Читать книгу Mission Zauberwald - Eva Gerth - Страница 9

Die Onkas

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„Sei ganz still“, flüstert Glitzy Amanda zu. „Ich werde dich jetzt beschützen.“ Amanda starrt gebannt aus ihrem Versteck heraus.

Plötzlich treten die merkwürdigsten Gestalten, die Amanda je gesehen hat, aus dem Wald auf die Lichtung. Im blassen Sonnenlicht kann sie zwei kleine, dicke, grüne Wesen erkennen. Die Gestalten nähern sich nur langsam, denn sie sind recht dick. Amanda glaubt kaum, dass sie jemals Wesen gesehen hat, die so große Nasen und Ohren hatten.

„Was sind das denn für welche?“, fragt Amanda im Flüsterton.

„Das sind Onkas. Ganz üble Gesellen, sag ich dir. Aber jetzt keinen Laut mehr. Die dürfen uns nicht finden.“ Und der Stein verstummt.

Einer der Onkas, der größere von beiden, hält auf einmal seine zuckende Nase in die Luft. „Riechst du das auch, Öhnnes?“, grunzt der größere Onka.

„Nee, was denn, Jonka?“, fragt sein dicker Kumpel Öhnnes.

„Na, Menschenduft. Ich rieche es ganz genau. Kommt von da vorn. Wir gucken mal nach.“ Und damit trottet er in die Richtung, wo sich Amanda und Glitzy versteckt haben.

„Das wär ja ne fette Beute für unseren König“, sagt der große Jonka.

„Ich riech immer noch nix.“

„Vielleicht ist ja deine Nase verstopft“, meckert der große Onka.

„Dass ich nich lach. Dann leidest du an Geruchsverirrung“, meint der dicke Öhnnes und zeigt seinem Kumpel einen Vogel.

„Ich lege jetzt einen Geruchszauber über dich, Amanda, damit die Onkas dich nicht mehr riechen können. Aber sei trotzdem ganz still, damit sie uns nicht hören, obwohl ihre Nasen gefährlicher sind als ihre Ohren“, tuschelt der Stein.

„Jetzt verstehe ich gar nichts mehr.“ Amanda blickt den Stein ratlos an.

„Ich erkläre dir das alles später, wenn die Onkas uns nicht vorher finden. Also, sei jetzt bitte still“, zischelt der Stein mit Nachdruck.

Der größere der beiden Onkas nähert sich immer mehr dem Gebüsch, in dem Amanda und Glitzy den Atem anhalten, damit sie sich nicht verraten. Vor lauter Angst schließt Amanda die Augen. Nun hört sie nur wenige Schritte von ihrem Versteck trockenes Holz zerbrechen.


Der Onka bleibt plötzlich abrupt stehen. „Komisch, jetzt brat mir doch einer nen Storch. Ich hätte meine Nase verwetten können, dass hier gerade eben noch Menschenduft war. Komisch, jetzt riech ich keinen Menschen mehr. Das gibt’s doch nicht. Auf meine Nase kann ich mich immer verlassen.“ Jonka schaut sich verwirrt auf der Lichtung um.

„Aber heute wohl nich“, feixt sein Kumpel. „Komm, lass uns nach Haus geh’n. Wir hab’n noch einen weiten Weg vor uns und es wird bestimmt bald dunkel.“

„Hier wird’s doch nie richtig dunkel.“ Der große Onka verdreht seine Augen.

„Ja, für uns wohl nich, aber für die andern doch.“

„Sach nur, du kriegst Schiss.“ Jonka dreht sich belustigt zu seinem dicken Freund Öhnnes um. „Wir sind doch wohl die Herrscher des Waldes und kein andrer.“

„Da haste ja recht, denn lass uns mal geh’n.“

Und so trotten die beiden Onkas mit lautem Stampfen in die andere Richtung über die Lichtung und verschwinden wieder im Wald.

Amanda atmet laut auf: „Gott sei Dank, endlich sind sie wieder weg.“

„Ja, zum Glück, es wäre gar nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn sie dich erwischt hätten.“

„Wieso mich? Was waren das denn überhaupt für hässliche Gestalten?“, will Amanda wissen. „Und wie bin ich hierhergekommen und wie komme ich wieder heraus? Übrigens muss ich auch bald nach Hause, meine Mutter wartet bestimmt schon auf mich. Wir wollten doch zusammen einkaufen“, erklärt Amanda mit leicht trauriger Stimme.

„Also gut, ich werde dir alles, was ich über die Onkas weiß, erzählen. Sie sind jetzt die Herrscher unseres Waldes. Früher wurde der Wald von der Feenkönigin, dem weißen Nashorn und dem Onkakönig zusammen regiert. Da war der Wald viel, viel schöner“, schwärmt der Stein. „Überall leuchteten die Blumen viel farbenfroher und die Blätter der Bäume waren viel grüner und man konnte sie sogar manchmal singen hören. Hörst du jetzt irgendjemanden singen?“

„Nein.“ Amanda lauscht angestrengt, aber sie hört rein gar nichts.

„Siehst du, das kommt alles von den Onkas. Sie sind böse. Sie nehmen alle gefangen, die für sie nicht gut riechen, und das sind fast alle. Deshalb verstecken sich auch alle Feen vor den Onkas, sie haben nämlich schon jede Menge Feen gefangen genommen und keine dieser Feen hat man jemals wiedergesehen.“

„Das ist ja schrecklich. Wie konnte denn das passieren, dass die Onkas an die Macht kamen?“ Amanda hält sich erschrocken die Hände vor den Mund.

„Nun, sie waren nicht immer so böse, musst du wissen. Früher waren die Onkas für die Waldbewohner einmal hilfreich. Wie du sicher gesehen hast, haben die Onkas riesige Nasen. Sie konnten Gefahren schon meilenweit früher riechen als alle anderen Waldbewohner und haben uns dann alle gewarnt. Früher haben wir uns immer auf die Onkas verlassen können. Mit ihren Nachtsichtaugen war es genauso. Wenn im Wald bei Nacht etwas Gefährliches herumschlich, haben die Onkas es gesehen und uns gewarnt, aber das ist nun leider alles vorbei.“ Der Stein blickt Amanda traurig an. „Irgendwann einmal ist es dann passiert. Die Onkas hatten auf einmal einen König. Keiner weiß, woher er kommt und wie er aussieht. Er ist halt ihr neuer König und seitdem hat sich hier alles zum Schlechten geändert. Er wurde immer machtgieriger und gemeiner. Die Onkas sind nun nicht mehr unsere Freunde. Nein, sie sind unsere Feinde geworden, fast über Nacht. Wenn sie nicht so groß und so stark wären … ja dann, dann würde ich …“ Glitzy springt in Amandas Hand ganz aufgeregt auf und ab, als wolle er kämpfen.

„Wieso kannst du springen? Ich dachte, Steine können sich nicht bewegen?“

„Wenn wir einen Menschen gefunden haben, der zu uns passt, können wir Steine reden, aber wir können uns auch in der Hand dieses Menschen bewegen, frag mich aber bitte nicht, wie das funktioniert, es ist eben so. Ach ja, wo war ich gerade stehen geblieben?“

„Aber so groß sind sie doch gar nicht und so stark sehen sie auch nicht aus.“

„Ja, für dich vielleicht nicht, aber für die Feen, die damals das Land so liebevoll regiert haben, schon.“

„Ja, das sehe ich ein. Und jetzt sind die Feen in Gefahr?“ Amanda muss an die winzige Lissy denken. Sie war wirklich zu klein, um gegen die Onkas zu kämpfen.

„Ja, die Onkas schnappen sich die Feen und sperren sie in ihre Höhle. Da kommt keiner mehr heraus.“

„Und was machen die dann mit den armen Feen?“, will Amanda vom Stein wissen.

„Keine Ahnung. Es konnte ja nie eine Fee von dort fliehen.“

„Was wollt ihr Waldbewohner denn dagegen unternehmen?“

„Wir können gar nichts unternehmen“, antwortet Glitzy verbittert. „Es gibt aber eine Weissagung, die besagt, dass irgendwann der Richtige kommt und uns alle wieder befreien wird. Aber wer das sein wird, weiß ich leider auch nicht.“ Hätte Glitzy Schultern, er hätte ratlos mit ihnen gezuckt. „Du musst wissen, ich liege ja tagein, tagaus hier auf meinem Platz. Da bekommt man nicht sehr viel mit.“

Wie sie so auf Glitzy herabblickt, fällt Amanda mit einem Mal wieder ein, dass sie ja mit ihrer Mutter einkaufen wollte. ‚Oh Gott, sie wartet bestimmt schon auf mich‘, denkt sie. „Mama wird sich sicherlich schon große Sorgen machen. Du, Glitzy, kannst du mir sagen, wie ich hierhergekommen bin und wie ich wieder nach Hause komme? Meine Mama macht sich sicherlich schon ganz große Sorgen.“

„Ich habe einmal gehört, dass nur ganz bestimmte Menschenkinder es schaffen, unseren Wald zu betreten. Diese Kinder lieben die Natur und haben noch nie ein Tier getötet. Außerdem müssen sie ganz viel Fantasie besitzen, aber das Wichtigste ist, sie dürfen keine Angst vor großen Aufgaben haben und außerdem müssen sie auch noch was weiß ich noch alles haben.“ Glitzy betrachtet Amanda durchdringend. „So jemand musst du dann wohl sein.“

„Ja, scheint so. Ich habe noch nie ein Tier getötet und die Natur liebe ich auch, aber alles andere, ich weiß ja nicht“, entgegnet Amanda. „Und wie komme ich jetzt wieder nach Hause?“

„Das weiß ich leider auch nicht, aber wir können mal die weise Eidechse Susan fragen. Die weiß einfach alles. Das habe ich jedenfalls gehört“, fügt Glitzy schnell noch hinzu.

„Wir müssen uns beeilen, ich bin schon viel zu lange von zu Hause fort. Meine Mama wartet bestimmt schon auf mich.“

„Nein, das glaube ich nicht, es ist nämlich so, wenn Menschenkinder sich hierher verirren, bleibt außerhalb des Waldes die Zeit für sie stehen. Also, wenn du wieder nach Hause kommst, ist es dort genauso spät wie vorher, bevor du unseren Wald betreten hast. So habe ich es jedenfalls gehört“, berichtet der Stein in einem sehr weisen Tonfall.

„Unglaublich, so etwas gibt es doch gar nicht, oder vielleicht doch? Das sagst du doch nur, damit ich mir keine Sorgen mache und noch etwas länger hier bei dir im Wald bleibe.“

„Nein, ich habe es auf jeden Fall so gehört, du kannst mir ruhig glauben, sonst kannst du auch gerne noch die Eidechse fragen, vielleicht glaubst du ihr mehr“, entgegnet Glitzy traurig.

„So habe ich es nicht gemeint, sei doch bitte nicht traurig. Es ist für mich eben unvorstellbar, dass es so etwas überhaupt gibt. Lass uns nicht streiten, es tut mir leid, okay?“

„Ja.“

„Dann lass uns die Eidechse suchen. Weißt du denn, wo sie lebt?“, will Amanda wissen.

„Nun, so genau auch wieder nicht. Aber ich habe einen Freund, der weit herumkommt. Der weiß das bestimmt.“

„Und wer ist dein Freund?“

„Mein Freund heißt Bino und ist ein kleiner Buschfink. Leider ist er immer etwas schwierig zu finden“, meint Glitzy ganz verlegen.

„Was glaubst du denn, wo er sich jetzt gerade aufhält?“, fragt Amanda in der Hoffnung, dass Glitzy weiß, wo er heute ist.

„Leider weiß ich das nicht. Er hat aber ein Supergehör. Wenn du eine schöne Melodie singen oder trällern kannst, hört er uns vielleicht und kommt zu uns geflogen.“

„Was soll ich denn trällern oder singen?“

„Irgendein schönes Lied, welches Bino noch nicht kennt.“

„Okay, dann lass mich mal überlegen. Vielleicht ein schönes Menschenlied, das kennt er bestimmt noch nicht.“

Amanda grübelt und grübelt, aber so richtig will ihr kein schönes Lied einfallen. ‚Ich bin doch nicht Mozart‘, denkt sie sich und verzweifelt zusehends. ‚Was, wenn mir kein Lied einfällt, Bino nicht kommt und wir die Eidechse nicht finden? Vielleicht komme ich dann niemals mehr nach Hause‘, denkt Amanda verzweifelt. ‚Nicht so kompliziert denken, es wird sich schon finden, sagt Mama doch immer, wenn ich nicht weiterweiß.‘

„Wie gerne wäre ich jetzt wieder zu Hause in meinem Wald. Dann hätte ich die Tasche voller Löwenzahn und könnte einfach so nach Hause gehen. Aber nein, ich spreche mit einem Stein und soll eine Eidechse nach dem Heimweg fragen. Das kann doch nur ein Traum sein!“ Doch auf einmal hat sie ein Lied im Kopf und beginnt auch gleich laut zu singen: „Kleiner, bunter Schmetterling, flieg nur übers Feld geschwind. Wiege dich sacht im Frühlingswind, lass dich nur nicht fangen, lass dich nur nicht fangen.“

„Das ist aber ein schönes Lied“, sagt Glitzy und glitzert noch kräftiger als zuvor.

„Ja, das finde ich auch. Das Lied haben wir in der Schule gelernt“, erwidert Amanda und lächelt zurück. „Na, und wo bleibt jetzt dein Freund?“

Schon können sie ein Zirpen und ein leichtes Flattern aus der Ferne immer näher kommend hören.

„Wer hat denn das schöne melodische Lied gesungen? So etwas Schönes habe ich ja schon lange nicht mehr in unserem Wald gehört“, tönt ein leises Stimmchen. Ein kleiner Vogel landet auf einem der Äste im Gebüsch.

‚Ja‘, denkt Amanda, ‚der sieht wie ein Buschfink aus. Und er tänzelt genauso aufgeregt auf der Stelle.‘

„Das hat Amanda für dich gesungen, damit du zu uns kommst“, erklärt Glitzy Bino.

„Hallo, ich bin Bino, der Buschfink“, stellt sich der Vogel mit einer leichten Verneigung vor, wie es in Adelskreisen so üblich ist.

Auch Amanda verneigt sich ungeübt. „Ich heiße Amanda aus Reckenfeld. Glitzy meint, du kannst mir sagen, wie ich wieder nach Hause komme.“

„Wer ist Glitzy?“ Der Buschfink hüpft einmal im Kreis und schaut Amanda fragend an.

„Na, ich halt. Sie hat mir meinen Namen gegeben“, strahlt Glitzy.

„Oh, dann bist du ein Menschenkind?“ Der Buschfink begutachtet Amanda eindringlich.

„Ja, aber was hat das mit dem Weg nach Hause zu tun?“

„Eigentlich gar nichts. Aber um unseren Wald retten zu können, brauchen die Waldbewohner ein Menschenkind.“ Bino hüpft ganz aufgeregt auf seinem Ast auf und ab. „Frag mich bitte nicht, wie das klappen kann. Das kann dir eigentlich nur das weiße Nashorn sagen.“

„Aber ich möchte gar nicht zum weißen Nashorn, sondern zur Eidechse. Sie soll mir sagen können, wie ich wieder nach Hause komme“, erklärt Amanda aufgelöst dem Buschfink.

„Also willst du uns nicht von den bösen Onkas befreien?“, fragt der kleine Bino traurig und fängt an zu schluchzen.

„Sie will doch nur nach Hause, was hat das mit den bösen Onkas zu tun?“, meldet sich nun Glitzy zu Wort.

„Das ist eine etwas längere Geschichte, aber wenn du uns nicht helfen willst, auch gut. Irgendwann kommt bestimmt das richtige Kind, um uns zu befreien.“ Trotzig hebt Bino sein kleines Vogelköpfchen und schaut Amanda in die Augen. „Nichtsdestotrotz helfe ich dir, die Eidechse Susan zu finden, weil du für mich gesungen hast. Das hat schon sehr lange niemand mehr getan“, resigniert der Vogel. „Ich weiß nicht genau, wo die Eidechse wohnt, aber ich kenne den pinkfarbenen Steinpilz, der weiß es gewiss. Ich habe gehört, dass Susan des Öfteren zum Steinpilz geht, um sich mit ihm zu unterhalten, die beiden verstehen sich prima. Darum sollten wir zuerst einmal zum Pilz gehen beziehungsweise fliegen. Okidoki?“

„Okidoki!“, rufen Glitzy und Amanda wie aus einem Mund.

„Nicht so laut, habt ihr denn nicht die Onkas hier herumspionieren gesehen?“

„Doch, doch, aber die sind schon wieder weg. Ich habe Amanda mit einem Geruchszauber beschützt.“

„Super, na, dann mal los.“

Und so machen sich die drei unterschiedlichen Gefährten auf den Weg, um den pinkfarbenen Steinpilz zu suchen.

Mission Zauberwald

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