuhren und dass wir eigentlich keine Berge haben. Ich dachte eigentlich nur: „Wann wird es endlich Abend.“

Charlys Freundin erfand immer neue Ausreden, unglaublich, er war eine Mischung aus Brad Pitt und Charles Bronson. Also interessierte er sich für Roswithas Cousine Tina, eigentlich aber für deren fünfzehnjährige Schwester Conny. Als Tina ein Jahr später bei einem Autounfall in Frankreich mit siebzehn (!) starb war Conny endlich sechzehn. Ich habe seltsame Freunde.

Auch ich bin etwas seltsam. Nach einer Woche mit dieser wunderbaren Frau freute ich mich, dass Charly zu mir sagte: „Fahr’n wir dann endlich?“

Roswitha machte uns zwei perfekte Speckbrote, die sie liebevoll in blaue Servietten einpackte.

Am Bahnhof küssten wir uns ein letztes Mal und versprachen uns sofort zu schreiben. In Salzburg, mussten wir dieses Mal umsteigen und durch den Zoll. Alle wurden durchgewunken, nur wir zwei Langhaarigen erweckten ihr Interesse. Sie durchsuchten penibel unsere Reisetaschen und wurden fündig: „Blau eingepackt, es Hasch, liab.“ Unseren Einwand das sind Speckbrote ließen sie nicht gelten: „ Aufmoch’n! Nau geh, des san jo Speckbrot.“

Ich beherrschte mich, wir wollten ja den Anschlusszug erwischen. Nach kurzem Sprint merkte Charly, dass sein Interrail-Ausweis aus dem Pass verschwunden war. Wieder retour. Die Zollbeamten grinsend: „Wir for’n net Interrail, haha. Ein Blick hinter ihren Tisch, die Karte liegt am Boden. „Sie sind…nicht voll Handlungs- und Geschäftsfähig! (Volltrottel, aber nicht klagbar –Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch)“ Erstmalig konnte ich meine Schulrechtslehrekenntnisse einsetzen. Man lernt ja schließlich für’s Leben. Der Zug war weg. Salzburg schön.

Letzter Schultag. Hämisch grinsend nehmen wir unsere Abschlusszeugnisse entgegen, jetzt kann uns nichts mehr passieren, wir sind auf der Karrierespur. Das Zeugnis grinste vermutlich hämisch zurück, die privilegierten Privatschüler hatten nämlich, ohne Leistung, aber das Geld ihrer Eltern, fast die gleichen Berufschancen wie wir. (Sollte sich aber ändern). Wir schmissen alle Schulbücher demonstrativ in den Mistkübel an der Autobushaltestelle. War gar nicht so einfach, der Mistkübel war nämlich bereits einen Meter unter ausrangierten Büchern untergetaucht.

Leo S. und ich beratschlagten kurz, stiegen am Südbahnhof aus und beschlossen nächsten Tag nach Italien zu fahren. Ich meinte: „Lignano, da kenn’ ich mich aus.“

Badehose eingepackt und wir saßen schon im Zug. Portoguaro oder so ähnlich, umsteigen in den Autobus und schon waren wir nach ca. neun Stunden dada. Ein sechzigjähriger Papagali schnappte sich unsere Reisetaschen und meinte: „ Ich haben billigste Pension in Italia.“ Was natürlich nicht stimmte, aber vom Ambiente der Villa waren wir beeindruckt. Flachdach, violett – gelb angepinselt, das musste eigentlich die Billigste der Welt sein. Wir räumten unsere Sachen rein, beziehungsweise stellten unsere Reisetaschen in den Schrank.

Wir beschlossen die Örtlichkeiten plus Mädels zu checken. Der Erfolg war meinerseits umwerfend. Italien, das Schuhland, kannte keine „Glogs.“ Diese Holzpantoffeln waren die Sensation der Saison und die Mädels zeigten mit Fingern auf meine Schlapfen, oder auf mich. Leider kam nächste Woche die Anlieferung. Es hatte sich außerdem seit meinen Kinderurlaubstagen einiges verändert. Jetzt waren wirklich die Hausbesorger da, zu meinen Zeiten nur gut verdienende Arbeiter. Das Micky Mouse - Umtauschgeschäft war umgebaut – ich kaufte immer am ersten Tag ein Heft, die nächsten Tage wedelte ich demonstrativ damit herum und tauschte es diskret gegen ein Neues aus.

Das Holzfloß am Strand war gegen eines aus Plastik ausgetauscht worden. Doch bei Betrachtung des Plagiats freute ich mich das ich noch existiere.

Als zehnjähriger pflegte ich „Köpfler“ (Kopfsprung) von diesen Holzinseln zu üben. An einem stürmischen Tag trieb die Insel, von mir unbemerkt, auf eine Sandbank zu. Ich sprang – und hörte nur noch das Knirschen des Sandes. Unter Aufbietung aller Kräfte kam ich an die Wasseroberfläche. Mir wurde schwarz vor den Augen und ich kämpfte gegen die Ohnmacht. Auf allen Vieren kroch an den Strand. Leben oder Tot, bzw. Rollstuhl, das war die Alternative.

Was da noch kommen sollte?

In Lignano eine neue Badehose. Umstieg von Bermuda auf Tanga. Leo konnte sich nicht von seinen Liras trennen. Einige Tage später trafen wir zwei deutsche Mädchen. Aus Wörth an der Donau. Sie hauchten das "th""" echt erotisch. Leos Badehose war Gesprächsstoff genug. Nächsten Tag kaufte er eine aus der kleineren Abteilung, was die Lage noch verschlimmerte. Braune Wadeln, weiße Oberschenkel, „cool“. Die Mädchen zu uns einladen trauten wir uns nicht, wir schauten uns immer um, bevor wir in der Villa Kunterbunt verschwanden, also luden wir sie zum „Jahrmarkt ein. Leos Freundin etwas rundlich und etwas gestaucht, sagte ihm plötzlich nicht mehr zu. Er appellierte an mich, als Freund mit ihm zu tauschen. Mir wars wurscht. In der Achterbahn tauschten wir unauffällig die Plätze. Wegen diesem Deppen musste ich viermal fahren. Meine Neue war voll entflammt, doch mir Gott sei Dank schlecht.

Bei der Abreise sah unser Zimmer „ Slum mäßig“ aus, sämtliche Papierl‚n, Brösel etc. schmissen wir auf den Boden, leere Flaschen wie beim Billa.

Im Zug kam noch der Lagerkoller voll zum Ausbruch. Wir konnten uns nicht mehr sehen und sprachen die ganze Fahrt kein einzige Wort.

Kaum in Wien eingelangt: “Na, was mach ma` morgen?“

Ein „Filmstar“ im Stadionbad. Kurze Vorgeschichte.

Meine erste große Liebe, vermutlich auch die einzige (Details folgen), hatte ihr Bett in Deutschland, genauer Donauwörth bei Augsburg. Mein Freund und späteres Börsengenie Karl H. und ich beschlossen, sich den Germanenmädchen etwas näher zu widmen.

Unser Zugabteil, welches wir bis jetzt durch gestellte Bösartigkeit erfolgreich verteidigten, betrat unerwartet, gegen jede Vernunft, ein weibliches Wesen. Ungefähr zwanzig, bildhübsch, Haare bis zum Arsch. Mein Freund mit Amerika T-Shirt, hatte bald das Eis gebrochen. Sie versuchte mit allen Tricks ihm das Leiberl abzuluchsen. Immer wenn es fast soweit war, bekam er von mir einen leichten Tritt. Als sie einsehen musste, dass sie kein Erfolgserlebnis haben würde, ging sie angriffslustig mir an den Arsch. Sie ließ keine Gelegenheit aus, mir auf den „Allerwertesten“ zu greifen.

„Na ist der aber lieb“.

Als mein Freund Anstalten machte, mit ihr weiter bis nach Berlin (sie arbeitete in einer Firma, die Niederlassungen in Rom, Berlin und Wien hatte, mehr war aus ihr nicht rauszukriegen) zu fahren , und ihr das Originalshirt zu schenken, musste ich einschreiten. Ich hielt ihn einfach fest. Alles was wir von ihr wussten, sie heiß Jeanine.

Im Sommer in the City war uns etwas fad, wir beschlossen ins Kino zu gehen.

Schulmädchenreport. „Nau geh. Is jo wurscht“. Auf der Leinwand trauten wir unseren Augen nicht. Das „Schanierl“ hopste als Nakedei über den Schulhof. „Es Schanierl, die kennen wir“. „ Pst“. Blödes Grinsen bei unseren anderen Freunden.

Einige Tage später im Stadionbad kommen uns zwei Girls entgegen. Eine Mulattin, die andere Haare bis zum Arsch. Die Hände gegenseitig in den Bikinihöschen. „Servus Schanierl“.

Unseren Freunden mussten wir die Augen in die Höhlen zurück drücken. Diese Frau hat übrigens ein Kind mit´n Baumeister Lugner, später hat sie in Amerika einen Millionär geheiratet, der Schlampen.

Der letzte lange Sommer ging zu Ende und der Ernst des Lebens begann. Eigentlich gibt es so etwas gar nicht. Ich kaufte meinen ersten Anzug, klaute meinem Vater die beste Krawatte und am ersten September traf ich mich mit Leo am Südtiroler Platz. Wir hatten uns bei vier Firmen angemeldet, nicht beworben. Zentralsparkasse, Länderbank (fusioniert zur heutigen Bank Austria), Böhler und „ weißnichtmehr“. Charly war fix bei der Girozentrale, Pepsch bei der Ersten(!). Ebenfalls fusioniert. Heute lese ich, dass dieser Fusionsdirektor namens Randa sich etwas überfusioniert hat. Die jetzige Chefin die Hypo haut eahm nämlich auße. Länderbank, Bank Austria, CA-BV nach Deutschland verscherbelt und keiner hat’s gemerkt. Was bekommt man eigentlich pro Zusammenlegung? Hoffentlich kann er im Alter „in Zins zahln“, der Arme.

Wir entschieden uns für die Länderbank, erzkonservativ, da wir uns sehr schöne Anzüge gekauft hatten. Wir wurden durch einen Prokuristen (!) eingeschult und nach vierzehn Tagen rauchte mir der Kopf, doch unserem Prokuristen, Chef der Devisenabteilung etwas mehr. In dieser Zeit halbierte sich der Kurs des Britischen Pfunds. In der Arbitrage, dem Zentrum des Devisenhandels ging es zu wie in der Wall Street. Er checkte es nicht einmal, dass ich langsam alles zu verwechseln begann. Heute schreibe ich mir alles auf. Einfach.

Meine neue Abteilung bestand aus neun Frauen, einem Halbchinesen, einem "Jugo" und mir. Die Dame die mich weiter betreute, eigentlich eine ganz nette, meinte einmal zu ihren Kolleginnen: „Schaut wie der Herr K. langsam sein Frühstücksbrot essen kann! Damit er nicht soviel arbeiten muss, haha.“ „Gusch.“ Leider nur gedacht. Turnusweise arbeiteten wir in einem Terminalraum (PC gab es erst in den Gehirnwindungen einiger Amitechniker) wo auch „Primanotisierer“ tätig waren. Diese Nichtskönner schrieben wie die Wilden, aber eben nur Zahlen. Euch krieg’ ich auch noch dachte ich mir.

Bei den Devisenüberweisungen konnte ich mir die Empfängerbank aussuchen. Nach kurzer Zeit konnte ich „Deutsche Bank AG in drei Sekunden reindrücken. Immer wenn die Nichtskönner zu schnell wurden, drückte ich die Deutsche rein und sie wurden langsamer. Der Bildschirm hatte eine grüne Schrift und nach jedem ENTER flashte er dermaßen, dass ich dachte er macht ein Photo.

Abends wenn ich über die Kärtnerstraße nach Hause ging (Scheiß Touristen), blitzte es in meinen Augen, dass ich dachte: “Schon wieder Weihnachten?“

Doch der Shanghai Man, der Jugo und ich hielten fest zusammen, nach dem Grundsatz, meide jede Frau bei der Arbeit. Wir gingen sogar Chinesisch Essen. Vermutlich war ich der erste Wiener, der mit Stäbchen Essen konnte. Jugoslawisch essen war einfacher.

Wir hatten noch nicht einmal richtig zu arbeiten begonnen, planten Charly und ich schon den ersten wohlverdienten Urlaub. Charly, ein wirklich fescher Junge, der früher rechnen als schreiben konnte. Später als Börsenmakler mit sechzig Millionen Alpendollar in den Konkurs bzw. Ausgleich. Einige Mille dürfte er sich aber seinerzeit reserviert haben. Er ist auch heute nicht arm. Sie waren die besten Börsenhändler der Girozentrale, kündigten drei Mann hoch, und machten sich selbständig. Nebenbei legten sie das Händlernetz der Giro lahm. Als ersten Abschreibeposten kaufte sich jeder einen 500er Mercedes. Bei einem Kameradentreffen bei einem soliden Wirten, meinte er am Telefon gestresst: „Kum ja eh glei!“

Ich dachte unterschwellig, wo ich am besten seinen Cermedes testen solle. Als er mit einiger Verspätung eintraf – Wall Street Panier entledigt – mit Pullover und Jean und dem alten Honda Civic seiner Frau, fragte ich mich, ob das nicht etwas zu viel Understatement ist. Aber so waren wir. Freunde, denen es widerstrebte sich wichtig zu machen.

Mein Haus, meine Yacht, mein Auto. Scheiß drauf.

Kurz bevor sein Konkurs bevorstand, hatte ich von Freunden das Gerücht vernommen. Als ich ihn anrief kam ich mir ziemlich blöd vor:

„Euch geht’s geschäftlich nicht besonders,…….hab’ ich g’hört?“ Ein dumpfes aber lautes: „Naa.“ Im Hintergrund die totale Hektik.

„Ich bin a bisserl im Stress…..(Pause)….,hast du nicht bei mir einen Haufen Geld angelegt?......abheben, abheben!“ Tatsächlich hatte ich Testweise fünfzigtausend Schilling bei ihm angelegt, die er in drei Monaten mehr als verdoppelte. Ich entfernte mich unauffällig aus der Firma und gab Gummi zur Bank. Alles noch da, der kleine „Haufen“. Typisch Charly, vielleicht hätte er damit den Konkurs noch abwenden können.

Mit diesem feschen Jungen plante ich aber erst einmal Winterurlaub.

Wir entschieden uns für Südtirol, wegen der Exotik. Die Länderbankgirls probten den Aufstand, da Urlaubsanspruch nach Zugehörigkeit entschieden wurde. Ich ließ die Damen links liegen und klopfte rechts bei unserem Prokuristen an die Tür:

“Südtirol, herrlich, die Seiser Alm im Herbst, ein Blumenmeer! Aber jetzt liegt ja Schnee. Natürlich können’s fahren. Vierzehn Tage? Sehr gut.

“ Tschüß Länderbankschlampen!“

Abfahrt Südbahnhof, Mitternacht, Umsteigen in Innsbruck, weiter nach Bozen. Eigentlich Tirol, aber wenn du dich nach dem Bus nach St.Ulrich, im Grödnertal erkundigst, triffst du nur Scheiß-Itaka. Bus weg – Bozenbesichtigung, fünf Stunden Aufenthalt. Wir lernten zwei nette Bolznerinnen kennen und balzten so lange mit ihnen, dass wir den nächsten Bus auch bald versäumt hätten. St.Ulrich, wieder Mitternacht, stockdunkel, kein Hund auf der Straße. Sogar die Disco musste per Gesetz um zwölf Uhr dichtmachen. (Wir sahen sie auch von innen nicht, einfach zu Müde.)

Wir schleppten unsere Reisetaschen plus Ski eine Stunde durch die Gegend bis wir unsere Pension fanden. Wir klingelten unsere Gastgeber aus den Federn, die meinten: „Presto, Presto!“ „Nix Prosecco, wir sind in Österreich.“

Dieses wunderbare Land bei Italien, im Geiste sah ich einige Hochspannungsmasten explodieren. Wie gehabt.

Nächsten Tag konnten wir es kaum erwarten das Skigebiet zu erkunden. Bei der Sella Ronda Tour fährs’t den ganzen Tag wie ein „Narrischer“ (kein Lift zweimal) und bist froh das du vor Einbruch der Dunkelheit zu Hause bist.

Um meinen Prokuristen später unterhalten zu können, entschieden wir uns für die Seiser-Alm. Angeblich die Größte Hochalm Europas, der Welt. Ich muss zugeben ich war beeindruckt. Das ganze im Herbst muss traumhaft schön sein. Gott sei Dank lag Schnee. Wir entdeckten eine anspruchsvolle Piste mit gemütlicher Hütte und beschlossen hier zu bleiben. Der Liftwart, gleichzeitig Hüttenwirt, meinte nach kurzer Zeit:“ Es pickt’s jo am Schnee. Wart’ a bißl, i waxl eichas.

Wir stellten die Ski auf. Das ist Service. Frag’ heute einen Liftboy und du fährst mit der letzten Lawine ins Tal. Mittags, bevor wir um die Speisekarte fragen konnten, sagte er:

“Heit gibt’s Bratwürstl mit Sauerkraut.“ Auch gut. Sogar sehr gut.

Beim zahlen:

„Es jungen Bersch’n hobt’s e ka Göd, zahlt’die Hälfte. Is gnua. Oba….. im Almhotel is heit a kloan’s Fest’l. Mindestens zwanzig Deutsche Weiba alanig. Kimmt’s mit der letzten Gondel aufe, i hol eich mit da Schneekatz ob (Scooter) und führ eich in da Nocht obe ins Tal. Ha!“

Unglaublich, diese Gastfreundschaft, - wir waren Wiener. Vielleicht lag es daran, dass ich am Mittagstisch mich dahingehend äußerte: „Es gehörten viel mehr Hochspannungsmasten in die Luft gesprengt! Und die ganzen Carabiniere dazu.“

Und ich meinte es ernst.

Aber wir sind erst den ersten Tag im Grödnertal und zu müde für einen Aufriss, vielleicht später. Könnte sein wir hätten in dieser Nacht ein Privatfeuerwerk an Strommasten bewundern können. Schön blöd.

Die nächsten Tage fuhren wir, dass der Belag glühte. Charly im weißen Skipullover mit den rasanten Ärmelstreifen, fror zugunsten der Erscheinung elendig. Auf einem, etwa einhundert Meter langem Abfahrtsstück hatte die Sonne den Schnee exekutiert. Wir beschlossen „Schuss“ übers Gras. Ich fuhr leicht auf den Kanten. Kein Problem. Bei Charly ruckte es ein Wenig und auf den letzten Metern färbte sich sein Pullover waldbodenbraun. Den ganzen Abend verbrachte er im Schonwaschgang. Pullover auf die Heizung und nächsten Tag durfte er schon wieder weiter frieren.

Abends aßen wir in einem SB-Restaurant fast jeden Tag eine Gulaschsuppe (perfekt), dazu ein dunkles Konditionsaufbaubier. Spätestens um zehn konnten wir die Augen nicht mehr bändigen. Doch an diesem Tag lernten wir ein neugieriges deutsches Mädel kennen. Sie begleitete uns in unsere Pension und Charly meinte:“ Na, wir werden ja sehen, was sich ergibt.“ Wir hatten eine winzige Flasche Grappa und wollten die Stimmung heben, als es sie, nach dem zweiten Schluck vom Sessel haute, haarscharf an der Bettkante vorbei. Charly, leicht durchsichtig im Gesicht steckte sie in den Anorak, stellte sie vor die Tür und drehte den Schlüssel um.

Vierzehn Tage in diesem Traumskigebiet, ohne Ruhetag. Ich war reif zumindest für den C-Kader. Obwohl die Sonne selten schien waren wir gesichtsmäßig Luis Trenker mehr als ebenbürtig. Das hatte angenehme Auswirkungen in Wien. Die Mädchen sprachen mich sogar in der Straßenbahn mit seichten Aufrisssprüchen an. „Bist du der Mister X?“ Das kommt raus wenn Mädchen die Initiative ergreifen wollen. Impertinent. Aber ein gutes Gefühl.

Auf jeden Fall Weltreise zurück nach Wien, wir schworen uns, das nächste Mal mit Auto.

Konditionsmäßig war ich perfekt, ein Vorteil beim Militär, wie es sich bald schon herausstellen sollte.

Sieben Monate Länderbank AG, davon zwei Monate Urlaub. Finde ich fair.

Ich nützte jeden Sonnenstrahl um mein Bergbauerngesicht zu erhalten. Die Mädchen dankten es mir.

Am ersten April (!?) rückte ich in die Maria Theresienkaserne zur Heeres-Sport und Nahkampfschule, HSNS, ein. Mit zwanzig Schilling für zwei Leberkäs Semmeln. Alle meine Freunde erzählten mir: „Hols’t dir’s Gwand, am Abend gehs’t z’haus.“

Fast. Gewand fassen, rauf am GMC (Lkw) und ab nach Wiener Neustadt. Ohne Geld, Waschzeug, Rasierapparat. Kein Mensch wusste wo ich bin, nicht einmal ich. Unsere Ausbilder, fast alle ehemalige Jagdkommando Soldaten (vergleichbar mit den US-Marines, nur besser).

Am Abend der erste Eklat. Wir duschten, schlenderten zwanglos nur mit Handtuch bekleidet, den Gang entlang, als ein Unteroffizier uns erblickte. Volle Militärdröhnung: „ Wos is, kennt’s net grüßen!“ Einige ließen vor Schreck das Handtuch fallen, salutierten ungelenk. Ein Bild für Götter. „Guten Abend, sagt man! Na, mit euch wer ma no viel Spaß haben.“ Die Einschüchterung funktionierte perfekt. Kollektivstrafen (alle für einen, einer für alle), taten ihr übriges. Wenn ich heute über Schikanen beim Bundesheer höre, kostet das mich einen Zweisekundenlächler. Zur Ehrenrettung muss aber gesagt werden, dass die Ausbilder (fast) alles mitmachten. Gesunde Härte hat noch niemanden geschadet, man flucht, überlegt wen man als erstes liquidieren soll und am Ende ist man stolz, dass man es geschafft hat. Seltsam.

Nächsten Morgen Tagwache live. Morgensport am größten Naturflughafen Europas. Der Morgentau funkelte in der aufgehenden Sonne über der riesigen Rasenfläche. Nett. Der Zwei Komma Vier Kilometer, im Angriffstempo war für einige nicht so nett. In unserer Kompanie befanden sich mehrere Spitzensportler, unter ihnen ein gewisser „Reinhold Durnthaler“, Bob Europa oder Weltmeister, unzählige Male zurückgestellt. Mit dreißig hatten sie ihn doch noch erwischt. Blad geworden, ohne Bob war er den Anstrengungen nicht gewachsen und durfte nach vierzehn Tagen wieder abrüsten. Berechnung? Politik?

Wir fassten auf jeden Fall unsere „Braut“ (eine schwere scheiß Braut“) aus. Gewehrnummer weiß ich heute noch. Seltsam.

Ab ins Gelände. Stahlhelm, Sturmgepäck, Gewehr, ließen mich erkennen, dass es mehrere Arten von Kondition gibt. Mir war heiß, schlecht und das ganze Zeugs scheuerte. Ziemlich geschlaucht vernahm ich von meinem Hintermann: „Große Gosch’n und keine Kraft!“ Ich blieb stehen öffnete meinen Hemdkragen: „Ein Wort noch und du frisst deinen Stahlhelm!“ Das sorgte für Ruhe im Glied.

Schützenloch ausheben. Alle waren zu zweit, aber da wir siebenundzwanzig Mann waren, wir zu dritt. Nach zwei Stunden standen die meisten bis zu Hüfte im Loch, wir leider nur bis zum Knie. Als uns der Unteroffizier darauf Aufmerksam machte, schoben wir es auf den harten Boden. Der Korporal sprang ins Loch und schaufelte, wir blickten interessiert zu. „Es glaubt’s wohl ich bin a bißl deppat? Das ist der weichste Boden Niederösterreichs! In zwanzig Minuten sieht man euch nicht mehr im Loch!“ Wir buddelten wie die Irren, der Boden war weicher geworden.

Nachtmarsch in die Kaserne. Nachteilmarsch. Da auf diesem riesigen Truppenübungsplatz sich jede Menge Schützenlöcher befanden, hörte man alle zehn Minuten: „Au! Oasch!“ Stockdunkel und ich leicht kurzsichtig. Ich glaube ich war der einzige den es in kein Schützenloch haute. Kein einziger gebrochener Fuß, keine ernsthafte Blessur, unglaublich.

An einer Lichtung hielten wir an und ein Unteroffizier erklärte uns Orientierung im Dunkeln, mittels Sternbilder. Er erklärte uns lang und breit den großen Wagen, Bären etc. Mit stolzgeschwellter Brust, bezüglich seines Fachwissens, fragte er meinen Freund Walter S. (ein ehemaliger Hauptschulkamerad, ein Glücksfall):“ Nau, kapiert?“ „Nein, ich bin astigmatisch.“

„Was sind´s?“ Ich wollte die Lage etwas entschärfen: “Er sieht ein wenig schlecht.“ „Haubn´s sie es wenigsten kapiert?“

„Ich seh´ auch ein wenig schlecht.“

Laufschritt.

Irgendetwas nagte an unserem Ausbilder. „Deckung! Bis zur Kirche vor robben!“ Einer meinte er sähe keine Kirche.

„Wird schon eine kommen, scheiß Bande!“

In der Kaserne, die Ausbilder hatten bereits geduscht, bemerkt man bei der Standeskontrolle, dass ein MG-Gurt fehlte. Der MG-Schütze hatte das Vergnügen, allerdings mit Korporal, diesen im Laufschritt zu suchen. Ungefähr sechs Kilometer retour. Sie fanden ihn tatsächlich. Der Korporal sichtlich geschlaucht, brüllte ihn an: “Merken´s inas jetzt?“ „Nein.“ Liegestütze bis zum Umfallen. Bei der zweiten Verneinung gaben sie es auf. Dieser Karl war der einzige den sie nicht schafften. Ein dürres, rothaariges Waisenkind, später bester beim Jagdkommandogrundkurs. (zwanzig Wochen full speed, wir hatten vierzehn Wochen, normalerweise drei bis vier). Karl ein netter Kerl, aber in seinem Lebensweg sicher nicht zu beneiden.

Zehn Minuten waschen, kein warmes Wasser mehr.

Anschließend Sturmgewehr 58-Kunde, zerlegen, putzen, jede volle Stunde, ein Stockwerk höher, Kontrolle. Der Wachtmeister hatte sich eine Kiste Bier organisiert, ein Jagdmesser und ein weißes Taschentuch. Der Verschluss war unmöglich von Öl und Schmauchspuren zu reinigen. Um vier Uhr morgens riss er unsere Tür mit leicht geröteten Augen auf, wobei er einen, stehend an der Tür schlafenden Kameraden umhaute: “Einen kontrolliere´ ich noch!“ Walter S. trat vor. Er hatte den Verschluss unter heißes Wasser gehalten.

Der Unteroffizier hätte am liebsten sein Messer anderweitig verwendet. „Morgen zum „Befohlenem“!(Rapport).“

Walter hatte seinen Zusatzdienst ausgefasst und wir saßen nach dem Morgensport im Lehrzimmer. Das einzige Mal. Wir sollten den zünftigen Militärhit „Ein Heller und ein Batzen“ einstudieren.

Alle paar Minuten schlief einer ein und es haute ihn vom Sessel. Zehn Liegestütze zur Gehirndurchblutung. Ich hatte keine Probleme, was ihm sichtlich nicht passte: „Sie sind ja unrasiert! Zehn.“

Stolz pumpte ich sie runter. Mein Frohsinn irritierte ihn: „Zum Friseur kennan´s a glei gehen, mia san jo ka Hippiebande do!“

John Lennon´s Kurzhaarschnitt war gerade „in“ und so ließ ich mir einen fünf Millimeter Haarschnitt nach Heeresvorschrift verpassen.

Die Friseurin weinte dabei.

Nächsten Tag bei der Standeskontrolle passte es ihnen wieder nicht.

Alle Jagdkommandosoldaten hatten einen Kurzhaarschnitt, quasi als Erkennungszeichen. Er setzte zum brüllen an, doch kein solider Grund traf sein Gedächtnis.

Als Rache, Eilmarsch nach Wöllersdorf,

ca. sieben Kilometer. MG und Sturmgewehrschießen. Anweisung Maschinengewehrschießen, eine Sekunde am Abzug sind drei bis vier Schuss. Ich muss zugeben, es „taugte“ mir. Zweimal abgezogen, mit mindestens fünfzehn Schuss. „Kurz, hob i gsogt!“ Leck mich am Arsch. Wenn ich an die amerikanischen Idiotenkriegsfilme denke, ehrlich mit so einer Waffe kann man die Landung in Normandie aufhalten, nur der Lauf wird „etwas heiß“. Das Beste ist das Originalhakenkreuz, für tausend Jahre eingraviert. Male mit einem Bleistift ein Hakenkreuz auf eine Parkbank und du wirst verhaftet.

Bester MG-Schütze. Kunststück.

Erste Serie Stg58 (wir waren übrigens die ersten die später das neue Stg77 zur Erprobung erhielten), erste Serie, sehr schwach. Lag es am Gewehr, oder an mir leicht Kurzsichtigen? Nächste Serie, Walter S. vor mir. Während des Wechsels nahm ich ihm mit geladenem Magazin die Brille ab. „Seid´s depat?! Wollt´s eich net glei duellieren?“ Es lag am Gewehr und mir. Siebenter.

Nach dem Schießen „Belehrung“. Es dürfen keine Munitionsteile etc. mitgenommen werden……..

Gerhard T., ebenfalls ein Schulfreund, der leider immer mehr verblödete (bis zum späteren Eklat), zeigte mit einer leeren Patronenhülse auf.

Meine Projektile schmücken heute noch das Fernsehgerät.

Samstag, zwölf Uhr Zimmerkontrolle, Spindkontrolle. Wenn alles in Ordnung ist, dürfen wir nach Hause fahren, wurde uns versprochen. Wir kehrten zusammen, wischten ab und wischten auf. Perfekt. Bis unser Obergescheiter die Idee hatte alle Tische und Stühle auf die Betten und mit teuren Reinigungsmittel „Glänzer“ aufzuwaschen. Sie legten zusammen und organisierten den Reiniger. Als sie meinen Obolus einforderten bissen sie auf Granit. Da wir die Kräfteverhältnisse bereits geklärt waren, setzte ich mich ziemlich unbeteiligt auf mein Bett: „Ihr meint´s ja nicht im Ernst, die lassen uns ohne Schikane gehen?“

Sie putzten wie die Irren, nur um die Mama früher sehen zu können. So viel Blödheit erstaunte mich.

Kontrolle. Zu ihrem Erstaunen brüllte er sie an: „Mit heeresfremden Mitteln arbeit´s ihr?! Glänzer ist beschlagnahmt!“ Mit dem Reinigungsmittel hatte wahrscheinlich seine „Alte“ die Ehre.

Doch sie gaben nicht auf. Ich sagte nur:“ Frühestens um zwei lassen´s uns geh´n.“

Nächste Kontrolle. Er schaute von außen in das Zimmer, wischte mit dem Zeigefinger über den oberen Türstaffel: „Saustall!“

Langsam begriffen auch die Kameraden meine Logik. Wir knotzten uns auf unsere Betten und ruhten. Eine halbe Stunde später erschien der Unteroffizier, ein Bier in der Hand: “Wos is, woll´ts net ham?“

Zwei hatten ein Auto und mit einem alten Skoda durften wir gegen den Wucherpreis von zwanzig Alpendollar bis jetzt mitfahren. Dieses Mal erklärte er keine Zeit zu haben. Zwei Kilometer zur Schnellbahn.

Sonntag, „Zapfenstreichzeit“ inspizierten wir im diffusen Laternenlicht seinen Flitzer. Sehr große Falten im Blech.

„Ich bin eingeschlafen auf der Autobahn und die Leitschiene entlang radiert. Fährt`s ihr es nächste mal eh wieder mit?“ „Jo, oba umasunst!“ „O.K.“

Wir kofferten jeden Tag unsere zehn Kilometer im Gelände. Aber in den Dreck schmeißen mussten wir uns nicht. Es regnete nicht. Sie hielten uns mit lustigen Übungen bei Laune. Z.b. ABC-Alarm. (Atomar, Biologisch, Chemisch) Wir marschieren in Schützenkette, also im Abstand von ca. drei Metern hintereinander, dann ein Zeichen – Schützenreihe. Die letzten müssen nach vor laufen, in eine Reihe, dann wieder Schützenkette, usw. Atomblitz – volle Deckung – Gasmaske auf, damit man kein Atom verschluckt, Regenschutz über den Stahlhelm, Handschuhe anziehen, Auftrag weiter ausführen. Schützenreihe, Kette, mit Schutzmaske. Viele bekamen keine Luft mehr und rissen sie vom Gesicht. Zur Erholung gab`s Liegestütze. Man gewöhnt sich fast an alles.

Nächste Woche auf dem Übungsplan fünfunddreißig Kilometer Marsch. Endlich etwas Neues.

Sieben Uhr Standeskontrolle, volle Gefechtsadjustierung, anschließend sofort Abmarsch. Ich hatte meine Feldflasche nicht voll gefüllt (Gewichtsreduktion), durfte sie im Laufschritt auffüllen, zehn Liegestütze mit Stahlhelm. Gewehr vor die Brust, im Ortsgebiet geschultert. Ich hielt mich nicht daran, am Rücken das Sturmgepäck, das Gewehr vorne, als Gegengewicht. Unsere Jagdkommandosoldaten sagten nichts, dachten sich vermutlich „Schlaues Kerlchen“. Es ging auf die „Hohe Wand“, mit den“ Strapatzschuhen „ ohne Profil. Immer Bergstiefel, heute Leitern, Klettersteig mit den Märchenschuhen. Idioten.

Ich hielt mich streng an den Schritt des Vordermannes und schaltete das Gehirn ab. Es meldete sich auf halber Strecke zurück, die raue Innennaht scheuerte sogar durch die dicken Bundesheersocken. Mittags zog ich die Schuhe, Socken aus und sofort wieder an. Zwei riesige Blasen an der Ferse. Wer sich nicht zum Arzt meldete, konnte Freitag nach Dienst nach Hause. (FnD). Also Hirn abschalten und ich weiß nicht wie, zurück marschieren. Freitag, nächster Tag, meldeten sich viele zum Sanitätsarzt in der vier Kilometer entfernten Panzerkaserne. Sie hatten schon verloren.

Ich erschien zur Standeskontrolle mit den schwarzen Semperitturnpatschen, darüber die Gamaschen. Wie der Kasernenkommandant das sehen konnte ist ein Rätsel. „Turnschuhe ausziehen!“ Als er meine Blasen erblickte, ehrfürchtig: “Führt´s eahm noch, in die „Sani“. Einzeltransport im GMC. Auch für den Stabsarzt war ich etwas Besonderes. Blasen aufgeschnitten, jetzt konnte ich nur noch auf Zehen gehen.

„Kann ich z´haus fahren?“ „Nein, sie rennen ja gleich in die Disco!“ Kurze Disposition meinerseits: „Ich bleib´das ganze Wochenende bei meiner Freundin zuhause.

Ich hatte keine Freundin. Wo sind die Mädchen – DISCO.

Am Sonntag trafen sich mein Freund Walter und ich an der Schnellbahnstation Rennweg. Eineinhalb Stunden zurück in die geliebte Kaserne. Zwanzig Minuten Fußmarsch. Um Zwölf in den Federn, bzw. Decken.

Nächster Tag Standeskontrolle. Wir hatten die Ehre des Flaggenhissens. Auf Kommando vortreten, Walter entrollte die Fahne, ich klinkte sie ein und zog sie hoch. Üblicherweise. Walter entrollte, ich trat einen Schritt vor, trat versehentlich mit den „Berghammerln“ auf das Weiße unserer Nationale. Nichts anmerken lassen. Fahne hochziehen, leider mit ausgeprägtem Stiefelabdruck. Unser „Spieß“ (Kasernenkommandant, Vizeleutnant) hatte denselben Farbton im Gesicht wie die Fahne.

Selbstverständlich ab zum „Befohlenem“.

Vizeleutnant, höher darf er nicht ohne Matura, Ende der Fahnenstange, einfaches Gemüt. Kurz ein Trottel. Einem Deppen fällt auch kein Bestrafungsgrund ein, ich beteuerte meine Unschuld.


Um aus uns Muttersöhnchen doch noch richtige Männer zu machen setzten sie einen fünfundvierzig Kilometermarsch rund um die Hohe Wand an. Dieses Mal mit Bergstiefel. Ich kannte meine Fußschwachstellen ja schon, gewissenhaft verklebte ich sie mit Heftpflaster. Proffesionell.

Ich klinkte mich sofort in den Schritt meines Vordermannes ein und schaltete das Gehirn wieder einmal aus. An der ersten längeren Steigung begannen die ersten zu fluchen: „ Dauernd im gleichen Schritt, da wird ma jo de depat!“ Mir wurscht. Zwanzig Minuten Mittagspause. Sofort weiter. Meine Kondition war perfekt, ich meinte eine hundertjährige Eiche ausreißen zu können. ( Oder einen Gummibaum). Zehn Kilometer vor Marschende stand plötzlich unser GMC um die“ Verwundeten“ nach eingehender Prüfung einzuladen. Seltsamerweise durften auch die im Waschraum am Morgen angetroffenen mitfahren. Ich machte Grundsätzlich zuerst das Bett um dem Trubel zu entkommen. Von dieser Aktion hatte ich gar nichts mitbekommen. Also weiter Richtung Kaserne. Manche spätere Jagdkommandosoldaten phantasierten leicht, Gerhard T. hatte einen „Wolf“ (Innenschenkel aufgerieben) und ging wie John Wayne im Delirium. Ich schnappte mir sein Gewehr zusätzlich, doch die meisten konnten nicht mehr und blieben zurück. Hundert Meter vor der Kaserne meinte unser „Rambo“: „ Schaut´s eichas au, de Bochanan, Gewehr am Schwerpunkt erfassen! Zurück um die Woamen umadum und retour!“ Das motivierte unsere Homos. Kollektivstrafe pur.

In der Kaserne: „Bringt´s eichere Sochn in Urdnung, dann könnt´s furtgeh. Haha.

Walter und ich waren nach zehn Minuten frisch gestylt. Im Bus Richtung Innenstadt erblickten wir ein Plakat- Waterloo und Robinson LIVE. Unter unserer Würde, aber vielleicht sind ein paar Mädchen anwesend. Vor dem Konzert musste ich pinkeln und traf einen kleinen, langhaarigen Typen mit aufgezwirbelten Schnurrbart: „ Weißt du wo´s Häusl is? Wann fangen die „Kommerzler“ eigentlich an?“ Ich erkannte ihn nicht, aber Robinson gab freundlich Auskunft.

Sensation im Foyer. Ein Mädcheninternat geschlossen angetreten. Mindestens fünfhundert Mädels. Wir zahlenmäßig weit unterlegen (ca. fünf Bundesheerler), mussten uns, unserer Haut wehren. Es gelang uns auch bestens. Wir quatschen mit mindestens zehn Mädchen, dann plötzlich der Abmarschbefehl. Sie formierten sich und zogen geschlossen ab.

Ich dachte mir:“ So blöd wie wir, kann man doch gar nicht sein, wenn ich das später einmal erzähle, glaubt´s mir kein Hund. Stimmt.

Unsere Kaserne musste natürlich auch bewacht werden. Es könnte ja einer von uns gestohlen werden. Da wir nur so wenige Wehrmänner waren, konnten wir keinen KVT (Korporal vom Tag, schieben. Dazu braucht man zwei. Supergeistesblitz unseres Häuptlings, einer allein bewacht die Kaserne, ein Journaldienst.

Sonntagabend hatte ich die Ehre. Nachmittags knotzten mein Freund Walter und ich noch im Gartenbaukino am Ring. Der damalige Superschocker – „Der Exorzist“. Schocker-Blödsinn, dachte ich mir und setzte mich vollkommen unvoreingenommen in den weichen Kinosessel. Das war ein Fehler. Als die Lichter angingen, hatte ich Schwierigkeiten mit dem Aufstehen.

Heute lachen die kleinen Kinder beim „Kettensägenmassaker“ etc., dafür weinen sie bei einem schwarz-weiß, Zeichentrickfilm. Unter heiterem Ablenkungslachen zurück in die Kaserne.

Pünktlich trat ich meinen Dienst an. Leicht high, denn ich hatte mangels anderer Gelegenheit, drei Esslöffel Instant-Kaffee geschluckt. Das einzige Laster dem ich nie frönte – Kaffee, ich habe bis heute (fast) keinen einzigen „kleinen Braunen“ getrunken.

Alleine in der Kaserne, stockdunkel, draußen ein veritabler Sturm. Ich schnappte mir ein Buch und legte die Füße auf den Tisch. In Gedanken versunken, drückte der Wind plötzlich die Eingangstüre auf, die Deckenlampe pendelte wie wild. Mich hätte es vor Schreck beinahe vom Sessel gehaut. Koffein, Exorzist und Sturm waren etwas viel für meine Nerven. Schnell schloss ich die Türe.

Ein Ziegelstein zur Sicherung. Die Zeit verging sehr langsam und der Inhalt des Buches wurde mir immer fremder.

Um zwölf Uhr die Außentore schließen. Ich war sehr schnell.

Nächster Tag, normaler Dienst, kofern bis zum Umfallen. Nachts konnte ich nicht einschlafen. Coffeintrauma.

Eigentlich war ich schon als kleiner Junge ein Bundesheerfan. Stammgast im Heeresgeschichtlichen Museum, Bundesheerillustrierteabonnent, überlegte sogar mich zur UNO nach Zypern zu melden. Doch mit diesem Kaderpersonal, großteils Grenzdebile? Ehrensache war natürlich beim Leistungstest zu zeigen „wo der Bartl den Most herholt“.

Erste Station, Klimmzüge, freihängend. Ein blades Unteroffizierarschloch mitfühlend:“ Soll ich dich raufheben?“ Er staunte etwas als ich aus dem Stand raufsprang. Er ließ mich ca. sieben Stück machen, dann meinte er: “Affengriff!“ „Was?“

„Na, Handflächen nach vorne!“ Auch kein Problem, ich änderte die Handstellung noch an der Reckstange und war zehn Stück besser als der Zweite. Klappmesser, Liegestütze – volle Wäsch`.

Als letztes, sechs Stadionrunden laufen, umzingelt von Topleistungssportlern.

Ein Typ, etwas kleiner als ich, ich denke er hieß Nurmi, hängte uns alle ab, Leichtathleten, Karatekämpfer, Radrennfahrer, meine Wenigkeit.

So belegte ich leider nur Platz zwei.

In der Hackordnung aber eine gute Ausgangsbasis.

Die Grundausbildung ging Gott sei Dank zu Ende. Letzte Übung, ein Nachtkommando auf die im Wald vor uns „campenden“ Wiener Kameraden. Gardesoldaten, die Elite des Militärs, für uns Nichtskönner, „Gewehrpracker“. Das erste Mal ohne Sturmgepäck, wir hatten sogar Freude daran uns wie „Rambolino“ die Kriegsbemalung anzulegen. Zwei Stunden beobachteten wir die Elitedeppen, kurz nach Mitternacht krochen wir durch ihre Schlafposten und schossen ihnen mit Sturmgewehren plus zwei MGs direkt in das Zelt.

Ich denke die meisten sind heute noch blind.

Da es unsere Kommandeure es den Weanern es so richtig gezeigt hatten, durften wir am letzten Tag den Truppenübungsplatz säubern, ich verzog mich in ein Gebüsch und dachte an die Nichtdabeigewesenen Wehrmachtskritiker. Sogar aus uns hatten sie innerhalb weniger Wochen, stolze Vaterlandsverteidiger gemacht. Mein Resümee, stolz auf die sportliche Leistung, aber im Ernstfall könnt´s mich zeitgerecht am Arsch lecken.

Mein Freund Walter blieb in Wiener Neustadt, ich wollte auch, doch die Verteilerliste war bereits geschrieben. Umg´schrieben wird nichts.

Wiener HSNS Lkw´s holten uns ab. Maria Theresienkaserne. Hier erklärt sich, weshalb die meisten das Bundesheer als verlorene Zeit betrachten. Standeskontrolle im“ grauen Jogging Anzug“. Vor mir ein Typ, ich glaub´s nicht, ein Typ mit schulterlangen Haar, mit Gummiband als Pferdeschwanz getarnt. Schwanz im Kragen des Joggers versteckt. Ansprache hält ein Major Herzog, schon damals ein ziemlich hohes Viech. Aus den hinteren Reihen, undefinierbar aber laut:“ Herr Major, sie Noaa!“ Alle haben es gehört nur der Narr nicht. Morgentraining, laufen um die Kaserne auf Kopfsteinpflaster. Nicht alle. Elitesportler im Heereseigentum erscheinen gar nicht, andere schlendern entspannt zur Kantine. Während des Laufens, erblicke ich einige Radfahrer im eleganten Werberadfahrerkostüm, die eben das Tor der Kaserne passieren. Ich habe sie nie wieder gesehen. Waren vermutlich zur „Tour de France“ unterwegs. Grüßen egal, nicht einmal einen General. Die unteren Chargen, die schon, Wachtmeister - Oberwachtmeister, da flogen die Fetzen.

Ich saß alleine in einem Riesenbüro und meine Aufgabe war es, meinen Vizeleutnant, falls wichtig, aus dem Offizierskasino zu holen. Die Gelegenheit für eine Versetzung nach Wiener Neustadt schien mir günstig als der Neustadt-Junge, der ja nach Wien wollte, mit seinem Chef in unserer Kaserne weilte. Ich ging sofort zum „Bittraport“:“ Ich hab´ solche Troubles mit meinem Vater, könnt ich nicht zurück nach Neustadt?“ Lässiger Konter des Kommandanten: “ Brauchs´t net z´haus geh, schiabst hoit Dienst jedes Wochenende.“ Mit mir nicht: „Der andere Kamerad möchte aber nach Wien, seine Mutter soll so schwer krank sein.“ „Nau guat, mocht´s an Test, zehn Minuten Schreibmaschinenabschrift. “Ich schrieb maximal drei Sätze. Mit zehn Fehlern.

Spieß:“ Se san da bessere.“ Mein Kamerad muss grenzdebil gewesen sein.

Die kranke Mutter überzeugte schließlich und ich bekam eine Liste wo ich mich überall zu verabschieden hatte. Unglaublich, einen halben Tag kostete mich die Bundesheerbürokratie. Selbst beim Stabsarzt musste ich mich abmelden, der meinte: „ Nach Wiener Neustadt wollen sie zurück? Haben sie einen psychischen Schaden?“

Kurz vor Dienstschluss rückte ich in Wiener Neustadt ein. „Melde mich zum Dienst!“ „Aha,…nehman´s ina irgend a Zimma.“ Die Flugfeldkaserne, eigentlich eine große Villa, stand fast leer. Mein Freund Walter und ich entschieden uns für ein geräumiges Zehnbettzimmer, zu Hause hatte ich kein eigens Zimmer, die erste Lebenssituationsverbesserung. Dienstzugeteilt wurde ich Vizeleutnant M., einer Südtiroler Luis Trenkerkopie mit „Bergbauernschmäh“. Der Typ war sagenhaft. Weiße kurze Haare, sonnengegerbtes Gesicht. Die Telefonistin der Kaserne unterbrach aus Eifersucht die Gespräche mit seiner Frau. Ziemlich ausgefuchst der Bursche. Um ein Uhr Mittag unterbrach ich seine Mittagssiesta mit dem üblichen „Melde mich zum Dienst“. Verschlafen, aber im Befehlston kam zurück: „Kaf ma wos o!“ Er hatte seine zahlreichen Schätze auf einer Militärdecke ausgebreitet. Ich „kafte“ im eine Feldflasche aus dem zweiten Weltkrieg (die heute noch in Verwendung ist) und einen topmodernen Rollkragenpullover, Schlappkragenversion ab. Die Feldflasche ein gute Geschäft, der Rollkragen kehrte jedoch nach Pflege in seine ursprüngliche Form zurück. Der „Saubauch“ hatte ihn vermutlich ein Jahr getragen und dann verscherbelt. Doch dem Luis konnte man nicht böse sein, zumal er andere Unteroffiziere die mir etwas befehlen wollten, zur Sau machte.

Er drehte sich grundsätzlich nach den Verkaufsverhandlungen noch einmal um und schlief bis zwei Uhr. Als eine Fallschirmtaschenanlieferung erfolgte, war er aber sofort hellwach, im nicht erst gemeinten Befehlston: „Zählen, wenn´s mehr sind bei mir abliefern!“ Einhundert Stück laut Lieferschein, echt einhundertzwei. Meine Tasche brachte ich sofort in Sicherheit und meldete ein Stück zu viel. „So ane wollt´i scho immer,

schad´das für dich keine dabei ist.“

So freuten wir uns beide. Reisetasche und Feldflasche sind Unikate, unzerstörbar und in Verwendung.

Nächsten Tag war seine Freude etwas getrübt, er erschien mit einer Riesenbeule am Hirn: „Stell dir vor, ich kauf mir einen Liter Milch (damals in Glasflasche), trink während der Autofahrt und stell´s da auf´n Boden. Der Arsch vor mir bremst, ich greif auf die Flasche, Satzaussage Auto hin.“ Er beobachtet genau meine Mundwinkel. Endlich der Befehl: „Nau, loch scho!“

Er nahm es ziemlich locker, war vermutlich kein Armer. Frühstückspension im Grödnertal, oder so.

Hauptberuflich war ich Hüter des Fallschirmmagazines. Ich entwirrte

Fallschirmleinen und übte mit den Sprunginstrumenten „Luftanhalten“.

Übung macht den Meister, nach einiger Zeit zeigte die Stoppuhr zwei Minuten, wobei ich allerdings mit blauem Gesicht „Purzelbäume“ über die Fallschirme schlug.

Für nächsten Tag war ein „Skivan“, eine mittlere Transportmaschine angekündigt. Die konnte die ganze Mannschaft aufnehmen, dazu benötigten sie allerdings einen Fahrer, der die benutzten Fallschirme einsammelte und die neuen übergab. Ein uralter orangefarbener Opel, den man mit dem Zigarettenanzünder startete war das Fahrzeug. Da ich nach dem Militär den Führerschein machen wollte, kam mir das sehr gelegen. Trotzdem erwähnte ich keinen Führerschein zu besitzen. „Wurscht, des is Privatgrund, Zigarettenanzünder drehen, starten, Erste, Zweite, Dritte, kann ein jeder Trottel.

Die Skyvan schraubte sich in den Himmel, es wurden Windmessstreifen abgeworfen, ein Metallstab mit bunter Papierfahne. Ich dachte schade um die Streifen und startete den Boliden. Ich legte das Ding auf den Rücksitz, das war dem Oldtimer zu viel, der Motor starb ab. Leichte Panik, erfolglose Startversuche. Die Fallschirmspringer schwebten zu Boden, ebenso der Transporter. Auf dem Flugfeld veranstaltete die Mannschaft einen „Veitstanz“. Die gelandete Skyvan verbrauchte in der Minute Sprit wie fünfzehn Chevrolets. Als ich freundlich zurück winkte, fasste sich einer ein Herz und sprintete einen halben Kilometer zu meinem Fahrzeug. „Gaspedal durchtreten und starten! Das hat Folgen!“

Schuldbewusst erklärte ich ihm:“ Ich hab´s ja gesagt, ich habe keinen Führerschein.“

Nachschulung. Jeden Abend, nach Dienstschluss zog ein oranger Opel im Raylleytempo am Flugfeld seine Runden.

Das Bundesheerleben in Wiener Neustadt war relativ abwechslungsreich, keine Tristesse wie in Wien. Neue Erlebnisse waren an der Tagesordnung. Als unsere späteren Militärweltmeister mit dem Hoover abheben wollten, fragte ich kurz an, ob ich mitfliegen dürfe. Der Eine: „Nein, ist verboten.“ Der Andere: “Hupf eine!“ Der achthundert Meter Absprung der Beiden ließ mich etwas ratlos zurück. „ Wärs´t jetzt gesprungen oder nicht?“ Eigentlich egal, die Kameraden hinter dir, treten dich sowieso hinaus. Die zwei Unteroffiziere sprangen natürlich manuell (keine automatische Reißleine, sie ziehen die Reißleine händisch), Relativspringen mit Figuren etc. Auf die Frage, warum heißt das eigentlich Relativspringen, Antwort: „ Weil da relativ viel passieren kann, ha.“

Es gibt aber auch Relativhelicopterfliegen. Der eine Pilot meinte: „Mach die Türe zu.“ Der andere flog eine Rechtskurve. Ich um ein Haar aus dem Helicopter. Ich konnte mich gerade noch an der Türe abstützen und genoss den Ausblick auf einen sehr kleinen Flugplatz. Hätte es mich da rausg´haut meine Mutter hätte mich im Sandküberl identifizieren müssen.

Die Piloten perlweiß unter ihrem Helmen: „Hinsetzen, Hinsetzen!“ Das hätte das Ende ihrer Karriere bedeutet, meiner sowieso.

Aber sie entschuldigten sich bei mir.

Abwechslung garantiert. Ich hatte einen Wochenenddienst ausgefaßt. Herrliches Sprungwetter, unsere Vaterlandsbeschützer trainierten, im auf Bundesheergrund gelegen Aero-Club. Im Dienst auf Staatskosten hüpfen, am Wochenende im Club. Das ist Dienstauffassung. Ich hatte Jacke, Stiefel, etc. ausgezogen und beobachtete interessiert den Flugbetrieb. Überfallartig kletterten plötzlich einige Polizisten, Sanitäter, Feuerwehrleute über unseren Zaun. „Hier ist ein Flugzeug abgestürzt!“ Ich entgegnete: „Na, geh´ns.“ Als aber kurz darauf unser Oberstabswachtmeister auftauchte, mich kurz abmahnte, “Wos is des für a Adjustierung!“ – aber offensichtlich andere Sorgen hatte, bestiegen wir die Einsatzfahrzeuge und rauschten zum imaginären Flugzeug.

Unglaublich, da lag sie, auf dem „Rücken“ wie eine entgleiste Schildkröte. Der Pilot hatte zu spät aufgesetzt, (am größten Naturflughafen Europas), und war über den Schützengraben am Ende des Flugfeldes gefahren. Da er keine gröberen Verletzungen aufwies, konnte ich ein mitleidiges Lächeln nicht verbergen. Allerdings wurde mir bewusst, dass ich noch immer keine Stiefel anhatte. Jeder gab dem Anderen die Schuld und ich verdrückte mich unauffällig, adjustierte mich nach Heeresvorschrift und legte mir einen „is eh nix passiert“, Gesichtsausdruck zu.

Nachdem die ganze Meute wieder abgezogen war, kehrte wieder der einsame Dienstalltag ein. Ich borgte mir von einem Tiroler Korporalskameraden seine Parka aus, ohne Hemd ohne Mütze, ließ ich die Kaserne im Stich und ging einkaufen. Ich verspeiste meine Wurstsemmeln und sinnierte über die weiteren Aktivitäten. Da die Universalschlüssel sicherheitshalber unter der Türmatte verwahrt wurden, durchstöberte ich die ganze Kaserne. In der Unterkunft unseres Hauptmannes probierte ich sein rotes, polnisches Fallschirmjägerbarret und widmete mich seinen Playboymagazinen. Zu fortgeschrittener Stunde kontrollierte ich mit seinem Zeiss-Fernglas, ob sich irgendwo ein OVT (Offizier vom Tag), blicken ließ. Diese Arschlöcher saufen sich zuerst im Kasino einen an, schikanieren dann die Fahrbereitschaft und anschließend die Wehrmänner. Tatsächlich kam der Depp im riesigen LKW angefahren. Ich lief in meine Stellung sperrte alles ab und ließ ihn erst einmal zehn Minuten klingeln. Wir hatten ja aus Personalmangel nur einen Journaldienst mit eigener Dienstanweisung. Z.b. Essen, Trinken, der Gebrauch von Genussmittel (Rauchen) erlaubt, Alkohol verboten. Nach der Aufheizphase ließ ich ihn herein, machte zackig Meldung und verwies auf die Dienstvorschrift. Er nuschelte: „Essen, Rauchen Saufen, ollas erlaubt?! Do geh i!“ Richtig lesen wäre auch erlaubt gewesen.

Selbstverständlich fuhren unsere Vaterlandverteidiger auch auf Staatskosten zu den Militärfallschirmweltmeisterschaften. Nach Szolnok, Ungarn, gut sie wurden Weltmeister, hatten sie doch beste Trainingsbedingungen. Natürlich waren sie auch im Feiern Weltmeister. Ein mir völlig unbekannter Reservistenspringer, namens Udo Proksch (der Luconaversenker) schmiss die Party. Lachs, Kaviar, Champagner, der gerissene Typ wusste wie man sich beliebt macht. Nach kurzer Zeit waren die meisten durch übermäßigen Dimple-Whiskygenuß außer Gefecht gesetzt. Wir beschlossen mitzufeiern und klauten einige Demel Torten, auch eigens gestylte Szolnok WM Zigaretten, zur Erinnerung. Einige Jahre Später, mangels eigener Tschik zu Hause, musste ich sie leider meucheln. Man kann über den Udo sagen was man will, ein spendables, angeberisches Arschloch war er schon.

Der Sommer heizte Wiener Neustadt, oft der Hitzepol Österreichs, ganz schön ein. Die Verlautbarung, dass wir am Neufeldersee einen Stützpunkt unterhielten kam mir gerade recht. Der Seedienst schloss ein Wochenende mit ein, keiner wollte, ich schon. Erhöhtes Tagegeld, ich beschloss Urlaub zu machen. Freitagabend kutschierte mich unser Hauptmann mit seinem privat PKW(!) an den Neufeldersee. Zu Urlaubsbeginn durfte ich gleich einmal zwei Taucherpressluftflaschen schleppen. Doch der Stützpunkt, eine Kleine nur durch einen Steg erreichbare Insel, war privilegiert.

Unser Überlebenskampf ausgebildeter Jagdkommando- Hauptmann erteilte mir den Befehl, ein Stück „Maschendrahtzaun“ zu requirieren. In der Zwischenzeit fing er am seichten Kiesstrand kleine Krebse. Lebend auf dem Maschendrahtzaun, über dem Holzkohlelagerfeuer wurden sie rot vor Zorn. Die Einladung zum Menü konnte ich nicht abschlagen, Gott sei Dank nur ein Fingernagel Krebsfleisch durch eine besondere „Technik“ ausgelöst. Viel Zitrone. Gott sei Dank schon vorher gegessen. Als „Nachspeise“ soff er eine Flasche Whisky,

voll auf harter Jagdkommandosoldat. Kann ich heute auch, leider weiß ich wie blöd man danach aussieht.

Nächster Tag, Samstag, immens heiß, die Liegeflächen für normal Sterbliche doppelt besetzt. Am Wochenende zu zweit, mein Freund Walter und ich hatten die Aufgabe unsere Insel, besetzt durch einige Unteroffiziere, zu verteidigen. Jeder wurde beinhart ins „Meer“ zurückgeworfen. Als sich ein Schlauchboot mit drei ca. siebzehnjährigen Mädchen näherte, dachte ich kurz über Befehlsverweigerung nach. Ich beschloss einen jungen Unteroffizier um Rat zu fragen: „ Da sind Drei, die möchten zu uns auf die Insel, wir haben doch genug Platz.“ „Nix!“ Nach kurzer Kopfdrehung, sprang er auf und geleitete die Damen auf „unsere“ Insel.

Wie das Leben immer gleich spielt, war die „Netteste“ auch die mir „Zutraulichste“.

Sie beschlossen ihre Eltern zu fragen, ob sie am Abend mit uns etwas „unternehmen“ dürften. Knapp bevor wir Ihren Wohnwagen erreichten, kam uns ein älterer, Gutgebauter Herr entgegen, knallte ihr eine: „Und Marsch!“

Vermutlich ihr Vater. Präsenzdiener hatten hier augenscheinlich kein gutes Ansehen.

Den Rest der Woche, jeden Tag ein Schnitzel mit Kartoffelsalat, dank erhöhtem Sold, Sonne liegen, Nichtstun. Eigentlich sollte ich, unter anderem, unsere Rettungszillen bewachen. War mir aber zu blöd, die Kinder rissen die Verankerungskette ab und die Zille trieb beschaulich am See. Also, diese Rockerbanden in der Nacht!

Nachdem ich sämtliche Unteroffiziere beim Weittauchen deklassiert hatte, außer einem Hauptmann Dvorak, der den Weltrekord im Eistieftauchen innehatte, beschloss ich mir die Pressluftflaschen näher zu betrachten. Nach kurzer Landerprobung, überlegte ich: „Alleine da unten? Bist du sicher, dass du wieder raufkomms´t?“ Nau guat, dann net. Ich ließ es mir lieber weiter gut gehen, Urlaub eben.

Sonntag in Wien, braungebrannt, studierte ich in der Gratiskrone die Meldung – Zwei Tote bei Badeunfällen am Neufeldersee! Montag erstattete ich Meldung: „Keine besonderen Vorkommnisse.“

Der Jagdkommandogrundkurs rückte bei uns ein. Ziemlich geschlaucht die Burschen, nach achtzehn Wochen Ausbildung. Als Zuckerl, die letzten vierzehn Tage – Fallschirmsprungausbildung. Die Boys betrachteten uns als ein Teil des Kaderpersonals respektvoll. Als ich einem Teilnehmer, einen im Waschraum vergessenen Goldsiegelring zurückbrachte, verehrten sie mich. Einen echt antiken Nassrasierer behielt ich, bin ja nicht ihr Kindermädchen. Am Übungssprungturm ließ sich erkennen, wer ein tapferer Soldat war. Anschließend Fallschirmpacken für den ersten Absprung. Ich beobachtete einen besonders „Tapferen“. Alle übrigen hielten die Packschritte ein, ließen es sich auf dem Packschein bestätigen. Jener Held machte ein paar „Kraxen“ auf seinen Packschein, rollte den Schirm ohne Leinen zu entwirren einfach ein und stopfte ihn in die Fallschirmtasche. Ich meinte zu ihm: “Bist sicher das der aufgeht?“ „Die Reißleine zieht ihn e´raus.“

So long, Ranger. Der Schirm ging tatsächlich auf. Aber es war interessant zu beobachten.

Die nächsten Tage erfuhr ich einiges bezüglich der Werte von Heeresvorschriften. Ein Sprungschüler war kurzsichtig, jedoch mit Kontaktlinsen. Der Heeresarzt: „Absolutes Sprungverbot!“

Nächsten Tag liefen die Telefone heiß, plus unser Kommandant. Ein General, Minister etc., nach dem anderen rief an. Der „Spieß“ salutierte sogar am Telefon. Fazit – gegen Revers durfte das Protektionskind hüpfen.

Wenn die ganze „Schleiferei“ umsonst gewesen wäre, ich wäre mit allen seinen nachfolgenden Taten einverstanden gewesen. Stabsarzt umbringen, Kasernen sprengen etc.

Ein ganz schlauer Unteroffizier hatte die Idee, das Sprungübungsgelände neu einzuzäunen. Wozu hat man schließlich junge, kräftige Männer, die Betonsteher zuerst ausgraben, dann mit einem Stahlseil und LKW rausreißen können. Mir war von Anfang nicht wohl bei diesem Unternehmen. Wir hatten den zwanzigsten Betonsteher ausgegraben, befestigten das Stahlseil und gaben das Kommando.

Der GMC riss an und das Seil ab. Es zischte einen Meter neben meinem Kopf vorbei und schlug in die Plane des LKW´s ein, zerschnitt Holzaufbau und Metallteile wie Papier. Das Unternehmen wurde sofort abgebrochen und natürlich vertuscht. Wir durften zurück in die Kaserne, zur Beruhigung der Nerven. Ich betrachtete eingehend meinen Kopf im Spiegel.

Das Jagdkommando zog ab, Sportler kamen und gingen. Eine Leichtathletikstaffel aus Ghana lief grundsätzlich nur nackt in der Kaserne herum. Vermutlich waren sie es von zu Hause gewöhnt, oder sie wollten mit ihren Negerschwänzen „einedrahn“. Sie hatten die Rechnung ohne unseren Wachtmeister gemacht. Der hatte nämlich echt ein Riesengerät. Jedes Mal wenn sich die Schwarzen im Waschraum aufhielten, kam auch er angetrabt, hellweiß, nackt, das Handtuch lässig über die Schulter.

Ich glaub ich bin ein leichter Rassist.

Die Nächsten zur Grundausbildung rückten ein. Einige eingeschüchtert, andere überheblich. Mein Mitleid hielt sich in Grenzen. Irgendwie freuten wir uns, dass ihnen in Kürze „der Oasch aufgriß´n wird“. Doch vor einigen Tagen war ein Grundwehrdiener (Wandel) in der Lobau zu Tode geschliffen worden. Offiziell Herzinfarkt. Mit achtzehn. (Das war der Auslöser der Diagnosestraßen, erspart so Manchen Rekruten bis heute einiges.) Unsere Kommandanten lasen kopfschüttelnd, Rundschreiben. Der erste Tag verlief mit Belehrungen, nächster Tag Morgensport – Gehen(!). Das Sturmgewehr fassten sie nach zehn Tagen aus. Wir staunten und konnten es nicht fassen. Vermutlich stand es um die allgemeine Wehrpflicht zu dieser Zeit nicht zum Besten. Als wir ihnen erzählten, was wir durchgemacht hatten meinten sie: „Geh, geh, des Bundesheer is a Obezahrerverein des was eh a jeder.“ Das war zu viel. Wir stutzen sie ordentlich zurecht, anschließend wurden wir von den Offizieren zurechtgestutzt. Dieser Jahrgang hatte Narrenfreiheit, ich eine ordentliche Ausbildung. Wo bleibt der Feind?

Nach vier Wochen das erste Scharfschießen der Youngsters. Die MGs wurden Gott sei Dank eingezogen, die Burschen erschossen sich ja mit dem Sturmgewehr fast selbst. Trefferquote : Zehn. (Dioptrien) Aber immer schön die „Goschn“ offen. Nach der Anstrengung natürlich ausgiebige Pause bis zum Nachtschießen. Zwei Wehrmänner bekamen den Auftrag vor der Zielscheibe Benzin auszugießen. Einer der Deppen stolperte und tränkte sich selbst mit Benzin. Am liebsten hätte ich eine Zigarette auf ihm entsorgt. Das geringe Benzin erhellte die Scheiben nur dürftig, egal sie trafen sowieso nicht. Uns wurde das ganze langsam zu blöd. Mein Funkgerätpartner Korporal Hans G., ein Superkerl, wieder ein Tiroler, sang mir einige urige Volksweisen ins Ohr, worauf ein Offizier meinte: „Draht´s des Radio o.“ Hans saß im Bunker direkt unter den Zielscheiben, gab Treffer, oder auch nicht durch und klebte die Zielscheiben auf neuwertig. Ich: „Hansi, sag´ eine Zahl.“ „Acht.“ Ich: „Danke, steht schon da.“

Wir einigten uns, dass er seine Lottozahlen durchgab, in einer Stunde war der Spuk erledigt und alle zufrieden. Unsere Dioptrienheinis wurden sehr gelobt.

Nach sechs Wochen wurden sie nach Wien verlegt und erzählten jedem der es nicht hören wollte, sie hätten eine Jagdkommandoausbildung absolviert. Unsere Unteroffiziere besannen sich, dass sie uns weiter schikanieren sollten und setzen, Ende Oktober, eine viertägige Übung in Allensteig durch. Übungsannahme: Jagdkommandoüberfall auf ein Waldviertler Dorf. Real nachträglich gesehen, eine Wiedersehensfeier alter Jagdkommandokumpels, mit lustigen Saufeinlagen.

Wir duften sogar unsere Tarnanzüge anziehen, doch kurz vor Abmarsch, fühlte ich mich immer seltsamer. Ich borgte mir einen Fieberthermometer, über achtunddreißig Grad Fieber! Glaubt dir eh keiner, also rauf auf den LKW. Der kalte Oktoberwind pfiff durch die GMC-Plane und ich kam mit dem Zähneklappern nicht nach.

Das Dorf bestand aus zwei Häusern und einem Stall, Einwohner die „Wiener Elitesoldaten“. Temperatur um den Gefrierpunkt, mir ging es immer schlechter, doch zum aufwärmen sofort ein Erkundungsmarsch. Mir rann der salzige Schweiß in Strömen übers Gesicht, Orientierung gleich null. Natürlich fanden wir das Jagdkommandolager nicht, unser „Führer“ war ja selbst einer der „Feinde“.

Abends Quartier beziehen im aufgelassenen Kuhstall, Abendessen zwei Heeresschmalzbrote und Tee. Da meine Kehle ziemlich ausgetrocknet war beschloss ich im Feldgeschirr etwas Tee für die Nacht aufzubewahren. Aber sofort Sicherungsdienst bis zwei Uhr Nachts. Ich erhielt ein Walky-Talky. „Ihr Kennwort ist Sperling, meines in der warmen Stube, - Adler.“ Na, logisch. Als ich in die finstere Nacht hinaus wankte gab mir einer der „Elitesoldaten“ den Tipp:“ Die kommen durch den Schornstein, paß auf!“ Fiebrig meinte ich: „Gusch.“

Ich kauerte mich ein eine nasse Wiesenmulde und viertelstündlich meldete ich: „Adler an Sperling, falsch, Sperling an Adler, keine besonderen Vorkommnisse.“ Um zwei krächzte ich das letzte Mal: „Khhana do.“ Endlich Ablösung. Im Kuhstall setze ich mich auf meine Weltkriegsmatratze, schnäuzte mich ordentlich und hüllte mich in meine Decke. Ein Schluck Tee wäre auch noch angebracht. Leider musste ich feststellen, dass ich mein Papiertaschentuch im Feldgeschirr entsorgt hatte.

Phh. Raus damit! Saufen. Wurscht. Gute Nacht.

Sinnlos herumkoffern.

Am vierten Tag Abmarsch zum zwanzig Kilometer entfernten Sammelplatz, mit Großrucksack. Wir marschierten eine Waldlichtung entlang, die Sonne ging auf und der Raureif funkelte im Waldviertel. Ich hatte das Fieber im rauem Waldviertler Klima rausgeschwitzt und war wieder topfit. Bei der Übersetzung des Kamps zog mich der schwere Rucksack dermaßen zurück, dass ich um ein Haar in den Fluss gestürzt wäre. Ein Kamerad absolvierte dieses Kunststück. So leicht kann man krank werden.

Die letzten Kilometer, die LKWs glänzten in der Sonne und ich fühlte mich wie Gott Sohn. Man sieht, auch mit kleinen Sachen, kann man Arbeiterkindern Freude machen.

Ein kleiner Ausflug in die Wiener Neustädter Innenstadt kann fatale Folgen haben.

Drei neue Kameraden und meine Wenigkeit beschlossen uns einige Biere in der City zu genehmigen. Einer hatte einen akzeptablen großen Volvo, der uns zum Bierkeller beförderte. Nach zwei Bieren, damals mehr als genug, sahen wir ein – es is nix los. Durch die übermächtige Bundesheerpräsenz wurden die Mädchen nach zwanzig Uhr wahrscheinlich eingekerkert. Andreas G. (Andy) und ich wollten mangels anderer Möglichkeiten zurück in die heimatliche Kaserne. Die Anderen phantasierten im Bierfieber vom großen „Aufriss“. Also zu Fuß, ca. sechs Kilometer retour. Auf halber Strecke erblickten wir den wunderschönen Volvo vor einem Lokal, Andys Schlussfolgerung: „Die Schweine wollten uns nicht mitnehmen!“ Er gab dem Rückspiegel einen leichten „Klaps“, worauf dieser etwas fad nach unten hing. Ich wollte ihn wieder befestigen, als ich im scharfen Ton vernahm: „Jetzt hom´ma de G`fraster endlich, de wos de Autos beschädigen!“ Ein Polizist hatte mich am Arm gepackt, Andy meinte: „Seid´s depat?“ Ab in den Streifenwagen. Andy, Matura nicht geschafft (die er später nachholte), war sofort ein rotes Tuch für die Beamten. O-Ton: „Wenn ich so an Sohn hätte…..“ „Gott sei Dank sind sie nicht mein Vater!“ Sie forderten das Überfallskommando mit Schutzweste, MP, Stahlhelm an. Die schneidigen Burschen fragten uns erstaunt: „Seid´s scho nach Waffen durchsucht worden?“

Andy die Lage verkennend: „Die Pump Gun haben wir schon abgegeben.“ Am Kommissariat eskalierte die Situation. Ich versuchte zu beruhigen, wurde aber aus dem Zimmer gewiesen. Am Gang verfolgte ich das Gespräch, Tendenz, Lautstärke steigend. Auf einmal ging die Türe auf, Andy wurde in Handschellen in die Arrestzelle geschleift. Das zweite Bier zeigte bei mir Wirkung: “Ohne meinen Freund geh´ich nicht, es Arschlöcher!“ Ein Beamter kam freundlich auf mich zu und haute mir eine in den Magen und schmiss mich aus dem Kommissariat. „Morgen bist froh darüber!“

Ich trat gegen die Türe, aber langsam dämmerte es mir, dass er Recht hatte. Am nächsten Morgen, Standeskontrolle: “Wehrmann G., leider eingesperrt.“ Sein Vizeleutnant wurde blass, ließ aber anschließend seine Beziehungen zur Polizei spielen. Zu Mittag erblickte Andy wieder ungesiebte Luft. Aber das dicke Ende kam noch.

Mitte März erhielt ich einen Rsa-Brief, nächste Woche Gerichtverhandlung in Neustadt. Vor dem Verhandlungssaal trafen sich alle Beteiligten. Der Volvo-Besitzer erklärte uns, dass der Rückspiegel ziemlich angerostet gewesen war, wir überreichten, als Zeichen unseres Guten Willens zweihundert (damals noch) Schillinge (komisches Wort).

Verhandlungseröffnung, ein junger, behinderter Richter eröffnete: „Andreas G., Maturabrecher, ……., Enrico K., arbeitslos…. (ich wechselte gerade von der Länderbank zu Siemens), das fing ja gut an. Als sich wieder ein Diskurs zwischen dem verhärmten Polizeistaatsdiener und uns anzubahnen drohte, machte er im letzten Satz uns den Gefallen, den Volvo als weinrot zu beschreiben. Ich zeigte bescheiden auf: „ Der Volvo ist bitte hellblau.“

Abbruch der Verhandlung, sofort Lokalaugenschein vor dem Gerichtsgebäude. „Unser“ Richter“ zum „Sheriff“: Das Auto ist hellblau! Sind sie farbenblind?“

Zurück in den Verhandlungssaal. Der Richter zwinkerte uns zu: “Im Zweifel für den Angeklagten, Akte geschlossen.“ Da die Polizeigewalt in Zivil erschienen war, durfte er sich einige Schmähungen unsererseits erfreuen. Wir beschlossen, in der Gaststätte von Andys Eltern, in Wien, zu feiern, wo ich ihn ansprach: „Wozu Matura, das Gasthaus gehört doch bald dir?“ Er meinte man kann nie wissen.

Vor ungefähr einem Monat dachte ich mir: „Schau einmal wie dem Andy geht, besuch ihn in seinem „Restaurant“.“

Anstelle des Gasthauses befindet sich ein Wettbüro. Man kann nie wissen.

Zurück. Neue Lage – nur noch sieben Tage. Ein letzter Leistungstest sollte uns veranschaulichen – mit Militärsport rüstest du fit und gestählt, ins Zivilleben ab. Neue Anordnung vom Oberkommando: Auch Unteroffiziere plus Offiziere müssen sich testen lassen. Wir freuten uns tierisch es den „Alten Säcken“ zu zeigen. Doch ich entschied mich anders. Der Sinn und Zweck des Ganzen ist ja, du kommst als sabbernder Lappen rein und gehst wie Batmann raus. (Es wurde uns beim ersten Test sogar geraten:“ Gebt´s eich net zuvül aus, nocha kummt a Marsch. Mit mir nicht. Lauftest. Ich „wanderte“ gemütlich dahin, war trotzdem noch schneller als unser „blader“ (Andys), Wirtschaftsvizeleutnant.

Vorletzter. Bei den Klimmzügen „befahl“ ich meinem Südtiroler Vize: “Bitte raufheben!“ Ich zog mich dreimal hoch, so schnell, dass er optisch es vermutlich nicht wahrnehmen konnte. Anschließend ließ ich mich runter fallen: „Kann nimmer!“ Vize: „Wenn i gwußt hät´, dass du so schwoch bist hätt´ i da jeden Tog ane in die Gosch´n ghaut."

Ja, so ist das Leben, eben.

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