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Kapitel I
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Bärenhof
ERINNERUNGEN
1940 – 1950
Ernst Beer
Texte: © Copyright by Ernst Beer
Umschlag: © Copyright by Ernst Beer
Druck:
Printed in Germany
Kriegsbeginn, vom Krieg bekamen wir in unserem kleinen Dorf noch nicht viel mit.
Es gab zwar keine Schokolade und keine Südfrüchte mehr, dafür aber kleine Heftchen, die von den „Heldentaten“ unserer Soldaten an den Kriegsfronten berichteten. Wir Kinder träumten dann davon, auch einmal solche „Heldentaten“ zu vollbringen.
Wenn wir von den Eltern zu einer Autofahrt mitgenommen wurden, ließ das unsere Herzen höherschlagen und unserer Fantasie freien Lauf. In Gedanken saßen wir dann selbst hinter dem Steuer.
Wie aus heiterem Himmel kam dann plötzlich der Regierungserlass, das Privatautos, also auch das meiner Eltern, nicht mehr fahren durften.
Der Krieg war bei uns angekommen!
Jeder Tropfen Benzin wurde für die Wehrmacht, den „Endsieg“ über die bösen „Russen, Franzosen, Engländer und alle anderen Feinde“ des „Deutschen Volkes“ benötigt.
Da jedoch ständig Siegesmeldungen von der Front durch das Radio krächzten, glaubten wir, die Einschränkungen, die wir hinnehmen müssen, werden nur von kurzer Dauer sein.
Auch, dass unser Hausarzt an die Front musste, berührte uns Kinder nicht sonderlich. Unsere Weh-Wehchen wurden meist mit den bekannten Hausmitteln erfolgreich behandelt.
Die Praxis des Arztes wurde von einem nur halb ausgebildeten Medizinstudenten vertretungsweise geführt.
In dieser Zeit bekam ich plötzlich unerträgliche Bauchschmerzen. Alle auf einem Bauernhof bekannten Hausmittel zeigten keine Wirkung. Meinem Vater gelang es letztlich, dass der Vertreter unseres Hausarztes zu uns kam, um mich zu untersuchen.
Der trat mit einem schneidigen „Heil Hitler Gruß“ an mein Bett. Den schneidigen Gruß konnte ich nicht erwidern, ich schrie nur vor Schmerz. Leicht verächtlich stellte er nach kurzer, oberflächlicher Untersuchung fest: „Der Junge hat eine schwere Erkältung“, er soll sich nicht so anstellen.
Vater, der mich kannte und wusste, dass ich nicht so schnell jammere, spannte daraufhin die Pferde vor einen Wagen mit dicken gummibereiften Rädern und fuhr mit mir, in Decken eingehüllt, meine Mutter neben mir, über schlechtestes Kopfsteinpflaster in die 7 Km entfernte Stadt ins Kreiskrankenhaus.
Es war eine schreckliche Fahrt.
Meine Eltern hilflos, verzweifelt, ich schrie: „Ich will Nachhause, lasst mich doch einfach liegen!“
Nach einer Fahrt, die für mich eine Ewigkeit dauerte, waren wir dann im Krankenhaus.
Zu meinem Glück erkannte der dortige Arzt, Dr. B. sofort, dass es sich bei mir um eine weit fortgeschrittene Blinddarmentzündung handelt, die sofort operiert werden muss.
Für die Operation wurde ich in eine Narkose versetzt.
Mutter, neben mir am Bett, versuchte mich zu trösten und sagte: „In einer Woche holen wir dich gesund wieder nach Hause“.
In mir war trotz meiner Jugend schon die NSDAP-Ideologie verankert, dass unheilbar Kranke von Ihrer Krankheit und ihren Schmerzen durch einen „sanften Tod“ erlöst werden sollen. (Sehnte ich mir den herbei, um von den Schmerzen befreit zu sein???).
Ich lächelte meine Mutter an, war aber überzeugt, dass mein Todesurteil gesprochen war.
Als ich meine Augen wieder aufschlug, sah ich meine Mutter, die sich schnell Tränen aus den Augen wischte und mich glücklich anlächelte.
Sie nahm mich vorsichtig in ihren Arm, sie wusste auch nicht, wie sie mit einem frisch operierten 6-jährigen umgehen muss, um das Operationsergebnis nicht
zu gefährden.
Ich war mir aber noch nicht sicher, ob ich wieder unter den Lebenden war, oder im Reich der Toten.
Langsam wurde mir bewusst: „Ich lebe!!!“
In dem Raum, in den ich nun geschoben wurde, standen ca. 8 weitere Krankenbetten, alle belegt.
Später erfuhr ich, dass ich eine akute Blinddarmentzündung hatte, wäre die Operation nur einige Stunden später ausgeführt worden, wäre dieser geplatzt, was in jener Zeit gleichbedeutend einem Todesurteil war.
Ich konnte es noch nicht glauben, der stechende Schmerz war weg und ich war wieder im Leben und freute mich auf Zuhause.
Jeden Tag bekam ich Besuch von meiner Mutter, meinem Vater oder von meiner lieben Tante Emma, trotz des weiten beschwerlichen Weges von unserem Dorf in die Stadt zum Krankenhaus
Da ich schon lesen konnte, wurde mir jeden Tag ein kleines Buch mitgebracht, das ich richtiggehend verschlang und mich auf das nächste freute.
Nach einigen Tagen durfte ich aufstehen und schlich mich neugierig an die Nachbarbetten. Schockierend war für mich, in einem Bett lag ein Mann, ein Franzose, der im Krieg ein Bein verloren hat.
Der Mann war in besten Jahren, für mich unvorstellbar, in so jungen Jahren schon keine Aussicht zu haben, ein normales Leben führen zu können.
Meine Vorstellung vom Krieg, „nur edle siegreiche Recken“, bekam einen Kratzer.
Trotz aller Freude über meine Genesung blieb ein bitterer Nachgeschmack bei meiner Erinnerung an den jungen Franzosen, oft dachte ich noch an ihn.
Was mag wohl aus ihm geworden sein?
Zuhause genoss ich es dann, gesund und munter wieder wie früher mit den Nachbarkindern und meinen Brüdern spielen zu können.
Die Ängste und Mängel, die der Krieg mit sich brachte, wurden nicht weniger, im Gegenteil.
Wir mussten inzwischen einige Male nachts wegen Fliegeralarm in den Keller und fanden erst nach der Entwarnung etwas Schlaf. Zu unserem Glück ließ keiner der vielen Bomber, die in Richtung Leipzig, Halle oder Dessau flogen, über unserem kleinen Dorf Bomben fallen.
Meine Dankbarkeit meinen Eltern, meiner Tante Emma und dem Ärzteteam des Kreiskrankenhauses habe ich bis zum heutigen Tag bewahrt.
∞∞∞