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Forschung am seidenen Faden

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Charles Augustin de Coulomb (1736–1806) und das Grundgesetz der Elektrostatik


Charles Augustin de Coulomb, französischer Ingenieur * 14. Juni 1736 in Angoulême23. August 1806 in Paris

Seit undenklichen Zeiten benutzen die Menschen für das Abwiegen von Gegenständen zwei Schalen, die an einem gemeinsamen Angelpunkt befestigt sind. In der einen Schale liegt die Ware, die gewogen werden soll, in die andere Schale kommen soviel geeichte Gewichte, bis beide Schalen im Gleichgewicht sind.

Für den Handel ist diese einfache Methode ausreichend genau. Was aber, wenn es darum geht, etwa das Gewicht eines menschlichenHaares zu bestimmen? Oder die Schwere eines Mehlstäubchens?

Es war ein französischer Offizier, der 1784 eine geniale Methode erfand, mit der geringste Anziehungs- und Abstoßungskräfte, ja sogar die Änderung des Magnetfeldes gemessen werden konnten. Sein Name wird heute als Maßeinheit für die Elektrizitätsmenge verwendet.

Charles Augustin de Coulomb, geboren 1736 in Angoulême (Südfrankreich), war das einzige Kind eines hohen Regierungsbeamten in Paris. Die Ehe der Eltern war nicht gerade glücklich. Nach der Trennung von seiner Frau gab der Vater sein Amt als Inspekteur der Königlichen Domänen auf und zog sich auf den Familiensitz in Südfrankreich zurück, während die Mutter mit dem Sohn allein in Paris blieb.

Am Collège des Quatre-Nations zeigte der Junge gute Leistungen, vor allem in Mathematik. Die Mutter wollte, daß Charles Medizin studiert. Doch er widersetzte sich und bestand darauf, Ingenieur zu werden. Es kam zum Streit, zur Strafe für seinen Eigensinn entzog ihm die Mutter die Unterstützung. Charles mußte sein Studium am Collège Royal vorzeitig beenden, er zog zum Vater nach Montpellier. 1764 trat Coulomb dem Königlichen Ingenieurskorps der Armee bei und ließ sich in die Kronkolonie Martinique versetzen. Dort wurde er mit der Bauleitung von Befestigungsanlagen betraut.

Für seine Erfindung zum Ritter geschlagen

Nach acht Jahren Dienst im ungesunden Tropenklima der Antilleninsel erkrankte Kapitän Coulomb schwer und mußte in die Heimat zurückkehren. Kaum genesen, beteiligte er sich an einem Wettbewerb, den die Französische Akademie ausgeschrieben hatte. Die Aufgabe bestand darin, ein Instrument zu konstruieren, das den Schiffen auf hoher See eine genauere Kursbestimmung ermöglichte. Mit seinem in der Praxis geschulten, scharfen und kritischen Verstand und einem ausgeprägten Sinn für wissenschaftliche Methoden untersuchte Coulomb das Schwingungsverhalten von Kompaßnadeln. Mit der Konstruktion eines verbesserten Schiffskompasses gewann Coulomb den ersten Preis. Der neue Kompaß bewährte sich in der Praxis glänzend, der Erfinder wurde zum Ritter des Saint-Louis-Ordens geschlagen. Dieser Erfolg gab dem noch immer im Militärdienst stehenden, inzwischen zum Oberstleutnant beförderten Coulomb entscheidenden Auftrieb. In den folgenden Jahren veröffentlichte er zahlreiche weitere Abhandlungen über die Ergebnisse seiner Freizeitforschungen. Sie zeigten eine erstaunliche Bandbreite: Arbeiten über den Bau von Windmühlen, über die Bodenmechanik bis zur Theorie einfacher Maschinen. Er unterschied als erster zwischen gleitender und rollender Reibung. Mit Untersuchungen über die Belastbarkeit von Gewölben und Balken, besonders aber mit seiner noch heute gültigen Theorie des Erddrucks gegen Mauern legte er den Grundstein zur wissenschaftlichen Baustatik. Dank seiner Theorie wurde es möglich, Brücken mit gußeisernen Rundbögen und Spannweiten bis zu 30 m zu konstruieren. Coulomb gehörte schon bald zu den berühmtesten Brückenbauern der Welt.


Das Fort Royal auf der Insel Martinique. Hier arbeitete Coulomb als Bauleiter

Die SI-Einheit Coulomb

Die Maßeinheit Coulomb ist die Einheit der elektrischen Ladung und der Elektrizitätsmenge.

Definition: 1 Coulomb (C) ist die Elektrizitätsmenge, die bei konstantem Strom der Stärke 1 Ampere während der Zeit 1 Sekunde durch den Querschnitt eines Leiters fließt.

1 C = 1 A s (Amperesekunde)

Die Elektrizitätsmenge von 1 Coulomb entspricht 6,242 Trillionen Elementarladungen.

Mehrfach wurde Charles Augustin de Coulomb von der Regierung als Gutachter für technische Projekte herangezogen. Dabei zeigte er sich als unerschrockener und unbestechlicher Kämpfer, der zu seiner Überzeugung stand, auch wenn ihm dadurch Nachteile entstanden. Als er 1783 ein Gutachten über den Nutzen des Baus eines Kanals in der Bretagne zu erstellen hatte, hielt er mit seinem negativen Ergebnis nicht zurück, obwohl hochgestellten Personen viel an dem Bau lag. Coulomb mußte für eine Woche ins Gefängnis. Als er wieder freikam, wandte er sich weiter offen gegen das Unternehmen. Der Kanal wurde nicht gebaut.

Eine völlig neue Art des Wiegens

1784 untersuchte Coulomb das physikalische Verhalten von Haaren und Seidenfäden. Er bemerkte, daß schon äußerst geringe Kräfte ausreichten, um diese in ihrer Längsrichtung zu verdrillen. Noch wichtiger war die Erkenntnis, daß die Stärke der Drehung genau proportional zur einwirkenden Kraft war. Das brachte ihn auf eine völlig neue Art des Wiegens: An einem senkrecht aufgehängten Seidenfaden befand sich eine Querstange mit zwei Hohlkugeln. Etwas tiefer war ein Spiegel angebracht. Bei der Annäherung elektrisch geladener Gegenstände an die Hohlkugeln verdrehte sich der Faden. Das Maß für die einwirkende Kraft war an einem gespiegelten Lichtstrahl abzulesen. Mit Hilfe dieser »Drehwaage« konnten selbst kleinste Gewichte und Kräfte mit bemerkenswerter Genauigkeit gemessen werden.


Die Coulombsche Drehwaage (1785) Figur 1: Das Instrument Figur 2: Die Aufhängung des Seidenfadens Figur 3: Die am Faden befestigte Querstange, am dem einen Ende eine Hohlkugel, am anderen ein kleiner Spiegel, der einen Lichtstrahl an eine außen angebrachte Skala wirft Figur 4: Vorrichtung zum elektrostatischen Aufladen der Kugel Figur 5: Gegenladung

Mit der »Coulombschen Waage« wurde es nun möglich, exakte quantitative Messungen auf den verschiedensten Gebieten (Elektrizität, Magnetismus, Luftwiderstand) durchzuführen. Besonders für die Untersuchung der elektrischen Gesetzmäßigkeiten war die Drehwaage von allergrößter Bedeutung. Mit ihrer Hilfe stellte Coulomb das später nach ihm benannte Grundgesetz der Elektrostatik auf. Es besagt, daß die zwischen zwei elektrischen Ladungen wirkende Kraft proportional den beiden Ladungen und umgekehrt proportional dem Abstand der Ladungen ist (das »invers-quadratische Abstandsgesetz«). Haben die Ladungen gleiche Vorzeichen, stoßen sie sich ab, bei ungleichen Vorzeichen entsteht eine gleich große Anziehungskraft. Bemerkenswert ist die Tatsache, daß Coulomb für die Aufstellung dieses eminent wichtigen physikalischen Gesetzes lediglich drei Messungen benötigte. Er war nämlich überzeugt, daß hier eine Analogie zum Gravitationsgesetz vorliegen mußte. Nachdem die drei Messungen seine Vermutung bestätigt hatten, war für ihn der Beweis erbracht.

In den Jahren 1785 bis 1789 veröffentlichte Coulomb sieben weitere grundlegende Arbeiten auf den Gebieten Elektrizität und Magnetismus. Er zeigte, daß die Elektrizität an der Oberfläche eines geladenen isolierten Leiters lokalisiert bleibt und daß sie bei Berührung mit einem anderen Leiter infolge der elektrischen Abstoßungskräfte auf diesen übergeht. Die Funktion des Blitzableiters, der Elektrizitätsverlust an Spitzen und Kanten, die Herstellung künstlicher Magnete, all das waren neue Erkenntnisse, die das wissenschaftliche Gebäude der Elektrizitätslehre ungemein bereicherten.

Alle Ämter verloren

Aufgrund seiner wissenschaftlichen Verdienste genoß Charles Augustin de Coulomb in Frankreich hohes Ansehen. Der König ernannte ihn zum Kommissar für die Organisation des Unterrichtswesens, als Generalinspekteur war er für die Gewässer und Quellen im ganzen Land verantwortlich. Kurz nach Ausbruch der Französischen Revolution wurde er in eine wissenschaftliche Kommission berufen, welche die Aufgabe hatte, ein neues Maßsystem auszuarbeiten. Als Standardmaß für die Längenmessung hatte die Kommission den vierzigmillionsten Teil des Meridians festgelegt – das noch heute gültige »Urmeter«. Mitten in die Arbeit platzte die Weisung des Jakobinerführers Maximilien de Robespierre (1758–1794), alle königstreuen Wissenschaftler sofort aus der Kommission und dem Staatsdienst zu entfernen. Coulomb verlor alle seine Ämter und den gesamten Familienbesitz. Er floh aufs Land, in die Gegend von Blois, wo er, wenn auch mit Einschränkungen, seine Forschungen fortsetzen konnte. Hier untersuchte er die elektrischen Eigenschaften von Flüssigkeiten, er stellte Magnete aus Nichteisenmetallen her und entdeckte die bis dahin unbekannte Tatsache, daß ein Magnet beim Erhitzen auf 700 °C seine magnetischen Eigenschaften verliert.

Als Napoleon im Jahr 1799 an die Macht kam, rehabilitierte er den verdienten Wissenschaftler. Coulomb wurde in die Ehrenlegion aufgenommen und in das Institut Français gewählt. Coulombs Traum war es, die elektrischen Kräfte für den Menschen nutzbar zu machen, um die Effektivität der Arbeit zu erhöhen und die körperlichen Anstrengungen zu vermindern. Mit seinen Forschungen hatte Coulomb wichtige Grundlagen für den Bau elektrischer Maschinen gelegt. Die Realisierung seiner Ideen erlebte er jedoch nicht mehr. Kurze Zeit nach der Veröffentlichung seiner abschließenden Denkschrift über den Magnetismus starb er am 23. August 1806 im Alter von siebzig Jahren. Noch heute gilt er in Frankreich als der bedeutendste Ingenieur seiner Zeit.


Französische Briefmarke (1986), herausgegeben zum 250. Geburtstag von Coulomb


Postkarte zum Andenken an Charles A.Coulomb

Das Coulombsche Gesetz und was sich sonst noch alles mit dem Namen Coulomb verbindet:

Das Coulombsche Gesetz besagt, daß die anziehende oder abstoßende Wirkung (Kraft) zweier punktförmiger elektrischer (oder magnetischer) Ladungen proportional ist dem Produkt ihrer Größen und umgekehrt proportional dem Quadrat ihres Abstands.

Coulomb-Anregung: Anregung eines Atomkerns durch ein vorbeifliegendes geladenes Teilchen

Coulomb-Barriere oder Coulomb-Wall: den Atomkern umgebender Potentialwall

Coulomb-Effekt: Ausdruck aus der Atomenergie

Coulomb-Energie: Teil der Bindungsenergie eines Moleküls

Coulombmeter oder Coulometer: (veraltete) Einheit des elektrischen Dipolmoments, auch: elektrostatisches Meßgerät (Voltameter)

Coulomb-Kraft: zwischen zwei Ladungsschwerpunkten herrschende Zentralkraft

Coulomb-Potential: elektrisches Potential einer punktförmigen Ladung

Coulombsches Reibungsgesetz: physikalisches Gesetz der Reibung

Coulomb-Spaltung: eine Art der Kernspaltung

Coulomb-Streuung: auf Wechselwirkung beruhende Streuung geladener Teilchen

Coulomb-Wechselwirkung: Wechselwirkung geladener Teilchen

Coulometrie: elektrochemisches Analysenverfahren

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