Читать книгу SPACE 2022 - Eugen Reichl - Страница 19
Lernphase
ОглавлениеMit dem Horizont als Referenz kann der Nick- und Rollwinkel des Raumfahrzeugs leicht kontrolliert werden. Das Fenster kann überall hin positioniert werden, wohin mal will. Einen Bezugspunkt für den Gierwinkel zu finden ist dagegen nicht so leicht. Ich glaube aber, dass es mit der Fortdauer des Fluges eine Lernphase hinsichtlich meiner Fähigkeit gab, den Gierwinkel zu bestimmen. Hilfreich für diese graduelle Verbesserung war der Gebrauch der Sicht durch das Periskop und das Fenster. Um das Gieren des Raumfahrzeugs bestimmen zu können, muss die Geschwindigkeit des Raumfahrzeugs über der Erde zu Hilfe genommen werden, die eine scheinbare Drift der Erdoberfläche unter dem Raumfahrzeug erzeugt. Wenn das Raumfahrzeug korrekt in der Orbit-Ebene ausgerichtet ist, scheint sich der Grund parallel zur Längsachse des Raumfahrzeugs zu bewegen. Während des Fluges entwickelte ich eine Prozedur, die mir half, diese Drift als Referenz für den Gierwinkel zu verwenden. Ich neigte die Spitze des Raumfahrzeugs relativ zur normalen Raumlage etwa um 60 Grad nach unten. Danach war eine recht gute vertikale Sicht möglich. Aus diesem Blickwinkel hatten Wolken und Landschaften, die unter mir vorbeizogen eine höhere scheinbare Bewegung als in der normalen Raumlage, bei der meine Blickrichtung zum Horizont hin ausgerichtet war.
Nachts, mit dem Vollmond, der die Wolken unter mir beleuchtete, konnte ich immer noch den Gierwinkel durch das Fenster bestimmen, aber nicht so schnell wie tagsüber. Nachts konnte ich die Drift der Sterne verwenden, um die Flugrichtung zu ermitteln, aber es dauerte länger und war weniger genau. Während des ganzen Fluges zog ich das Fenster zur Bestimmung der Raumlage dem Periskop vor. Es schien auf der Tagseite länger zu dauern, den Gierwinkel mittels des Periskops zu bestimmen. Auf der Nachtseite ist die Beleuchtung der Wolken zu schwach, um gut durch das Periskop erkannt zu werden. Dreimal während des Fluges drehte ich das Raumfahrzeug in einer Gierbewegung um 180 Grad und blickte danach in Flugrichtung. Mir gefiel diese Raumlage viel besser, da ich sehen konnte wo es hinging anstatt zu sehen, wo ich war. Als Auswirkung dieses Manövers gab mir mein Instrumentenreferenzsystem eine falsche Raumlageanzeige. Es war jedoch einfach, die korrekte Raumlage durch eine Referenz auf den Horizont über das Fenster oder das Periskop zu bestimmen. Überhaupt war es kein Problem, die Orientierung aufrecht zu erhalten. Ich glaube aber, dass sich der Pilot im Weltraum automatisch mehr auf visuelle Wahrnehmung orientiert als in einem Flugzeug, wo es zusätzliche Hinweise durch die Schwerkraft gibt. Der Erfolg, mit dem ich das Raumfahrzeug während des gesamten Einsatzes kontrollieren konnte, war für mich eine der wichtigsten Erkenntnisse des Fluges.