Читать книгу Ein Millionär für Freddy - Eva Bolsani - Страница 3

Оглавление

COCKTAILSTUNDE

Der Mond steht heute besonders günstig. Sie profitieren sehr von seinen Energien.

Yes! Genau das, was Freddy brauchte. Strahlend stopfte sie die Zeitung zurück in ihre Handtasche, bevor sie an der Haltestelle ›Holzapfelstraße‹ leichtfüßig aus der Trambahn hüpfte. Sie konnte den ersten Satz ihres Horoskopes gar nicht oft genug lesen. Schluss mit den endlos langen Abenden, an denen sie sich mit ihren Freundinnen nur ausmalte, ihren Traummann zu treffen. Wenn heute sogar der Mond auf ihrer Seite war, was sollte dann noch schiefgehen?

Außerdem hatte sie den Ablauf des Abends perfekt geplant. Bereits gestern war sie zum Friseur gegangen – zwar hatte sie nun ihr Konto bis zum Anschlag geplündert, aber ihr naturblondes Haar wirkte mit den hübschen braunen Strähnen um einiges interessanter. Heute Morgen hatte sie dann schon mal ihre Klamotten für den Abend rausgelegt und ein Taxi vorbestellt, dass sie pünktlich zu ihrem Treffen mit Edward bringen sollte.

Edward.

Freddy ließ sich den Namen auf der Zunge zergehen. Bei Edward musste man doch automatisch an englische Könige oder amerikanische Vampire denken. O ja, ein Edward würde ihr nicht die große Liebe vorspielen und sie dann sitzen lassen, sobald er mit ihr geschlafen hatte! Beschwingt eilte sie weiter.

»Servus Freddy! Schau dir a’mal die Tomaten an! Die hingen heid Morgen no am Strauch! Der Gschmack haut dich aus die Strümpf.«

Fast hätte sie wegen ihrer Träumerei ihren Lieblings-Lebensmittelhändler übersehen, einen waschechten Münchner mit türkischen Wurzeln, der wie so häufig in der Tür seines Ladens stand und nach Kunden Ausschau hielt.

»Von den Socken, Murat«, korrigierte Freddy ihn lachend, ließ sich aber nicht aufhalten. Wenn sie erst anfing, in Murats Geschäft herumzustöbern, würde der ganze schöne Zeitplan durcheinandergeraten.

»Socka, Strümpf, wo is’n der Unterschied? Probier lieba!«

»Das nächste Mal!«, versprach Freddy, während sie sich bereits zwischen den parkenden Autos vor dem Laden durchschlängelte und auf die Eingangstür des gegenüberliegenden Altbaus zueilte.

Jetzt musste sie es nur noch schaffen, ihr biederes Bürooutfit gegen die schicken Klamotten zu tauschen, ohne sich dabei von den guten Ratschlägen ihrer Mitbewohnerinnen aus dem Konzept bringen zu lassen, dann stand einem tollen Abend wirklich nichts mehr im Wege.

***

Joe stieg aus seinem Wagen, blickte kurz auf die Benzinger Regulateur an seinem Handgelenk und zog unwillig am Knoten seiner Krawatte, der immer enger zu werden schien. In den Fensterscheiben seines Silver Cloud III überprüfte er noch rasch den Sitz seines Anzugs, musste jedoch feststellen, dass dieser – entgegen der Versicherung des Verkäufers – die Fahrt in dem Rolls Royce nicht ohne Knitterfalten überstanden hatte. Daran ließ sich allerdings nichts mehr ändern, wenn er pünktlich sein wollte. Joe zuckte mit den Achseln und eilte mit langen Schritten auf die Kanzlei von Tobias Köppen zu.

Der Anwalt war der Einzige, der ihn jederzeit in einem derartigen Aufzug in sein Büro zitieren durfte, auch wenn Joe befürchten musste, dass sein Mentor mal wieder einen seiner unverhohlenen Verkupplungsversuche startete. Warum sonst hätte er auf Jeans, T-Shirt und seine geliebten Chucks verzichten müssen?

Womöglich ging es aber auch um ein Treffen mit jemandem, der einen ›ordentlichen‹ Job für ihn in petto hatte. Dabei wusste Köppen besser als er selbst, dass er nicht auf ein geregeltes Einkommen angewiesen war und außerdem mit den dann unvermeidlichen festen Arbeitszeiten herzlich wenig anfangen konnte. Joe hoffte ja immer noch darauf, dass der Anwalt irgendwann einsah, dass sein Schützling ein erwachsener Mann war, der nicht länger auf den rechten Weg gebracht werden musste. Ganz abgesehen davon, dass Köppen selbst am meisten davon profitierte, dass Joe nicht jeden Tag brav in ein Büro marschierte. Denn der Anwalt war bei Weitem nicht so seriös und gesetzestreu, wie es nach außen hin den Anschein hatte, und so kam Joe seit seiner Rückkehr aus den USA immer wieder in den Genuss des ein- oder anderen Auftrages, der sich in der Regel nur mit halblegalen Mitteln erledigen ließ.

Vielleicht hatte der Anwalt ja einen neuen Einsatz für ihn? Aber warum dann die Verkleidung? Er plante doch nicht etwa, Joe ganz entgegen seiner Gewohnheit einem seiner Mandanten vorzustellen?

Inzwischen hatte er die Kanzlei in der Nähe des Münchner Marienplatzes erreicht. Die Empfangssekretärin geleitete ihn direkt in das Büro des Chefs.

»Herr Köppen«, begrüßte Joe den Anwalt höflich, der strahlend hinter seinem wuchtigen Schreibtisch hervorkam und ihm die Hand schüttelte.

»Joe, wie schön, dich zu sehen!«

Auch nach all den Jahren wahrten sie immer noch eine gewisse Distanz zueinander, doch Joe war es ganz recht so. Köppen hatte in der Vergangenheit sehr viel für ihn getan. Vielleicht fiel es Joe deshalb schwer, den Anwalt als Freund zu sehen, weil er immer den Eindruck hatte, er stünde nach wie vor in der Schuld des anderen.

»Setz’ dich doch«, meinte der Köppen jovial und wies auf einen der Besucherstühle. »Wie gut, dass du gleich kommen konntest.«

Joe setzte sich und wartete darauf, dass Köppen das Gespräch mit den üblichen Fragen nach seinem Privat- und Berufsleben begann. Doch der zögerte.

»Ich brauche deine Hilfe.« Der Anwalt sah ihn nicht an und ordnete stattdessen einige Papiere auf seinem Tisch, die keinerlei Ordnung nötig hatten. »Ich möchte dich engagieren.«

Also kein Verkupplungsversuch. Sehr gut. Aber warum druckste Köppen so herum?

»Ich bin dabei«, sagte Joe, doch Köppen hob abwehrend eine Hand.

»Hör’ dir lieber erst mal alles an«, warnte er.

»Es ist egal, worum es geht«, sagte Joe fest.

Schließlich zahlte Köppen gut, und Joe war froh, wenn er etwas für seinen Mentor tun konnte.

»Die Frage ist weniger, worum es geht, sondern um wen.«

Der Anwalt seufzte tief, und Joe beugte sich erwartungsvoll vor.

»Arnold«, sagte Köppen. Um bei Joe erst gar keinen Zweifel aufkommen zu lassen, von wem er sprach, fügte er hinzu: »Arnold Völkel.«

***

»… und wer hat natürlich zu viel Sangria erwischt? Der Edward!«

Edward lachte laut, und Freddy bemühte sich um ein Lächeln. Wie war sie bloß in diese Situation geraten?

Dabei hatte der Abend so vielversprechend begonnen. Edward hatte eine hübsche Strandbar an der Isar als Treffpunkt ausgesucht, er sah ganz gut aus, auch wenn seine Ohren ein wenig zu weit vom Kopf abstanden und seine Kleidung ein bisschen zu konservativ für Freddys Geschmack war, aber darüber konnte man ja leicht hinwegsehen. Dass sie bei seinem Anblick nicht gleich in Verzückung geriet, hatte sie zunächst als Versehen abgetan.

Aber irgendwann innerhalb der letzten halben Stunde kam Freddys Verstand zu dem Schluss, dass ihr Herz doch recht gehabt hatte, als es bei Edwards Anblick nicht gleich Purzelbäume geschlagen hatte. Vielleicht, als er angefangen hatte, ihr seine ganze Lebensgeschichte aufzutischen, ohne sie auch nur zu Wort kommen zu lassen? Oder als er mit einem lauten Gurgeln die letzten Reste seines Cocktails durch den Strohhalm geschlürft hatte? Bei seiner Bemerkung ›Ich muss mal für kleine Königstiger‹, mit der er sich auf die Toilette verabschiedet hatte? Oder schon, als er, ohne zu fragen, einfach zweimal Currywurst mit Pommes bestellt hatte – das billigste Gericht auf der Karte?

Missmutig schob Freddy die inzwischen kalten und entsprechend unappetitlichen Pommes auf ihrem Teller herum. Wenn das ein Date war, das unter einem günstigen Mond stand – wie sah nach Ansicht des Mondes dann eine misslungene Verabredung aus? Was machte der Mond denn da für einen Scheiß?

»Ich bin ja so ein Mensch, der viel Wert auf gutes Essen legt …«, sagte Edward in diesem Moment.

Perplex starrte Freddy auf die Reste der Currywurst. Aber immerhin war das ein Thema, zu dem sie auch so einiges zu sagen hatte. Sie öffnete schon den Mund, als Edward bemerkte:

»Es geht mir wirklich nichts über die Fischstäbchen mit Kartoffelbrei und Erbsen meiner Mutter.«

Freddy klappte den Mund wieder zu und versuchte sich stattdessen erneut an einem Lächeln. Nichts gegen Fischstäbchen – aber als kulinarisches Highlight würde sie die nicht gerade bezeichnen. Vielleicht sollte sie lieber überlegen, wie sie möglichst schnell hier wegkam, anstatt zu versuchen, sich an dem Gespräch zu beteiligen.

»Du entschuldigst mich kurz – ich muss mich mal frischmachen«, schaffte sie es schließlich, Edwards Redeschwall zu unterbrechen.

Der nickte gönnerhaft, und Freddy zog ernsthaft in Erwägung, einen Hinterausgang zu suchen, durch den sie sich heimlich davonmachen konnte. Vielleicht passte sie auch durch das Toilettenfenster? Aber so eine Unhöflichkeit war nicht ganz Freddys Stil. Besser, sie griff auf den bereits bewährten Notfallplan zurück. Anstatt also auf die Toilette zu gehen, schickte sie per WhatsApp an ihre Freundin Wanda: ›Anruf in 5 Minuten. BITTEEEE!‹

Sehr gut. Jetzt musste sie es nur noch schaffen, ausreichend schockiert auszusehen und nicht etwa zu kichern, während ihre Mitbewohnerin am Telefon bestimmt wieder einen Haufen Blödsinn verzapfte. Am besten, sie behauptete, die Toilette ihrer WG sei verstopft und quelle über – Edward wirkte irgendwie nicht so, als würde er den Helden spielen und ihr bei so einer Katastrophe zur Seite stehen wollen.

Doch scheinbar war eine Ausrede gar nicht nötig. Als Freddy zu ihren Lounge-Sesseln zurückkehrte, war Edward bereits aufgestanden und hielt einen Geldbeutel in der Hand.

»Du, tut mir leid, ich muss gehen. Ich habe nur einen Euro in die Parkuhr geworfen. Aber es war total schön, dich kennenzulernen, das müssen wir bald mal wiederholen. Deine Currywurst ist schon bezahlt, ich habe ja gesagt, ich lade dich zum Essen ein.«

Was vermutlich heißen sollte, dass sie für ihre Getränke selbst zuständig war. Ziemlich albern – allerdings hätte sie sich überhaupt nicht einladen lassen, wenn sie nicht gerade weg gewesen wäre, schließlich hatte sie nicht vor, diese Bekanntschaft zu vertiefen. Andererseits hatte Edward ihr die Currywurst ja sozusagen aufgenötigt, da geschah es ihm recht, dass er sie bezahlen musste.

»Wie nett von dir«, flötete sie also. »Geh’ nur schon mal los, nicht, dass du noch einen Strafzettel bekommst.«

»Ja …, dann bis bald?«, fragte Edward unschlüssig.

»Bis irgendwann mal«, entgegnete Freddy vage.

Zum Glück bewahrte sie das Klingeln ihres Handys davor, genauer darauf eingehen oder womöglich gar einen Abschiedskuss abwehren zu müssen. Edward machte sich tatsächlich davon, kaum dass sie den Anruf angenommen hatte.

»Hallo Wanda«, sagte Freddy, nachdem ihre Verabredung außer Hörweite war. »Sag Valentina, sie braucht sich den Bauch nicht mit Wattebällchen vollzustopfen. Ich koche!«

***

Arnold Völkel also. Joe schluckte. Das war ja wirklich eine Überraschung und nicht gerade eine von der angenehmeren Sorte.

»Weißt du, was Arnold treibt?«, fragte der Anwalt.

Joe schüttelte den Kopf. Er hatte Arnold seit Jahren nicht gesehen und keine Ahnung, was sein alter Freund machte.

»Wir haben keinen Kontakt mehr seit damals.«

Seit Köppen in das Vernehmungszimmer der Polizeiwache München Süd gekommen war, einen Blick auf den verängstigten Joe geworfen und sich freundlich als ›Tobias Köppen, dein Pflichtverteidiger‹ vorgestellt hatte.

»Eine meiner Klientinnen – Ruth von Brünneck – hat mich heute aufgesucht«, erklärte der Anwalt. »Sie macht sich Sorgen um ihre beste Freundin Marion. Es scheint, als stehe die kurz davor, einen beträchtlichen Teil ihres Vermögens der Verwaltung eines noch recht jungen Finanzmaklers zu übergeben – der ihr zudem schöne Augen macht.«

»Arnold Völkel«, riet Joe, und Köppen nickte.

»Frau von Brünneck hätte gern Gewissheit, dass es in dessen Finanzberatung mit rechten Dingen zugeht. Auf den ersten Blick lassen sich keine Unregelmäßigkeiten feststellen, und da kommst du ins Spiel. Aber ich kann durchaus verstehen, wenn du den Auftrag nicht annehmen willst.«

»Natürlich mache ich das«, sagte Joe spontan.

Obwohl – so ganz wohl war ihm bei der Sache nicht. Er hatte schon damals den Eindruck gehabt, dass er selbst dank Köppen besser wegkam, während Arnold eine Strafe im Jugendknast absitzen musste.

Andererseits hatte Arnold es sich selbst zuzuschreiben, wenn er immer noch irgendwelche krummen Dinger drehte, das war ja nicht seine Schuld. Vielleicht war da ja auch gar nichts. Außer den wilden Vermutungen dieser Frau, die womöglich nur eifersüchtig war, hatte Köppen offenbar nichts in der Hand.

»Und der Fummel? Den brauche ich eigentlich nicht, um nach ein paar Informationen zu graben«, meinte Joe und zupfte unwillig an seiner Krawatte.

Tobias Köppen grinste.

»Laut meiner Mandantin wollte sich ihre Freundin Marion heute eigentlich mit Arnold im Casino in Bad Wiessee treffen – aber Ruth von Brünneck hat sich da was ausgedacht, damit ihre Freundin gar nicht erst dort erscheint. Im Casino herrscht allerdings eine gewisse Kleiderordnung.«

Joe stöhnte. Wenn er etwas hasste, dann einer Zielperson unvorbereitet gegenübertreten zu müssen, alter Kumpel hin oder her.

»Es sähe ganz nach einem zufälligen Treffen mit einem alten Freund aus«, meinte Köppen hoffnungsvoll.

Joe verdrehte die Augen. Klar, Arnold würde begeistert sein, wenn er eine reiche Lady erwartete und stattdessen Joe vorfand. Dennoch beschloss er, das Casino an diesem Abend aufzusuchen. Auch Arnold musste sich im Laufe der letzten Jahre ziemlich verändert haben, wenn er jetzt als Finanzmakler tätig war. Es schadete sicher nicht, wenn er sich das mal ansah.

Außerdem – die Zeit war zwar verdammt knapp, aber vielleicht schaffte er es doch noch, vor dem Treffen eine Kleinigkeit zu organisieren. Und wenn Arnold entweder ebenfalls nicht erschien oder es vorzog, ihn zu ignorieren, dann konnte er sich immer noch einen netten Abend an einem der Blackjack-Tische machen. Schließlich hatte er kein Casino mehr besucht, seit er aus den Staaten zurück war. Also schüttelte er Köppen zum Abschied die Hand und machte sich auf den Weg zurück zu seinem Wagen.

***

Arnold hatte seinen Auftritt minutiös geplant: Sein Anzug saß perfekt, die dezenten Brillanten in seinen Manschettenknöpfen fanden sich in der Krawattennadel wieder, und eine Locke seines dunklen Haares fiel genau so weit in seine Stirn, um ihn ein wenig geheimnisvoll, aber keinesfalls unordentlich aussehen zu lassen. Er war ein wenig zu spät dran, natürlich, denn als erfolgreicher Geschäftsmann war er selbstverständlich sehr beschäftigt.

Nun hätte eigentlich Marion von einem der Barhocker aufspringen und auf ihn zueilen sollen – doch von seiner Verabredung war weit und breit nichts zu sehen. Er ließ seinen Blick über die für einen Donnerstag gut besetzten Roulettetische gleiten und stellte erwartungsgemäß fest, dass er bereits die Aufmerksamkeit einiger sehr interessanter Vertreterinnen des schönen Geschlechts erregt hatte – aber die Lady, auf die es ihm heute eigentlich ankam, entdeckte er nicht.

Arnold seufzte innerlich. Da steckte doch sicher wieder diese verflixte Ruth von Brünneck dahinter. Die ließ ja wirklich keine Gelegenheit aus, um ihn bei ihrer Freundin schlecht zu machen! Dabei hatte er der Lady doch überhaupt nichts getan, und auch Marion wollte er nichts Übles – wenn man mal davon absah, dass sie am Ende ihrer Bekanntschaft vielleicht nicht mehr über ein ganz so dickes Bankkonto verfügen würde. Aber was bedeutete das schon im Vergleich zu den schönen Stunden, die er ihr bereiten würde? Hatte er das nicht bereits mehrfach bewiesen, indem er über seinen Schatten gesprungen und sie ausschließlich in vegane Restaurants ausgeführt hatte? Zudem hatte er seine wunderbaren italienischen handgefertigten Leder-Bourges gegen ein paar Plastikschuhe getauscht, die zwar ganz hübsch, aber doppelt so teuer wie seine Lieblingsschuhe waren und zudem noch scheußlich drückten. Kurz, er beteiligte sich eifrig an Marions Bemühen, die Welt zu retten, nur, damit sie sich in seiner Gesellschaft auch wohlfühlte, und sie versetzte ihn einfach!

Womöglich hatte sie unterwegs aber auch ein verletztes Reh entdeckt, oder eine Katze, die sich nicht mehr von einem Baum heruntertraute. Die Rettung dieser Viecherl ginge bei Marion natürlich vor. So oder so würde sie wohl heute nicht mehr hier erscheinen. Wenn sie wenigstens nicht ständig behauptete, von Handys gingen schrecklich schädliche Strahlen aus und sie könne unmöglich so ein gefährliches Gerät in ihre Handtasche stecken, dann könnte er sie wenigstens anrufen. Es war Arnold wirklich ein Rätsel, wie die Frau es geschafft hatte, ein äußerst erfolgreiches Unternehmen für Naturkosmetik zu gründen und sehr gewinnbringend zu verkaufen.

Erneut schweifte sein Blick über die Roulettetische und blieb an einer Frau hängen, die alles daran setzte, so zu tun, als hätte sie ihn nicht bemerkt. Ihre Kleidung und ihr Schmuck waren ebenso geschmackvoll wie luxuriös, die Frisur würde jedem Wetterumschwung standhalten und ihr wahres Alter war vermutlich nur ihrem Schönheitschirurgen bekannt. Die langen, schlanken Beine hatte sie dezent übereinandergeschlagen, und hin und wieder strich sie sich mit einer eleganten Geste das kinnlange, blonde Haar hinter die Ohren. Dennoch war unverkennbar, dass sie vor allem eines war: unendlich gelangweilt.

Arnold grinste in sich hinein. Nun, da würde ihm doch etwas einfallen, um Abhilfe zu schaffen. Er machte bereits einen Schritt in ihre Richtung, als sein Blick zufällig auf die riesige Fensterfront fiel, von der aus man normalerweise einen großartigen Blick über den Tegernsee hatte. Da es inzwischen dunkel geworden war, spiegelten sich jetzt allerdings die Gäste des Casinos darin – und einen der Gäste, die es sich im hinteren Teil bei den Blackjack-Tischen bequem gemacht hatten, kannte Arnold nur zu gut.

Joe.

Er spürte, wie er unwillkürlich die Hände zu Fäusten ballte. Konnte das ein Zufall sein, dass Marion nicht auftauchte, und stattdessen dieser Kerl hier herumhing? Joe hatte sich ja schon immer für superschlau gehalten, aber glaubte er wirklich, dass er mit einem scheinbar zufälligen Treffen in einem Casino durchkam?! Arnold wusste doch längst, dass Joe wieder in München wohnte – und womit er sich beschäftigte.

Also doch Ruth von Brünneck, die versuchte, ihm die Tour zur vermasseln, indem sie ihm einen Schnüffler auf den Hals hetzte.

Arnold hatte große Lust, Joe am Kragen zu packen, ihn hinauszuschleifen und ihm mit seinen Fäusten zu zeigen, was er von dieser Sache im Allgemeinen und seinem alten Kumpel im Besonderen hielt. Aber es hatte ihn verdammt viel Mühe gekostet, sich dieses kultivierte Auftreten anzueignen, mit dem er sich in der sogenannten besseren Gesellschaft bewegen konnte, das ließ er sich nicht von diesem Typen vermasseln.

Es wäre allerdings gefährlich, Joes Auftauchen einfach zu ignorieren. Aber wenn dieser Verräter tatsächlich die Frechheit besaß, wieder Kontakt zu ihm zu suchen – warum sollte er die Chance dann nicht nutzen? Er müsste nur den Schnüffler im Auge behalten und könnte gleichzeitig eine günstige Gelegenheit abwarten, um endlich seine Rache zu bekommen.

Der blonden Frau mit den langen Beinen schenkte er keine weitere Beachtung und steuerte stattdessen direkt auf die Blackjack-Tische und damit auch auf Joe zu.

***

»… es ist ja nicht so, dass es mir nur ums Geld geht!«, beteuerte Freddy, nahm einen großen Schluck aus ihrem Rotweinglas und wendete die Hähnchenbrustfilets noch mal in der Marinade aus Olivenöl, Honig, Sojasauce und Chilis. »Aber ich war immerhin beim Friseur, bin mit dem Taxi hingefahren, damit ich nicht verschwitzt und zerknautscht ankomme, und dann lässt er gerade mal eine mickrige Currywurst springen und hat nur einen Euro in die Parkuhr geworfen! So knauserig muss man doch wirklich nicht sein!«

»Vielleicht war er ja auch beim Friseur und hatte nun kein Geld mehr übrig«, wandte Valentina leise ein und nippte vorsichtig an ihrem Wein.

»Papperlapapp«, tönte Wanda. »Beim ersten Date braucht der Typ ja nicht gleich so raushängen zu lassen, dass sie ihm nix wert ist!«

»Genau!«, rief Freddy und fuchtelte mit ihrem Rotweinglas in Richtung Valentina, bevor sie sich entschloss, lieber noch einen großen Schluck zu nehmen. Nicht, dass sie noch etwas von dem guten Tropfen verschüttete.

Dann machte sie sich daran, die Kartoffeln zu schälen und in eine große Pfanne mit Olivenöl zu werfen. Merkwürdigerweise war der Rotwein bereits leer – hatten die Mädels schon so viel getrunken? Sie öffnete eine weitere Flasche.

»Ich muss diesen komischen Geschmack vertreiben, den die Currywurst – oder auch dieser Edward – in meinem Mund hinterlassen hat«, erklärte sie dabei.

»Du hast ihn doch nicht etwa geküsst?«, fragte Valentina entsetzt.

»Natürlich nicht!«, entrüstete sich Freddy. »Aber schon wieder ein Reinfall, das kann doch einfach nicht sein. Und dass, nachdem mein Horoskop so vielversprechend war!«

»Du glaubst doch nicht immer noch an diesen Blödsinn«, stöhnte Wanda.

»Die Zeitung war von meiner Kollegin«, schwindelte Freddy, während sie Kartoffeln und Hähnchenbrüste in eine Auflaufform schichtete.

»Und weißt du, was noch drinstand? Eine total süße Geschichte, wie sich ein berühmter Sänger in ein Zimmermädchen verliebt, weil sie ihm kurz vor seinem Auftritt noch einen Knopf an sein Jackett genäht hat.« Freddy redete sich zunehmend in Rage. »Jetzt heiraten sie, und sie ist schwanger …«

Mit Schwung schob sie die Auflaufform ins Backrohr und schloss die Tür mit einem lauten Knall.

»… und er hat eine total hübsche Villa für seine kleine Familie gekauft! Wieso passiert mir so was nie?«

»Sag doch so was nicht. Sicher wartet irgendwo der Richtige auf dich«, meinte Valentina tröstend, doch Wanda murrte:

»Jetzt übertreibst du aber echt. Wenn du einen Rockstar oder einen Milliardär suchst, solltest du das vielleicht auch in deine Anzeigen auf diesem Datingportal so reinschreiben.«

Und da hatte Freddy gedacht, Wanda würde sie verstehen! Entnervt schob sie sich den Schnitz einer Tomate in den Mund. Murat hatte recht gehabt, sie waren wirklich ausgezeichnet. Gut, dass sein Laden fast rund um die Uhr geöffnet hatte.

»Es muss ja nicht gleich ein Milliardär sein«, brummelte sie mit vollem Mund.

»Ein Millionär reicht der Dame also schon«, sagte Wanda spöttisch.

So war das doch gar nicht! Freddy hatte – offenbar ganz im Gegensatz zu Wanda – einfach keine Lust mehr auf diese unverbindlichen On-Off-Beziehungen, die angeblich so hipp waren. Vielmehr sehnte sie sich nach einem bodenständigen Mann, mit dem sie eine gemeinsame Zukunft planen konnte. Aber mit einem Kerl, der nicht mehr als einen Euro für die Parkuhr übrig hatte, gründete man doch keine Familie, oder? Aber bevor Wanda sie wieder als endlos-spießig bezeichnete, hielt sie lieber den Mund und kümmerte sich weiter um das Kochen.

»Ich kann Freddy schon verstehen«, versuchte Valentina zu vermitteln. »Der Job bei dieser Zeitarbeitsfirma ist ja nicht sooo lukrativ. Da wäre es doch schön, wenn der Mann an ihrer Seite ihr ein wenig Sicherheit bieten könnte.«

»Na toll«, grummelte Freddy. »Meine besten Freundinnen halten mich nicht nur für habgierig, sondern auch noch für unfähig, meinen Lebensunterhalt zu bestreiten.«

Sie leerte ihr Rotweinglas in einem Zug, bevor sie anfing, die Tomaten in dünne Scheiben zu schneiden, während Valentina und Wanda eifrig beteuerten, dass sie das natürlich überhaupt nicht so gemeint hätten. Stattdessen machten sie allerlei hilfreiche Vorschläge, wie Freddy endlich ihren Traummann kennenlernen könnte. Die verzichtete großmütig darauf anzumerken, dass Valentina und Wanda ihren Mr. Right trotz zahlreicher After-Work-Partys und Museumsbesuche, die sie nun ins Spiel brachten, auch noch nicht gefunden hatten. Stattdessen dachte sie über Wandas Bemerkung nach. Sollte sie es vielleicht wirklich mal mit einer ganz anderen Anzeige versuchen? Wenn sie sich so eine märchenhafte Romanze wünschte wie die des Zimmermädchens und des Rockstars aus der Zeitung, dann musste sie das vielleicht einfach mal laut verkünden? Wie konnte sie darauf hoffen, dass ihr das Schicksal den richtigen Mann sandte, wenn sie nicht ganz genau beschrieb, was sie sich wünschte? Freddy schenkte sich noch mal Rotwein nach. Ein Milliardär musste es ja wirklich nicht sein – obwohl ein gewisses finanzielles Polster sicher nicht verkehrt wäre, schließlich ging es um die Zukunft ihrer geplanten Familie!

»Männer in Badehosen sind so sexy«, redete Valentina derweil auf Wanda ein.

»Mag ja sein«, brummte diese ungnädig. »Aber die sexy Männer, die ich im Schwimmbad treffe, haben immer ihren Nachwuchs dabei und besuchen einen Baby-Planschkurs!«

»Ich hab’s!«, unterbrach Freddy die Diskussion ihrer Freundinnen. »Ich suche einfach an der ganz falschen Stelle. Auf diesen Online-Dating-Portalen treiben sich wahrscheinlich nur Loser herum, die selbst nichts auf die Reihe bekommen, keine erfolgreichen Männer! Die nächste Anzeige schalte ich in einem dieser Manager-Magazine. Und ich weiß auch schon, wie die Überschrift lauten wird: ›Aschenputtel sucht Millionär‹. Na, was haltet ihr davon?!«

Nun war es an ihren Mitbewohnerinnen, sich jeglichen Kommentar zu sparen. Stattdessen stand Wanda wortlos auf und holte die Notfall-Ramazzotti-Flasche aus dem Küchenbuffet. Auch recht. Freddy stellte eifrig drei Schnapsgläser auf den Esstisch und quetschte sich zu Valentina auf die Küchenbank. Sie würde den Mann ihrer Träume schon noch finden, ganz egal, welch ungewöhnlichen Weg sie dafür einschlagen musste! Und eine Krisensitzung mit den Mädels und einer Flasche Ramazzotti schien ihr in diesem Moment der erste Schritt in die richtige Richtung zu sein.

***

Joe zuckte zusammen, als eine Hand schwer auf seiner Schulter landete.

»Ist das denn die Möglichkeit? Mein Kumpel Joe! Das hätte ich ja nicht gedacht, dass ich dich in diesem Leben noch mal zu Gesicht bekomme!«

Joe schluckte und forderte beim Dealer rasch noch eine Karte an, obwohl er wusste, dass er sich damit überkaufen würde. Aber sein Spiel an diesem Tisch war nun sowieso zu Ende. Dann stand er langsam auf und drehte sich zu seinem alten Freund um.

»Arnold?« Es fiel ihm ziemlich schwer, den Überraschten zu spielen. »Na so was. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.«

»Du bist es tatsächlich! Ich war mir gar nicht so sicher. Aber wieso machst du so ein betretenes Gesicht? Hast doch nicht etwa ein schlechtes Gewissen, weil du dich all die Jahre nicht gemeldet hast? Was soll’s, unsere Wege haben sich halt irgendwann getrennt.« Arnold grinste ihn an und schlug ihm erneut auf die Schulter. »Ich find’s cool, dass wir uns mal wiedersehen.«

Erleichtert erwiderte Joe die etwas ruppige Geste. Arnold schien bereit zu sein, ihre Freundschaft wieder aufleben zu lassen. Außerdem benahm er sich, ungeachtet seines adretten Aussehens, genau so wie früher. Fing doch ganz gut an.

»Aber komm, das Wiedersehen muss gefeiert werden, lass uns was trinken.«

Bereitwillig folgte Joe ihm an die Bar.

»Mensch, wie viel Jahre ist das jetzt her, seit wir Tag für Tag zwischen diesen öden Betonklötzen in der Blumenau rumhingen?«, fragte Arnold, wartete eine Antwort aber gar nicht erst ab, sondern orderte zwei Bier und zwei Jägermeister. »Aber das Leben hat es gut gemeint mit uns, oder? Von wegen, die Kids aus den Problemvierteln kriegen nix auf die Reihe, schau uns doch nur an! Aber du wirst es nicht glauben, vor Kurzem bin ich wieder in ein Hochhaus gezogen, allerdings nicht zu vergleichen mit den Dingern, in denen wir aufgewachsen sind! Es heißt ›The Seven‹ und bietet Luxus pur! Prost!«

Joe rechnete fast damit, dass Arnold gleich ein paar Fotos vorzeigen würde, diese ›mein Haus – mein Auto – mein Boot‹-Nummer, doch der beschränkte sich darauf, fast beiläufig die Namen seiner illustren Nachbarschaft zu erwähnen.

»Erst hatte ich ja an ein Häuschen direkt am Starnberger See gedacht – aber das ist doch eher was für alternde Schauspieler, letztenendes sitzt man da mitten in der Pampa, was soll ich denn da?«, fuhr Arnold fort. »Aber was ist mit dir? Was treibst du hier? Ich dachte, du hängst immer noch in den Staaten rum?«

»Mal sehen, was sich so ergibt«, meinte Joe vage und bestellte eine neue Runde Getränke.

»Vorsicht junger Mann«, warnte Arnold. »Wenn es dir um lukrative Damenbekanntschaften geht – das hier ist mein Revier, klar so weit?«

Joe winkte ab.

»Nee, lass mal. Mich interessieren Computer weit mehr als Frauen. Aber was meinst du mit lukrativen Bekanntschaften

Arnold lachte nur und schlug Joe zum wiederholten Mal auf die Schulter. Wenn das so weiterging, musste er sich morgen um einen Termin beim Physiotherapeuten bemühen.

»Computer! Wie konnte ich das vergessen – unser Mathegenie! Du sitzt doch nicht ernsthaft lieber vor so einer Kiste, anstatt dich mit diesen wunderbaren Wesen abzugeben? Verstehe ich nicht! Ich bin inzwischen Finanzmakler mit einer sehr exklusiven Kundschaft. Und die Kundenbetreuung ist ein wesentlicher – und der wesentlich interessantere – Bestandteil meines Geschäfts.« Arnold zwinkerte ihm vielsagend zu. »Aber dein Business scheint sich auch zu lohnen, oder?«

»Geht so. Ich brauche keine Luxuswohnung – Hauptsache, ich habe ’ne ordentliche Garage für meine Karre.«

»Natürlich, deine zweite große Leidenschaft! Was hast du dir geleistet – den Porsche, von dem du schon als kleiner Junge geträumt hast?«

»Einen Rolls-Royce, ein älteres Modell«, gab Joe sich bescheiden, doch Arnold kniff misstrauisch die Augen zusammen.

»Den kannst du dir mit ein paar Spielereien am Computer leisten?«

»Machst du dir etwa doch Sorgen, dass ich dir eine der reichen Ladys ausspannen könnte?«, gab Joe spöttisch zurück.

»Nie im Leben! Mal davon abgesehen, dass ich als Finanzmakler unübertroffen bin – gegen meinen Charme kommst du im Leben nicht an!«

»Überschätzt du dich da nicht ein wenig?«

»Ich soll mich überschätzen?!«

Wenn das mal nicht das passende Stichwort war!

»Nun, ich kann auch nicht behaupten, dass ich Schwierigkeiten hätte, eine Begleiterin für eine Nacht zu finden«, sagte Joe lässig. »Siehst du Rothaarige da an dem Roulettetisch links – die ist doch süß. Ich glaube, die nehme ich mir heute vor.«

»Pah, die schenkt dir doch keinen zweiten Blick, wenn sie auch mich haben könnte«, behauptete Arnold selbstbewusst.

»Wetten das doch?«

Arnold kniff die Augen zusammen.

»Eine Wette. Gute Idee! Allerdings sollte es bei so einer Wette schon um ein bisschen was gehen, oder?«

Joe zuckte mit den Achseln, doch Arnold kam so richtig in Fahrt.

»Okay, mein Einsatz: Ich sehe schon, dass du wohl einiges an Kohle gemacht hast, aber – nimm’s mir nicht übel, trotz der teuren Klamotten sieht man dir die Blumenau immer noch an. Also, wenn du gewinnst, spendiere ich dir eine Stilberaterin, die dich einen Monat lang auf Vordermann bringt!«

»Was?«, sagte Joe, ein wenig beleidigt.

»Die Frau ist super«, flüsterte Arnold verschwörerisch. »In jeder Hinsicht! Außerdem hat sie einen völlig neuen Menschen aus mir gemacht.«

»Ach so«, meinte Joe zögernd. »Aber was kann ich dir dafür anbieten …?«

»Nun, dein Rolls könnte mich reizen – aber so was fährt man doch nicht selbst, oder? Wenn ich gewinne, spielst du einen Monat lang den Chauffeur für mich. Abgemacht?«

Joe biss sich auf die Zunge. Jetzt durfte er sich bloß nicht anmerken lassen, wie perfekt dieser Vorschlag zu seinen Plänen passte.

»Ich weiß nicht … Zeit hätte ich ja schon …, aber dich einen ganzen Monat herumkutschieren, da habe ich eigentlich keine Lust drauf …«, quengelte er also.

»Angsthase! Aber schon klar – du weißt genau, dass du bei dem Rotschopf keine Chance auf einen Stich hast, wenn ich erst anfange, mit ihr zu flirten!«

»Was erst noch zu beweisen wäre«, behauptete Joe.

»Sieh es doch mal so«, vertraulich beugte sich Arnold zu ihm. »Ich bin ja eigentlich der Ansicht, dass da noch eine kleine Rechnung zwischen uns offen ist. Denn nach unserem letzten Coup hast du dich schließlich in der Sonne Kaliforniens geaalt – während ich ordentlich eins auf den Deckel gekriegt habe. Also, dann lass uns doch ein für alle Mal feststellen, wer der bessere Mann von uns beiden ist. Wenn du gewinnst – dann hat es wohl damals auch so sein sollen. Aber wenn ich gewinne, dann finde ich es durchaus angebracht, dass du mir einen Monat lang zur Verfügung stehst. Als ausgleichende Gerechtigkeit, oder so.«

Joe schluckte. Hätte er sich eigentlich denken können, dass Arnold die alte Geschichte nicht einfach so ignorierte. Aber er nickte.

»Also gut. Einverstanden!«

»Noch zwei Jägermeister!«, befahl Arnold.

Ruck zuck stellte der Barkeeper zwei Gläser vor ihnen ab, und sie besiegelten die Wette, in dem sie anstießen und den Schnaps auf ex hinunterkippten.

Joe entschied sich dafür, zwei ›Solero‹ zu ordern, schließlich sollte er sich schon deutlich um die Gunst der jungen Dame bemühen, und sie sah ganz so aus, als würde sie auf Cocktails stehen.

Doch als er sich mit den Gläsern dem Roulettetisch näherte, musste er feststellen, dass Arnold keine Zeit verloren hatte. Er saß bereits nah bei der hübschen jungen Frau – sehr nah.

»Ich setze immer nur auf ›Rot‹«, sagte die gerade leise und platzierte einen Jeton auf ebendieser Farbe. »Weil es die Farbe der Liebe ist.«

»Aber warum so zögerlich«, raunte Arnold, die Stimme um einige Nuancen tiefer als zuvor. Dann legte er seine Hand über ihre Finger und schob den Jeton auf diese Weise weiter bis auf eine einzelne Zahl. »Gar keine Lust auf ein bisschen Nervenkitzel?«

Ihre Wangen färbten sich ganz leicht rot.

»Aber warum die ›21‹?«

»Heute ist der 21.«, erklärte Arnold. »Und ich hoffe sehr, dass dies mein Glückstag wird – oder sollte ich lieber sagen, meine Glücksnacht

Sie kicherte und Joe beschloss, dass es höchste Zeit war, einzugreifen.

»Darf ich dich auf einen Cocktail einladen?« Sie drehte sich um, lächelte und nahm ihm das Glas ab.

»Gerne!«

»Verrätst du mir auch deinen Namen?«

»Susi«, sagte sie und lispelte dabei ganz leicht.

»Ich bin Joe.«

Sie schenkte ihm ein ganz entzückendes Lächeln, als sie mit ihm anstieß – um sich dann sofort wieder Arnold zuzuwenden. Joe nahm es mit einem Achselzucken hin. Schließlich hatte er nie vorgehabt, zu gewinnen. Jetzt musste er nur noch aufpassen, dass er Arnold nicht allzu schnell das Feld überließ. Und dann hatte er vier Wochen Zeit, um als Arnolds Chauffeur zu beweisen, dass an dem Verdacht von Ruth von Brünneck nichts dran war.

Jedenfalls hoffte er das von ganzem Herzen, dass da nichts dran war. Denn Arnold hatte diese alte Sache zwar keinesfalls vergessen, aber er schien es dabei belassen zu wollen, Joe ein wenig damit zu triezen – so lange er in ihrer Freundschaft den Ton angab. So wie früher eben, und Joe neigte durchaus dazu, sich das gefallen zu lassen. Denn es war ja in der Tat richtig, dass er damals ein verdammtes Glück gehabt hatte, ganz im Gegensatz zu seinem alten Freund. Jetzt irgendwelche unsauberen Geschäfte Arnolds aufliegen lassen zu müssen, würde sich echt beschissen anfühlen.

Ein Millionär für Freddy

Подняться наверх