Читать книгу Kutscherania oder Naturformen der (Schreib-)Kunst - Ernst-Darwin Wallace - Страница 6
ОглавлениеErstes Kapitel
Pionierarbeit: Sarazenen-Gene, lange vor Thilo
Erinnern Sie, geneigter Leser, sich noch an die turmhohen Wellen, die die sogenannte Sarrazin-Debatte im Jahre 2010 in Deutschland schlug? Wie der zum Bevölkerungsbiologen mutierte Bundesbanker es schaffte, nicht nur Bestsellerautor zu werden, sondern auch Hätschelkind der Springerpresse, und das trotz SPD-Parteibuch? Alle begeisterten „Deutschland schafft sich ab“-Leser, alle glühenden Sarrazin-Verehrer vom hinterletzten NPD-Wähler bis hinauf in die schicken Redaktionsflure der BILD-Zeitung wollen wir an dieser Stelle darum bitten, ihrem inneren Sinn für Gerechtigkeit zu lauschen: denn die These scheint nicht unberechtigt, dass es eigentlich Professor Ulrich Kutschera ist, dem Thilo Sarrazins breit abgeernteter Ruhm zugestanden hätte. – Denken Sie nur einmal nach, bzw. haben Sie Mut, sich Ihres eigenen Verstandes zu bedienen! Glaubt wirklich irgend jemand, dass ein Banker, der zwar einen Doktortitel besitzt, aber eben keinen realwissenschaftlichen, etwas vom drohenden Aussterben der deutschen Bevölkerung bemerken könnte, bevor es die eigentlichen Spezialisten auf diesem Gebiet – sprich: die Biologie-Professoren – schon längst registriert und in Fachbüchern veröffentlicht hätten? Sicherlich nicht – es sei denn, man hielte die betreffenden Biowissenschaftler für einen Haufen schlafmütziger Elfenbeinturm-Forscher. Nun haben wir im Prolog des vorliegenden Büchleins ja bereits lernen können, dass es solche Schlafmützen tatsächlich gibt – aber auch, dass Professor Kutschera von den Universitäten Kassel sowie Stanford/USA mitnichten zu diesen zählt, ja, sich von solcherlei Valium-Kollegen stets und mit mutig-offenen Worten distanziert hat! Und tatsächlich, nichts könnte in diesem Zusammenhang ein besserer Beweis für Kutscheras nimmermüdes Pflichtverständnis sein als die Tatsache, dass er schon sechs Jahre vor Thilo Sarrazin nicht nur alle bestsellertauglichen Fakten zusammengetragen, sondern sie an diversen Stellen seines umfangreichen Opus „Streitpunkt Evolution“ längst veröffentlicht hatte. – Was mag der Grund gewesen sein, dass es niemand so recht bemerkte? Und dies, obwohl seine Mitstreiter aus der „mal AG, mal AK“-Evolutionsbiologenvereinigung sich nicht wenig Mühe gaben, Kutscheras gewichtige „Streitpunkt“-Arbeit immer wieder zu zitieren und zu loben?
Nun, naheliegenderweise ist hier ein sozusagen naturgegebener Unterschied zwischen einem Biologie-Spitzenprofessor und einem SPD-Bundesbanker ins Kalkül zu ziehen. Ganz unvermeidlich wird ein Buch des Ersteren immer ein weitaus höheres inhaltliches und sprachliches Niveau aufweisen – ganz einfach deshalb (wir sagten es schon und wiederholen es gerne) weil ausschließlich die Realwissenschaften dem menschlichen Geist jenen letzten logisch-kritischen Feinschliff verleihen, von dem ein Politiker oder Wirtschaftsmagnat zeitlebens nur träumen kann. Im vorliegenden Falle führte dies dazu, dass Kutscheras Ausführungen weitaus fundierter und komplexer angelegt waren, aber dadurch eben auch deutlich anspruchsvoller als die des epigonalen Bundesbanker-Bestsellers. Jedoch seien Sie beruhigt, lieber Leser, denn wir haben im vorliegenden Kapitel nicht nur die betreffenden Passagen aus „Streitpunkt Evolution“, sondern auch Ergänzendes aus späteren Kutschera-Büchern in didaktisch geschickter Weise zusammengestellt und sind sehr sicher, dass auf diese Weise ein Jeder problemlos unsere These nachvollziehen wird: die eindeutige Kutschera-Priorität in Sachen Feststellung der deutschen Selbstabschaffung, aber auch – und dies ist wichtiger, weil weniger kopfhängerisch – in Sachen deutsche Gegenmaßnahmen.
Doch zum Auftakt ein kleiner Gang ins Fitness-Studio! Ja, Sie haben richtig gelesen – denn am Beispiel solch einer Sportstätte führt Professor Kutschera seine Leser an die realwissenschaftlich entscheidenden Schlüsselbegriffe heran (ohne deren genaue Kenntnis in dieser ganzen Debatte natürlich niemand mitreden darf, SE S.78):
„Die bedauernswerte Distanz zwischen dem biologischen Laien und dem Evolutionisten (und somit vom Biowissenschaftler) (...) kommt auch beispielhaft in dem populären Begriff »Fitness-Studio« zum Ausdruck (...). In der Evolution geht es jedoch nicht um die körperliche Gesundheit des ausgewachsenen Individuums, sondern um das genetische Überleben der Organismen bzw. von Populationen. (...) Es wäre interessant zu erfahren, wie viele Besucher sogenannter »Fitness-Studios« vom Schlüsselbegriff der Evolutionsbiologie gehört haben und dessen exakte Bedeutung kennen.“
Es werfe jetzt bitte niemand dem renommierten Kasseler Evolutionsbiologen vor, er wolle die enorme soziale Bedeutung körperlicher Gesundheit herunterspielen! Nein, ganz und gar nicht – er will lediglich sicherstellen, dass die physische Volksgesundheit auch von einer mentalen (selbstredend realwissenschaftlich bedingten) Robustizität begleitet wird, und bringt diesen Wunsch in der folgenden schönen, aber auch sehr unumwunden ausgesprochenen Mahnung an die Nation zum Ausdruck (ebd. S.78/79):
„Da ein Teil der deutschen Bevölkerung Medienberichten zufolge mangels Bildung nicht in der Lage sein soll, sich gesund zu ernähren (mit der Konsequenz ständig steigender Gesundheitskosten), wurde von Fachleuten der Begriff »Ernährungs-Analphabetismus« geprägt. Die oben zusammengetragenen Fakten zeigen, dass die wichtigste Entdeckung der modernen Biologie (Tatsache Evolution) zahlreichen Mitbürgern weitgehend unbekannt ist bzw. falsch verstanden wird. Es ist daher aus meiner Sicht gerechtfertigt, von einem »evolutionären Analphabetismus« in weiten Teilen der deutschen Bevölkerung zu sprechen.“
Eine dramatische Diagnose! Aber was genau bedeutet sie? Nun, lieber Leser, bauen Sie ein wenig Körperspannung auf und konzentrieren Sie sich bitte genau auf das, was der Professor einleitend zum Thema Fitness gesagt hat: Es geht um das „genetische Überleben der Organismen bzw. von Populationen“. Mit anderen Worten, „Überleben“ ist schön und gut, aber „genetisches Überleben“ ist besser, und vor allem auch realwissenschaftlich präzise ausgedrückt. Erst mit dieser Sichtweise überwindet man den beschränkten Laienhorizont, und im Falle von Kutschera gelingt noch weitaus mehr: Er wird zum Visionär, zum Zukunftsforscher, ja zum potentiellen Politikberater der Güteklasse A. Folgen Sie daher recht aufmerksam seinen Gedankenflügen, zumal, wenn Sie ein Patriot und nativer Deutscher sind (ebd. S.295):
„Aus diesen Sätzen kann beispielhaft das evolutionäre Denken des Naturwissenschaftlers abgeleitet werden. Organismen sind Lebe- und somit auch Sterbewesen: Das genetische Überdauern im Verlauf der Generationenabfolge, in anderen Worten die Sequenz »Eltern/Kinder → Eltern/Kinder« usw., ist der eigentliche biologische Sinn unseres kurzen Erdendaseins (...). Der Evolutionist denkt daher in der Einheit »Generationen«, d.h. er bezieht die Zukunft in seine Überlegungen mit ein.“
Sie merken schon: Ein ausgebildeter Evolutionswissenschaftler könnte in der Gesundheits- und Rentenpolitik den Unterschied zum bisherigen Totalgestümper machen – denn wer, außer ihm, bezieht schon „die Zukunft in seine Überlegungen mit ein“? Und wer, außer ihm, blickt bevölkerungsbiologisch dermaßen durch – man staune über die direkt im Anschluss zu Papier gebrachten Sätze, vor deren geradezu abyssaler Tiefe ein Großteil soziologischer und psychologischer Forschung reichlich überflüssig wirkt (ebd.):
„Denken in evolutionären Kategorien beinhaltet somit eine Vorsorge für die Nachkommen des sterblichen Individuums. Aus diesem Grund leben Menschen, die Kinder hinterlassen, in aller Regel auch »vorsorglicher« (d.h. die natürlichen Ressourcen schonender) als die gewollt Kinderlosen (Lebensmotto: »double income, no kids«), die als genetisch tote Sackgassen der Evolution nicht selten nach dem egoistischen Spruch »nach mir die Sintflut« handeln.“
Genau – denn „Sintflut“ hat ja auch was mit theologischer Verbalwissenschaft zu tun, und das ist natürlich ganz unakzeptabel. Dann schon lieber realwissenschaftlich-ressourcenschonend viel Nachwuchs in die Welt poppen, die lieben Kleinen im familientauglich-voluminösen Sport Utility Vehicle von der Schule direkt zum Sport und in den Geigenunterricht karren (bzw. zum Geburtstag feiern bei Mac Donalds) und jeden von ihnen gewissenhaft mit diversen Handys und Kinderlaptops ausstatten, damit sie möglichst früh für den gesellschaftlichen Daseinswettbewerb gerüstet sind: So sorgt jemand vor, der im Sinne genetischen Persistierens die Zukunft mit in seine Überlegungen einbezieht! Für die genetisch toten Hosen bzw. amoralisch-asozialen Sackgassen der Evolution haben wir dagegen nur Verachtung übrig, und man merkt an dem „double income, no kids“-Sprüchlein, wie gut Professor Kutschera seine ersten Forschungsaufenthalte an der Stanford University sowie der Michigan State University in den Jahren 1985 bis 1988 getan haben: Dort eignete er sich zeitig jene weltmännischen Kenntnisse an, mit denen er heute so zu glänzen vermag. Wenn nur seine Umwelt es ihm mehr danken würde als bisher! Warum müssen es immer ein Frank Schirrmacher (†) und ein Thilo Sarrazin sein, die als Chefdenker in Sachen Bevölkerungspyramide und Zuwanderung gelten, wenn doch die eigentliche, realwissenschaftlich fundierte Geistesarbeit zuerst vom messerscharfen Analytiker aus Kassel kam (ebd. S.295/296):
„Dieses naturgemäße Denken in Generationenabfolgen ist in vielen europäischen Ländern im Zuge der Individualisierung und des wachsenden Wohlstandes verloren gegangen. Dies kommt z.B. in dem unsinnigen Begriff »Überalterung der Gesellschaft« zum Ausdruck. Eine Population von Lebewesen (Fortpflanzungsgemeinschaft) »überaltert« niemals, sondern leidet bestenfalls an einer Unterjüngung. So gibt es in Deutschland keineswegs »zu viele Alte«, sondern zu wenig Junge. Um die Population in etwa stabil zu halten, wäre eine Zahl von 2,1 Lebendgeburten pro deutscher Frau erforderlich. Hätten alle fortpflanzungsfähigen und -bereiten Paare maximal zwei Kinder, wie es derzeit gesellschaftlich vorgesehen ist (s. Prospekte von Ferienwohnungen), so würde es dennoch aufgrund der biologisch bedingt Kinderlosen zu einem Schrumpfen der Bevölkerung kommen. Es muss somit auch »kinderreiche« Familien geben, um diesem Trend entgegen zu wirken. Wie der Bevölkerungswissenschaftler Prof. H. Birg (2001) berichtet, liegt die Reproduktionsrate in Deutschland und anderen europäischen Ländern derzeit unter 1,4 Geburten pro Frau, wobei eine wachsende Zahl junger Menschen die Reproduktion vorsätzlich ganz verweigert. Dieser Geburtenunterschuss von derzeit 33% wird auf Dauer zum Schrumpfen und letztlich zur Selbst-Auslöschung der Population führen. Aus Sicht des Evolutionisten ist dieser vorsätzliche genetische Suizid der deutschen Bevölkerung ein bemerkenswertes Phänomen, welches hier nicht weiter analysiert werden kann.“
Ach! Hätte Kutschera es doch getan, damals, anno 2004, als er mit diesen so wichtigen Reflexionen – und vor allem argumentativ so brillant, „s. Prospekte von Ferienwohnungen“ – sein Riesenwerk „Streitpunkt Evolution“ abschloss! Dem sträflich unterschätzten Mahner aus Kassel, dem aufrichtigen Behüter des deutschen Erbgutes, ihm wäre mehr Kraft zu wünschen gewesen, als er sich mit diesen letzten beiden Seiten seines großangelegten AG-/AK-Werbeopus ins Ziel schleppte – denn als Sarrazin die Thematik sechs Jahre später in dreist nachplappernder Weise7 aufgriff, war schon viel zu viel wertvolle Zeit ins Land der Dichter und Denker gegangen, und vor allem verbreitete Sarrazins Buchtitel weitaus weniger Hoffnung, als Kutschera sie bei Abfassung seiner mutigen Pionierarbeit noch besaß (ebd. S.296):
„Viele Wohlstandsbürger in unserem Land haben sich offensichtlich von ihrem natürlichen (biologischen) Wurzeln weit entfernt. Der kollektive Selbstmord auf Raten wird von naiven Politikern verniedlichend als »demografischer Wandel« bezeichnet, so als würde die Mode wechseln. Weiterhin sei auf die seit Jahrzehnten geförderte unkontrollierte Zuwanderung aus allen Teilen der Welt hingewiesen. Da z.B. in Frankreich durch politische Maßnahmen und ein Umdenken in der Bevölkerung eine Umkehr des »genetischen Todestrends« erzielt werden konnte (derzeit ca. 1,9 Kinder pro Frau), besteht noch immer berechtigte Hoffnung in Deutschland auf eine »Wiederbelebung« der Bevölkerungspyramide, die derzeit die Form einer Urne hat (zu wenige Kinder, und daraus resultierend eine relative Überzahl alter Menschen, s. Birg 2001).“
Genau, „die Form einer Urne“ – das klingt ja schon nach Begräbnis, nicht wahr!8 Jedenfalls zeichnet sich nach all diesen Ausführungen sonnenklar ab, worum es unter realwissenschaftlichen Prämissen in Zukunft gehen muss: a) haben die deutschen Frauen zu werfen was das Zeug hält (ev. wäre die Einführung eines Ordens ab dem fünften Kind eine gute Idee) und b) müssen sie natürlich darauf achten, dass ihre Kinder auch deutsches statt Zuwanderer-Erbgut enthalten, denn sonst wäre die Werferei in Sachen „Umkehr des genetischen Todestrends“ vollends kontraproduktiv! Aber mit dieser Feststellung wollen wir natürlich nicht alle Last auf die Frauen abwälzen – soll heißen, theoretisch leisten diese bereits alles wichtige, wenn sie sich erstmal bezüglich Punkt a) gehörig ranhalten. Denn für den Fall, dass in der heranwachsenden Leibesfrucht doch einmal, aus welchen Gründen auch immer, zu viele undeutsche Gene enthalten sein sollten, ist der Schaden keineswegs irreparabel – nein, es gibt ein einfaches Korrektiv, und es mag unter anderem hieran liegen, dass Kutschera bei Ausschöpfung aller vorhandenen Möglichkeiten durchaus „berechtigte Hoffnung“ auf Besserung verspürt (DF S.165):
„Abtreibungen kann man auch auf Grundlage biologischer Fakten sachlich-rational diskutieren. Wir wissen, dass über die zweigeschlechtliche Fortpflanzung (sexuelle Reproduktion) das kombinierte Erbgut der Eltern in die nächste Generation gebracht wird. Durch Tötung eines Fötus wird somit das Überleben der elterlichen Gene über die Keimbahn in diesem Individuum zunichte gemacht und daher eine »intelligent geplante« Selektion vollzogen.“
Ja, „wir wissen“ – und wir wissen vor allem, dass z.B. die Formulierung „intelligent geplante Selektion“ im Zusammenhang mit Abtreibungen (noch dazu garniert mit starken Vokabeln wie „Tötung“ oder „zunichte gemacht“) bei unwissenden, verbalwissenschaftlich infiltrierten Mimosen ganz unausweichlich die üblichen Krampfreflexe hervorrufen wird9, wovon sich aber ein nüchterner Realwissenschaftler nicht beirren lässt. Und zwar, indem er mit der ihm eigenen Souveränität darauf hinweist, dass „intelligente Selektion“ seine ureigenste berufliche Sphäre betrifft und daher von außen nicht annähernd so akkurat beurteilt werden kann wie eben aus Sicht des laborerfahrenen Forschers (SE S.85/86):
„Die Domestikation freilebender Tiere und Pflanzen durch jagend umherziehende Menschenhorden setzte gegen Ende der letzten Eiszeit, d.h. vor etwa 10 000 Jahren, ein (z.B. Hunde, Schafe, Ziegen; Weizen, Reis). Dieser mehr oder weniger gerichtete Evolutionsprozess begann vermutlich mit einer Zähmung wilder Tiere, gefolgt von einer Kreuzung in Gefangenschaft, und endete letztendlich in künstlicher Zuchtwahl selektierter Individuen, die vom Menschen gewünschte Eigenschaften zeigten (z. B. Schafe mit besonders dichtem Wollkleid). Diese frühen Domestikationen waren die ersten gezielt ausgeführten Evolutionsexperimente der Menschheit.“
Da staunen Sie, was? „Gezielt ausgeführte Evolutionsexperimente“ – muss man dafür nicht eigentlich wissen oder zumindest theoretisch vorformuliert haben, was „Evolution“ ist?10 Nun, wer kann schon sagen, was es da vor 10 000 Jahren für realwissenschaftlich (d.h. streng kausalanalytisch-logisch) denkende archaische Superhirne gegeben haben mag – und welche herausragenden Realwissenschaftler heute in direkter Linie von diesen ersten Chef-Experimentatoren der Menschheit abstammen, sprich, ihre Gene besitzen und verantwortungsbewusst an die nächste Generation weitergeben! Dies wollen wir aber hier nicht weiter vertiefen, sondern lieber Kutscheras historischen Forschungen überlassen, ein Gebiet, auf dem er beständig Großes geleistet hat und sich, so scheint’s, mit ungebremster Energie durch die Archive der Welt wühlt (herausragenden Eifer zeigt er übrigens als Sammler dick verstaubter Karikaturen, und wer weiß, vielleicht findet er ja mal eine 10 000 Jahre alte Witz-Höhlenmalerei, die mit subtilem Schalk einen nacheiszeitlichen Durchführer „gezielter Evolutionsexperimente“ auf die Schippe nimmt). Stattdessen wollen wir den argumentativen roten Faden des Kasseler Großgelehrten wieder aufnehmen: Abtreibung ist „intelligent geplante Selektion“, und als solche entspricht sie der Tierzucht, bei der „vom Menschen gewünschte Eigenschaften“ ausgewählt und genetisch erhalten werden. – Welche Eigenschaften dies sein sollen? Nun, dies hängt im Deutschland-schafft-sich-ab-Kontext natürlich von bestimmten Zielsetzungen ab, die uns im Detail nur ein realwissenschaftlicher Denker präzise vorgeben kann: In Form eines ganz unzweideutigen Aktionsprogrammes, das mit den Mitteln modernster biologischer Forschung ableistbar wäre! Es müssten logischerweise nämlich zuerst und vor allem deutsche Gene von Fremd-Genen unterschieden werden, damit man genau weiß, was man erhalten muss und was nicht (bzw. liebevoll aufpäppeln, statt spätestens als „Fötus“ abzumurksen). Und hier ist natürlich Konsequenz gefragt, denn wie leider nicht bestreitbar, ist das urdeutsche Erbgut seit Jahrtausenden immer wieder durch französisches, holländisches, englisches, dänisches, allerlei entlegen-skandinavisches und osteuropäisches, aber z.B. auch hebräisches Erbgut empfindlich durcheinander gebracht worden. So simpel es sein mag, die üblichen Türken-, Araber-, Südeuropäer- und Afrikanergene von deutschem Erbmaterial zu unterscheiden, so vertrackt wird es, wenn man das genuin Germanische auf der molekularbiologischen Ebene so genau wie möglich eingrenzen und dann mittels „intelligent geplanter Selektion“ a) erhalten und b) schrittweise über die magische 2,1 Kinder-Quote wieder vermehren will (versuchen Sie das mal, bei dem was Sie da alles an Österreicher-, Schlesier- und Sudetendeutschen-Genen zu beachten haben! Gerade jemand, der „Kutschera“ mit Nachnamen heißt, weiß das genau!). Hierfür eine breite Sensibilität zu erreichen ist wahrhaftig nicht einfach, und man sollte sich fairerweise einmal in den schwerstens mit Gedanken- und Laborarbeit beschäftigten Forscher aus Kassel hineindenken, wie er als klar sehender Realwissenschaftler ob der unkontrollierten Verwässerung ur-germanischen Erbgutes11 tagtäglich leiden muss – zumal seinem geschulten Blick ja diesbezüglich auch noch jede Menge anderer Dummheiten auffallen, die dem naiven Nicht-Evolutionsbiologen niemals in den Sinn kommen würden (EB 2, S.61):
„(...) die meist über einen Sonnenbrand verlaufende Bräunung der Haut des weißen Mitteleuropäers ist eine nicht vererbbare vorübergehende Verstümmelung des größten Organs des menschlichen Körpers.“
Inspiriert von der originellen Sichtweise des großen Kasseler Vielschreibers möchten wir sogleich hinzufügen, dass vorübergehendes Hirnverbranntsein durch Konsum von Schundlektüre nichts weniger ist als eine ebensolche Verstümmelung des zentralen Steuerorganes des menschlichen Körpers – hoffen wir also, dass auch diese Verbrennungsform nicht vererbbar ist, bei all den grottenschlechten Büchern, die naive Verleger so auf den Markt schmeißen! Immerhin, die Fakten, die der bedeutende Realforscher uns hier aus seinem anstrengenden Laboralltag präsentiert, sollten uns in Sachen Erhaltung der weißen Hautfarbe12 etwas beruhigen. – Aber wehe, deren „Bräunung“ wird doch einmal erblich! Dann würde der genetische Suizid, den Kutschera so offen und ehrlich thematisiert, auch noch mit einer genetisch verankerten Organ-Selbstverstümmelung einhergehen – einer Megaperversion wider die Natur, vor der uns eben nur naturalistisch denkende Fachwissenschaftler zu bewahren vermögen, anstelle unserer wahlperiodisch auswechselbaren, verbalwissenschaftlich infiltrierten Kabinettfiguren aus irgendwelchen zusammengewürfelten Zufallskoalitionen.
Liegt es angesichts dieser Situation nicht nahe, von weiteren Kernspaltungs-Kraftpotenzierungen der „Alternative für Deutschland“ zu träumen – vielleicht ja einer Partei „Alternativloses Erbgut“? Die Stärke, eine solche als höchste wissenschaftliche Autorität zu beraten, wäre dem großen Gelehrten zu Kassel wahrlich zu wünschen – und sogar wenn er diese beraterische Energie, aus Liebe zu seinem Hauptberuf, niemals aufbringen sollte, so hätte er für die populationsgenetischen Passagen aus „Streitpunkt Evolution“ doch mindestens das Bundesverdienstkreuz am Bande oder die Ehrenmitgliedschaft in der CSU verdient. Wenigstens in diesem Punkt also könnten unsere irrationalen Politiker für einen Augenblick etwas Vernunft aufbringen und ihren patriotischen Grundpflichten nachkommen, wenn sie sie schon anderweitig so sträflich vernachlässigen (schaffen sie das?).