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Vorwort.

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Motto:

»Bleibt natürlich!«

Die Legende erzählt, dass der Apostel Johannes, als sein hohes Alter ihm das Lehr- und Predigtamt unmöglich machte, sich dennoch hinaustragen liess unter seine andächtige Gemeinde und inmitten derselben durch unablässige Wiederholung der Worte: »Kindlein, liebt einander« die Grundlehre des Christentums zusammenfasste.

Die Legende fiel mir ein, als ich obiges Motto niederschrieb, denn auch die ganze Lehre vom »Guten Ton und der feinen Sitte« liegt in den wenigen Worten: »Bleibt natürlich!« Nun gibt es ja freilich auch eine Natürlichkeit, die der guten Sitte sehr entbehrt; dass es aber in diesem Sinne nicht gemeint ist, brauche ich wohl nicht besonders zu versichern, wohl aber, dass die feinste Sitte und der beste Ton unerträglich werden, wenn sie angelernt und gekünstelt, nicht aber natürlich sind.

Hierin ist meines Erachtens der wunde Punkt all der bisher erschienenen Werke über dieses Thema zu suchen. Die Literatur über den »guten Ton« ist, seit Knigges „Umgang mit Menschen“ erschien, mehr und mehr angewachsen, und viele dieser Werke sind in ihrer Art meisterhaft, sie gereichen jeder Bibliothek zur Zierde. Aber sie haben fast alle denselben Fehler, dass sie durch zu viel Beiwerk den Lernenden verwirren und dadurch unsicher machen, ihn der Natürlichkeit bei der Anwendung des Gelernten berauben. Denn wir dürfen nie vergessen, dass ein Lehrbuch über den »Guten Ton und die feine Sitte« nicht für die geschrieben ist, denen dieselben schon in der Kinderstube zur zweiten Natur anerzogen, sondern für die bestimmt ist, die sich durch Talent und Fleiss hinaufgerungen haben in die Kreise der Gebildeten und diesen nun auch in bezug auf die feine Sitte ebenbürtig werden wollen.

In diesem Sinne entstand auf Anregung der Verlagshandlung dieses Büchlein, das in der klaren und leichtfasslichen Form des Katechismus eine Anleitung geben will, sich die in den Kreisen der Gebildeten unerlässlichen Formen anzueignen. Möchten unsere Bemühungen, das Werkchen nützlich und praktisch zu gestalten, von Erfolg gekrönt sein, um diesen aber zu erreichen, muss der Lernende uns in die Hand arbeiten, indem er natürlich bleibt, d. h. nicht glaubt, das ihm Fehlende durch geziertes Wesen und geschnörkelte Worte ersetzen oder vertuschen zu können. Denn der gute Ton und die feine Sitte vertragen weit eher einen Verstoss aus Unwissenheit als ein Surrogat, dessen Firnis die Unnatur ist, die allzeit nicht nur abstossend, sondern geradezu lächerlich wirkt. Darum also, ihr, die ihr den guten Ton und die feine Sitte zu besitzen wünscht: bleibt natürlich! Ihr werdet euer Ziel viel eher erreichen, wenn ihr die persönliche Natürlichkeit gewissermassen als das Blatt betrachtet, auf welches ihr das Gesetz des guten Tons in euer Gedächtnis schreibt, denn noch niemals hat sich jemand dem Zauber entziehen können, den die Natürlichkeit verleiht. Ein Künstler, der nicht natürlich ist in der Ausübung seiner Kunst, wird niemals anders als äusserlich wirken können, wie viel mehr muss dann nicht der Künstler des guten Tones bemüht sein, die Natürlichkeit zu bewahren, die ihn erst über die Maschine erhebt und ihn den Kreisen, mit denen er gleichwertig verkehren will, menschlich nahe bringt.

Also, bleibt natürlich, dann kann auch ich froh auf den Erfolg dieses Büchleins vertrauen.

Eufemia von Adlersfeld,

geb. Gräfin Ballestrem.

Der gute Ton und die feine Sitte

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