Читать книгу Die Waldi-Philosophie - Eva Apfel - Страница 5

PROLOG

Оглавление

Ich habe eine Frage: „Sind wir nicht alle ganz normal verrückt und müssen therapiert werden?“

Für mich heißt das Luft-, Buddel- und Gassi-Therapie.

„Juhu!“, hoffentlich lässt mich meine Doreen nicht so lange auf meine Leckerli-Therapie warten, mit dieser Verordnung geizt sie pausenlos herum. Ich bin nicht geizig! Warum auch? Therapien kommen im Allgemeinen gut an beispielsweise meine Hundetreueblicktherapie, sie ist absolut wirkungsvoll und überall kostenlos einsetzbar.

„Können diese Augen lügen?“, die Antwort, „Nein!“

Eine Tatsache an der keinesfalls zu rütteln ist! Mein Frauchen arbeitet an anderen, mir völlig unverständlichen Therapien, ganz zu schweigen von ihre Freundin Cordula! Sie braucht ein ganzes Therapieprogramm!

Warum? Ein unendliches Trauerspiel, es geht um Beziehungen. Zwischenmenschliche Beziehungen, die seit Jahren erfolgreich sind, haben sie eine Chance weiterhin zu bestehen?

Zu viele Fragen für mein Hundegehirn, aber zuerst einmal zu meiner Person. Hallo, darf ich mich kurz vorstellen? Ich bin Waldi, ein besonders treuer Rauhaardackel. Meine Vorlieben sind: spielen, Gassi gehen und fressen. Am liebsten fresse ich diese Leckerlis mit Gemüse und Lamm, die duften lecker und machen mich süchtig nach mehr.

Ich bin ein Jagdhund, mit scharfem Verstand, ein mutiger und aktiver Schnüffler, ein kleiner Hund ganz groß. Mein Selbstbewusstsein ist unerschütterlich, in mir schläft und wacht ein echter Naturbursche, einfach zum Verlieben!

Jetzt, nach der ganzen Bürokratie, von der ich natürlich kaum etwas mitbekam, kann ich wieder glücklich sein!

Ein perfektes Leben wie dieses, habe ich mir immer gewünscht. Mit Doreen, denn sie ist mir die treu ergebene, liebste Eigenheimbesitzerin mit Rentenstatus, Befreierin aus der Tierheimhaftanstalt, in der ich einsitzen musste.

„Schwein gehabt!“

Ja, es war keineswegs alles rosig in meinem Leben. Ich bin sozusagen ein Flüchtling, eingereist mit falschen Papieren direkt aus der polnischen Tierfabrik. „Waldemar von der Eiche“, cooler Name und so deutsch. Adel verpflichtet und bei Titel und Stammbaum darf es gewöhnlich etwas teurer sein, das sah der Plan der Dackelmafia vor.

Allein in Deutschland werden jährlich mit illegal eingeführten Hundewelpen ca. 4 Millionen Euro Umsatz erzielt.

Die Handschellen oder besser gesagt das Hundehalsband klickte, warum ich postwendend in den Knast musste, keine Ahnung? Höchstwahrscheinlich: „Schutzhaft“, um meine Ausreise zu verhindern. Fix wurde ich eingekerkert, ein Justizirrtum?

Meine liebe Dackelmama und meine sieben Geschwister sah ich nie wieder. Schuldlos saß ich nun in Einzelhaft hinter schwedischen beziehungsweise deutschen Gardinen.

Im Tierheim herrschte ein übler Geruch, meine feine Nase konnte diesen penetranten Mief kaum ertragen. Freigang gab es begrenzt und unregelmäßig, von der Welt hatte ich wenig gesehen.

Zweifel und Ratlosigkeit begannen sich in mir auszubreiten, ich fragte mich: „Sollte mein Leben langweilig und unerfüllt bleiben? Bin ich ein unfreiwilliger Flüchtling, unschuldig geboren, unschuldig verschleppt und unschuldig im Tierheimknast?“

Auf jeden Fall gab es hier regelmäßig Futter! Ansonsten wäre ich gezwungen, meinen Zorn laut zu äußern! Schließlich bin ich in Deutschland eingereist.

Ja, es gab Schmerz, Trennung, Heimweh. Okay, Heimweh hatte ich weniger, aber ich hoffte auf den Silberstreifen am Horizont.

Wie alles begann. Ein herrlich sonniger Tag blinzelte mir in das Gesicht. In meinem Verwahrraum bedrückte mich das Gefühl der Langweile. Die Gitterstäbe gaben mir einen Blick in gestreift nach draußen frei, den Kauknochen legte ich zur Seite. Vom Spielen hatte ich genug, und ich streckte alle vier Pfoten auf dem kalten Fliesenfußboden aus.

Mein Hundekörbchen hatte mir die nette Wärterin schön kuschelig hergerichtet. Dort lag ich nun und hörte die Vögel zwitschern. Lange saß ich noch nicht ein, ich war in der Eingewöhnungsphase.

Draußen wurde es plötzlich tierisch laut und mein Halbschlaf empfindlich gestört. Es brach ein Tumult aus. Die Hunde bellten und sprangen wie wild in ihren Käfigen herum.

Von Weitem hatten sie bereits die Witterung aufgenommen, sofort wussten sie: „Jetzt kommt Besuch! Vielleicht ist es ein potenzielles Herrchen oder Frauchen?“

Ich hörte, wie sich der Schlüssel im Schloss drehte. Die Tür unseres Asyls öffnete sich, und die Insassen konnten besichtigt werden. Eine Frau Ende vierzig lief suchend mit dem Chef des Tierheims den Flur entlang.

„Da war sie, meine Traumfrau!“ Wie vom Blitz getroffen stand ich da, es verklärte sich mein Hundeblick.

Mein Herz begann, wie verrückt zu schlagen und vor Freude Luftsprünge zu machen.

„Doreen“, ich wusste natürlich bisher keinen Namen, aber sie sah aus wie eine Doreen, wie meine Doreen. Die passt zu mir! Gab es Liebe auf den ersten Blick! Ja, es gab keinen Zweifel!

Doreen bemerkte mich lächelnd, und wandte sich an unseren Tierheimvorsteher: „Ich glaube, der Kleine mag mich.“

Eigentlich wollte sie sich die Hunde lediglich anschauen, die Absicht, direkt einen mitzunehmen, das hatte sie nicht geplant.

Unser Betreuer schmunzelte: „Das sehe ich genau so! Jeder Hund, der in gute Hände kommt, ist für uns ein Glücksfall! Sehen sie nur, er himmelt sie an! Na, wer hat denn da wen gefunden? Der Hund sie oder sie ihn?“

Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht: „Na, komm mal her, du kleiner Süßer!“

Freudig schwanzwedelnd rannte ich zum Knastgitter, sie streckte ihre Hand hindurch und kraulte mir liebevoll mein Fell.

Diese Streicheleinheiten waren Balsam für meine kleine Hundeseele. Jeder wollte gestreichelt und gekrault werden, was gibt es Schöneres als eine liebevolle Umarmung.

Oh, meine Doreen, solch eine tolle Frau kam hier keineswegs jeden Tag vorbei. Ihre Figur einfach unbeschreiblich, sie war rassig und himmlisch dackelbeinig, ihre Maße: 120-100-120. Diese Beine, herrlich kurz und ein Garant für Gleichschritte mit mir. Unsere Augen trafen sich, meine Zunge hing heraus, der Speichel lief mir die Lefzen herunter und meine Stimme versagte. Nur ein Jaulen konnte ich herauspressen und in ein lautes Freudengeheul einstimmen. Elektrisiert warf mich ihr Anblick glattweg um und zwar in Rückenlage. Die kurzen Beine nach oben, Pfoten zum Himmel, meine Unterwerfung hätte kaum größer sein können.

„Willst du mein Frauchen sein! Bitte, lass mich nicht hier!“, winselte ich laut und herzzerreißend.

Die Tür öffnete sich und Doreen nahm mich in ihre Arme. Meine Einsamkeit fand ein Ende, das werde ich ihr niemals vergessen! Meine Treue zu ihr ist Hundeehre, und ich werde Frauchen sicher beschützen. Vor Einbrechern zum Beispiel, falls sie vorhaben das Hundefutter zu klauen.

Ansonsten gab es in ihrem Haus nicht viel zu holen. Ihr Prinzip: Je mehr da ist, umso mehr muss entsorgt werden! Keiner wollte ihre teure – exquisit, geschmackvoll, blumig dekorierte – Einrichtung erben. Ihre herrlichen Bilder in Plastiklederoptik, als Stillleben oder stilles Landschaftsbild. Aktbilder sind keinesfalls vorhanden, derartigen Schweinkram findet hier niemand im Haus. In der Teichstraße 13 herrscht Ordnung.

Dort durfte ich einziehen, ein Umzug aus Liebe in eine ganz normale Kleinstadt. Ich liebe Doreen, und sie liebt mich. Ab sofort ist sie für mein Wohlergehen zuständig und ich für ihres.

Die Waldi-Philosophie

Подняться наверх