Читать книгу Chinesische Heilkunst - Ernst-Günther Tietze - Страница 5
Auftrag
ОглавлениеDiesen 8. März werde ich nie im Leben vergessen, das ist ja ein richtiger Hammer! Niemals hatte ich an unserer 600 Jahre alten medizinischen Fakultät solche revolutionäre Idee erwartet, wie sie mir soeben der Dekan Professor Baumann eröffnet hat:
„Ich habe eine interessante Aufgabe für Sie. Mein Studienfreund Hans Saurach ist Dekan der School of Public Health in der Berkeley University bei San Francisco. Diese Fakultät hat zwar viele medizinische Bereiche, doch sie wollen sich noch breiter aufstellen und sich der Traditionellen Chinesischen Medizin widmen, die an vielen medizinischen Fakultäten aus rückständiger Denkbehinderung zu kurz kommt und doch von immenser Wichtigkeit für die Heilung sein kann. Dafür haben sie zwei chinesische Koryphäen dieses Gebietes zu Vorträgen in einem Symposium vom 9. bis zum 11. April eingeladen. Mein Freund hat mir angeboten, einen Mitarbeiter an dem Symposium teilnehmen zu lassen. Weil Sie ein offener und immer an Neuem interessierter Mensch sind, meine ich, das könnte eine interessante Aufgabe für Sie sein, denn ich plane, diese besondere Richtung der Medizin auch bei uns zu fördern. Was halten Sie davon, in San Francisco erste Erfahrungen darin zu gewinnen, die wir hier vielleicht anwenden können?“
Ich war zunächst perplex, denn eigentlich konnte ich als junger und erst vor kurzem eingesetzter stellvertretender Stationsarzt nicht mit solch ehrenvollem Auftrag rechnen. Doch als ich meine Überraschung überwunden hatte, bedankte ich mich herzlich beim Chef, dass er mich gewählt hatte, unsere Fakultät auf diesem interessanten Gebiet voran zu bringen. Ich beschäftige mich ja schon lange nebenbei mit dieser Medizin und das wäre das Tüpfelchen auf dem i.
Als wenn der Dekan meine Gedanken gelesen hatte, fügte er lächelnd hinzu: „Ich weiß, dass Sie Vorlesungen über dieses Gebiet gehört haben und denke, sie könnten dieser Richtung einen angemessenen Platz bei uns einräumen. Schließlich wollen wir doch unseren Patienten eine umfassende Behandlung mit allen verfügbaren Mitteln gewähren. Wenn Sie einverstanden sind, beantragen Sie umgehend das Visum für die USA, einen Pass haben Sie ja wohl. Reichen Sie beim Sekretariat die Reisemeldung ein und lassen die Flüge buchen. Um die Unterkunft bitte ich meinen Freund in Frisco. Der 9. April ist ein Dienstag und ich meine, Sie sollten schon am Sonntag fliegen, dann kann er Ihnen am Montag eine Einführung in das Institut geben. Und am Freitag nach dem Symposium sollten Sie sich noch ein bisschen in San Francisco umsehen, das ist eine sehr interessante Stadt. Wenn Sie dann Samstag zurückfliegen, sind Sie Sonntag wieder zu Hause. Ich wünsche Ihnen viel Freude und Erfolg bei dieser Unternehmung.“ Ich bedankte mich noch einmal und verließ sein Büro.
In meinem Zimmer musste ich mich erst mal setzen, um meine Überraschung zu verdauen, doch dann freute ich mich mächtig über den Auftrag. Wirklich hatte mich diese von unseren Gewohnheiten weit abweichende Richtung der Medizin schon immer interessiert, obwohl sie bei den meisten meiner Kollegen auf strikte Ablehnung stößt. Nun sah ich eine Möglichkeit, sie zu realisieren.
Ich war 1983 zu DDR-Zeiten in der Universitätsstadt Leipzig geboren worden, aber da ich erst drei Monate vor der Wende in die Schule kam, blieb mir die sozialistische Erziehung erspart, die meine Eltern erdulden mussten. Allerdings hatte diese Erziehung bei ihnen keine große Wirkung gezeigt, als Ärzte konnten sie sich von der Partei weitgehend fernhalten und mir ihre Ablehnung des Regimes vorsichtig vermitteln. Der Schulunterricht entwickelte sich zunächst chaotisch, weil viele Lehrer radikal umdenken oder die Schule verlassen mussten. Erst nach einem Jahr konnten wir endlich etwas Vernünftiges lernen. Meine Eltern hatten in einer in der DDR üblichen Poliklinik praktiziert, die Mutter als Internistin mit dem Spezialgebiet Kardiologie, der Vater als Gynäkologe. Bald nach der Wende hatten sie eine Gemeinschaftspraxis eröffnet und durch ihr Beispiel war für mich klar, dass ich auch Arzt werden wollte. Ich strengte mich in der Schule an und machte ein sehr gutes Abitur, das mir das Medizinstudium ermöglichte.
Praktikum und Studium absolvierte ich an der Charité in Berlin und belegte dabei zusätzliche Seminare in Traditioneller Chinesischer Medizin, die in Berlin ausführlich angeboten wurde. Mit 29 war ich Kardiologe wie meine Mutter und promovierte anschließend mit einer Vergleichsstudie über die Erfolge der chinesischen und westlichen Heilkunde bei Erkrankungen der Herzkranzgefäße. Doch nach dem Studium wollte ich wieder zurück nach Leipzig und nahm eine Stelle als Assistenzarzt am Uniklinikum an, wo ich schnell avancierte und kürzlich mit 36 Jahren Vertreter des Stationsarztes der Kardiologie wurde. Da konnte ich mir die Dreizimmerwohnung am Elsapark in der Neustadt leisten, nur 2 km von der Uni entfernt. Und nun kann ich zum ersten Mal die Früchte meines Zusatzstudiums ernten!
Ich wusste, dass ich für die USA ein Visum online bestellen kann und stellte auf der Webseite einen Antrag auf eine US-ESTA-Reisegenehmigung. Ich musste ein umfangreiches Formular ausfüllen und die Kreditkarte angeben, von der die Gebühr abgebucht wird. Nach zwei Tagen sollte ich eine Bestätigung über das erteilte Visum bekommen, das bei der Einreise in den Pass eingetragen wird. Anschließend ging ich ins Sekretariat, um die Reise anzumelden und die Flüge buchen zu lassen. Man fand einen Hinflug am 7. April morgens mit Umstieg in Frankfurt und ich sollte wegen der neunstündigen Zeitdifferenz noch am selben Mittag in San Francisco eintreffen. Der Rückflug am Samstagmittag würde erst Sonntag früh in Frankfurt eintreffen und kurz danach könnte ich nach Halle-Leipzig weiterfliegen. Nachmittags nannte mir der Chef das Gästehaus der Uni, in dem sein Freund mir ein Zimmer für sechs Nächte gebucht hatte.
Ich hatte im Studium etwas über die verschiedenen Fachrichtungen der Chinesischen Medizin, gehört und mich vor allem mit der Kräuterheilkunde – auch Arzneimitteltherapie genannt – und den ihr zugrunde liegenden Kenntnissen der Auswirkungen im Körper beschäftigt. Jetzt war ich gespannt, welche Fachrichtung im Symposium behandelt würde, und bat den Dekan, seinen Freund fragen zu dürfen. Er fand die Idee gut und gab mir bereitwillig die Mail-Adresse. Der Mann antwortete schnell, es würde vor allem um die Arzneimitteltherapie mit uralten chinesischen Heilmitteln gehen. Jetzt wusste ich Bescheid und fand in meinen Dissertationsunterlagen viele Einzelheiten zur Anwendung der Heilmittel bei verschiedenen Erkrankungen.
Weil mir die Zeit fehlte, mich näher damit zu beschäftigen. schob ich mir nur allerlei Notizen auf das Tablet, um sie während des insgesamt über dreizehnstündigen Fluges zu lesen. Und um nicht vollkommen unbeleckt da zu stehen, suchte ich nach Informationen über die Berkeley University. Diese Uni ist riesengroß mit 125 Studiengebieten von Sprachen über Physik, Chemie, Biologie, Mathematik, Ingenieurwissenschaften und Jura bis zur Musik und Kunstgeschichte. Eine große Fakultät mit zweihundertfünfzig Fachgebieten ist Public Health. Dort gibt es bisher keine Richtung der Chinesischen Medizin, anscheinend will man sich hierin erweitern. Dass ich nichts über ein zugehöriges-Klinikum fand, wie es in Deutschland der praktischen Ausbildung zum Arzt dient, wunderte mich, aber die Bibliothek mit 700.000 Büchern beeindruckte mich.
Am 7. April war ich pünktlich um halb sieben am Flughafen und kam problemlos nach Frankfurt. Nach intensiven Prüfungen durch die Amerikaner dauerte es dort eine gute Stunde, bis es mit leichter Verspätung weiter ging. Um 13 Uhr erreichte der Flieger San Francisco, wo ich noch einmal durch die Mühlen der Papiere gedreht wurde. Ich wunderte mich, dass es draußen gar nicht dunkel wurde, obwohl meine Uhr schon 22 Uhr anzeigte, doch dann fiel mir die Zeitdifferenz von neun Stunden ein. Immerhin hatte ich viel Zeit gehabt, während des Fluges meine Unterlagen zu studieren und mich auf den Besuch vorzubereiten, wenn es nicht gerade etwas zu essen gab.
Am Gate erwartete mich ein Fahrer der Universität und brachte mich in einer halben Stunde zum Gästehaus in Berkeley, wo ich ein vorzüglich eingerichtetes Zimmer vorfand und gleich ins Bett fiel. Auschecken, Passkontrolle und Fahrt hatten zwei Stunden gedauert und ich war hundemüde. Um 20 Uhr Ortszeit wachte ich hungrig auf und ging etwas essen, danach brauchte ich eine Weile, um wieder einzuschlafen. Gegen 5 Uhr war ich hellwach, da war es in Deutschland schon zwei Uhr mittags. Bis sieben blieb ich noch liegen, dann stand ich auf, machte mich fertig und genoss ein gepflegtes Frühstück.
Um 9 Uhr stand eine junge Asiatin an meinem Tisch und reichte mir freundlich die Hand. Sie stellte sich als Dr. Li-Ming Ziyang vor und wollte mich zur Besichtigung der Fakultät abholen. Ich war froh, dass ich gut Englisch konnte und dadurch im Gespräch mit ihr keine Probleme hatte. Die Frau gefiel mir, sie hatte ein hübsch geschnittenes fröhliches Gesicht, war groß und schlank mit kleinen Brüsten und bei näherem Hinschauen nicht so jung, wie ich sie zunächst eingeschätzt hatte, sondern wohl nur etwas jünger als ich. Ihr langes schwarzes Haar hatte sie links in einem Zopf gebündelt, bekleidet war sie mit einem roten Hosenanzug, dessen Oberteil eine vorn hochgeschlossene Bluse bildete, und gleichfarbigen Slippern. Am rechten Ohr trug sie einen langen goldenen Hänger mit einem großen Stein, der wie ein Rubin aussah und auf dem linken Ringfinger einen breiten Goldring mit chinesischen Schriftzeichen. Sie setzte sich mit an den Tisch und bestellte sich auch eine Tasse Kaffee, dann gab sie mir einen ersten Überblick:
„Die Public Health Fakultät der Berkeley University ist führend in vielen medizinischen Bereichen von der Ernährung und Epidemiologie über Infektionskrankheiten bis zur Humangenetik, Chirurgie und Orthopädie. Sie ist eine reine Hochschule ohne klinischen Bereich. In enger Zusammenarbeit mit der University of California in San Francisco ist ein gemeinsames Studienprogramm entstanden. Es beginnt mit zweieinhalb Jahren an der UC Berkeley, wo die Studenten die grundlegende naturwissenschaftliche Komponente ihrer medizinischen Ausbildung abschließen und gleichzeitig einen Master of Science in Gesundheits- und Medizinwissenschaften erhalten. Anschließend immatrikulieren sie sich an der School of Medicine der University of California in San Francisco für zweieinhalb Jahre klinisches Referendariat. Am Ende dieses 5-Jahres-Programms absolvieren die Studenten einen MD der UCSF und einen MS der UC Berkeley. Ich leite an einer der Kliniken die internistische Station und begleite die notwendigen Praktika für werdende Ärzte. Daneben halte ich Seminare an der Public Health. Und nun sagen Sie mir bitte, was ich Ihnen heute zeigen darf, ich stehe Ihnen den ganzen Tag zur Verfügung. Am Abend sind wir von Dr. Saurach zum Essen mit den chinesischen Spezialisten eingeladen.“
Ich hatte noch gar nicht darüber nachgedacht, was ich sehen wollte, freute mich aber, den ganzen Tag mit dieser aufregenden Frau zusammen zu sein, und musste überlegen, was mich besonders interessieren könnte. „Ich würde gerne eine Vorlesung in Anatomie hören und einen Blick in die berühmte Bibliothek der School of Public Health werfen. Danach könnten Sie mir bitte Ihre Station zeigen, damit ich weiß, wie eine Klinik bei Ihnen aussieht“, begann ich langsam, wobei meine Gedanken Karussell fuhren. „Dafür werden wir am Nachmittag nach Frisco hinüberfahren, wenn wir noch genug Zeit haben“, erwiderte meine Begleiterin, „jetzt bleiben wir erstmal hier in Berkeley.“
Mit ihrem uralten VW Käfer fuhren wir in fünf Minuten zum Vorlesungsgebäude, wo sie mich auf verschlungenen Gängen in einen Raum führte, in dem zehn Student/innen um einen Tisch herumstanden, auf dem ein toter weiblicher Körper lag. Unter Anleitung einer Dozentin war gerade eine Studentin dabei, mit einem Skalpell den Bauch aufzuschneiden. Nach einem kurzen Gespräch mit der Dozentin flüsterte Frau Ziyang mir ins Ohr: „Die Frau ist wahrscheinlich am Dickdarmkrebs gestorben und die Familie hat den Körper der Uni zur Verfügung gestellt, um Gewissheit zu bekommen. Er darf dann auch für weitere Studien benutzt werden.“
Als der Bauchraum geöffnet war, beauftragte die Dozentin einen Studenten, den Dickdarm der Toten vorsichtig freizulegen, aber möglichst nicht zu berühren. Mittels der über dem Seziertisch angebrachten Kamera konnten alle auf einem großen Bildschirm genau sehen, wie es in dem Bauch aussah und wie der junge Mann die Därme vorsichtig zur Seite legte. Als er den Dickdarm gefunden hatte, richtete die Dozentin die Kamera darauf aus und vergrößerte den Ausschnitt, sodass alle die Krebswucherungen darauf erkennen konnten. „Eindeutig ein schweres Carcinoms, an dem die Frau gestorben ist“, bestätigte sie den Verdacht der Todesursache.
Dann beauftragte sie eine andere Studentin, die Därme vorsichtig heraus zu nehmen und neben dem Körper auszubreiten. „Bitte benennen Sie jetzt die einzelnen Darmsegmente“, forderte sie das Auditorium auf und die Studenten überboten sich darin, die auf der Bildwand dargestellten Segmente zu benennen. „Hat eigentlich jemand von Ihnen bemerkt, dass die Tote schwanger ist?“, fragte die Dozentin lächelnd und alle wunderten sich, ich hatte es auch nicht gesehen. Die Dozentin beauftragte eine Studentin, den Uterus der Toten vorsichtig aufzuschneiden und ein winziger Fötus kam zum Vorschein. „Schätzungsweise sechste Woche“, verkündete die Dozentin, „die Frau muss es noch nicht gewusst haben, wahrscheinlich hat ihr Blinddarmproblem sie zu sehr beschäftigt. Jetzt müssen wir ihre Familie über die Todesursache und Schwangerschaft informieren.“
Ich hatte genug gesehen und bat meine Begleiterin, mir noch eine Vorlesung über mein Fachgebiet Kardiologie zu zeigen, falls gerade eine lief. Sie informierte sich und führte mich dann in eine Vorlesung mit einem Film über die Behandlung verengter Herzkranz-Arterien mittels eines in die Oberschenkel-Arterie eingeführten Katheders. Das war mir nicht neu, wir machten es ebenso. Aber dann sah ich, dass die verengten Gefäße nicht, wie bei uns mit einem Ballon, sondern durch eine winzige Mechanik aufgeweitet werden, das kannte ich nicht und folgte interessiert dem Film. Anschließend ließ ich mir diese Mechanik zeigen und erkundigte mich nach Möglichkeiten, sie zu beziehen.
Anschließend gingen wir zur Bibliothek und ich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus, als ich den riesigen Lesesaal und die Wände voller Bücher bewundern durfte. Ein etwas genauerer Blick auf die Regale zeigte mir, dass wirklich jedes Teilgebiet der Medizin hier ausführlich dokumentiert ist. Als ich Näheres über die Geschichte wissen wollte, wies sie mich auf einen Aushang:
„Seit Gründung der School of Public Health im Jahr 1944 wurde die Bibliothek aufgebaut, sie umfasst heute mehr als 700.000 Druckbände und 8.000 Zeitschriftenabonnements sowie eine Sammlung seltener Bücher von 6.000 Bänden. Neben dem Druckmaterial haben Bibliotheksbenutzer Zugriff auf eine elektronische Sammlung mit mehr als 830.000 Büchern und 72.000 Zeitschriften. Die Public Health-Sammlung ist in allen Bereichen der öffentlichen Gesundheit, der Ernährung in Bezug auf Gesundheit und Krankheit, der Epidemiologie, der Toxikologie, der betrieblichen Gesundheit, der Gesundheit von Mutter und Kind, übertragbarer Krankheiten und der Umwelt sowie der globalen Gesundheit bestens ausgestattet.“
Als meine Begleiterin mich nach einer ganzen Weile aus meinem Staunen weckte, hatte ich noch lange nicht genug gesehen und lobte sie für diesen Schatz, der die medizinische Bibliothek in unserer Uni armselig aussehen ließ. „Darf ich Sie in die Mensa einladen?“, fragte sie und ich nahm die Einladung gerne an. Die Mensa war der Bibliothek angegliedert und bot eine gute Auswahl an Gerichten, aber nur alkoholfreie Getränke. Meine Begleiterin wählte gegrilltes Lachsfilet und empfahl es mir auch, das sei hier besonders gut. Es schmeckte vorzüglich und beim Essen berichtete sie mir ein wenig von ihrer Geschichte. Sie war 1984 in China geboren und aufgewachsen, dann aber zum Studium in die USA gekommen und danach hiergeblieben. Inzwischen sei sie eingebürgert und habe eine unbegrenzte Lehrerlaubnis. Ihre Eltern lebten weiter in China, der Vater sei Professor an der Basic Medical School der Universität in Wuhan und die Mutter arbeite als Ärztin in der zugehörigen Klinik. Meine Frage, ob sie Familie habe, verneinte sie lächelnd mit den Worten: „Ich hatte noch keine Zeit dafür, aber was nicht ist, kann ja irgendwann werden.“ Ich freute mich darüber, denn diese flotte junge Frau war mir seit heute früh immer sympathischer geworden.
Doch ich wollte noch etwas wissen: Beim Plumpudding fragte ich sie, ob sie sich schon mit der chinesischen Medizin beschäftigt habe. Lachend antwortete sie: „Ich bin eine geborene Chinesin und meine Eltern praktizieren dort beide in der medizinischen Lehre. Dadurch habe ich diese Art von Medizin schon mit der Muttermilch aufgesogen und mich ständig damit beschäftigt. Leider hält man hier im Westen nicht viel von dieser heilbringenden Fachrichtung, im Studium habe ich hier in San Francisco nicht die Bohne davon gehört. Zum Glück konnte ich Dr. Saurach dafür interessieren und wir haben gemeinsam das Symposium in die Wege geleitet. Ich bin gespannt, wie das bei meinen Kollegen ankommt und freue mich, dass Sie dazu eingeladen wurden.“
Nach dem Espresso sagte Frau Ziyang mit ihrer angenehmen Stimme: „Dann lassen Sie uns zur Klinik aufbrechen“, doch ihr Wagen ließ sich nicht starten. Ich hatte früher einen ähnlichen Wagen und ahnte, woran es liegen könnte. Als ich die Motorklappe öffnete, bestätigte sich mein Verdacht, am Verteiler hatte sich der Deckel gelöst. Als ich ihn wieder draufstecken wollte, ließ er sich nicht richtig befestigten, doch es gelang mir provisorisch und der Motor ließ sich starten. Ich empfahl meiner Führerin, möglichst bald eine Werkstatt aufzusuchen. Dann fuhren wir ein Stück am Wasser entlang und über eine lange Brücke mit zwei übereinander liegenden Fahrbahnen nach San Francisco hinein.
Im Klinikum stellte Frau Ziyang mich dem Chefarzt vor, der mich wenig beeindruckte, dann führte sie mich in ihre Station, die nicht wesentlich anders aussah als in meiner Klinik. Die Krankenzimmer waren etwas komfortabler eingerichtet, der CT war hochmodern und der Behandlungssaal wies erheblich mehr Instrumente und Anzeigegeräte auf als bei uns. Bei einer Patientin wurde gerade eine Rektoskopie unter Betäubung durchgeführt. Vor allem hatte ich den Eindruck, dass mehr Pflegepersonal zur Verfügung stand als in Deutschland, und das Bereitschaftszimmer war gemütlicher eingerichtet. Ich sagte Frau Ziyang meine Beobachtungen und sie freute sich.
Inzwischen war es 16 Uhr, und Frau Ziyang lud mich in der Cafeteria zu einer Tasse Kaffee mit Gebäck ein. „ich kann Sie jetzt nicht nach Berkeley bringen, denn ich will zur Werkstatt und habe auch in meiner Wohnung etwas zu erledigen. Für Ihren Rücktransport organisiere ich einen Wagen und hole Sie um 18:45 ab.“ „Sie wohnen nicht in Berkeley?“, fragte ich erstaunt. „Nein“, erwiderte sie, „da ich viel mehr in der Klinik beschäftigt bin als im Hörsaal, ist die Wohnung hier in Frisco günstiger für mich.“ Dann führte sie mich zu einem Krankenwagen, der vor der Tür wartete und bot mir zum Abschied die Hand, Dabei schaute sie mir in die Augen und ihr Händedruck dauerte länger als üblich. Dieser Blick und der ganze Tag mit dieser Frau beeindruckten mich so sehr, dass ich ihr nach einem Dank für die schönen Stunden einen Kuss auf die Hand drückte. Erstaunt blickte sie mich an, aber dann glitt ein freundliches Lächeln über ihr Gesicht und sie antwortete leise, sie habe es doch auch genossen, einem derart interessierten und versierten Fachmann die UC Berkeley School of Public Health und die UCSF School of Medicine zu zeigen.
In meinem Zimmer dachte ich über den Tag und ihre lobenden Worte zum Abschied nach. Nicht nur das viele interessante Gesehene und das umfangreiche Wissen dieser kultivierten Frau hatten mich beeindruckt, sondern noch viel mehr ihre hinreißende Persönlichkeit. Ich freute mich, sie noch heute Abend und an den nächsten Tagen beim Symposium wiedersehen zu können. Noch nie in meinem Leben war ich einer derartigen Frau begegnet und in mir kam der brennende Wunsch auf, ihr näher zu kommen, wenn sich eine Möglichkeit dafür ergeben würde.
Da ich mit solcher Einladung gerechnet hatte, hatte ich einen guten Anzug, ein weißes Hemd, dunkle Schuhe und eine Krawatte eingepackt. Ich ruhte mich eine Weile von dem ereignisreichen Tag aus und immer wieder stand mir diese aufregende Frau vor Augen. Hatte ich mich in sie verliebt? Das wäre zwar nicht das erste Mal, aber eine Frau dieser Klasse war mir noch nie begegnet. Nun, ich würde sehen, was daraus wird. Ich zog mich um und schaute noch einmal in meine Aufzeichnungen über die chinesische Medizin, um für ein Gespräch ein bisschen gewappnet zu sein.
Pünktlich um 18:45 stand ich am Eingang und brauchte nicht lange zu warten, bis Frau Ziyang eintrat, ihr Anblick verschlug mir den Atem. Sie trug ein knöchellanges, tief ausgeschnittenes dunkelblaues Abendkleid ohne Ärmel mit Spitzenbesatz am Oberteil und einem langen Schlitz, der beim Gehen ihr linkes Bein bis zur Hüfte freigab. An den Füßen prangten hochhackige goldfarbene Slipper. Um den Hals trug sie eine goldene Kette und das dunkle Haar fiel ihr jetzt in langen Locken bis auf den Rücken. Am rechten Arm prangte ein Goldreif mit ähnlichen chinesischen Zeichen wie auf dem Fingerring. Ich musste mich zusammenreißen, um ihr meine Begeisterung nicht offen zu zeigen. „Gehen wir?“, fragte sie nur kurz und ich begleitete sie zum Wagen. Immer wieder musste ich sie verstohlen vom Beifahrersitz anblicken, doch sie wandte den Kopf nicht von der Straße.
Nach 15 Minuten hielten wir vor einem vornehm aussehenden Restaurant, stiegen aus und ein Diener fuhr den Wagen weg. Höflich reichte ich meiner Begleiterin den Arm und anstandslos ließ sie sich von mir in den Gastraum führen, wo wir an einem Tisch von Dr. Saurach, einem anderen Herren und zwei Chinesen erwartet wurden. Er begrüßte mich freundlich, nachdem Frau Ziyang uns bekannt gemacht hatte, dann stellte er uns die beiden chinesischen Wissenschaftler vor, die das Symposium durchführen sollten, und den anderen Herrn als Präsident der Berkeley University. Meine Begleiterin ließ es sich nicht nehmen, ein paar Worte auf Chinesisch mit den Gästen zu wechseln. Bei einem vorzüglichen Menü erläuterte Dr. Saurach den beiden, warum er ihrer Medizin eine Pforte in der Public Health öffnen wollte und wie sehr er darauf vertraute, dass es ihnen gelänge, seine Mitarbeiter von dem großen Potential dieser Heilkunst zu überzeugen.
Nach dem Essen führte er uns in die Bar und stieß mit uns mit einem Cognac auf das Gelingen des Symposiums an, verschwand aber bald mit den Gästen. Frau Ziyang schaute mich an und fragte: „Wollen Sie auch schon gehen?“ Erfreut entschied ich mich, noch eine Weile die Gesellschaft dieser bezaubernden Frau zu genießen. Da glitt ein Lächeln über ihr Gesicht und sie sagte so leise, dass nur ich es hören konnte: „Das freut mich, denn ich finde Sie nett und bin gern mit Ihnen zusammen.“ Als ich ehrlich antwortete, dass es mir genauso gehe, beugte sie sich vor und drückte mir einen leichten Kuss auf die Wange. Glücklich wollte ich sie auf die Lippen küssen, doch sie zog ihren Mund weg und bot mir nur die Wange, dazu sagte sie leise: „Bitte nicht ganz so schnell, wir kennen uns doch erst seit zwölf Stunden.“ Ich bat sie um Entschuldigung, worauf sie nur lächelnd „Geduld“, sagte.
Nach einer halben Stunde hatten wir den zweiten Cognac ausgetrunken und Frau Ziyang meinte, wir sollten jetzt aufbrechen, denn morgen gehe die Arbeit los, sie würde mich um 8:30 abholen. Gehorsam folgte ich und sie fuhr uns wortlos zum Gästehaus. Als ich dankbar sagte, wie schön ich diesen Tag mit ihr erlebt hätte, zog sie plötzlich meinen Kopf zu sich heran und ich fühlte ihre Lippen auf meinen, dann sagt sie leise: „You are a good boy.“ „And you are an exciting woman“, antwortete ich, denn ich empfand sie wirklich als aufregende Frau. Da strich sie mir über die Wange, drehte sich um und war verschwunden. Noch lange lag ich im Bett und dachte über diese aufregende Frau nach. „Guter Junge“ hatte sie mich genannt, aber ich hätte liebend gerne gewusst, ob das „You“ noch „Sie“ oder schon „Du“ bedeutete. „Verdammtes Englisch“ dachte ich, anscheinend war ich ihr ebenso wenig gleichgültig wie sie mir, aber wir mussten uns Zeit lassen. „Geduld“, hatte sie gesagt, die wollte ich gerne aufbringen, doch ich wagte noch nicht, mir etwas mehr mit dieser Frau vorzustellen.
Sie wäre ja nicht meine erste Beziehung, die dritte hatte ich erst vor einem halben Jahr beendet. Bianca war eine fantastische Liebhaberin, aber persönlich vollkommen hektisch. Sie arbeitet als Disponentin in einer Logistikfirma und musste ständig erreichbar sein, sodass auch abends und am Wochenende Anrufe und Mails auf ihrem Handy landeten. Offensichtlich war sie stark überfordert, denn sie rauchte wie ein Schlot, bis zu 20 Zigaretten täglich. Die Wohnung und Kleidung stanken nach Rauch und ihre Küsse schmeckten ebenso. Als ich in der Klinik gefragt wurde, ob ich das Rauchen angefangen hätte, reichte es mir. Ich empfahl ihr Medikamente zur Entwöhnung, doch sie lehnte ab, ohne das Rauchen könne sie nicht leben. Da eröffnete ich ihr bei einem Abendessen, dass ich mich von ihr trennen würde. „Bleib‘ noch die Nacht bei mir“, bat sie mit Tränen in den Augen und wir hatten ein letztes wundervolles Miteinander. Doch danach stand ich auf, küsste sie zum letzten Mal und ging. Bisher habe ich sie nicht wiedergesehen.
Dienstag saß ich noch beim Frühstück, als Frau Dr. Ziyang sich zu mir setzte und eine Tasse Kaffee bestellte, sie war ebenso gekleidet wie gestern am Tag und hatte ihre Haare auch wieder in einem Zopf gebändigt. Sie freue sich, mich zu sehen, sagte sie und wollte wissen, ob ich gut geschlafen hätte. Als ich das bejahte und ihr dieselbe Frage stellte, sagte sie plötzlich: „Mein Vorname ist Li-Ming, das bedeutet ‚Die Strahlende‘ und ich denke, wir kennen uns inzwischen gut genug, dass wir die förmliche Anrede lassen können.“ Da es in Amerika üblich ist, sich mit dem Vornamen zu siezen, wusste ich immer noch nicht, wie persönlich diese Worte gemeint waren, doch brav nannte ich meinen Vornamen Reinhard und buchstabierte ihn. Da spürte ich plötzlich ihre Zunge auf meinen Lippen.
Diesmal wollte ich mich nicht damit zufriedengeben und stieß ihr meine Zunge zwischen die Lippen, die sie willig öffnete und mit ihrer Zunge antwortete, doch dann gab sie meinen Mund frei und sagte: „Please be patient, we have to drive, otherwise we will be late.“ Immerhin war mir klar, dass wir jetzt wohl beim „Du“ angekommen waren und dass ein Mehr anscheinend denkbar war, obwohl ich keine Ahnung hatte, wie es weitergehen würde. Ich konnte nur auf den Abend warten, denn inzwischen hatten wir das Vorlesungsgebäude erreicht und mussten bald in einiger Entfernung voneinander sitzen, sie am Vorstandstisch und ich im Hörsaal bei den Zuhörern.
Nach der Begrüßung der Teilnehmer und einem Dank, dass sie sich für dieses Symposium Zeit genommen hätten, stellte Dr. Saurach die beiden chinesischen Wissenschaftler als bekannte Professoren der TCM-Universität in Peking und ausgewiesene Experten auf dem Gebiet der weltweit bekannten chinesischen Heilkunde vor. „Als Ärzte und Medizinwissenschaftler haben wir die Plicht, unseren Patienten die besten Möglichkeiten zur Heilung ihrer Leiden zu bieten und dürfen kein Teilgebiet nur deshalb ignorieren, weil unsere Ausbildung es uns nicht nahegebracht hat oder es aus einem anderen Erdteil kommt. Deshalb habe ich diese beiden Herren gebeten, uns einen Einblick in ihr Fachgebiet zu geben.
Sie werden vieles hören, was Ihnen bisher fremd erschien, und ich bitte Sie herzlich, mit offenen Ohren den Vorträgen zu lauschen. Die Lehrstunden in diesem Symposium teilen sich täglich auf zwei Unterrichtseinheiten auf, die erste dauert von 9 bis 13 Uhr. Nach einer Mittagspause in einen Nebenraum der Mensa läuft die zweite von 14 bis 18 Uhr. Morgen Abend schließt sich an den Unterricht ein gemeinsames Abendessen mit anschließender Musik und Tanz an und am Donnerstag endet die Veranstaltung offiziell nach dem Mittagessen, unsere Gäste stehen Ihnen aber danach noch eine Weile zur Verfügung.“
Danach übergab er das Wort an einen der beiden Gäste. Dieser schon etwas ältere Herr hatte auf einem Tisch vor dem Katheder eine Anzahl verschiedene Pflanzenteile ausgebreitet, dazu gehörten Wurzeln, Rindenstücke, Blüten, Stängel und Blätter. Dann begann er in ausgezeichnetem Englisch zu sprechen:
„Die mehrere tausend Jahre alte chinesische Heilkunst beruht auf mehreren Fachrichtungen:
- Kräuterheilkunde,
- Akupunktur,
- Tuina-Massage,
- Qi Gong,
- Nährmittelkunde.
Wir bräuchten viele Jahre, um uns mit allen Gebieten zu beschäftigen, deshalb zeigen wir Ihnen an diesen drei Tagen nur die Kräuterheilkunde, auch Arzneimitteltherapie genannt, als wichtigste Säule unserer Heilkunst. Die Akupunktur ist zwar auch eine wesentliche Säule, aber bei Ihnen schon gut bekannt und fundiert. Dagegen ist die Kräuterheilkunde noch weitgehend unbekannt und wir haben mit Dr. Saurach vereinbart, das Symposium dieser Wissenschaft zu widmen. Seit zweitausend Jahren erweisen Pflanzenteile wie Wurzeln, Rinden, Blüten, Stängel und Blätter ihre heilende Wirkung, was wir Ihnen an diesen Tagen vorführen wollen. Demgegenüber haben tierische Produkte von Elefanten und Nashörnern keinerlei medizinischen Erfolg und ihr Verkauf ist in der Volksrepublik verboten.
Eine Rezeptur in der Kräuterheilkunde besteht aus einer Mischung mehrerer Arzneimittel und wird nach intensiver Diagnose durch den Arzt individuell auf den Patienten und seine Krankheitssituation abgestimmt, dabei ergänzen und unterstützen die kombinierten Arzneimittel sich in ihrer Wirkung. Behandelbar mit chinesischer Medizin sind außer Knochenbrüchen nahezu alle Krankheiten, wobei auch bei ihnen Kräuter die Heilung beschleunigen können.
Heute beschränken wir uns zunächst auf das Kennenlernen der Pflanzenteile und ich werde Ihnen bei jedem Präparat die Anwendung schildern. Wie wir eine passende Mischung der Heilmittel für die individuelle Situation des Patienten finden, wird Ihnen morgen mein Kollege erläutern und der dritte Tag steht Ihnen für Fragen und Diskussionen zur Verfügung.“ Dann besprach er ausführlich die Wirkung der einzelnen Pflanzenteile und zeigte dazu jedes Teil vergrößert auf der Bildwand. Dabei wurde er immer wieder von Fragen unterbrochen, die er bereitwillig beantwortete und ich machte mir auf meinem Tablet Notizen.
Bis 13 Uhr hatte der Dozent knapp die Hälfte der Präparate erläutert, dann bat Herr Saurach alle Teilnehmer zum Essen. Endlich konnte ich wieder neben Li-Ming sitzen. Sie berichtete, Dr. Saurach habe sie für die Leitung der Abteilung Chinesische Heilkunst der Fakultät vorgeschlagen und ich beglückwünschte sie dazu. „Sehen wir uns heute Abend in der Bar“, fragte sie, bevor wir wieder in den Hörsaal gingen, und ich stimmte gerne zu. Während der Vorlesung malte ich mir aus, wie der Abend weiter gehen könnte, sicherlich würden unsere Küsse intensiver werden.
In der zweiten Unterrichtseinheit erläuterte der Redner seine übrigen Präparate und immer wieder gab es erstaunte Rückfragen aus dem Auditorium, weil viele nur die pharmazeutische Chemie gewohnten Ärzte sich nicht vorstellen konnten, welche Heilwirkungen mit einfachen Pflanzen zu erreichen sind. Nach dem Ende der Vorlesung um 18 Uhr verließ Dr. Saurach mit den Vortragenden den Saal, aber viele Zuhörer diskutierten noch untereinander das Gehörte. Dabei zeigte sich, dass die Zahl der Ablehnenden sichtbar zurückging.
Wie gestern Abend lud Dr. Saurach Li-Ming und mich zu 19 Uhr zum Essen mit den Gästen ein. Das Restaurant sei weniger vornehm als gestern sagte er lächelnd, trotzdem konnten wir ein köstliches Menü genießen. Danach führte der Gastgeber uns wieder in die Bar, wo er dem Vortragenden bei einem Glas Cognac für sein vorzügliches Referat dankte. Die vielen Rückfragen hätten klar gezeigt, dass das Symposium ein Fenster aufgestoßen habe, das er sicherlich ausbauen könne. Nach einiger Plauderei sagte der Gast, der Tag habe ihn ermüdet und er würde sich gerne zurückziehen. Darauf verließ Dr. Saurach mit den Gästen die Bar und ich schaute Li-Ming an. „Lass uns auch gehen“, sagte sie, „hier ist es mir zu öffentlich.“
Ich war gespannt, was sie vorhatte, aber sie fuhr stracks zum Gästehaus, verließ mit mir den Wagen und zog mich wortlos in den leeren Frühstücksraum, wo sie mich umarmte und ihre Lippen auf meine drückte. Nach dieser schönen Einladung übernahm ich die Führung und meine Zunge fand schnell den Weg zwischen ihre Lippen, was sie ebenso schnell beantwortete. Begeistert spielten unsere Zungen miteinander, wir konnten gar nicht aufhören und drückten uns eng aneinander. Li-Ming atmete immer heftiger, doch dann trennte sie sich von mir und flüsterte „Ich genieße deine wundervollen Küsse sehr und freue mich auf das nächste Mal, aber jetzt muss ich erst mal fahren. Ich werde von dir träumen und wünsche dir dasselbe.“ Sie drehte sich um und war verschwunden, ich schaute ihr nach wie einem Geist, dann ging ich völlig verwirrt schlafen. Diese Li-Ming und ich hatten uns leidenschaftlich geküsst, nachdem sie sich dafür geöffnet hatte und sie hatte mir eine Aussicht auf mehr gegeben. Jetzt waren wir mit Sicherheit beim „Du“ angekommen. Erst nachdem ich mir erfolgreich vorgestellt hatte, wie schön es sei, vollkommen mit ihr verbunden zu sein, konnte ich einschlafen
Ich schlief unruhig und war noch ziemlich durcheinander, als der Wecker um 7 Uhr klingelte. Wie an den beiden letzten Tagen kam Li-Ming an meinen Tisch, aber bevor sie sich setzte und eine Tasse Kaffee bestellte, gab sie mir einen leichten Lippenkuss. „Ich hoffe, du hast gut geschlafen“, meinte sie lächelnd, worauf ich erwiderte, dass ich nach dem aufregenden Abend eine Weile gebraucht hätte, um einzuschlafen, denn ich hatte lange an sie denken müssen. „Das ist mir genauso gegangen“, gab sie zu, „aber jetzt müssen wir los.“ Wir fuhren ein Stück, bis sie an einer einsamen Stelle den Wagen anhielt und sich zu mir beugte, endlich konnten wir uns richtig küssen und taten es ausgiebig. Erst nach einer Weile startete sie den Wagen wieder und fuhr uns zum Vorlesungsgebäude, wo Dr. Saurach und die beiden Chinesen schon beim Pult saßen und die Zuhörer allmählich eintrudelten.
Der zweite der beiden chinesischen Wissenschaftler begann sein Referat mit den Eindrücken, die der Arzt zunächst vom Patienten und seiner Krankheit gewinnen muss, um die richtige Mischung der Heilmittel zusammen zu stellen. Dafür nutzt er:
1. Sehen,
2. Hören,
3. Fühlen,
4. Riechen.
An Beispielen erklärte er, wie der Arzt aus diesen Eindrücken das spezifische Leiden erkennen und die richtige Rezeptur herausfinden kann. Natürlich könne man keine gebrochenen Beine oder andere Verletzungen mit den beschriebenen Planzenteilen heilen, aber sehr wohl die Heilung beschleunigen, sagte er. Dann nannte er die Krankheiten, die mit chinesischer Medizin gut behandelbar sind:
- Krankheiten des Bewegungsapparates
- Atemwegserkrankungen,
- Verdauungsstörungen
- Urogenitale Erkrankungen,
- Gynäkologische Erkrankungen,
- Infektiöse Erkrankungen,
- Hauterkrankungen,
- Erkrankungen des Nervensystems,
- Neurologische Erkrankungen,
- Kinderkrankheiten,
- Herz-, Kreislauf- und Lungenbeschwerden,
- Stoffwechselkrankheiten.
Er fuhr fort, indem er Krankheiten beschrieb und Rezepturen dafür zusammenstellte. Bei jedem Mittel erklärte er genau, auf welche Weise es in der Kombination mit anderen Komponenten auf den erkrankten Körperteil wirkt, und die Zuhörer staunten über die beschriebenen Heilerfolge, Allerdings wurden auch Zweifel geäußert, ob die Heilung wirklich durch die genannten Naturmittel bewirkt worden sei oder sich aus anderen Ursachen von selbst eingestellt habe. „Am besten probieren Sie es selbst aus“, antwortete der Vortragende lächelnd. „Alles, was wir Ihnen an diesen Tagen vortragen, ist in umfangreichen Büchern ausführlich auf Englisch beschrieben, wir geben hier keinen Lehrgang, sondern wollen nur das Interesse wecken, sich mit dieser kostbaren Richtung der Medizin zu beschäftigen.“ In dieser Weise ging der Vormittag und nach dem Mittagessen auch die zweite Vorlesung zu Ende. Durch die fundierten Aussagen verringerte sich die Zahl der Zweifler, die meisten waren überzeugt, auf etwas Wichtiges gestoßen worden zu sein, das sie bisher vernachlässigt hatten.
Am Ende der zweiten Vorlesung lud Dr. Saurach alle Teilnehmer zu 19 Uhr in den großen Saal, wo nach einem guten Menü die Möglichkeit zu Geselligkeit und Tanz geboten würde. „Kann ich mich bei dir umziehen, ich schaffe es nicht, wenn ich jetzt noch nach Hause fahre?“, fragte Li-Ming und ich antwortete: „Gerne, dann kann ich auch etwas Besseres anziehen.“ Schnell waren wir am Gästehaus und in meinem Zimmer, wo sie ungeniert ihren Anzug ablegte und ich ihre hübschen kleinen Brüste bewundern konnte, sie trug keinen BH. Dann zog sie wieder das zauberhafte Abendkleid und die Schuhe von vorgestern an und öffnete ihren Zopf. „Du bist wunderschön“, konnte ich nur sagen, als ich meine guten Sachen anzog. Wortlos umarmte Li-Ming mich und streichelte meine Lippen mit der Zunge, worauf ich natürlich sofort antwortete. „Das musste noch sein, sonst bekomme ich Entzugserscheinungen“, sagte sie lachend, „und nun lass uns fahren.“
Im großen Saal waren die Tische festlich gedeckt und die Speisekarte versprach ein vorzügliches Menü mit Vor-, Haupt- und Nachspeise und guten Weinen nach Wahl. Anschließend spielte eine kleine Kapelle zum Tanz. Da zum Auditorium auch viele weibliche Zuhörer gehörten, war die Tanzgesellschaft gut gemischt und die Beine wurden kräftig geschwungen. Nachdem Dr. Saurach den ersten Tanz mit Li-Ming absolviert hatte, durfte ich sie in die Arme nehmen und musste sie nur gelegentlich an andere Tänzer abtreten. Sie tanzte wie eine Feder, wir kamen immer enger zusammen und meine rechte Hand drückte ihre Pobacken, dann streichelte ich vorsichtig ihre kleinen Brüste durch die Bluse. Li-Ming atmete immer heftiger, schließlich zog sie mich in eine etwas dunklere Ecke, drückte ihre Lippen auf meinen Mund und ich antwortete sofort, so dass unsere Zungen einen wilden Tanz aufführten. „Du bist verrückt“, sagte sie, als wir wieder zu Atem kamen. Ich hatte durch die Küsse und Streichelei eine Erektion bekommen, die Li-Ming grinsend zur Kenntnis nahm. „Ganz schön high“, lachte sie und fuhr mit der Hand über meinen Ständer, „aber das müssen wir uns noch eine Weile aufbewahren. Jetzt tanzen wir erst mal weiter.“ Beim weiteren Tanzen ließ sie sich gerne mein Streicheln von Po und Brust gefallen, aber ich sah mich vor, nicht weiter erregt zu werden.
Um Mitternacht spielte die Kapelle den letzten Tanz und Dr. Saurach wünschte den Teilnehmern eine gute Heimkehr. Auf dem kurzen Weg zum Gästehaus sagte Li-Ming plötzlich: „Ich habe zu viel getrunken, um sicher zu meiner Wohnung fahren zu können, kann ich bei dir übernachten?“ Natürlich stimmte ich gerne zu, führte sie in mein Zimmer und schlug das Bett auf. Da sie keine Nachtwäsche dabeihatte, zog sie sich anstandslos aus und jetzt konnte ich ihren schönen schlanken Körper mit den kleinen Brüsten und den schwarzen Schamhaaren bewundern. „Du bist wunderschön, das habe ich von Anfang an gesehen, aber erst jetzt kann ich deine Schönheit richtig bewundern“, konnte ich nur sagen, aber als ich mich anstandshalber auch vollkommen auszog. meinte sie: „Du bist auch nicht schlecht gebaut“, und schlüpfte unter die Decke. Wir umarmten und küssten uns kurz, bis sie flüsterte: „Ich bin müde, lass uns schlafen“, und sich zur Seite drehte.
Mitten in der Nacht fühlte ich einen warmen Körper eng an mir. Ich war noch gar nicht richtig wach, als mein schnell steif gewordener Penis in ihre warme Höhle glitt. Unwillkürlich bewegte ich mich, bis es mir kam und Li-Mings Körper an mir bebte, wobei ich einen leichten Schrei hörte. Dann geschah nichts mehr, ich vernahm nur ruhige Atemzüge und schlief nach einer Weile auch wieder ein.
Als der Wecker um 7 Uhr klingelte, war mir nicht klar, ob ich die nächtliche Begegnung wirklich erlebt oder nur geträumt hatte. Li-Ming brauchte eine Weile, um zu sich zu kommen. Sie schaute mich an und sagte leise: „Ich hatte einen seltsamen Traum, dass wir zusammen waren, ich weiß wirklich nicht, wie ich auf solche Idee komme.“ Da war mir klar, dass ich nicht geträumt hatte und erzählte ihr von dem nächtlichen Erlebnis. „Das kann doch nicht sein!“, protestierte sie, doch dann fasste sie in ihre Vagina und flüsterte beschämt: „Du hast Recht, ich habe dich im Schlaf verführt. Das muss ich erst mal verdauen, bist du mir dafür böse?“ Schnell verneinte ich die Frage, ich sei zwar auch nicht ganz wach gewesen, hätte aber die intime Begegnung durchaus genossen. „Da ist wohl etwas in mir durchgebrochen, was mir noch gar nicht bewusst war. Anscheinend liebt mein Körper dich mehr als mein Verstand“, flüsterte sie kopfschüttelnd und ging ins Bad, dann machten wir uns fertig. Li-Ming zog wieder ihren roten Anzug an und band ihren Zopf. Nach einem gemütlichen Frühstück fuhren wir los und waren pünktlich um 9 Uhr im Hörsaal.
„Heute wollen wir mit unseren chinesischen Gästen ein Resümee der beiden vorigen Tage ziehen“, begann Dr. Saurach das Treffen am letzten Tag. „Sie haben sicherlich nach intensivem Nachdenken über das Gehörte noch eine Reihe von Fragen, die die beiden Spezialisten Ihnen gerne beantworten werden. Also, bitte scheuen Sie sich nicht, den beiden Herren das Hemd auszuziehen.“ Die Zuhörer ließen sich nicht lumpen, vier Stunden lang bombardierten sie die Vortragenden mit Fragen und Anmerkungen. Besonders die Kritiker waren sehr aktiv mit zweifelnden Fragen, holten sich aber immer wieder blutige Nasen an dem fundierten Wissen der beiden Chinesen und viele andere klatschten dann Beifall.
Um 12 Uhr beendete Dr. Saurach die Fragestunde und dankte den beiden Gästen herzlich, dass sie nach San Francisco gekommen seien, um den Amerikanern die Geheimnisse der chinesischen Heilkunst nahe zu bringen, wie er glaube, mit großem Erfolg. Dann teilte er mit, dass die Public Health Fakultät unter Leitung von Frau Dr. Ziyang eine Abteilung für chinesische Heilkunst aufbauen werde, Interessenten sollten sich bei ihr melden. Schließlich lud er zum Mittagessen ein und sagte, dass interessierte Zuhörer danach im Hörsaal noch mit den beiden Vortragenden privat diskutieren könnten, der offizielle Teil sei aber jetzt beendet. Er dankte den beiden Herren noch einmal für ihre Mühe und den Zuhörern für ihre Aufmerksamkeit, dann gingen wir zum Essen.
Ich setzte mich neben meine geliebte Li-Ming und gratulierte ihr zu ihrem Auftrag. „Hier gibt es wohl kaum jemand, der besser dafür geeignet ist“, lobte ich sie. Sie wurde rot und fragte: „Hast du heute noch was vor?“, und als ich das verneinte, bat sie, ich solle mit in ihre Wohnung kommen. Gerne nahm ich die Einladung an, denn sie versprach einiges. „Ich muss mich vorher noch bei Dr. Saurach bedanken“, sagte sie und wir gingen zu ihm, bevor wir den Saal verließen. Auch ich dankte ihm herzlich für die Einladung, ich hätte sehr viel gelernt, was ich in Deutschland anwenden könne. „Ich freue mich, dass Sie beide sich offenbar angefreundet haben“, sagte er lächelnd, „das kann zu einer fruchtbaren Zusammenarbeit führen.“
Li-Mings Wohnzimmer war mit Teppichen und Sitzkissen im chinesischen Stil sehr gemütlich eingerichtet. Zwei Bilder an den Wänden begeisterten mich, eines zeigte eine rote Blüte, das andere eine größere Blume mit Blättern, beides in vollendeter Schönheit und es waren keine Drucke, sondern echte Aquarelle. Mit einer Handbewegung lud Li-Ming mich ein, auf einem Sitzpolster an einem niedrigen Tisch Platz zu nehmen. „Jetzt brauche ich erst mal einen Cognac“, sagte sie und schenkte zwei Schwenker voll.
Beim Anstoßen blickten wir uns innig in die Augen und nachdem wir ausgetrunken hatten, führte sie mich mit den Worten: „Und nun komm, wir müssen unser Zusammensein jetzt zum ersten Mal ganz bewusst feiern, letzte Nacht haben wir es ja nur geträumt“, ins Schlafzimmer. Eine breite Matratze bedeckte den Boden und an der Wand darüber prangte ein weiteres Aquarell, zwei Kraniche, die zwischen Blumen miteinander spielten. Auf jeder Seite der Matratze gab es eine kleine Ablage und an der gegenüber liegenden Wand einen Schrank. Auf einer Spiegelkommode stand neben einigen Kosmetika ein großer Strauß weißer Gladiolen, die einen herrlichen Duft verströmten
Wie gestern Abend zog Li-Ming sich ungeniert aus und mein Blick ging schnell von den Kranichen zu ihrem wunderschönen Körper. „Willst du mich im Anzug lieben?“, rief sie, da erwachte ich, streifte meine Sachen ab und war bei ihr. Lange und zärtlich streichelten wir uns, bis die Erregung uns übermannte und ich vorsichtig in sie hinein glitt. Zunächst bewegte ich mich nicht und genoss nur die Wärme, die mein Glied umfing, ich habe sie bei allen Frauen genossen, mit denen ich zusammen war. „Es ist wunderbar, dich tief in mir zu fühlen“, flüsterte sie, „aber jetzt kannst du mir etwas mehr schenken.“ Gerne erfüllte ich ihre Bitte und bewegte mich, zuerst langsam, aber als ich ihre von leisen Schreien begleiteten Zuckungen spürte, wurde ich schneller und kam schließlich laut stöhnend zum Ziel. Da schrie sie auch gellend auf und warf ihren Körper hin und her, dann küsste sie mich unersättlich.
Als wir wieder ruhig geworden waren, strichen unsere Hände zärtlich über den Körper des anderen. Jetzt hatten wir einander richtig „erkannt“, wie die Bibel sagt. Schließlich lag meine Geliebte still in meinen Armen und sagte mit einem glücklichen Gesicht: „Danke, mein Lieber, das war wunderschön, du bist ein begnadeter Liebhaber. Du bist ja nicht der erste Mann, mit dem ich zusammen bin, aber keiner ist so vollkommen auf mich eingegangen, wie du. Ich habe mich wie im siebenten Himmel gefühlte.“ Gerne bestätigte ich ihr aus tiefstem Herzen, dass diese Begegnung auch für mich ein einmaliges Erlebnis gewesen sei, wie ich es noch nie bei einer Frau gefühlt habe. „Dass ich dich in der höchsten Verzückung miterleben durfte, war ein ganz besonderes Geschenk für mich“, setzte ich flüsternd hinzu. Da küsste die Geliebte mich noch einmal herzlich, dann zogen wir die Decke über uns und schliefen ein, weil wir noch von der vorigen Nacht müde waren.
Am Abend wurden wir wach und hatten keine Lust, uns anzukleiden. Während Li-Ming ein paar Schnittchen bereitete, inspizierte ich die übrige Wohnung. Außer den beiden Räumen, die ich schon kannte, gab es noch ein Arbeitszimmer mit einem Schreibtisch und mehreren Regalen voller Bücher, teils mit chinesischen Schriftzeichen. An der Wand stand ein ausziehbares Sofa, wohl für Gäste. Hinter einer anderen Tür verbarg sich ein kleines Bad mit Dusche, Waschbecken und WC.
„Mir gefällt deine Wohnung“, lobte ich, „ich habe nie gedacht, dass eine chinesische Einrichtung so gemütlich sein kann. Und vor allem die Blumenbilder finde ich schön, sind sie von dir?“ „Danke für die Blumen“, erwiderte sie lachend, „wenn Dr. Saurach gewusst hätte, wie eng unsere Zusammenarbeit schon ist, hätte er sich wohl nicht ganz so lobend geäußert. Ja die Aquarelle sind von mir, ich habe schon als Kind angefangen zu malen.
Das Abendessen verzehrten wir mit Weißwein und sprachen dabei über Li-Mings neue Aufgabe. „Das wird mich ganz schön einspannen“, meinte sie nachdenklich. Ich werde wohl eine Weile zu meinen Eltern reisen müssen, um zu lernen, wie solch Lehrstuhl aufzubauen ist, sie können mir sicherlich gute Ratschläge geben. Und dann muss ich Mitarbeiter finden, die sich ernsthaft mit dieser Materie beschäftigen wollen.“ „Ich kann deine Gedanken ein bisschen nachempfinden“, antwortete ich nachdenklich, „denn ich ahne, dass mein Chef ähnliches vorhat und das möglicherweise mit mir. Da sollten wir beide nicht nur persönlich in Verbindung bleiben, denn ich habe mich tief in dich verliebt, sondern auch beruflich einen engen Kontakt behalten.“ „In beiden Punkten stimme ich dir voll zu, denn ich habe mich auch in dich verliebt, obwohl ich eigentlich die Männer eine Weile meiden wollte. Und jetzt lass uns unsere Liebe leben.“
Irgendwann fielen uns die Augen zu und wir wurden erst wieder am Morgen wach. Noch einmal gaben wir uns einander hin, dann meinte meine Geliebte, wir müssten jetzt aufstehen, denn sie wolle mir die Stadt zeigen. Sie bereitete ein chinesisches Frühstück aus Reisbrei, den sie mit Erdnüssen und Eiern verfeinerte. Dazu gab es grünen Tee und danach leckere Teigtaschen. Es schmeckte mir viel besser als das amerikanische Frühstück mit ham and eggs. Dann machten wir uns auf den Weg in die Stadt. „Wir nehmen die Metro, denn in der Stadt finde ich keinen Parkplatz“, meinte Li-Ming und führte mich zur nur 5 Minuten entfernten Station. Wir kauften Tickets und mussten sie an einem verschlossenen Zugang in einen Schlitz stecken, worauf sich die Schranke öffnete und die Tickets freigegeben wurden, das kannte ich aus Deutschland nicht. Auch am Ausgang nach der Fahrt fand dieselbe Prozedur statt.
„Du musst vor allem die Cable Car sehen, sowas gibt es auf der ganzen Welt sonst nicht“, erklärte meine Begleiterin und führte mich zur Zentrale der Bahn, wo ein Angestellter uns das Prinzip erklärte: „Da die Straßen in der Stadt sehr bergig sind, liegen zwischen den Schienen Drahtseile im Boden, die die Bahnen die Berge herauf und herunter ziehen. Durch einen Schlitz im Kabelkanal greift eine Klaue vom Wagen auf das sich konstant mit 15 km/h bewegende Kabel, das wie alle anderen von dieser Zentrale angetrieben wird. 1947 wollte der Bürgermeister die Bahnen durch Busse ersetzen lassen. Ein Citizens’ Committee kämpfte erfolgreich für die Erhaltung dieses historischen Verkehrsmittels. Seit 1964 sind noch drei Linien in Betrieb und gelten als ein Nationaldenkmal der Vereinigten Staaten.“
Ein Stück weiter kamen wir an einer großen Kirche mit zwei Türmen vorbei, die mich interessierte. „Das ist die Grace Cathedral der Bischofsdiözese von Kalifornien“, klärte meine Stadtführerin mich auf und ich bat sie, mit mir hinein zu gehen. Innen staunte ich über die schönen Mosaiken und abwechslungsreichen Buntglasfenster, doch auch das Altarbild und die mittelalterlichen Möbel beindruckten mich. Plötzlich hatte ich das Bedürfnis, hier Gott für die Frau neben mir zu danken, ich setzte mich in eine Bank und faltete die Hände. Bewegt setzte sich diese wundervolle Frau neben mich und als ich die Hände wieder öffnete, fragte sie leise: „Bist du ein gläubiger Christ?“
Ich musste einen Moment nachdenken, bevor ich antwortete: „Ich bin zwar protestantisch getauft und konfirmiert worden, doch habe ich Christus nie als Gott gesehen, sondern als begnadeten Prediger der Liebe zu den Menschen. Die Kirche mit ihren rituellen Gottesdiensten gibt mir nichts, ich habe schon lange nicht daran teilgenommen. Und Gott ist für mich nicht ein alter Herr im Schlafrock, aber ich sehe ihn als ein unbegreifliches überirdisches Wesen, das die menschlichen Schicksale nicht aktiv bestimmt, sondern uns nur Chancen bietet, die wir ergreifen oder vernachlässigen können. Ich habe das immer wieder in meinem Leben erfahren und die Chancen gerne wahrgenommen. Die letzte Chance bisher ist die Liebe zu dir, die ich sofort ergriffen habe.“
Da umarmte mich die Geliebte und küsste mich herzlich trotz der heiligen Umgebung. Dann sagte sie stockend: „So intensiv habe ich darüber noch gar nicht nachgedacht, ich habe nur das Leben so genommen, wie es kam. In meiner Heimat ist ja jegliche Religion verpönt, trotzdem haben meine Eltern mich mit den Grundlagen des Buddhismus vertraut gemacht, der ja auch eine Religion der Liebe zu den Menschen ist. Den Glauben an ein höheres Wesen gibt es in unterschiedlichster Weise auf der ganzen Welt, auch ich bin überzeugt, dass es dieses Wesen gibt, habe aber noch nie zu ihm gebetet. Deine Theorie mit den Chancen finde ich gut, und wenn ich mein Leben betrachte, wurden auch mir immer wieder solche Chancen geboten. Hätte ich sie nicht ergriffen, wäre ich jetzt nicht hier und mit dir zusammen. Ich bin dir dankbar, dass du mir einen wichtigen Teil deiner Seele offenbart hast, wir sollten noch öfter über dies Thema sprechen. Doch nun will ich dir meine Landsleute zeigen, komm mit.“
Wir verließen die Kirche und sie führte mich in das große Chinesenviertel. Enge Gassen, quirlige Märkte, chinesische Garküchen mit exotischen Gerüchen und einfache Nudelsuppenstände wechseln einander ab. Dazu ein Gewimmel von Menschen – dieser quirlige Stadtteil ist eine Sehenswürdigkeit. Überall gibt es kleine Geschäfte, die chinesische Artikel wie exotische Gewürze, Porzellan, Seide Jadeschmuck, Gold, Antiquitäten und den üblichen Touristenkram farbenfroh feilbieten. Werbe- und Dekorationsschilder mit chinesischen Schriftzeichen schmücken die Häuserwände oder stehen auf dem Gehweg herum. Wir waren in einer vollkommen anderen Welt, nur wenige Meter vom Rest der Stadt entfernt. Li-Ming führte mich in eine ganze Reihe von Geschäften, zeigte mir die Angebote und kaufte hier und da eine Kleinigkeit. Zur Mittagszeit führte sie mich in ein vornehmes Restaurant. „Ich hoffe, dass dir unsere Nahrung schmeckt“, meinte sie lachend. Nach einer Suppe bestellte sie Dim-Sum-Körbchen, die zum Dämpfen aufeinander gestapelt werden In jedem befindet sich ein Gitter aus Bambus, auf das die Speisen gelegt werden. Alles war gut und schmackhaft ausgesucht, nur mit den Hühnerfüßen wusste ich nichts anzufangen und ließ sie liegen. Je nach Geschmack verfeinerte meine Führerin die Mahlzeit mit scharfen Soßen. Nach einem Reisdessert führte sie mich durch das Gewimmel zum beeindruckenden Drachentor. Es hat drei mit grünen Kacheln bedeckte Portale. Die beiden Fußgängerportale flankieren ein größeres zentrales und die Steinsäulen entsprechen den Standards für chinesische Tore. Auf den Portalen befinden sich Löwenfiguren, der männliche Löwe am Westportal hat den Fuß auf einer Perle und bewacht symbolisch das Reich. Die Löwin am Ostportal bewacht symbolisch die Insassen.
„Unsere nächste Etappe ist die Naturkunde“, informierte mich meine Begleiterin und führte mich zu einem Park, wo wir sogar das große Erdbeben nachempfinden konnten. Zuerst ließen wir uns auf dem Simulator durchschütteln, es war beeindruckend für mich, der noch nie ein Erdbeben erlebt hatte. Zu der Anlage gehört auch eine Kugel, in welcher sich ein „Regenwald" mit freifliegenden Schmetterlingen und Papageien befindet und ein Planetarium. Im untersten Stockwerk verbergen sich riesige Aquarien mit allen Arten von Meerestieren. Der Besuch war ein unvergessliches Erlebnis für mich und ich war meiner Geliebten dankbar.
Abends gingen wir in die Hafengegend zur Fisherman’s Wharf, einer Reihe alter Hafenmolen. Auf der 300 Meter langen Pier 39 am östlichen Ende waren mehr als 100 Geschäfte und 10 Restaurants untergebracht. An den Straßen reihte sich ein Seafoodstand an den anderen, wo die Kostbarkeiten aus der Bay von Shrimps über Krabben bis zu Krebsen frisch angeboten wurden, alles was das Meer hergibt. Eine besondere Attraktion waren die Seelöwen, die sich am Pier niederließen, so dass man sie aus nächster Nähe bestaunen konnte. „Hier wird Seafood hauptsächlich frisch verkauft, das Restaurant dafür ist eine reine Touristenbude“, entschied meine Strahlende, „ich weiß etwas besseres“, und führte mich zu einer kleinen Bucht am Pier 45, wo fünf Seafood-Restaurants miteinander wetteiferten. Vor einem sagte sie, das sei so gut, dass sie einen Tisch vorbestellt hätte, es war wirklich bis auf den letzten Platz besetzt. Wir hatten einen schönen Platz an Wasser und meine Strahlende verwehrte mir den Blick auf die Speisekarte, sie würde das Geeignete für uns auswählen. Als Vorspeise orderte sie eine Fischbouillon und danach für jeden einen Hummer, dazu tranken wir einen spritzigen kalifornischen Weißwein. Nach einer französischen Mousse au Chocolat gab es noch Kaffee und einen Cognac. Als Li-Ming die Rechnung bezahlte, begriff ich, warum ich nicht in die Speisekarte schauen durfte, es war ein horrender Betrag und ich bedankte mich liebevoll bei meiner Gastgeberin für das vollendete Menü in dieser schönen Umgebung. Erst spät waren wir wieder in ihrer Wohnung und ließen den Tag wunderschön ausklingen.
Am Samstag ließen wir uns Zeit mit dem Aufstehen. Als wir dann endlich aus dem Bett gefunden und schmackhaft chinesisch gefrühstückt hatten, sprach Li-Ming das Thema an, wie es mit uns weiter gehen sollte. „Ich habe mit dem Aufbau des Lehrstuhls hier gut zu tun und muss dafür sicherlich auch eine Zeit in meiner Heimat verbringen. Wenn du auch an diesem Thema weiterarbeiten wirst, könnten wir manches zusammen unternehmen. Ich denke, dein Chef hat dich nicht zum Vergnügen hierhergeschickt, sondern weil er mit dir Ähnliches vorhat. Was meinst du dazu?“
Ich hatte mich ja über den Auftrag gefreut, an dem Symposium teilzunehmen, aber die mögliche Zukunft nicht so klargesehen wie meine Freundin. „Ich muss sehen, was an meiner Universität aus der Reise gemacht wird“, antwortete ich nachdenklich. „Wenn du Recht hast, sollten wir auf jeden Fall so viel wie möglich gemeinsam unternehmen. Für unsere Liebe wäre das bestimmt sehr positiv. Sobald ich Näheres weiß, gebe ich dir Bescheid und wir können dann weiter planen.“ Li-Ming hatte sich schon eine Strategie zurechtgelegt, wie sie vorgehen wollte und ich fand sie gut. Nach einigen Vorbereitungen hier wollte sie in spätestens vier Wochen für eine Weile nach China reisen und würde sich freuen, wenn ich sie begleiten könnte. „Das könnte für mich etwas zu schnell sein“, wand ich ein, „aber ich werde gleich übermorgen versuchen, Klarheit zu bekommen.“ „Das sollte erst mal genügen“, meinte meine Strahlende, „ich werde dich jetzt zum Flughafen bringen. Dort können wir ein vorerst letztes Mal gemeinsam essen und dann werde ich dich am Gate abgeben.“ Wir hatten ein gutes Menü und küssten uns danach am Gate voller Leidenschaft, dann waren wir getrennt.