Читать книгу Gegen die Vergangenheit - Ernst Meder - Страница 8

4. Kapitel

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Die Veränderung war ihm anzusehen, aber anders als erwartet, er war nicht niedergeschlagen, traurig oder wütend, nein er lächelte permanent wie ein Idiot. Sein Verhalten ließ nur einen Schluss zu, nicht die Nürnberger Gesetze hatten diese Änderung herbeigeführt, er musste sich verliebt haben, nur in diesem Zustand verhielt man sich so irrational, wie dieser jüdische Chemiker. Die Frau, er musste unbedingt wissen, was für eine Frau dahinter steckte, die innerhalb kürzester Zeit einen derart gravierenden Einfluss auf ihn genommen hatte.

Natürlich hatte er Zuträger in der jüdischen Gemeinde, Leute, die aus unterschiedlichen Gründen bereit waren, ihre Glaubensgenossen zu verraten. Aber das war deren Problem, weshalb sollte er sich Gedanken darüber machen. Seine Druckmittel, über die er verfügte, waren so überzeugend, dass keiner seiner Vertrauensleute gewagt hätte, sich dagegen aufzulehnen.

Den Auftrag, den er erteilte, war eindeutig, er wollte alles wissen, was diese Frau betraf, außerdem wollte er wissen, seit wann die beiden zusammen waren. Sicher war er nur bei einer Sache, sie musste Jüdin sein, so wie er den Chemiker einschätzte, hätte dieser sich niemals an eine Deutsche herangewagt. Die Rückmeldungen, die er erhielt, waren nicht sonderlich beunruhigend, führten aber auch nicht dazu, dass er sich zurücklehnen konnte, um abzuwarten, was zwischen den Beiden geschah.

Die Geschwindigkeit, mit der die Beiden plötzlich heiraten, überraschte ihn trotz seiner Kontakte sowie seinen Informanten. Nach einiger Zeit war allerdings wieder so weit Normalität eingetreten, dass sich seine Beunruhigung legte.

Natürlich wurde ihm berichtet, dass die Produktion sowie der Verkauf der Naturkosmetik sich nach und nach steigerte, seit seine Frau den Vertrieb übernommen hatte. Allerdings hatte er hier in dem Unternehmen durchaus Einblick gewonnen, dass Forschung immense Kosten verursachen konnten.

Bestimmt hatte die Steigerung der Produktion mit dem Ansteigen der Kosten bei der Forschung zu tun. Sollte er doch investieren, je mehr dieser investierte, desto umfangreicher würden die Ergebnisse sein. Sein Interesse lag in der Förderung dieses Chemikers, deshalb hielt er seine schützende Hand über ihn, damit diesem nicht ungewollt etwas geschah.

Sein Freund Fritz, der inzwischen Karriere im Schnelldurchlauf genossen hatte, sprach ihn bei einer Feier der Partei, die sie gemeinsamen aufsuchten, auf seinen geschützten Zögling an. Auch er war über die seltsame Konstellation, Parteigenosse schützt Juden, informiert worden, hatte dies gegenüber anderen Parteigenossen aber stets verteidigt. Nun wollte er allerdings darüber informiert werden, warum und weshalb es zu diesem ungewöhnlichen Sachverhalt gekommen war.

Diese Situation hatte er seit Langem erwartet, dass sein Freund mit der Aufgabe betraut worden war, ihn auszuforschen, erleichterte diese Aufgabe ungemein. Hier konnte und wollte er mit offenen Karten spielen, ihm die Situation in aller Ausführlichkeit erläutern.

Fritz, wir haben da ein Genie, keiner in der Firma hat das Potenzial dieses Chemikers erkannt, bis auf den Eigentümer, aber der hat kein weitergehendes Interesse als seine Firma. Aber ich habe es erkannt, nachdem ich zuerst versucht habe ihn herauszudrängen, dabei am Eigentümer gescheitert bin, habe ich mich mit ihm auseinandergesetzt.

Bist Du jetzt zum Judenfreund mutiert, spöttelte Fritz, wobei er seinen Freund zynisch ansah.

Du müsstest mich besser kennen, dass dem nicht so ist, klagte Helmut Bloch mit seiner energischsten Stimme, auch wenn er die Lautstärke wegen seiner Umgebung reduzierte. Aber irgendwann in näherer Zukunft werden wir in ein Zivilleben, ohne Unterstützung der Partei, zurückkehren, dann werden wir eine berufliche Perspektive benötigen. Hier nun haben sich meine Überlegungen und Interessen mit den Interessen dieses Chemikers überschnitten.

Der Zynismus war aus dem Gesicht seines Freundes gewichen, nun war erkennbar Zorn und Wut sichtbar, willst Du damit sagen, dass es Übereinstimmungen zwischen Arier und Juden gibt, zischte er mit offensichtlichem Widerwillen.

Diese Vorstellung schien seinen Mageninhalt nach oben zu treiben, die einzige Missfallenskundgebung, die noch fehlte, war ein abfälliges Ausspucken. Helmut Bloch spürte, jetzt musste er sich mit seiner Erklärung beeilen, bevor das Missverständnis nicht mehr zu kitten war.

Du hast das missverstanden, mit leiser beschwörender Stimme fuhr er fort, ich möchte, dass der Jude die Erfindungen, die sich noch in seinem Kopf befinden, erforscht um den Nachweis der Nützlichkeit zu führen. Wenn er so weit ist, werde ich da sein, werde mir das Ergebnis seiner Forschung aneignen, diese dann in einer Firma umsetzen.

In diesem Moment werde ich Deine Hilfe benötigen, wir müssen uns sein Wissen aneignen, patentieren und ihn für immer verschwinden lassen. Es darf keinen Zweifel daran geben, dass wir die alleinigen Eigentümer dieser Patente sind.

Er machte eine Pause, die Reaktion seines Freundes würde über alles entscheiden. Würde dieser zustimmen, konnten sie reich werden, er war so sehr davon überzeugt, dass er das Leben des Juden darauf verwettet hätte. Käme es zu einer Ablehnung, kam es auf die Form der Ablehnung an, im besten Fall würde nur der Jude verschwinden, im schlimmsten Fall würde er als Judenfreund dessen Schicksal teilen.

Nervös betrachtete er seinen Freund, er war doch noch sein Freund, jetzt würde es sich entscheiden, was würde dieser jetzt sagen. Sollte er noch mehr erklären oder sollte er ihm die Zeit geben, die dieser offenbar noch benötigte.

Er rückte auf seinem Stuhl, dann beugte er sich zu ihm, ich bin mit zehn Prozent daran beteiligt, sonst möchte ich nichts damit zu tun haben. Wenn Du auffliegst, Dich jemand anschwärzt, dann bin ich außen vor, werde alles leugnen, was mich damit in Verbindung bringt.

Er war froh, dass sein Gegenüber die Steinlawine nicht hören konnte, die ihm vom Herzen fiel, wobei er versuchte, einen gleichgültigen Eindruck zu hinterlassen. Einverstanden, aber ich brauche Deine Hilfe trotzdem noch mal, Deine Horden sollen ihn, sowie seine Familie so lange in Ruhe lassen, bis sie ein Zeichen erhalten.

Was machst Du, wenn er ausreisen möchte, wenn er die Firma verlässt, damit sich Deiner Kontrolle entzieht.

Daran habe ich auch schon gedacht, zuerst wollte ich ihn mit seinen Eltern unter Druck setzen, aber meine Situation hat sich seit Kurzem verbessert. Der Jude hat nämlich geheiratet, die Zufriedenheit in seiner Stimme ließ nichts von seinen vorherigen Ängsten spüren.

Er hatte mehr geschwitzt, als er erwartet hatte, die Hoffnung und der Glaube ein Vermögen, ohne große Leistung zu erhalten, hatte ihm geholfen. Wäre Fritz aus einer reichen Familie gekommen, wäre Geld oder Vermögen keine Motivation zur Zurückhaltung gewesen, dann hätte er nach einem anderen Opfer suchen müssen.

Den Weg nach Hause trat er leicht angetrunken aber beschwingt an, hatte er doch den Rückhalt, den er bisher vermisst hatte, der ihm die Sicherheit gab, von einem mit Reichtum erfüllten Leben zu träumen.

Irgendwann in näherer Zukunft würden die Juden sein Heimatland verlassen, die unbewegliche Habe, wie Häuser, Geschäfte oder Fabriken würden aber hier bleiben. Er musste nur aufpassen, dass beim Verteilen des Kuchens auch bei ihm etwas hängen blieb. Er betrachtete die gesamte Situation realistischer als sein Freund Fritz, der sich kritiklos allem anschloss, was die Partei oder besser der Führer von sich gab.

Das tausendjährige Reich, von dem die Fanatiker träumten, das war für ihn irreal, aber zehn oder zwanzig Jahre, die traute er diesem Österreicher schon zu. In dieser Zeit musste er sich so viel angeeignet haben, dass er und eventuelle Nachfahren ausgesorgt haben würden.

Seinen Druck auf den Juden musste er unbedingt erhöhen, bisher hatte er nichts Substanzielles von dessen Forschung erfahren, keinen Hinweis, in welche Richtung dieser forschte. Er würde auf das neue Jahr warten, dann sollte dieser ihn kennen, wenn es nicht anders ging, auch fürchten lernen.

Die Weisung, während der Olympischen Spiele, keine offensichtlichen Handlungen gegen Juden zu begehen, war von höchster Stelle ausgegeben worden, schließlich sollte die Welt die Gastfreundschaft des Deutschen Reiches loben.

Er spürte die Lebensmittelknappheit ebenso wie alle anderen, auch wenn er sich, durch seine Verkäufe von Rohstoffen an den Juden, mehr leisten konnte als andere. Goebbels Propagandasprüche, dass die Lebensmittelknappheit im Deutsch Reich belanglos sei, weil „man zur Not auch einmal ohne Butter, nie aber ohne Kanonen auskommen könne“, galt zwar für alle, aber auch da gab es Ausnahmen, er gehörte inzwischen dazu.

Nachdem er ihm die zugesagten Rohstoffe verweigert, mehrfach die bereitgelegten Listen ignoriert hatte, sprach ihn der Jude in einem unbeobachteten Augenblick daraufhin an.

Sie haben gegen unsere Vereinbarung verstoßen, solange Sie ihren Verpflichtungen, mich über Ihre Forschung zu informieren, nicht nachkommen, werden Sie keine weiteren Rohstoffe oder sonstige Materialien für ihre Forschung erhalten.

Dieser hatte ihn so verwirrt angesehen, dass ihm klar geworden war, er hatte diesen Teil ihrer Vereinbarung offensichtlich verdrängt. Sie sollten mich über den Stand sowie über die Richtung in die Sie forschen informieren, ich überlege, ob ich ihr Privatlabor nicht melde, da Sie sich illegal Rohstoffe beschafft haben.

Damit haben Sie das deutsche Volk geschädigt, während das deutsche Volk hungert, haben sie sich Dinge beschafft, die Sie als Jude überhaupt nicht besitzen dürfen. Durch diese Schädigung des Deutschen Reichs werden Sie, aber auch Ihre Familie auf Grundlage des "Gesetzes zur Behebung der Not von Volk und Reich" in eines der Konzentrationslager verbracht. Dort können Sie mit Ihrer Familie in Ruhe über ihre Vergehen nachdenken.

Er hatte gehofft, dass diese Ansprache die erhoffte Wirkung zeigen würde, er sollte Angst bekommen, damit er künftig freiwillig zu ihm kommen und seine Fortschritte melden würde. Das Erbleichen des Juden zeigte ihm, dass er genau das erreicht hatte, was in seiner Absicht gelegen hatte. Es konnte doch nicht sein, dass so ein Scheiß-Jude sich alles erlauben konnte, während dieser ihn ignorierte, ihn auf die Stufe eines profanen Lieferknechts reduzierte.

Seine anfänglich wenig ausgeprägte Abneigung gegenüber Juden wuchs mit jedem Vorgang, den diese verursachten, um ihn zu ärgern. Er hatte es ernsthaft in Erwägung gezogen, diese ganze Sippe verschwinden zu lassen, wenn er sich nicht noch Ergebnisse von ihm erhofft hätte.

Ich bitte Sie um Verzeihung, es lag keineswegs in meiner Absicht, Sie zu verärgern, aber ich bin doch erst am Beginn meiner Forschung.

Diese Winselei, seine erkennbare Angst, die Erkenntnis seine Grenzen überschritten zu haben, obwohl diese fließend waren, sich genau da befanden, wo er sie zog. Das war es, er konnte sich ein innerliches Grinsen nicht verkneifen, obwohl seine Mine keine Veränderung zeigte. Das war meine letzte Warnung, seine Stimme war gefährlich leise, trotzdem erschauerte dieser, als er sich die Folgen vor Augen führte.

Beim nächsten Mal werde ich die Konsequenzen ohne weitere Warnung vollziehen, wir können dann sehen, wie Ihrer Frau ein Aufenthalt in einem Konzentrationslager gefällt.

Abrupt wandte er sich ab, verließ das Labor, damit verbarg er die Häme, die sich auf seinem Gesicht breitmachte, obwohl niemand da war, der es hätte sehen können. Sollte er ruhig schmoren, umso bereitwilliger würde er in Zukunft seine Ergebnisse mit ihm teilen, er konnte dann bestimmen, zu welchem Zeitpunkt er dem ein Ende setzen würde. In seinem Belieben lag es, die Grenze dahin verschieben würde, wo sein Vergehen offenbar wurde.

Am nächsten Tag lag eine Beschreibung der beiden Hauptforschungsgebiete, die ihn besonders beschäftigten auf seinem Labortisch. Diese betrafen zum einen die Erforschung von Polychlorierten Biphenyle, wo er sich die Anwendung als Harze und Kunststoffe erhoffte, weitere Anwendungen waren möglich aber noch offen.

Das zweite Gebiet betraf die Erforschung von Polymeren, das Ziel seiner Forschung war, die Abhängigkeit von Naturkautschuk zu reduzieren, eine Art künstlichen Kautschuk zu erstellen.

Er hatte es gewusst, dieser Jude war ein Genie, auch wenn er nur auf einem Gebiet Erfolg haben sollte, so sah er bereits jetzt die Möglichkeiten, die sich ihm eröffneten. Trotzdem ließ er ihn noch eine Woche schmoren, bis er die Rohstoffe der letzten Liste an ihn weiterleitete.

Diese Drohung hatte gewirkt, endlich kamen die Berichte über seine Forschung, auch wenn diese wenig erfreulich waren. Aber damit hatte er gerechnet, aus Erzählungen war ihm durchaus bewusst geworden, dass häufig jahrelange Forschungen erforderlich waren, um endlich am Ziel anzukommen.

Die Juden spürten die Zurückhaltung wegen der ausländischen Gäste, erdreisteten sich, als sie nicht an den Wahlen teilnehmen durften, fühlten sich als Deutsche dritter Klasse. Auch die Besetzung des Rheinlandes, welches das Reich unbedingt brauchte, da die wesentlichen Firmen der Rüstungsindustrie dort angesiedelt waren, schien ihnen Angst zu machen. Allerdings erst, nachdem sie bemerkten, dass die Westmächte den Verstoß gegen den Schandvertrag von Versailles und Locarno duldeten.

Als ein Zeichen war die Ernennung von Göring zu sehen, als dieser als Beauftragter für Rohstoff- und Devisenfragen bestellt wurde, damit endlich die Abhängigkeit von ausländischen Rohstoffen verringert werden sollte. Jetzt musste sein Jude nur noch liefern, auch wenn er wusste, dass dieser noch Zeit benötigte.

Die Olympischen Spiele zeigten der Welt endlich ihre Überlegenheit, die Kraft und Freude bei jedem Sieg über ihre Gäste. Fritz hatte für jede Veranstaltung freien Eintritt, den er auch weidlich nutzte. Natürlich hatte er die Gelegenheit genutzt, als sein Gast die Wettkämpfe zu besuchen, dabei in der Nähe des Führers einen Platz zu erhalten.

Dann war er ihr begegnet, ihr, die ihm seinen Sohn schenken sollte, die ihn, wo immer sie konnte, unterstützen sollte.

Ilse war die Sekretärin von Fritz, begleitete ihn bereits seit zwei Jahren, während dieser zuerst bei der SA, später, nachdem Röhm ausgeschaltet war, bei der SS Karriere machte. Seine Nähe zu Himmler brachte bestimmt wertvolle Informationen, die immer sehr hilfreich sein würden.

Ilse war fünf Jahre jünger als er, wenn sie lachte, sah man die kleine Zahnlücke. Damit wirkte sie, als ob sie immer noch ein Mädchen von sechzehn Jahren sei, während ihre braunen blitzenden Augen sich über etwas freuten. Die kurzen braunen Haare flogen, wenn sie wie ein Wirbelwind alles durcheinanderbrachte, ihre gute Laune verbreitete, oder sich beim Tanz vergnügte.

Sie hatte ihm den Kopf verdreht, ihn verzaubert seinen bisherigen leichtenlebigen Lebenswandel von heute auf morgen abgestellt, ihn mit der Verantwortung geimpft, die er sich und seinem Führer schuldig war.

Mit diesem Tag hatte er sein Interesse an den Siegen der Olympioniken verloren. Jetzt starrte er nur auf diese Frau, die so ungezwungen jubelte, die deutschen Athleten anfeuerte, um dann in einem explosionsartigen Ausbruch die Siege deutscher Teilnehmer zu genießen.

Fritz, der amüsiert seinen Freund betrachtete, wie dieser seine Sekretärin anhimmelte, beschloss, die Prozedur des Kennenlernens zu beschleunigen, indem er beiden, getrennt voneinander, von der jeweiligen Zuneigung zueinander geheimnisvoll berichtete.

Er fand diese Ilse auch sehr anziehend, aber seine Elfriede hätte bei ihm sämtliche Extremitäten mit einem stumpfen Messer entfernt, sodass er lieber auf Vergnügungen außerhalb seiner Ehe verzichtete. Außerdem gönnte er seinem Freund diese hübsche Frau, die ihm bestimmt wunderbare arische Kinder schenken würde.

Eigentlich fand sie diesen Helmut Bloch ganz nett, vielleicht sah er etwas zu gut aus, mit seinen dunkelblonden Haaren, seiner klassischen Nase und seinem kantigen Kinn. Natürlich war ihr nicht verborgen geblieben, dass er sie nicht aus den Augen ließ, obwohl er das Interesse anderer Frauen auf sich zog. Aber dies stellte für sie kein Hindernis dar, schließlich wusste sie um ihre Vorzüge. Der einzigen Makel, den er aus ihrer Sicht hatte, er hatte sich gegen eine Parteikarriere entschieden, seine Unterstützung für den Führer schien auch nicht sonderlich stark ausgeprägt.

Aber wenn jemand dies ändern konnte, dann sie, schließlich hatte ihr Name einen ausgezeichneten Klang in der Partei, auch wenn sie mit ihrem Namensvetter Rudolf Heß nicht verwandt war. Seine plötzlich häufig auftretenden Besuche bei dem Parteigenossen Pieper waren mehr als aufschlussreich, da sein Aufenthalt in seinem Büro sich auf Minuten reduzierte, während er bei ihr Stunden verbrachte.

Seine Werbung schmeichelte ihr, aber auch wenn ihre Zuneigung fast ebenso groß wie seine zu sein schien, ließ sie ihn, auf Anraten ihrer besten Freundin, etwas schmoren, bevor sie sich mit ihm verabredete. Züchtig bestand sie darauf, dass er sie nach Hause brachte, wobei sie als äußerstes Zugeständnis, einen Kuss auf ihre Wange erlaubte. Ihre Zögerlichkeit machte ihn verrückt, seine Begierde wuchs mit jedem Treffen oder Tanzveranstaltung.

Als sie auf einer Heirat vor ihrem ersten Austausch von Körperflüssigkeiten bestand, regelte er dies in einer Geschwindigkeit, die sie in Erstaunen versetzte, ihr aber auch die Ernsthaftigkeit seiner Zuneigung zeigte. Im November heirateten sie, bei ihrer Hochzeit wurde ihnen als Geschenk ihrer Heimat das Buch „Mein Kampf“ ihres gemeinsamen Führers mit den besten Glückwünschen überreicht.

Endlich konnte er ihren nackten Körper genießen, spüren, wie fest ihre Brüste waren, sich in seine Hand schmiegten, während seine Erregung schier ins Unermessliche stieg. Als es endlich so weit war, überraschte ihn ihre Leidenschaft, mit der sie sich beteiligte, war sie doch unberührt mit ihm vor den Altar getreten.

Ihre Glut, ihr Verhalten war die einer erfahrenen Frau, wenn sie sich unter ihm wand oder auf ihm reiten wollte. Die Explosivität ihres Orgasmus riss ihn so mit, dass er zuerst überrascht von ihrem Ausbruch war, dann verwundert ihren Schrei dabei hörte.

Mein Führer, mein Führer explodierte es aus ihrer Kehle, während sie ihre Anstrengungen erhöhte, um ihre Lust zu steigern. Dabei wurde dieser Ruf immer lauter und lauter je näher sie sich ihrem Höhepunkt näherte um dann nur noch Führer, Führer, Führer zu wimmern. Mit dem Abklingen des Orgasmus sank sie zitternd und kraftlos auf seine Brust, um sich langsam von ihrer körperlichen Anstrengung zu erholen.

Als er sie fragte, weshalb sie nach dem Führer rufen würde, wenn sie zu ihrem Höhepunkt kam, blickte sie ihn mit großen Augen an. Dann fragte sie ihn mit verständnislosem Ausdruck, was sie angeblich gerufen haben solle. Nichts war in ihrem Bewusstsein geblieben, sie hatte ihre orgiastischen Ausrufe nicht realisiert so versunken war sie in ihrer Ekstase.

Ihr Ruf der Erregung war ihr besonderes Merkmal, auch später, als dieser Ruf nicht mehr opportun war, hatte sie sich ihren Ruf nach dem Führer bei besonderer Erregung erhalten. Dies sollte bei einigen späteren Gelegenheiten zu Missverständnissen respektive zu falschen Verdächtigungen führen. Nach der ersten Irritation empfand er dieser Lustschreie seiner Frau besonders stimulierend, sie sorgten für eine besondere Form des Koitus, wie er es bei anderen Frauen vorher als auch später nie wieder erlebt hatte.

Dem Wunsch, ihrem geliebten Führer Kinder zu schenken wollte sie erst später nachkommen, zuerst sah sie ihre Aufgabe darin, sich um den Aufbau des Deutschen Reichs verdient zu machen. Fritz, der ihre Kompetenz in allen nahestehenden Fragen schätzte, sie geradezu drängte, weitergehende Aufgaben zu übernehmen, hatte die repräsentativen Aufgaben seiner Abteilung übernommen. Währenddessen versorgte ihn Ilse mit den neuen Aufgaben und Richtlinien, die zum Schutze des Deutschen Reichs erforderlich wurden.

Ihrem Drängen hatte es das Reich zu verdanken, dass Himmler endlich gegen diese unseligen Homosexuellen vorging, dieses sogar mit zu der vorrangigen Aufgabe der Polizei machte. Seine Ilse hatte das Zepter in seinem Haushalt übernommen, sie wurde ihm zu einem Quell der Freude, sexuell, sowie des Ansporns, beruflich und politisch.

Ilse drängte ihn, darauf zu achten, dass er ebenfalls zu dem Bereich der Begünstigten gehörte, wenn Juden das Reich verlassen wollten, dabei ihre Häuser und Geschäfte zurücklassen mussten. Als ihr Reichsführer von der „Entjudung des Reichs“ gesprochen hatte, schien dies ein Aufbruchssignal für einige Juden, die keine Zukunft für sich im Reich sahen. Sollten sie doch alle gehen, Ilse sagte dies bei einer kleinen Familienfeier bei den Piepers, während sie auf das große Unglück verwies, welche die Weltverschwörung der Juden verursacht hatte.

Dann entwickelte sie einen Gedanken, der schon längere Zeit in ihr gegoren haben musste, denn sie überzeugte ihren Mann ebenso wie ihren Vorgesetzten, dass man doch davon profitieren könne. Schließlich war Fritz doch in der Position dies zu steuern und zu beeinflussen. Dabei entwickelte sie folgenden Plan, immer wenn ein Jude das Reich verlassen wollte, musste er eine Ausnahmegenehmigung beantragen. Diese konnte Fritz genehmigen, wenn dieser seine Besitztümer zurücklassen würde, oder versagen, wenn dieser dem Reich Schaden zufügen wollte.

Hier nun kam ihr Gatte zum Vorschein, nach der Information von Fritz, sollte er dem Juden ein unverschämtes Angebot machen. Dabei konnte er erwähnen oder darauf hinweisen, dass sein Angebot von Tag zu Tag geringer werden würde, wenn es abgelehnt würde. Außerdem solle er ihm sagen, dass seine Ausreise abgelehnt werden würde, wenn er nicht an ihn verkaufen sollte. Triumphierend hatte sie hinzugefügt, sie haben keine Möglichkeit sich zu wehren, wir werden ihnen Feuer unter ihrem Hintern machen.

Natürlich sollten sie nur die ganz besonders wertvollen Häuser kaufen, die ihnen dann gemeinsam gehören würde, die anderen, weniger interessanten Immobilien konnten auf andere Parteigenossen aufgeteilt werden. Sie wollte damit ihre schlimmsten Kritiker ruhigstellen, außerdem sollte vermieden werden, dass Neid ihnen ihr Geschäftsmodell torpedierte.

Mit Interesse und Stolz verfolgten sie die Wiedererstarkung ihrer Heimat, die dank ihres Führers begann, die Folgen der Reparationen aus dem Versailler Vertrag zu überwinden. Den ersten Schritt hatte er bereits im Vorjahr gemacht, als er das Rheinland besetzte. Die Reaktionen der Versailler Unterdrücker hatten gezeigt, dass diese das Deutsche Reich wieder als ernsthaften Rivalen wahrgenommen hatten.

Die Prüfung der Luftwaffe erwies sich als äußerst erfolgreich bei der Unterstützung ihres spanischen Verbündeten Franco, als das deutsche Flugzeuggeschwader der Legion Condor in einem dreistündigen Bombenangriff die nordspanische Kleinstadt Guernica zerstörte.

Sie waren wieder wer, ihre raffgierigen Nachbarn, die sich am geschwächten Reich nach dem ersten Krieg bedient hatten, sollten sich in acht nehmen. Fritz hatte Ilse von einer geheimen Weisung ihres Kriegsministers von Blomberg erzählt, der begonnen hatte die Armee auf den Krieg vorzubereiten.

Als sie vor Weihnachten wieder einmal bei den Pfeifers eingeladen wurden, die Geburtstagsfeier von Fritz war wieder mal fällig, begann Ilse, dass dies doch ein günstiger Zeitpunkt sei, um sich zurückzuerinnern. Welche Ziele erreicht wurden, welche Ziele im nächsten Jahr mit mehr Energie neu begonnen werden sollten.

Als Erfolg wurde gewertet, dass Elfriede und er gemeinsam drei Mietshäuser zu einem ausgesprochen günstigen Preis hatten ankaufen können, obwohl diese, sich doch in einer besonders gesuchten Lage befanden. Für alle drei Häuser hatten sie eintausenddreihundert Reichsmark bezahlt, diese stellten allerdings einen Wert von annähernd vierzigtausend Reichsmark dar.

Dann begannen sie sich über ihn lustig zu machen, über seinen Juden, der ihn überlistete, sich immer wieder die Schlinge vom Hals nahm, von der er glaubte, ihn damit zu führen. Nie wirst Du etwas von den Erfindungen sehen, der Jude hat bestimmt schon etwas gefunden, er wird es Dir aber nie geben.

Dann fragte Fritz ihn, soll ich ihn verschwinden lassen, ich kann ihn nach Oranienburg bringen lassen, da hat er Zeit darüber nachzudenken. Gib mir noch das nächste Jahr, wenn wir uns wieder zu Deinem Geburtstag treffen, werde ich entscheiden, was mit ihm geschieht.

Die Zeit des Juden war ab jetzt endlich, spätestens am fünfzehnten Dezember, in genau zwölf Monaten, würde das Schicksal über ihn entscheiden. Er sollte besser erfolgreich sein, ein Ergebnis seiner hoffentlich erfolgreichen Forschung vorlegen, sonst würde er Weihnachten in Oranienburg verbringen. Eigentlich war das Ergebnis gleichgültig, früher oder später würde er sowieso da landen.

Als Glücksfall für ihre gemeinsame Immobilienfirma erwiesen sich die Änderungen bei den Zulassungsverordnungen für Ärzte und Zahnärzte. Mit dem Verlust ihrer Zulassung stieg die Zahl der Ausreisewilligen, die bereit waren ihre wertlos gewordenen Immobilien zu veräußern. Ilse brachte Listen aus dem Büro mit, in welcher sie die ausreisewilligen Juden sowie ihre Immobilien aufgeführt hatte. Gemeinsam trafen sie eine Auswahl der Objekte, die sie zu kaufen beabsichtigten, danach wurde er tätig, indem er die Ausreisewilligen überzeugte, zu seinem Angebotspreis zu verkaufen.

Als besonders nützliches Hilfsmittel erwiesen sich die neu eingeführten Schutzhaftbestimmungen wonach „alle volks- und staatsfeindlichen Personen" sofort inhaftiert und in Konzentrationslager gebracht werden konnten. Nur staatsfeindliche Personen weigerten sich zu verkaufen, allerdings nur so lange, bis sie verhaftet wurden. Danach konnte der Verkauf sehr schnell und ohne weitere Komplikationen vollzogen werden. Natürlich war inzwischen der Preis gesunken, schließlich waren bereits Kosten durch die Verhaftung entstanden.

Ilse hatte ihn verlassen, sie war mit Fritz in das endlich heimgekehrte Heimatland ihres Führers gefahren, wo sie, nach dem offiziellen Anschluss, versuchten, die Strukturen aufzubauen, wie sie im Reich bereits bestanden. Außerdem waren Kontakte aufzubauen, da auch hier mit einer baldigen Ausreisewelle von Juden zu rechnen war. Mit der Übernahme der staatlichen Einrichtungen durch deutsche Behörden hatte Fritz auch hier die Möglichkeit, seine bereits in Berlin funktionierenden Ausreiseprozeduren einzuführen.

Als vertrauenswürdigen Stellvertreter ernannte er Wilhelm Rogge, den er bei Parteiversammlungen in Nürnberg kennengelernt hatte, der sich für seine Beförderung in der Zukunft immer dankbar erwies. Fritz und Ilse hatten ihn überzeugt, die bereits erprobten Vorgehensweisen zu übernehmen, dabei natürlich seine Förderer bei der Ausreise von Juden mit Häusern in Wien oder anderen großen Städten zu berücksichtigen.

Als sie nach acht Wochen wieder zu Hause eintrafen, wussten sie ihre Anlaufstelle im fernen Wien gut bestellt, jetzt brauchten sie nur auf die Ergebnisse warten, die dieser Rogge melden würde. Er hatte sie vermisst, von ihren Rufen nach dem Führer geträumt, ihren nackten Körper immer wieder im Bett gesucht, wenn er nach einem feuchten Traum aufgewacht war.

Ihre äußerliche Veränderung, seit ihrer Reise nach Wien trug sie eine Uniform, hatte nichts an ihren sexuellen Begierden geändert. Nach ihrer Rückkehr hatten sie drei Tage ausschließlich im Bett verbracht, diese nur durch kurze Nahrungsaufnahmen unterbrochen. In diesen Tagen hallten ihre Rufe nach dem Führer durch die Wohnung und das Haus, dass sogar die Nachbarn ihre Anwesenheit nicht überhören konnten.

Sie hatten den Sommer genossen wie noch nie in ihrem Leben, ihr persönliches Glück ging einher mit der Entwicklung ihrer Heimat. Nach Österreich hatte sich auch das Sudetengebiet ihrem Reich angeschlossen, wobei Ilse von dem Verhandlungsgeschick ihres Führers schwärmte.

Auch schien die Forschung seines Juden Fortschritte zu machen, bei seinen Anforderungen zeigte sich ein neuer Optimismus. Ein Gefühl, dass er diesem Juden nicht zugetraut hatte, sollte diesem tatsächlich ein Durchbruch gelungen sein, bald würde er es wissen.

Es war ihnen gerade gelungen, ein kleines Haus in Schmargendorf günstig zu erwerben, ein jüdischer Arzt hatte nach dem Entzug der Approbation aufgegeben, hatte seine Ausreise beantragt. Seiner Überzeugungskraft war es zu verdanken, dass dieser sein Haus für fünfhundert Reichsmark an ihn verkauft hatte.

Als er davon überrascht wurde, dass Ilse ihm von dem Attentat in Paris erzählte, wo dieser Legationssekretär vom Rath von einem Juden angeschossen worden war. Sie empörte sich zwar über das Attentat, meinte aber auch, dass dieser vom Rath das verdient habe. Die Gerüchte aus Paris besagten, dass dieser vom Rath homosexuell war, sogar ein abartiges Verhältnis zu diesem Juden gehabt haben soll.

Der hat das verdient, wer so abartig veranlagt ist, hat jegliches Recht auf ein Leben in unserem Deutschen Reich verwirkt. Diese Aussage klang so gar nicht nach ihr, dies hörte sich eher nach interner Propaganda an, die natürlich nie öffentlich gemacht werden durfte.

Die Strafe für dieses Verbrechen kam postwendend durch das aufgebrachte Volk, die natürlich etwas durch die SA, die Polizei oder andere Organisationen unterstützt wurden, als sie jüdische Geschäfte und Synagogen zerstörten. Aber dies hatten sich diese Juden selbst zuzuschreiben, waren sie doch, die diesen Attentäter aufgehetzt hatten, diesen abscheulichen Mord zu begehen.

Dieser Vorfall hatte seinen Juden wohl aufgeweckt, plötzlich hatte er die Absicht mit seiner Frau auszureisen, was glaubte dieser Jude denn, weshalb ihm bisher nichts passiert war. Er hatte darauf geachtet, dass ihm nichts geschah, dass man ihn wichtig für die Aufrüstung eingestuft hatte, nun wollte er sich mit seinen Erfindungen davonmachen, ihn der Lächerlichkeit preisgeben. Seine Investition in ihn würde Früchte tragen, dafür würde er sorgen, der Antrag lag zwar vor, aber erst seine Zustimmung hätte die Ausreise ermöglicht.

Er zitierte ihn in sein Büro, forderte ihn mit leiser Stimme auf, sich zu setzen. Vorher hatte er lange überlegt, ob Schreien besser sein würde, dann jedoch entschieden, dass eine Drohung leise vorgebracht, doch gefährlicher wirke, als wenn er geschrien hätte. Dazu nahm er einen Zettel vom Tisch, deren Bedeutung sein Gegenüber nicht erkennen konnte, dass einzige, was er darauf sah, war der Name, Rachel Goldberg stand in der ersten Zeile dieses Dokuments. Das Blut wich aus seinem Gesicht, kalkweiß starrte er auf die Hand, die ruhig das Blatt hielt.

Dies ist eine Anweisung an die Gestapo, Ihre Frau wegen volksfeindlichem Verhalten in das Konzentrationslager Oranienburg zu überstellen, wenn Sie weiter auf ihrem Ausreiseantrag bestehen, der im Übrigen nie genehmigt wird.

Mit zittriger Stimme, eigentlich war es nur ein Krächzen, fragte er, was hat meine Frau gemacht, weshalb soll sie verhaftet werden.

Innerlich triumphierte er, war jetzt ganz ruhig, er hatte ihn dahin manövriert, wo dieser Jude keinen Ausweg mehr sah, nun musste er ihm nur noch den letzten Funken von Hoffnung nehmen. Ihre Frau hat, eine jüdische Creme an arische Geschäfte geliefert und verkauft, ohne dass diese als jüdisch gekennzeichnet war. Ihre Frau hat deutsche Frauen betrogen, sollte er ihm sagen, dass auch Ilse diese Creme benutzte. Mit hohntriefendem Spott fuhr er fort, nach geltendem deutschem Recht gibt es dafür nur eine Strafe, mehr brauchte er nicht hinzufügen.

Interessiert sah er auf seinen Juden, Tränen liefen ihm über das Gesicht, während seine Schultern, nach vorne sanken. Dann begannen diese in dem Rhythmus zu beben, wie sein gesamter Körper durch den Weinkrampf geschüttelt wurde. Er gab ihm Zeit, er war sicher, dieser war intelligent genug, um von selbst auf die Lösung des Problems zu kommen, wenn er sich seiner Ausweglosigkeit bewusst geworden war.

Die Frage war durch das Schluchzen fast nicht zu verstehen, erst als er den fragenden Blick sah, wiederholte er mit gefassterer Stimme, was verlangen Sie von mir, was soll ich tun.

Aber Sie wussten doch genau, dass Sie nicht von ungefähr so ungefährdet forschen können, ohne dass eines Tages eine Rechnung auf Sie zukommt. Es muss Ihnen doch bewusst gewesen sein, dass ich Ergebnisse aus meiner Duldung erwarte. Bis heute haben Sie mir weder den tatsächlichen Stand ihrer Forschung mitgeteilt, noch haben Sie mir genau gesagt, in welchen Stadium ihrer Forschung Sie sich gerade befinden.

Ich gebe Ihnen alle meine Unterlagen, die Ergebnisse meiner Versuchsreihen, alles, woran ich geforscht habe, sowie alle meine Ergebnisse, wenn wir ausreisen dürfen. Mit hektischer Stimme fuhr er fort, bei der Erforschung der synthetischen Polymere ist mir ein Durchbruch gelungen. Als er den fragenden Blick sah, dem synthetischen Kautschuk, bei den polychlorierten Biphenylen bin kurz davor. Hoffnungsvoll blickte er auf diesen Helmut Bloch, es konnte doch nicht sein, dass dieser sich so verändert haben sollte.

Als er das harte mitleidlose Aufblitzen in den Augen erblickte, wusste er, dass er sich keine Hoffnung zu machen brauchte, dieser Mann würde niemals zulassen, dass sie ausreisen konnten. Wenn er nicht ausreisen konnte, so wollte er erreichen, dass wenigstens Rachel ausreisen durfte, dafür gab es schließlich einen Grund. Er setzte sich gerade, drückte sein Rückgrat durch, denn nun musste er den Kampf seines Lebens kämpfen, sollte er verlieren, wären sie alle verloren.

Mit der Empfindung, dass es ausschließlich um das Leben von Rachel ging, hatte er wieder die Gewalt über sein Verhalten übernommen, dieser Nazi sollte spüren, dass es nicht einfach werden würde.

Ich werde Ihnen die Ergebnisse meiner Forschung nur aushändigen, wenn meine Frau in ein Land ihrer Wahl ausreisen darf, sollten Sie meine Frau verhaften werden Sie nichts von meinen Ergebnissen erhalten.

Erstaunt blickte ihn Bloch an, hatte dieser kleine Jude eine Wandlung vollzogen, die ihm entgangen war, wie konnte er plötzlich so widerborstig sein. Wollte dieser ihn erpressen, ihm drohen, er würde ihm zeigen wer die Macht hatte seine Forderungen durchzusetzen.

Alle Ergebnisse befinden sich in meinem Kopf, wenn sie meine Frau nicht ausreisen lassen, werden diese auch dort verbleiben, glauben Sie mir, Sie werden nichts erfahren.

Mit einem Mal wirkte dieser Jude so glaubwürdig, dass er keinen Moment zweifelte, dass dieser, was auch immer, etwas wahr machen würde, damit er nicht an die Ergebnisse kam. Nachdenklich beugte er sich über das vor ihm liegende Blatt, es war ein Formular aus der Personalabteilung für die Bewertung von Mitarbeitern, dann hob er entschlossen seinen Kopf.

Ihre Frau hat zwei Tage Zeit das Land zu verlassen, sie darf kein Vermögen mitnehmen, wenn sie nach zwei Tagen noch im Reich ist, wird sie verhaftet. Sie werden mir ihren Pass übergeben, außerdem möchte ich die bisher erreichten Ergebnisse bis morgen in Schriftform, damit ich ein Patent anmelden kann. Außerdem werden Sie die noch nicht beendete Forschung beenden, dieses Ergebnis ebenfalls patentfähig übergeben.

Ruhig stand er auf, sein Ziel, Rachel aus dem Land zu bekommen, war soeben durch diesen Bloch genehmigt worden. Seine Zusagen würde er einhalten, dessen war er zwar nicht sicher, aber noch hatte er ein paar der Trümpfe in der Hand, diese musste er nun geschickt ausspielen. Eine weitere Diskussion war ebenfalls überflüssig, die Art wie er das gesagt hatte ließ keinen Zweifel offen, eine nachträgliche Verhandlung war ausgeschlossen, alles was gesagt werden musste war gesagt.

Ohne Umwege fuhr er nach Hause, seine schwierigste Aufgabe lag noch vor ihm, er musste Rachel überzeugen, das Deutsche Reich, ihre gemeinsame Heimat seit ihrer Geburt, ohne ihn zu verlassen.

Außerdem würde sie ihre Eltern zurücklassen müssen, ihr Vater hatte mehrfach betont, dass er seine Heimat niemals verlassen würde, ihre Mutter hatte nur zustimmend genickt, wobei sie seinen Arm bestätigend gedrückt hatte. Mit großen Augen blickte sie ihn erstaunt an, als er zu dieser ungewohnten Zeit nach Hause kam, erst ein Blick sein Gesicht zeigte ihr, dass etwas Schlimmes ereignet haben musste.

Die Geburtstagsfeier von Fritz fand dieses Mal in seinem neuen Haus in Dahlem statt, dieses hatten sie wieder einmal günstig erwerben können, als ein Industrieller lieber auswandern, als alles verlieren wollte. Dass dieser Industrielle Jude war, musste ein Zufall sein, scheinbar hatten die Juden ihre Fähigkeit, gewinnbringende Geschäfte zu vereinbaren, in letzter Zeit verloren, wie sonst wäre so etwas möglich.

So, oder zumindest so ähnlich hatte sich Elfriede etwas spöttisch geäußert, als der Kaufvertrag über das Anwesen geschlossen wurde.

Als einzige Person hatte er Ilse davon erzählt, ihr seine Patentschrift gezeigt, auf die er so große Hoffnungen setzte, auch die Ausreise von Rachel Levy hatte er erwähnt, die genauen Zusammenhänge allerdings verschwiegen. Sie brauchte nicht zu wissen, dass sein Jude erst nach massiver Drohung bereit gewesen war, sein Wissen preiszugeben.

Fritz nickte anerkennend, als er von der Übergabe erfuhr, hatte aber kein Interesse daran, da er überzeugt war, dass die jüdische Rasse nicht in der Lage war, etwas Sinnvolles hervorzubringen. Die Entwicklung ihrer gemeinsamen Immobiliengesellschaft bereitete ihm allerdings Freude, als er vernahm, dass sie, neben ihren Privathäusern, inzwischen über neun Wohnhäuser in Berlin, drei in Wien sowie eins in Salzburg verfügten. Ein erfreuliches Jahr, in jeder Beziehung, neigte sich dem Ende entgegen.

Gegen die Vergangenheit

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