Читать книгу Das Vermächtnis des Barons - Eugen Adelsmayr - Страница 4
Ⅱ
ОглавлениеPatrizia hatte darauf bestanden, das Begräbnis als großes gesellschaftliches Ereignis aufzuziehen und fast alle geplanten Trauergäste waren der Einladung gefolgt. Nur wenige hatten aus Alters- und Gesundheitsgründen abgesagt und einige aus dem Hochadel waren ohne Entschuldigung ferngeblieben, sie fielen aber zumindest zahlenmäßig nicht ins Gewicht. Rüdiger, Patrizia, Isabel und Jakob hatten in der ersten Reihe Platz genommen und jetzt wo auch Severin eingetroffen war, konnte der Trauerzug beginnen. Die Menge setzte sich in Bewegung und folgte dem Sarg bis zur Familiengruft. Eine große Schar von nicht Geladenen stand etwas abseits und verabschiedete sich still vom alten Baron, dessen Name jetzt als letzter, unter dem seiner Frau, in die schwarze Marmortafel gemeißelt stand. Seine Kinder gingen gleich hinter dem Sarg, gefolgt vom engsten Familienkreis. Patrizia verbarg ihr Gesicht hinter einem schwarzen Schleier. Isabel und Jakob hatten sie in die Mitte genommen, trotzdem wankte sie unsicher und hatte Mühe mit den Anderen Schritt zu halten. Um die Gruft waren einige Stühle für betagte Gäste bereitgestellt und Patrizia rettete sich auf einen der ersten.
Der Nieselregen war in leichten Schneefall übergegangen und ein rauer Wind blies über die Gräber den Trauernden ins Gesicht. Jakob war froh die Kinder nicht mitgenommen zu haben, sie hätten sicher gefroren und bald nach Hause gedrängt. Auch er stellte schon den Mantelkragen auf, zog den Schal über das Kinn und seinen breitkrempigen Hut noch tiefer in die Stirn. Lieber wäre er heute zu Hause geblieben. Er hatte zum alten Baron kein Nahverhältnis gehabt und ihn auch zeitlebens nicht gemocht. Der Alte hatte ihn nie als Schwiegersohn akzeptiert und ihn das und auch Isabel das bei jeder Gelegenheit spüren lassen. Von Isabels Familie hatte er eigentlich nur mit Rüdiger hin und wieder zu tun und auch das fast nur beruflich, kaum privat. Rüdiger, der umtriebiger Politiker, lud ihn gelegentlich als Redner oder Mitorganisator zu offiziellen kulturellen Anlässen ein, weil er als belesener Buchhändler und Literaturexperte dafür prädestiniert schien. Das täuschte Jakob aber nie darüber hinweg, dass er für Rüdiger nur den Schmeicheljuden abgab, das Feigenblatt, das Rüdiger erlaubte, dahinter ganz ungeniert Rassist zu sein. Isabel stand frierend neben ihm und drückte ihm mehrmals fest die Hand, wie eine Aufforderung durchzuhalten und Jakob erwiderte ihn ebenso fest.
Die Ansprache des Pfarrers dauerte noch länger, als befürchtet und Rüdiger, als nächste Redner, kündigte an, sich wegen der Kälte kurz zu halten. Ein Versprechen, das er aber im Laufe der Rede offensichtlich selbst vergaß. Stolz rekapitulierte er die Familiengeschichte und holte dabei großzügig aus, bis er, endlich in der Gegenwart angelangt, den dahingeschiedenen Baron als liebenden warmherzigen Vater pries. Patrizia schluchzte hörbar, überwältigt von Trauer, Rührung und Selbstmitleid. Isabel drückte wieder Jakobs Hand und der starrte unbewegt geradeaus. Nach seiner Rede warf Rüdiger als erster eine Rose in die offene Gruft, gefolgt von Severin und nach ihm Patrizia, die unsicher auf Isabels Arm gestützt, ihre Rose nur bis an den Rand der Gruft zu werfen imstande war. Irgendwo in der Menge begann ein Kind laut zu weinen und lenkte die Umstehenden von Patrizias Missgeschick ab. Beim anschließenden Totenmahl war Patrizia dann nur kurz dabei. Nach ein paar schnell getrunkenen Gläsern befiel sie ihre übliche Migräne noch stärker als sonst und sie entschuldigte sich. Rüdiger bat Finn, seinen Chauffeur, sie nach Hause zu fahren. Die anfänglich gedämpfte Stimmung machte dann zunehmend einer allgemeinen Heiterkeit Platz und die Gesellschaft löste sich noch länger nicht auf. Als die letzten gingen, war es schon später Nachmittag.
Während Patrizia ihre Migräne zu Hause wenig erfolgreich mit Cognac bekämpfte, Severin sich mit Freunden traf und Isabel den Abend im Kreise ihrer Familie verbrachte, verschanzte Rüdiger sich in seinem Arbeitszimmer. Er hatte zu tun. Für das kommende Wochenende war eine große Demonstration der Opposition geplant und er war vom Parteivorstand auserkoren entschlossen gegen derlei Umtriebe vorzugehen. Er hatte eine Liste von Zeitungs- und Rundfunkredakteure angelegt, die noch auf Linie gebracht werden mussten und er bereitete die entsprechenden Anschreiben vor. Außerdem plante er diesmal mehr Agitatoren einzuschleusen als beim letzten Mal. Krawall zu organisieren lag ihm mehr, als das Verfassen von Texten. Morgen würde er alles Notwendige mit Finn besprechen, der nicht nur sein Chauffeur, sondern vor allem der Anführer seines schlagkräftigen ´Ordnertrupps´ war. Das Geld, um seine Söldner für diesen Einsatz zu bezahlen, hatte Rüdiger schon am Heimweg abheben wollen, dabei aber festgestellt, dass die Kriegskassa schon wieder fast leergeplündert war. Der sonst immer pünktlich überwiesene Geldnachschub aus dem Ministerium, ließ ausnahmsweise auf sich warten. Morgen würde er sich darum kümmern, wieso die immer als Denkmal-Förderung verschleierte Zahlung diesmal ausgeblieben war. Für heute hatte er aber genug.
Später, als er schon auf dem Weg ins Bett war, erhielt er noch einen Anruf vom Notar. In den Unterlagen des dahingeschiedenen Barons war der Hinweis auf ein neues, bisher unbekanntes Testament aufgetaucht.
Müde und schlecht gelaunt kroch Rüdiger am nächsten Morgen aus dem Bett. Eine kurze Dusche, ein schneller Kaffee, er musste sich beeilen, die Vorstandssitzung war sehr früh angesetzt. Niemand hatte von ihm erwartet, dass er, nur einen Tag nach dem Begräbnis seines Vaters, an dieser Versammlung teilnehmen würde. Rüdiger war nicht ganz bei der Sache, brachte aber, weil sein dafür zuständiger Freund Zeiser, Abteilungsleiter im Ministerium, ebenfalls anwesend war, den stockenden Geldfluss zur Sprache. Zeiser versicherte ihm, dass er sich umgehend darum kümmern würde.
Für gleich nach der Sitzung hatte Rüdiger ein Treffen mit Finn im ´Schwarzen Adler´ ausgemacht. Als er die paar Stufen in die mit dunklem Holz vertäfelte Gaststube hinunterstieg, warteten Finn und sein Stellvertreter schon am ihrem üblichen Tisch bei einem halbgeleerten Bier im Zigarettenrauch.
„Ich hoffe es stört nicht, wenn er dabei ist?“, fragte Finn mit einer angedeuteten Kopfbewegung in Richtung seines Begleiters. Rüdiger war auf ein Vieraugengespräch eingestellt gewesen, rang sich aber ein „Geht schon in Ordnung!“ ab.
„Er kann sehr gut seinen Mund halten!“ versicherte Finn, so als hätte er Rüdigers Gedanken gelesen…und gut Steinewerfen kann er auch.“
Dabei schlug er seinem Begleiter anerkennend auf die Schulter, der geschmeichelt, seinen Mund zu einem schiefen Grinsen verzog. Rüdiger hatte eigentlich Finn damit beauftragt Nora einen Schrecken einzujagen, dass es nun noch einen Mitwisser gab, war ihm nicht recht.
„Bei dieser Sache ist ein bisschen Feingefühl angesagt. Der Stein war als Warnung in Ordnung, aber mehr macht ihr, bis auf Weiteres nicht. Wir brauchen weder Schwierigkeiten mit der Polizei, noch irgendeinen Wirbel mit ihrem Zuhälter, Freund, oder weiß Gott wem. Es reicht vorerst, wenn sie weiß, dass ich sie im Auge habe. Die wird mit der Zeit schon weich!“
Die beiden Schläger nickten, wenn auch die feine Klinge nicht ihre Sache war. Die Aufgabe für Finns Bande bei der Demonstration war Routine und ohne viele Worte klar. Unter die Demonstranten mischen, die Bullen provozieren und den Journalisten reichlich Motive für blutige Fotos liefern. Rüdiger blieb auch, als alles besprochen war, noch sitzen und gab ein paar Runden aus. Er hatte Zeit. Zuhause wartete niemand auf ihn. Seine Frau, Helena, war unterwegs und kam immer erst spät, wenn überhaupt, heim. Er hatte sie gestern beim Begräbnis zum ersten Mal seit Tagen wiedergesehen. Draußen, vor dem Schwarzen Adler, wartete Tanner und hoffte, dass Rüdiger bald wieder herauskommen würde. Er war ihm schon am frühen Nachmittag zu seiner Sitzung gefolgt und von dort dann hierher. Jetzt saß Tanner im Auto, verfluchte die Kälte und den lachhaft kleinen Leihwagen, den er von seiner Werkstatt bekommen hatte, so lange sein bequemer Schlitten wegen des Motorschadens in Reparatur dort war.
Tanner stellte den Motor wieder an. Aufzufallen schien ihm ein kleineres Übel, als im Auto zu erfrieren. Es wurde nur sehr langsam warm. Irgendwann ging dann doch die Tür des Schwarzen Adlers auf und Rüdiger kam mit gerötetem Gesicht heraus. Ihm folgte ein weiterer Mann, der einem dritten die Tür aufhielt und den kannte Tanner nur allzu gut. Finn ´´´Der Schwede´´´, eine Unterweltgröße, Tanner selbst hatte als Kommissar mehrmals mit ihm zu tun gehabt. Den anderen, den der Finn die Tür offenhielt, kannte er nicht, wie ein Chorknabe sah aber auch er nicht aus. Vor dem Lokal verabschiedeten die Männer sich. Rüdiger torkelte heimwärts, die anderen beiden steckten sich noch eine Zigarette an und gingen dann Richtung Stadtzentrum los. Tanner wartete erst, dann stieg er aus und heftete sich an ihre Fersen. Nach der dritten Kreuzung ahnte Tanner schon, was ihr Ziel war und ließ den Abstand größer werden. Im der Courbet Gasse unter Noras Wohnung bleiben sie stehen. Finn deutete zum kaputten Fenster hinauf. Sie lachten derb und angeheitert und probierten ob die Haustür offen war. Sie war versperrt und gab auch ihrem kräftigen Rütteln nicht nach. Die beiden traten fluchend fest dagegen. Als oben ein Fenster aufging machten sie sich davon.
Tanner ging zurück zu seinem Wagen. Er fror nicht mehr. Sein Auftrag schien doch noch spannend zu werden.
Rüdiger machte auf seinem Nachhauseweg noch bei einem seiner bevorzugten Animierlokale halt. Es war noch fast leer. Rüdiger ließ sich an der Bar nieder und war im Nu von zwei unwiderstehlich kontaktfreudigen Damen flankiert, mit denen er eine Flasche Schampus, gefolgt von einigen Runden Gin konsumierte. Danach hatte Rüdiger nicht mehr genügend Bares, um für die Damen auch weiterhin interessant zu sein und der Barkeeper verweigerte ihm jeden weiteren Kredit, solange die alten Schulden nicht beglichen waren. Rüdiger trank ein letztes Gläschen, ohne noch jemanden zum Anstoßen zu haben.
Als er endlich zu Hause war, fiel ihm der Anruf des Notars und das Testament wieder ein. Es war es kurz nach Mitternacht. Er kramte in seinem Schreibtisch bis er die Notiz mit Noras Nummer fand, die er ungeschickt in sein Telefon tippte. Vor sich hinmurmelnd lauschte er dem Freiton und stützte sich, um das Gleichgewicht nicht verlieren, mit einer Hand am Kaminsims ab. Als Nora nach längerem Läuten abhob legte er mit unflätigen Beschimpfungen und Drohungen los. Falls sie auch nur daran denken sollte, von der Schwäche seines Vaters für sie noch weiter zu profitieren, dann würde ihr etwas blühen, sie würde schon sehen. Ein blaues Wunder würde sie dann erleben. ´Profitieren´ brachte er auch im dritten Anlauf nicht korrekt heraus. Nora legte, ohne ein zu sagen auf. Rüdiger tobte aber weiter, weil er nicht mitbekommen hatte, dass das Gespräch schon beendet war. Als er es dann doch bemerkte drückte er unter obszönem Fluchen noch einige Male auf Wiederwahl, die Leitung blieb aber tot. Wütend und schwer betrunken stürmte er in die Räumlichkeiten seines Vaters und stellte das Büro des alten Barons auf der Suche nach diesem verdammten Testament auf den Kopf. Erst als Emilia, die Haushälterin, und Viktor, der langjährige Sekretär seines Vaters, durch den Lärm geweckt, herbeigeeilt kamen, zog er sich unverrichteter Dinge wieder zurück.
„Genau wie von unsrem Herrn Baron vorausgeahnt!“ murmelte Viktor vor sich hin und ging Emilia bei den Aufräumarbeiten zur Hand.
Nora verbrachte die halbe Nacht mit offenen Augen im Bett liegend, immer in der Angst, dass wieder ein Stein geflogen kam. Sie beherrschte sich Tanner anzurufen, behielt aber ihr Telefon in der Hand. Erst in der Früh erzählte sie ihm von Rüdigers telefonischen Drohungen. Eine halbe Stunde später klopfte Tanner bei ihr an. Sie führte ihn ins Wohnzimmer, wo ein junger Mann saß, den sie ihm ohne weitere Erklärung als Erik vorstellte. Tanner nahm ihr gegenüber Platz. Er zögerte.
„Sie können ganz offen reden, vor Erik habe ich keine Geheimnisse, er darf ruhig alles hören.“
Tanner nickte, was aber nicht hieß, dass sein berufsbedingtes Misstrauen damit auch beseitigt war.
„Gestern habe ich Baron Kranach, Rüdiger, während des ganzen Tages observiert. Er war zu Hause, dann bei einer Versammlung, nichts Besonderes. Interessanter ist es dann gegen Abend geworden. Oder eher, besorgniserregend.“
Tanner hatte ihre volle Aufmerksamkeit. „Kranach hat offensichtlich zwei ziemlich üble Kerle auf sie angesetzt.“
Erik warf Nora einen besorgten Blick zu und räusperte sich nervös. Sie ignorierte ihn und sah Tanner ungerührt an.
Er hielt ihrem Blick stand und fuhr fort.
„Einen der beiden kenne ich noch von früher, er ist brutal und gefährlich, den jüngeren habe ich vorher noch nie gesehen, er scheint aber vom gleichen Kaliber zu sein. Es war gestern schon zu finster zum Fotografieren, darum kann ich ihnen keine Bilder zeigen. Ich hole das aber ehebaldigst nach. Sie sollten aber vorgewarnt und wachsam sein. Beide sind so groß wie ich und kräftig gebaut, beide haben ihre Schädel fast kahlgeschoren. Derjenige, den ich von früher kenne, ´´´Der Schwede´´´, hat einen Wolfskopf, das Zeichen seiner berüchtigten Bande, in den Hals tätowiert. So nahe, dass sie das sehen können, sollten er ihnen aber niemals kommen.“
Erik war aufgestanden und schritt rauchend das Zimmer ab.
„Wer und was auch immer er ist, als Beschützer taugt er nicht viel!“, dachte Tanner, als Erik vor lauter Händezittern schon zum zweiten Mal die Asche seiner Zigarette auf den Teppich streute.
„Sie wissen nicht nur in welchem Haus sie wohnen, sie wissen auch welche ihre Fenster sind. Den Stein gestern in der Nacht, hat einer der beiden geworfen.“
Nora fragte Erik um eine Zigarette und bot Tanner Kaffee oder etwas Stärkeres an. Tanner bat um einen Espresso und Erik verschwand unaufgefordert in der Küche und machte sich an der Kaffeemaschine zu schaffen. Tanner schaute Nora beim Nachdenken zu. Nur Erik in der Küche und gedämpfter Straßenlärm waren zu hören. Das schrille Läuten der Wohnungsklingel schreckte Nora auf. Erik kam aus der Küche geeilt und fragte Nora, wer das wohl sein könnte. Nora schüttelte den Kopf, stand auf und ging leise zur Tür. Das Gesicht, das sie durch den Türspion erblickte, war ihr nicht bekannt und das gab sie Tanner hinter ihr mit einem Schulterzucken zu verstehen. Er flüsterte ihr zu, dass er in der Küche warten würde und dass Erik bei Nora bleiben sollte. Nora öffnete die Tür einen Spalt.
„Ja bitte?“ fragte sie.
„Nora Musil?“, fragte der Besucher zurück, mit einer Stimme, von der Nora sonst nicht hätte sagen können, ob sie männlich oder weiblich war.
„Wer will das wissen?“, entgegnete sie misstrauisch.
„Severin Kranach-Walde“, kam es höflich zurück.
Nora spähte hinaus, ob hinter Severin noch jemand versteckt war, aber allem Anschein nach, war der junge Kranach wirklich allein da.
„Wir sollten uns unterhalten. Bitte!“ Severin sprach sehr leise, er flüsterte fast „aber nicht zwischen Tür und Angel, wenn das vielleicht möglich ist“, fügte er mit einem Lächeln hinzu, als nicht gleich eine Antwort kam.
Um die Sicherungskette aushängen zu können machte Nora die Tür zu. Ein schneller Blick zurück zur spaltbreit offenen Küchentür hinter der sie Tanner bereitstehen sah, dann öffnete sie. Sie bat Severin herein. Er trat ein, nahm den Hut ab und folgte ihr in das Wohnzimmer. Erik erhob sich als er ihn sah, kam ihm aber nicht zur Begrüßung entgegen. Nora stellte die beiden vor, Severin als Kranach-Walde und Sohn des alten Barons, Erik als Erik und nicht mehr. Tanner blieb hinter der Tür, die Klinke in der Hand. Severin nahm den angebotenen Sitzplatz und ein Glas Whiskey dankend an und nahm dort, wo Tanner gesessen war, Platz. Währen Nora ihm das Glas einschenkte, schlüpfte er aus seinen Handschuhen und legte sie fein säuberlich auf seine übereinander geschlagenen Knie. Nora stellte seinen Drink vor ihn auf den Tisch und setzte sich ihm gegenüber auf die Couch. Erik blieb stehen und lehnte sich rücklings an die Fensterbank. Nora hatte über die Jahre ihre Erfahrung mit Männern gemacht und schätzte die meisten schon nach dem ersten Blick richtig ein. Severin war diesbezüglich kein schwieriger Fall. Gepflegtes Haar, frisch rasiert, glatte Haut und gesunde schöne Zähne, der Anzug aus feinstem Tuch, die Finger manikürt, die Schuhe nach Maß. Etwas weniger von allem und er hätte Nora gefallen können, so aber rettete ihn nicht einmal sein angenehm männliches Parfum. Severin nahm einen Schluck und behielt sein Glas in der Hand.
„Ich möchte sie nicht unnötig lange aufhalten und gleich zur Sache kommen. Ich habe ihnen etwas vorzuschlagen, ein Geschäft, von dem wir beide profitieren. Wie sie ja sicher von ihm selbst wissen, beabsichtigte mein Vater sie sehr großzügig zu beerben. In seinem ursprünglichen Testament hatte er sie aber noch nicht eingeplant, er hat erst kurz vor seinem Ableben ein entsprechendes neues verfasst. Und genau das habe ich. Nur ich und niemand sonst!“
Severin zog ein Kuvert aus der rechten Brusttasche.
Erik kann einen Schritt näher, Nora lehnte sich interessiert vor.
„Entspannen sie sich, das ist natürlich nicht das Original. Halten sie mich bitte nicht für so naiv.“
Severin hielt Nora das Schriftstück hin. Sie nahm es und las es aufmerksam durch. Es der letzte Wille des alten Barons, eine Kopie nur und der Abschnitt mit den Unterschriften war abgetrennt. Severin hatte den Tag des Begräbnisses gut genutzt und in Abwesenheit aller seiner Mitbewohner im Palais das Büro seines Vaters durchsucht. Er war schnell fündig geworden. Das gesuchte Testament war nicht einmal gut versteckt. Severin fand es in einer unversperrten Schreibtischlade, als Zeugen hatten Emilia und Viktor unterschrieben. Der Baron hatte Nora eine Villa in der Stadt, mehrere hundert Hektar Waldbesitz, ein gut gefülltes Bankkonto und ein Vermögen an Wertpapieren vermacht. Nora las auch den zweiten, dritten und vierten Absatz durch. Seinem Sohn Rüdiger hatte der Baron das Palais sowie zwei weitere ebenfalls schuldenbelastete und denkmalgeschützte Liegenschaften zugedacht, die allesamt mehr Bürde als Grund zur Freude waren. Die Anteile seiner beiden Töchter fielen auch mehr als bescheiden aus. Severin aber sollte völlig leer ausgehen, weil, wie der Baron schrieb, er eine Schande für die Familie war. Nora faltete die Kopie zusammen und gab sie Severin zurück.
„Und?“ fragte sie.
Severin grinste und steckte das Kuvert wieder ein.
„Ganz einfach! Ich rücke das Original nur heraus, wenn sie mit mir teilen. Wir sitzen im selben Boot. Wenn das Testament verschwunden bleibt, bekommen weder sie, noch ich etwas. Nihil! Niente! Nichts! Also entweder ich bekomme meinen Teil, oder machen so weiter wie bisher.“
Dabei ließ Severin einen arroganten Blick durch das Zimmer gleiten, der nur auf einer mit Elfenbein verzierten Ebenholzschatulle kurz haften blieb, einem Geschenk des alten Barons, eine Kostbarkeit, die bis vor kurzem noch in seinem Arbeitszimmer stand. Severin hatte sie sofort wiedererkannt. Er war irritiert und räusperte sich, dann fand er den Faden.
„Nun, was meinen sie?“
Nora war aufgestanden, antwortete ihm aber nicht. Severin nahm sein Glas und trank es in einem Zug leer.
„Sie können es sich ja noch überlegen. Lassen sie sich aber nicht allzu viel Zeit, ich werde von Tag zu Tag unbescheidener. Außerdem weiß auch mein Bruder von ihnen und der ist nicht so sanft und feinfühlig wie ich.“
Severin legte eine Visitenkarte neben sein leeres Glas, zog manieriert seine Handschuhe an, setzte den Hut wieder auf und sagte im Gehen über seine Schulter zurück.
„Bemühen sie sich nicht, ich finde allein hinaus!“
Als die Tür ins Schloss gefallen war, kam Tanner aus der Küche. Er kratzte sich am Kinn und ein nachdenkliches „Hmm!“ war sein erster Kommentar.
„Jetzt könnte ich vielleicht doch etwas Stärkeres vertragen, wenn ihr Angebot noch gilt!“, bat er Nora, die aber in Gedanken woanders war, beim Fenster hinaussah und ihn nicht zu hören schien. Erik schenkte Tanner ein Glas ein, der Nora jetzt fragte, was sie zu tun gedachte.
„Severins Vorschlag annehmen, was denn sonst? Oder fällt ihnen etwas Besseres ein.“
„Wenn sie darauf eingehen, sind Unannehmlichkeiten vorprogrammiert und so wie ich Rüdiger einschätze, könnten das ziemlich unschön werden.“
„Wir fürchten uns nicht!“, stellte Erik fest und verstreute wieder Asche auf den Boden.
Nora sah Tanner an.
„Rein rechtlich gesehen sollte das Testament wohl halten, also was könnte dieser Rüdiger schon tun?“
„Drohungen, Psychoterror, Gewalt. Er kann ihnen das Leben zur Hölle machen, vielleicht findet er auch etwas womit sie erpressbar sind.“
„Bin ich aber nicht!“, erwiderte sie trotzig.
„Woran ist der alte Baron eigentlich gestorben?“ fragte Tanner um das Thema zu wechseln
„An einem Herzanfall,“ erwiderte Nora bestimmt, drehte sich wieder zum Fenster und beobachtet Severin, wie er unten beschwingt auf den Gehsteig hinaustrat und seinen Mantelkragen gegen den schneidenden Wind aufstellte und den Kopf einzog.
Er war erleichtert, dass es so gut gelaufen war. Diese Nora musste auf sein Angebot eingehen, kein Zweifel, was sonst sollte sie tun. Zuerst hatte er noch Bedenken wegen diesem Erik gehabt, dann aber schnell erkannt, dass der keine ernste Bedrohung war. Trotzdem war ihm mulmig dabei gewesen, als er die Kopie aus der einen Tasche zog, während das Original in der anderen steckte. Das war gewagt, Severin musste schmunzeln, er kam sich schlau und verwegen vor. Er wartete an der Bordsteinkante, aber niemand bremste ab und ließ ihn die Straße überqueren. Auf der anderen Seite fiel ihm eine schwarze Limousine mit laufendem Motor auf, aus dem spaltbreit offenen Fenster drang Zigarettenqualm und laute Rockmusik heraus. Severin dachte noch wie schön dagegen doch diese Etüde von Mozart war, mit der er sich seit Wochen schon auf seiner Violine plagte. Dann war die Straße endlich frei und er ging los. Im selben Moment trat der Fahrer dr schwarzen Limousine aufs Gas.
„Oh mein Gott, was sind denn das für Typen!“ dachte Severin, blieb gerade noch rechtzeitig mitten auf der Straße stehen und ließ die Limousine vorbei. „Haben die beiden Glatzköpfe denn keine Augen im Kopf?“, ärgerte er sich.
Severin schaute auf seine Uhr, er hatte noch Zeit um sich einen Spaziergang zu gönnen, einen Umweg durch den Park. Er war erst zu Mittag bei Isabel zum Essen eingeladen und wollte sie am Hinweg bei ihr in der Buchhandlung besuchen und von dort gemeinsam zu ihr nach Hause gehen. Das hatte er ihr nicht ohne Grund so vorgeschlagen und deswegen hatte er auch das Original des Testaments mitgebracht.
Isabel bediente Kundschaft, als Severin das Antiquariat betrat. Sie winkte ihm zu und bat ihn um noch etwas Geduld. Severin nickt verständnisvoll und sah sich interessiert zwischen den vollen Buchregalen um. Ganz hinten im Geschäft war ein abgetrennter Nebenraum mit einer Nische für ganz besondere Exemplare, selbst Angreifen und Herausnehmen der Bücher war dort nicht erlaubt. Hier war der Lieblingsplatz seines Vaters gewesen, stundenlang hatte er in alten Schriften geblättert, eine Leidenschaft, die Isabel von ihm übernommen hatte. Severin vergewisserte sich, dass niemand ihn beobachtete, dann zog ein in Leder gebundenes, völlig verstaubtes Buch aus dem obersten Regal heraus, den „Index Alter Plantarum“, blätterte es auf und legte das Original-Testament zwischen die Seiten. Dann stellte er es auf denselben Platz zurück, wo es sicher schon seit Jahren unberührt gestanden hatte.
Als Isabel ihn suchen kam, saß er auf einem der knirschenden Sessel und kritzelte den Inventar Code des Buches ´D-VII/ IX/ 21/´ auf das Kuvert, in das er die Kopie des Testaments gesteckt hatte.
„Entschuldige bitte Severin, dass es etwas länger gedauert hat, aber das war eine wichtige Stammkundschaft.“
Severin half seiner Schwester galant in den Mantel, dann schloss sie den Laden ab. Isabel hakte ein und so machte sich das Geschwisterpaar auf den Weg.
Zuhause warteten schon Jakob und die hungrigen Kinder. Jakob hatte gekocht und den Tisch gedeckt. Während des Essens unterhielten sie sich über das Geschäft, die Kinder erzählten von der Schule und Severin davon, dass er zu verreisen plante. Nach dem Essen hielt es die Kinder nicht mehr am Tisch. Isabel servierte Kaffee und für Severin, wie immer, auch ein Gläschen Likör. Unweigerlich kam das Gespräch darauf, wie es nach dem Tod des alten Barons weitergehen sollte. Isabel machte sich Sorgen, dass die Familie jetzt ganz auseinanderbrechen würde, Severin dachte weniger an seine Geschwister und war vor allem über seine eigene Zukunft sehr besorgt.
„Vaters Notar hat einen Vermerk entdeckt“ warf er ein, „ in dem der Alte auf ein neues Testament verweist. Darin soll seine Mätresse die Haupterbin sein. Der Notar selbst kennt es nicht, aber Emilia und Viktor haben ihm bestätigt, ein solches als Zeugen unterschrieben zu haben. Über den Inhalt, beteuerten die beiden aber, wissen sie Nichts und leider auch nicht über seinen Verbleib. Rüdiger wartet dringend auf das Erbe, ihm steht das Wasser bis zum Hals. Mich hat Vater ohnehin schon enterbt, aber vielleicht verliere ich jetzt auch noch das Dach über dem Kopf.“
„So schlimm wird es schon nicht werden, es ist genug für alle da“, versuchte Isabel die Unterhaltung wieder in eine unverfänglichere Richtung zu lenken.
Sie schenkte Jakob Kaffee und Severin noch einen Schluck Likör ein und fragte ihn dabei, wie er darauf kam, dass Rüdiger das Wasser bis zum Hals stehen sollte.
„Weil ich auch im Palais wohne und mitbekomme, wie er zweimal die Woche ins Casino geht, seine Rechnungen nicht bezahlt und er dauernd mit Helena streitet, weil er nicht mehr weiß, wie er ihre Einkaufstouren bezahlen soll. Sie haben beide immer schon viel mehr ausgegeben, als Rüdiger sich leisten kann.“
Jakob hatte Severin aufmerksam zugehört und erkundigte sich jetzt wie beiläufig, was Rüdiger sonst noch so alles treibe, Freunde, Besuche und so weiter, was Isabel unangenehm zu sein schien.
„Sei doch nicht so neugierig Jakob. Was geht dich Rüdigers Leben an?“
„Er ist Familie. Ich bin nicht neugierig, nur interessiert.“ Severin richtete sich zum Gehen.
„Wie auch immer, höchste Zeit für mich zu gehen.“
Er bedankte sich für Gastfreundschaft, Essen und Likör und wünschte Jakob noch einen schönen Tag. Isabel begleitete ihn hinaus. Am Heimweg musste er innerlich über sich selbst lachen, wie überzeugend er doch in der Rolle des enterbten Sohnes gewesen war. Dem Himmel sei Dank, dass er das Testament gefunden hatte und diese Nora damit erpressbar war.
Nachdem Severin gegangen war half Jakob Isabel noch beim Saubermachen, dann verbrachten sie den Nachmittag gemeinsam zeitunglesend, plaudernd und mit den Kindern spielend. Bei Einbruch der Dämmerung richtet Jakob sich zum Gehen. Er erklärte Isabel, dass er die Buchhaltung für diesen Monat noch nicht gemacht hatte und sie wusste, das erledigte er am liebsten spätabends und nachts in seinem Büro.
Jakob genoss den Fußmarsch zu seinem Büro. Es schneite stark und der Schnee schluckte den städtischen Lärm. Seit dem Tod seines Vaters führte Jakob das Traditionsunternehmen Suess & Söhne Ltd. alleine, ein Antiquariat für Bücher, antike Münzen Medaillen und Medaillons. Dort hatte das Schicksal auch ihn und Isabel zusammengeführt, die fasziniert von den alten abgegriffenen Schmökern, oft stundenlang völlig versunken im Leseraum des Geschäfts über den Büchern saß. Jakobs Büro war in der Filiale für Münzen und Medaillen, die andere Filiale, die mit den Büchern, war jetzt mehr Isabels Domäne und Refugium. Sein Büro lag ebenerdig ganz hinten im Geschäft, mit zwei kleinen Fenstern in den Innenhof. Er nahm das abgegriffene Kassabuch aus der abgesperrten Schreibtischlade, legte einen Block daneben und kritzelte und rechnete hin und her. Die Jahresabschlussbilanz war fällig und die Zahlen sahen alles andere als rosig aus. Das Habensaldo lag weit hinter seinen Erwartungen zurück und die letzten paar Wochen des Jahres würden daran kaum noch etwas ändern. Jakob lehnte sich in seinem Drehstuhl zurück und kaute mit hinter dem Kopf verschränkten Händen an seinem Bleistift herum. Die Wanduhr mit den römischen Zahlen auf dem weiß emaillierten Ziffernblatt schlug leise Neun.
„Sie sollten bald da sein“, dachte er, „wenn ihnen Nichts dazwischengekommen ist.“
Am Fenster klopfte jemand und Jakob erhob sich, um die Tür aufzusperren. Er musste den Vorhang nicht zur Seite ziehen, um zu wissen wer es war. Dieses Klopfen war das vereinbarte Zeichen. Jakob öffnete die Hintertür und ließ Sami, den Mann seiner Schwester, ein schmächtiger Kerl mit stechenden Augen, herein.
„Wie geht es dir mein Lieber, ist dir auch niemand gefolgt?
Hast du etwas von Esther gehört?“
„Alles bestens Jakob. Mein Vater lässt dich herzlich grüßen.
Esther müsste auch bald da sein, sie wollte nur nicht mit mir gemeinsam gehen.“
Bald danach traf Esther, Jakobs Cousine ein. Jakob zog die Vorhänge ganz zu und knipste nur ein schwaches Licht an, damit seine Gäste vom Hof her nicht zu sehen waren.
„Was gibt es denn Interessantes Esther das du uns so dringend zeigen willst?“, wandte er sich seiner Cousine zu.
„Unser Informant im Ministerium hat mich gestern kontaktiert und mir dieses Kuvert übergegeben. Er sagt es wäre brisant. Es ist zugeklebt, ich habe selbst noch nicht hineingeschaut.“
Esther legte einen verschlossenen Umschlag vor Jakob auf den Tisch, der ihn prüfend vorne und hinten besah, bevor er seinen messerscharfen Brieföffner ansetzte und ihn aufschlitzte. Er enthielt einen Einzahlungsbeleg, dem ein kurz gefasstes Begleitschreiben beigelegt war. Dem war zu entnehmen, dass es sich um die Quartalszahlung auf ein Konto ´Förderungen-Denkmalschutz´ handelte, dessen Inhaber Rüdiger Kranach-Walde war. Jakob sah sich den Betrag noch einmal an. Es war ein Mehrfaches dessen, was seiner Familie nach einem Jahr Arbeit in seinen beiden Geschäften zum Leben blieb.
„Nicht übel!“ bemerkte er und hielt den Beleg so, dass auch die anderen ihn lesen konnten.
„Nicht übel und damit kauft mein Schwager Schläger, Denunzianten und korrupte Beamte.
Die Wanduhr schlug Zehn. Jakob sollte schon Zuhause sein. Er sperrte den Beleg zusammen mit seinem Kassabuch ein, dann wünschten sie sich eine gute Nacht und gingen, ein jeder in eine andere Richtung, heim. Als Jakob zu Hause ankam, hatte Isabel die Kinder schon zu Bett gebracht. Sie schliefen tief und fest, als er nach ihnen sah. Isabel wollte wissen, ob er mit der Buchhaltung fertig geworden und der Jahresabschluss erfreulich war. Müde ließ Jakob sich in sein Sofa fallen.
„Leider weder noch! Einen Abend werde ich wohl noch opfern müssen. Mindestens! Dieses Jahr kommen wir gerade noch irgendwie über die Runden. Für die Zukunft weiß ich aber nicht, wie es weitergehen soll.“
„So schlimm?“
„Nein, nicht ganz. Ich bin nur müde, es war ein langer Tag“, versuchte Jakob den Ernst der Lage herunterzuspielen.
Es war Isabels geliebtes Antiquariat, das rote Zahlen schrieb, während das Münzgeschäft noch bescheidenen Gewinn abwarf. Das wollte Jakob ihr aber so nicht sagen. Isabel kuschelte sich zu ihm auf die Sofalehne.
„Mein Liebster, das kommende Jahr wird ganz gewiss besser werden.“
„Sicher! Ja!“ erwiderte er abgespannt. „Wir schaffen es, das wäre doch gelacht!“
Isabel kannte ihn nur zu gut, die Lage war ernst. Zum Lachen war Jakob nicht zumute. Neidvoll dachte er an die Summe, die Rüdiger für Agitationen und Propaganda zur Verfügung hatte, und dass ihre Sorgen damit leicht ausgeräumt wären. Isabel ging hinaus und kam mit zwei gut gefüllten Gläsern Rotwein zurück. Sie stießen an und wechselten vom Geschäft zur Familie. Isabel meinte, sich in der Trauerphase nach dem Tod des Vaters, vermehrt um ihre Geschwister kümmern zu müssen und hatte für morgen Abend eine Einladung aller geplant. Jakob schlug gleich vor, dass er dann, um die Geschwister nicht zu stören, sich bei dieser Gelegenheit der restlichen Buchhaltung widmen könnte.
Nachdem Jakob am nächsten Morgen in das Geschäft aufgebrochen war, klemmte Isabel sich hinter das Telefon. Als erste rief sie Patrizia an, ließ es zwei Mal lange läuten, dann gab sie auf. Dann versuchte sie es bei Rüdiger. Wider Erwarten war er um diese Zeit nicht nur munter, sondern auch gut gelaunt. Heute müsse er ihr aber leider absagen, entschuldigte er sich ohne hörbares Bedauern, weil er eine Verpflichtung hatte die unaufschiebbar war. Auch jetzt könne er nicht lange reden, weil er so schwer beschäftigt war, wimmelte er seine Schwester ab.
Rüdiger hatte in der Früh hocherfreut festgestellt, dass der ersehnte Geldfluss auf sein Konto ´Förderungen-Denkmalschutz´ endlich eingetroffen war. Der Betrag war stattlich, reichte aber bei Weitem nicht, um alle seine Verbindlichkeiten zu begleichen, weshalb er beabsichtigte, ihn heute Abend am Spieltisch deutlich zu vermehren.
Zur Einstimmung besuchte Rüdiger davor ein schickes Nobelrestaurant. Er speiste allein, weil seine Frau, wie fast immer, andere Gesellschaft der seinen vorzog. Satt und zufrieden bestellte er einen Wagen und ließ sich zum Casino fahren. Das dicke Bündel Banknoten in seiner Brusttasche fühlte sich sehr gut an und die Flasche alten französischen Weins beim Essen trug das ihre zu seiner Zuversicht bei. Auf dem Weg zum Black-Jack Tisch setzte er im Vorbeigehen beim Roulette einen Jeton auf Rot und gewann. Er ließ den Gewinn auf Rot liegen, aber Schwarz gewann. Um den Verlust wett zu machen legte er jetzt vier Jetons auf schwarz und, als die verloren waren, acht auf Rot. Um acht Jetons erleichtert setzte er seinen Weg zu den Karten Tischen fort, stärkte sich aber noch kurz mit einem doppelten Wodka bei einem Zwischenstopp an der Bar. Black Jack lag ihm mehr, die Verluste hielten sich in Grenzen und anfänglich machte er, zwar nur bescheidenen, aber doch auch, Gewinn. Das Geldbündel aus seiner Tasche hatte er schon zur Gänze in bunte Jetons und Plaques gewechselt, die vor ihm aufgestapelt, zusehends weniger wurden. Die Einsicht, dass heute vielleicht doch nicht sein Tag war, kam spät aber noch rechtzeitig bevor auch noch seine eiserne Reserve für die Heimfahrt verspielt war. Sogar ein Drink auf der Heimfahrt ging sich noch aus. Er wählte dafür eine Bar, in der er keine offenen Rechnungen hatte.
Am nächsten Vormittag verschlief Rüdiger fast die Verabredung mit Finn, bei der er ihn endlich für seine Dienste zu bezahlen versprochen hatte. Mit erheblicher Verspätung traf er im Schwarzen Adler ein. Vom langen Warten missgestimmt, aber nun erleichtert, dass er doch noch gekommen war, begrüßten ihn Finn. Seinen Stellvertreter, die Nummer Zwei der Bande hatte er auch wieder mitgebracht.
„Wir haben und schon lebhaft ausgemalt, wie du auf dem Weg hierher überfallen und ausgeraubt worden bist!“
Finn lachte kehlig und böse und die Nummer Zwei neben ihm verschluckte sich vor Lachen an seinem Bier. Rüdiger brachte nur mit viel Mühe ein müdes Grinsen zustande.
„Es tut mir leid Finn, aber du bekommst heute erst einmal nur einen Teilbetrag, den Rest dann nach den Feiertagen. Nicht meine Schuld, ehrlich, die Partei ist mit den Zahlungen in Verzug. Ärgerlich, auch für mich, dafür verdopple ich aber deine Prämie, wenn du diese Nora zur Herausgabe des Testaments bewegen kannst. Ich brauche es möglichst bald. Du bist doch sonst auch nicht so zimperlich! Du verstehst was ich meine?“
Seit Rüdiger gesagt hatte, dass er wieder nicht bezahlen konnte, hatte Finn ihn feindselig fixiert. Jetzt war es so angespannt still am Tisch, dass Rüdiger glaubte die Gasbläschen in Finns Bierglas aufsteigen zu hören. Als Finn den Mund aufmachte, atmete Rüdiger hörbar aus.
„Meinetwegen, aber nach den Feiertagen wollen wir Bares sehen Herr Baron. Sonst, du verstehst was ich meine?“
Rüdiger verstand nur zu gut. Er ging nach dem Treffen ohne Umwege zu sich nach Hause. Finn und die Nummer Zwei wollten aber keine Zeit verlieren, sich die versprochene Prämie zu verdienen. Sie fuhren in die Courbet-Gasse und fanden nach kurzer Suche einen Parkplatz in der Nähe von Noras Haus. Sie waren auf längeres Warten eingestellt, aber bald schon fuhr Noras Wagen, mit ihr hinter dem Steuer und Tanne am Beifahrersitz, aus der Garage heraus.
Nora hatte Tanner gebeten sie in ihr Büro zu fahren. Seit dem Ableben des alten Barons war sie nicht mehr dort gewesen, es war höchste Zeit wieder einmal nach dem Rechten zu sehen. ´Nora Escorts Deluxe & Co. KG´ war ein florierender Begleitservice für eine betuchte Klientel, von ihrer Mutter aufgebaut und von Nora sehr erfolgreich weitergeführt. Von einigen ihrer sehr speziellen Kunden, wie dem alten Baron, einmal abgesehen, war Nora selbst nicht mehr aktiv, dazu hatte sie eine Auswahl williger Mädchen engagiert. Ihr Büro lag an einer teuren Adresse in der Innenstadt. Tanner sah sich während der Fahrt immer wieder nach verdächtigen Autos um. Er konnte keine Verfolger entdeckten, vielleicht aber waren sie auch sehr geschickt.. Nora fuhr in die Garage und Tanner erlaubte ihr erst aussteigen, als er neben der Fahrertür stand. Oben im Büro hatte Nora vertrauliche Telefonate zu erledigen, während Tanner, von der Sekretärin mit Kaffee versorgt, im Vorraum die Firmenbroschüre durchblätterte und Zeitung las. Nora hatte anschließend noch verschiedene Einkäufe zu erledigen. Es dämmerte schon als sie Nachhause fuhren.
„Wer ist der Co?“ fragte Tanner während sie bei einer roten Ampel hielten.
„In meiner KG?“
„Ja! Ich wusste nicht, dass sie einen Partner haben.“
„Dabei haben sie ihn schon kennen gelernt. Erik!“
„Ah!“ kommentierte Tanner halb überrascht, halb fragend, in der Hoffnung bei dieser Gelegenheit etwas mehr über diesen Erik zu erfahren.
Die Ampel sprang auf Grün und Nora gab Gas, ohne ihm mehr verraten zu haben. Tanner war durch Nachdenken abgelenkt und bemerkte nicht, dass seit drei Kreuzungen schon dieselbe schwarze Limousine hinter ihnen fuhr und dann in ihrer Straße parkte, als Nora hinunter in die Garage fuhr. Nora erwartete Erik erst spät am Abend und meinte, sie würde sich besser fühlen, wenn Tanner so lange bei ihr bliebe. Er hatte ohnehin nicht vorgehabt sie allein zu lassen. Während Nora ihm den angebotenen Drink zubereitete, beobachtete er vom Fenster aus den Park gegenüber und die Straße vor dem Haus. Alles ruhig, keine zwielichtigen Gestalten.
Finn und sein Kumpel warteten ein Stück die Straße hinunter im Auto, rauchten Dope und tranken Bier. Erst kurz bevor Tanner sich, weil Erik gekommen war, auf den Heimweg machte, zogen sie gegen Mitternacht unverrichteter Dinge ab. Früh am Morgen standen sie aber schon wieder parat. Rüdiger wartete ungeduldig auf das Dokument und sie brauchten dringend das Geld. Die Scheiben ihres Wagens waren außen angeschneit und innen so beschlagen, dass sie kaum noch etwas sehen konnten. Finn stieg aus . Im diesem Moment kam Tanner in seinem Leihwagen angebraust. Finn duckte er sich gerade noch rechtzeitig hinter ein geparktes Auto. Tanner parkte, stieg aus und verschwand im Haus. Nach zwanzig Minuten kam er in Noras und Eriks Begleitung wieder heraus. Es stürmte und war kalt. Erik hatte den Kragen seines Lammfellmantels aufgestellt, den Schal bis zur Nase hochgezogen und Nora, die ebenfalls warm eingepackt war, hatte sich bei ihm eingehakt.
„Kein Wunder, dass sie Tanner engagiert hat, sieh´ dir diese halbe Portion von ihrem Freund an“, spottete Finn ihnen nach.
„Fahr los, wir verschwinden. Solange Tanner bei ihr ist können wir sowieso nicht viel unternehmen.“
Nummer Zwei gehorchte und sie fuhren los. Bei der nächsten Kreuzung mussten sie halten und sahen Nora und Erik weiter vorne über die Straße gehen. Nur Nora und Erik, von Tanner keine Spur. Er hatte versteckt in einem Hauseingang gewartet. Jetzt, wo sie fast auf gleicher Höhe hielten, trat er neben ihnen auf den Gehsteig heraus, er wollte gesehen werden und ihnen zeigen, dass sie aufgeflogen waren. Obwohl die Ampel noch Rot war, trat Finn das Gaspedal bis zum Anschlag durch. Jetzt wo sie entdeckt worden waren, würde an Nora kaum noch heranzukommen sein. Finn ließ den restlichen Tag untätig verstreichen, weil Tanner jetzt sicher ganz besonders aufmerksam war. Er überlegte aber und stellte sich vor, dass Nora das Wohlbefinden ihres Freundes sicher sehr am Herzen lag und er deshalb einer ein wunder Punkt für sie war.
Am Abend rief Nora Severin an. Sie sagte, sie hätte sich sein Angebot überlegt und wäre bereit mit ihm darüber zu verhandeln. Severin hatte schon ungeduldig gewartet, zog sich an und machte sich auf den Weg. Er war darauf eingestellt, dass Nora, statt des von ihm vorgeschlagenen Halbe-Halbe, deutlich mehr herauszuholen plante. Zu einem kleinen Entgegenkommen war er auch durchaus bereit. Sie würden sich schon einigen, hoffte er zuversichtlich, sonst würden sie beide nur verlieren.
Es schneite stark, die Straßen waren schlecht geräumt. Severin ließ sein Auto stehen und entschied sich für die Straßenbahn. Er stieg schon eine Station früher aus und ging das letzte Stück, zum Auslüften und gedanklichem Vorbereiten, zu Fuß durch den tiefverschneiten Park.
Finn hatte seinen auffälligen schwarzen Prolo-Schlitten gegen einen weißen Kleinstwagen getauscht und mit Nummer Zwei am Beifahrersitz Position bei Noras Haus bezogen. Sie standen schräg gegenüber auf der anderen Straßenseite beim Park, nicht allzu weit weg, weil bei diesem Schneetreiben die Sicht sehr eingeschränkt war. Ausgerüstete mit einer Thermoskanne Rumtee und genügend Kraut zum Rauchen waren sie auf ein langes Warten eingestellt. Nach dem dritten Becher musste Nummer Zwei austreten und stellte sich dazu hinter einen Baum, sonst hätte er den jungen Mann, der durch den Park direkt auf ihn zu kam gar nicht bemerkt. Das Gesicht konnte er bei diesem Schneetreiben nicht genau sehen, aber die Statur und den Mantel erkannte er. Er beeilte sich zu Finn ins Auto zurück.
„Aufpassen, runter! Da kommt ihr Freund!“
Beide rutschten sie in ihren Sitzen so tief, dass sie gerade noch über das Armaturenbrett schauen konnten. Der Mann querte drei Autos vor ihnen die Straße, den Kragen seines dunklen Lammfellmantels gegen den eisigen Wind aufgestellt, den Schal bis zur Nase hochgezogen, verschwand er im Hauseingang. Nora öffnete Severin die Tür. Sie war nicht allein, auch Erik war wieder da und beobachtet ihn noch argwöhnischer, als beim letzten Mal. Wie Severin befürchtet hatte, verlangte Nora einen größeren Anteil, die Hälfte schien ihr, der Haupterbin, zu gering. Severin hatte sich schon überlegt, wieviel er nachgeben sollte, immerhin brauchte er das Geld sicher dringender als sie. Noras Forderung war hoch, eigentlich unverschämt, wie ihm schien. Er verhandelte hart, Nora aber ebenso. Lieber hätte Severin mit diesem Erik verhandelt, der schien ihm nicht so standhaft und hart zu sein. Nora verlangte 75 Prozent, mehr als 60 war Severin aber nicht bereit ihr zu geben. Er hielt ihr die Kopie des Testaments vor die Nase, um sie zu überzeugen, dass auch die Hälfte noch immer ein stattliches Vermögen war. 75 Prozent war ihr letztes Wort, Ende der Diskussion. Severin spürte, dass sie nicht nachgeben würde. Er willigte ein, drei Viertel für Nora, ein Viertel für ihn. Noras kräftiger Handschlag und Eriks erleichterter Seufzer besiegelte die Abmachung. Er würde in den nächsten Tagen alles Nötige mit dem Notar arrangieren und sie dann zum Unterzeichnen abholen kommen. Severin fiel ein Stein vom Herzen und auch Nora schien zufrieden zu sein. Sogar Erik strahlte jetzt über das ganze Gesicht. Er brachte Severin zur Tür und gab ihm zuerst den falschen Mantel, seinen eigenen, der gleich aussah und neben dem von Severin in der Garderobe hing.
Draußen vor dem Haus blies Severin ein eisiger Wind entgegen. Es war bitterkalt, Kragen hoch, Schal vors Gesicht, schnell über die Straße und quer durch den Park zur Straßenbahn. Finn hatte den Hauseingang nicht aus den Augen gelassen. Er rempelte die dösende Nummer Zwei so unsanft an, dass dem fast die Zigarette aus dem Mundwinkel fiel.
“Da ist ihr Freund wieder. Jetzt oder nie!“
„Jetzt oder nie!“ bekräftigte Nummer Zwei.
Sie gaben ihm noch einen kleinen Vorsprung, dann stiegen sie aus und verfolgten Noras vermeintlichen Freund. Sie waren so auf ihr Opfer fixiert, dass sie Tanner nicht bemerkt hatten, der hinter ihnen auf dem Weg zu Nora die Straße entlang daher marschiert kam. Zwei unbedeckte Glatzköpfe bei dieser Kälte, das war ungewöhnlich und sie fielen Tanner auf. Er war neugierig und heftete sich an ihre Fersen. Einen gemächlichen Spaziergang im Park hatten die beiden sicher nicht vor. Offensichtlich verfolgten sie den Mann, der ein Stück vor ihnen ging. Jetzt hatten sie ihn eingeholt.
„Warum so eilig Erik!“ sprach Finn ihn von hinten an.
Keine Reaktion. Sie nahmen ihn in ihre Mitte, Finn links, Nummer Zwei kam von rechts.
„Einen schönen Gruß vom Herrn Baron“, raunte Finn iSeverin ins Ohr und versetzte ihm einen harten Schlag in die Magengrube, sodass ihm die Luft weg blieb.
„Er wartet immer noch darauf, dass Nora sich bei ihm meldet, aber schön langsam verliert er die Geduld.“
Severin krümmte sich. Er versuchte die Verwechslung zu erklären, bekam aber immer noch nicht Luft. Er hoffte sie würden ihn nicht mehr schlagen, wenn er ihnen das Kuvert mit der Kopie übergab und griff mit seiner rechten Hand unter seinen Mantel. In Finns Welt war das die Bewegung, mit der man seine Waffe aus dem Brusthalfter zog. Er holte weit aus und schlug Severin mit aller Kraft, seine schlagringbewehrte Faust mitten ins Gesicht. Als Severins Kopf auf dem Randstein aufschlug, war das Bersten seines Schädels auch für Tanner noch zu hören. Er rannte los, zog im Laufen seine Waffe und gab einen Warnschuss ab. Auch Nummer Zwei hatte plötzlich einen Revolver in der Hand, drückte sofort ab und traf Tanner am linken Arm. Tanner zielte kurz und schoss noch einmal. Diese Kugel traf. Sie zerfetzte Nummer Zwei den Hals. Finn zog den Kopf ein und machte, dass er schnell weiterkam.
Tanner war bei Severin angekommen, er reagierte nicht mehr, lebte aber noch. Tanner nahm ihm das Kuvert aus der Hand und steckte es ein. Nummer Zwei lag mit weit offenen Augen und starrem Blick in einer Lache Blut. Tanner sparte sich die Mühe, noch nach einem Puls zu suchen.
Die Einsatzfahrzeuge kamen angebraust. Tanner wurde schwindlig und speiübel, er legte seine Waffe sichtbar vor sich auf den Boden und lehnte sich gegen einen Baum. Die ersten eintreffenden Polizisten forderten ihn mit gezogenen Waffen auf, die Hände zu erheben und sich auf den Boden zu knien. Erst einer seiner ehemaligen Kollegen vom Einsatzkommando erkannte ihn und half ihm auf. Nachdem er ihnen den Vorfall kurz geschildert hatte, wurde auch er in einen Rettungswagen gepackt und weggebracht.
Severin war da schon ein Stück vor ihm mit dem Notarztwagen unterwegs ins Spital. Isabel hatte eben erst ihre Visite begonnen, als sie das durchdringend laute Folgetonhorn heranrasen hörte. Kurz darauf klingelte ihr Telefon. Ein Notfall war angekündigt worden, sie solle schnell in den Schockraum kommen und den Patienten betreuen.
Isabel delegierte die Visite an einen Kollegen und rannte los. Kaum, dass sie im Schockraum war, schoben die Sanitäter schon einer Liege mit einem blutüberströmten Patienten herein. Der begleitende Notarzt hatte ihn bereits intubiert. Er wurde maschinell beatmet und eine Infusion lief im Schuss über eine große Leitung am Unterarm.
„Hat den ein Pferd ins Gesicht getreten?“ fragte Isabel ihren Kollegen, während sie mithalf den Patienten von der Liege auf den Schockraumtisch zu lagern.
„Nein, sieht aber fast so aus, soll ein Schlagring gewesen sein“, informierte der Notarzt sie. „Eine blutige Auseinandersetzung im Courbet-Park. Einer ist tot und ein anderer hat eine Kugel abgekriegt. Auch der müsste gleich einmal eingeliefert werden...“
Isabel und die Schwester waren ein eingespieltes Team. Wortlos erledigten sie was notwendig war. Im Hintergrund las jemand für alle hörbar die persönlichen Daten des Patienten aus seinem Ausweis vor. Bei „Severin“ wurde Isabel hellhörig, bei „Kranach“ bekam sie weiche Knie. Die Schwester stützte sie gerade noch rechtzeitig und rief nach Hilfe und jemandem der Isabel auf der Stelle ablösen konnte. Isabel kniete neben dem Behandlungstisch nieder und hielt die Hand ihres Bruders umklammert bis sie loslassen musste, weil er in den Computer-Tomographen geschoben wurde.
Tanner wurde währenddessen in einen anderen Behandlungsraum gebracht. Die Neuigkeit verbreitete sich wie ein Lauffeuer auch bis zu ihm.
„Der Notarzt hat einen Kranach-Walde gebracht , einen Bruder der Frau Doktor Suess. Es schaut ziemlich schlecht für ihn aus!“
Erst als die Tür des Operationstrakts sich hinter Severin geschlossen hatte, dachte Isabel daran, ihre Geschwister zu verständigen. Von Patrizia versprach sie sich in dieser Situation wenig Unterstützung, eher eine zusätzliche Belastung noch. Sie wollte lieber Rüdiger anrufen und wählte seine Nummer. Er meldete sich nicht.