Читать книгу Perry Rhodan 1880: Die Dscherro - Ernst Vlcek - Страница 5
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Оглавление»Koscha, Dscherro! Koscha!«, trieb Fellokk seine Leute durch den Tunnel voran.
Dies war für Fellokk bereits der sechste Einsatz in Terrania – und vielleicht war es auch sein letzter, denn die Situation spitzte sich zu. Die Terraner waren durch die vielen unerklärlichen Vorfälle in ihrer Stadt aufgeschreckt worden. Und sie wollten endlich wissen, was sich innerhalb der sogenannten Faktordampf-Barriere des Faktorelements verbarg.
Diese haarigen Weichlinge würden Augen machen!
Gleich bei der ersten Erkundung hatte Fellokk seinen Begleiter Acktim durch ein Ungeheuer aus dem Terranischen Zoo verloren. Nun hatte er nur noch Konnack und Schickor zur Seite. Er hätte sich Verstärkung besorgen können – jeder Dscherro wäre froh gewesen, ihn begleiten zu dürfen –, doch zwei Begleiter genügten ihm.
Fellokk bevorzugte es, auf unterirdischen Wegen nach Terrania zu gehen. Mit Chreschen wären sie zwar rascher und mobiler gewesen. Doch seit einige Dscherro gemeldet hatten, dass sie mit ihren Chreschen geortet worden waren, hatte Taka Poulones die Benutzung der Einmanngefährte verboten.
Es war jedoch nicht so, dass Fellokk sich an Poulones' Verbot hielt – er verachtete seinen Anführer. Er verzichtete lediglich auf die Benutzung von Chreschen, weil sie ihm zu unsicher waren. Die unterirdischen Tunnel boten da viel mehr Sicherheit. Hier war man vor Entdeckung absolut sicher.
Es gab unter der Megalopolis Terrania ein weitverzweigtes Netz von Anlagen, Tunneln und Kanälen, manche davon vergessene Relikte aus uralter Zeit – fast schon eine Stadt unter der Stadt –, die sich für die Unternehmungen der Dscherro bestens eigneten. Und wo es keine Tunnel gab, hatten die Dscherro ihre eigenen gegraben, wie jene, die als Verlängerung des mitgebrachten Höhlensystems aus dem Faktorelement hinausführten.
Schickor hätte durch sein Ungeschick beinahe diesen letzten Einsatz ihrer Gruppe vermasselt.
Sie hatten sich auf unterirdischen Wegen zu einem stillen Stadtteil im Osten von Terrania aufgemacht, in dem sie vorher noch nie gewesen waren. Fellokk war mit der Ortungshaube ausgerüstet, einem Bogantöter und einem Neuro-Pinsel; das Bajonett hatte er diesmal nicht aufs Horn aufgepflanzt.
Im Schutze ihrer Deflektorfelder hatten sie sich durch einen Reparaturschacht nach oben ins Freie begeben. Hier war nicht viel los. Nur wenige Terraner waren in den Straßen zu ebener Erde unterwegs, und auch oben, auf den in die Höhe gestaffelten Förderbändern, herrschte kaum Betrieb. Praktisch kein Luftverkehr. Nur wenn mal eine Rohrbahn in die Station einfuhr, tröpfelten ein paar Menschen aus dem unterirdischen Bauch der Stadt und verloren sich rasch zwischen den Häuserschluchten.
Dies hier war ganz eindeutig ein verschlafener Stadtteil von Terrania.
Weit und breit waren keine Roboter oder Polizisten zu sehen, die sie hätten orten können. Keine Gefahr für die Dscherro. Darum hatte Fellokk Neuro-Pinsel und Bogantöter lässig geschultert. Sein Körper hatte beinahe Ruhetemperatur.
Und dann sahen sie das seltsame Gebäude, das eingebettet zwischen den Hochhäusern in deren Schatten stand. Es passte überhaupt nicht zur modernen Architektur ringsum.
»Warum haben die Terraner diese alte Ruine hier stehengelassen?«, fragte Konnack.
»Ihm wird wohl eine besondere Bedeutung zukommen«, sagte Schickor.
»Das sehen wir uns von innen an«, beschloss Fellokk.
Das hohe Tor stand weit genug offen, so dass die stämmigen Dscherro mühelos hindurchschlüpfen konnten. Drinnen war es kühl und dämmrig. Durch die buntverglasten Fenster an den Seitenwänden von der Form des Eingangstores, schmal und oben spitz zulaufend, fiel nur wenig Licht.
Das gesamte Gebäude bestand aus einer hohen, schmalen Halle mit Stützsäulen ohne Stockwerke. Vom Eingang erstreckten sich über zwei Drittel der Länge Bankreihen, die durch einen Mittelgang geteilt waren. Links und rechts der Bänke gab es Seitengänge. Das andere Ende des Raumes war festlich geschmückt mit Bildern und verschiedenen Statuen und golden verzierten Tafeln.
Dazwischen agierte ein in eine prunkvolle Uniform gekleideter Mann mit behäbiger Muße. Ihm zur Seite standen vier kleinere und wesentlich jüngere Terraner, denen er immer wieder leise Anweisungen gab. Kurz darauf verschwand der ältere Terraner, und die vier jungen begannen miteinander zu tuscheln.
All der prunkvolle Tand dieser Halle verblasste neben einem Relikt, das auch optisch im Mittelpunkt des ganzen Arrangements stand. Es handelte sich um einen hohen, senkrechten Balken, der oben von einem kürzeren im rechten Winkel gekreuzt wurde. Und auf dieses Gestell war ein Terraner geschlagen: traurig ließ er den Kopf zur Seite hängen und trug eine Art Reif mit Dornen auf dem Kopf.
Es war natürlich kein Terraner aus Fleisch und Blut, sondern bloß eine Nachbildung. Doch Fellokk beeindruckte diese Darstellung dennoch. Sie hatte etwas von Gewalt und Leid an sich. Dokumentierte die Statue eine neue, grausame Seite der Terraner, die den Dscherro bisher unbekannt geblieben war?
Schickor stieß Fellokk an und deutete auf das seltsame Standbild.
»Könnte es sich hier um eine Folterkammer oder so handeln?«, raunte er ihm zu. »Was meinst du, Fellokk?«
Die jungen Terraner mussten ein gutes Gehör haben, denn zwei von ihnen schreckten hoch und blickten sich in dem vermutlichen Verhörraum suchend um.
»Habt ihr auch eine Stimme gehört?«, fragte einer von ihnen.
»Ist hier jemand?«, fragte der andere in den Raum hinein.
Fellokk spannte sich an. Er war bereit, sich auf die vier Terraner zu stürzen, sie kurzerhand zu pinseln und in die Burg zu verschleppen. Doch dann sagte einer der beiden anderen: »Ihr hört doch bloß Gespenster.« Und Fellokk entspannte sich wieder.
»Vielleicht gibt es die Phantome, von denen man immer wieder hört, ja tatsächlich«, sagte jener unbehaglich, der sich erkundigt hatte, ob hier jemand sei.
Konnack gab durch eindringliche Zeichen zu verstehen, dass er von Fellokk wissen wollte, worüber sich die vier unterhielten. Doch der winkte nur ab. Er hatte keine Lust, diese banale Unterhaltung an seine Begleiter weiterzugeben.
Er war der einzige aus seiner Gruppe, der einen erbeuteten terranischen Translator bei sich trug und über einen Ohrclip eine Übersetzung der gesprochenen Worte erhielt. Diese Translatoren waren eine feine Sache, für die es bei den Dscherro keine Entsprechung gab. In der Heimat verständigte man sich in Dschett oder Glausching – oder einfach mit der Waffe, das verstand jeder.
In diesem Moment kamen Leute durch das Eingangstor.
*
Zuerst waren es zwei Terraner, die hereinkamen. Ihnen auf dem Fuß folgten jedoch weitere in kleineren und größeren Gruppen. Fellokk und seine Leute mussten zurückweichen, um verräterischen Körperkontakt zu vermeiden. Aber selbst als bereits alle Sitzbänke mit Besuchern gefüllt waren, drängten weitere Menschen herein und füllten nun sogar die seitlichen Gänge. Nur der Mittelgang blieb frei. Fellokk sprang mit Hilfe seines Antigravs einfach in die Höhe und fand Halt am Vorsprung einer Säule. Schickor und Konnack taten es ihm gleich. Und so harrten sie in dieser Haltung, jeder an einer anderen Säule hängend, aus, während sich die Halle des seltsamen Gebäudes füllte.
»He, Fellokk, was sollen wir hier eigentlich?«, fragte Schickor über Funk an.
»Ich will wissen, was hier passiert«, antwortete Fellokk. »Je mehr wir über die Terraner erfahren, desto besser bekommen wir sie in den Griff.«
Das schien selbst dem begriffsstutzigen Schickor einzuleuchten, und er verhielt sich wieder ruhig.
Endlich hatten alle Besucher ihre Plätze eingenommen. Der prunkvoll uniformierte alte Terraner erschien, begleitet von seinen vier jüngeren Assistenten, und begann mit einer Litanei in einer Sprache, die Fellokks Translator nicht übersetzte. Endlich entstand eine Pause, und durch das Eingangstor schritten feierlich zwei ungleiche Paare: ein älterer Mann und eine weißgekleidete junge Frau, danach ein junger Mann in Schwarz und eine ältere Frau.
Anders als bei den Dscherro trugen die Terraner ihr Geschlecht immer zur Schau. Das heißt, sie hielten es zwar verhüllt, doch war ihr Geschlecht jederzeit vorhanden und nicht nur zu gewissen Zeiten wie bei den Dscherro. Frauen waren an der Kleidung, der Haartracht und in der Regel vor allem auch an ihren sekundären Geschlechtsteilen in Brusthöhe zu erkennen. Eigentlich verhielt es sich mit ihnen wie mit Tieren: zwar nicht permanent brünftig, aber jederzeit zum Kopulieren bereit. Fellokk empfand bei diesen Gedanken jedoch keinen Ekel.
Der ältere männliche Terraner vertauschte den Platz mit dem jungen und zog sich mit der alten Terranerin zurück. Die beiden jungen Terraner knieten vor dem alten Prunkterraner nieder, und dieser bedachte sie mit in die Luft gezeichneten Symbolen und einem monotonen Redeschwall in der nicht übersetzbaren Sprache.
Es tat sich in der Folge wenig, und Fellokk dachte schon, dass dieses langweilige Einerlei endlos weitergehen könnte – bis es zu dem Zwischenfall kam. Konnack sagte gerade über Funk erheitert: »Von dem alten Popanz könnte unser Wischak Gullokk noch was lernen.«
Da passierte es.
Schickor verlor den Halt an seiner Säule – er entschuldigte sich im Nachhinein damit, dass sein Antigrav ausgefallen sei – und stürzte polternd in die Tiefe. Er begrub mit seiner Körpermasse drei Terraner unter sich. Einer von ihnen rührte sich danach nicht mehr. Vielleicht war er sogar tot.
Doch das kümmerte Fellokk nicht. Er nutzte das folgende Durcheinander, um die Sache endgültig zu beenden.
Während er mit einem weiten Satz in die Tiefe sprang, gab er das Kommando: »Koscha, Dscherro! Koscha!«
Vor den beiden jungen Terranern angelangt, aktivierte er seinen Neuro-Pinsel und bestrich die beiden, bis sie sich nicht mehr rührten. Er packte die weißgekleidete Frau an den kunstvoll frisierten Haaren und überließ Konnack den paralysierten Mann. So eilten sie in Riesensätzen durch die schreiende Menge dem Ausgang zu. Dort schulterte sich Fellokk die Frau, die kaum mehr als einen Rülpser wog. Im Freien angelangt, sahen sie sich vier Robotern gegenüber, die durch den Tumult in dem Gebäude angelockt worden sein mussten.
Schickor, der beide Hände frei hatte, ließ augenblicklich seinen Bogantöter sprechen. Er verpasste jedem Robot eine Granate, und dann war der Weg frei, und sie konnten ohne weitere Zwischenfälle ihren Schacht erreichen und in die Unterwelt von Terrania eintauchen.
Doch das war noch nicht alles an Widernissen. Zu allem Übel verriet ihnen die Ortung noch lange vor Erreichen der Faktordampf-Barriere – wie die Terraner das Ding nannten –, dass diese von starken terranischen Truppenkontingenten abgeriegelt war. Die Dscherro konnten es nicht wagen, ihren Weg fortzusetzen, weil höchste Ortungsgefahr bestand.
Dann stellte Fellokk jedoch Truppenbewegungen über ihren Köpfen fest. Er konnte es kaum glauben, was sein Ortungsgerät ihm verriet. Und doch war es so, dass die Terraner mit schweren Fluggefährten zum Sturm gegen das Faktorelement ansetzten.
»Das ist unsere Chance«, stellte Fellokk zufrieden fest. Er zweifelte nicht daran, dass sich die Terraner blutige Schädel holen würden, weil er wusste, wie stark die Verteidigung innerhalb der Barriere war.
Und er gab das Kommando: »Koscha, Dscherro! Koscha!«
Sie stürmten durch den unterirdischen Stollen unter der Faktordampf-Barriere durch und weiter durch das Höhlensystem des Planetenbodens von Thorrim in Richtung Burg Gousharan vorwärts.
Als sie in der Burg ankamen, war das Gemetzel mit den Terranern bereits vorüber. Über hundert Tote und fast vierhundert Gefangene wurden in die Kerker eingeliefert und leisteten jenen Terranern Gesellschaft, die bei den verschiedenen Kleinaktionen verschleppt worden waren.