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3 Ich auf der Reise nach Prag

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Ich will euch mal einen tieferen Einblick in mein bisheriges Learning by doing in Sache Liebe geben. Als erster wäre da Joe zu nennen. Er war nicht der erste, mit dem ich Küsse getauscht und den ich heiß und innig umarmt habe, das waren einige. Aber das war immer sehr keusch, obwohl ich es auch sehr genossen habe. Ach waren das Zeiten, in denen man mit so was zufrieden war!

Joe ist der erste, bei dem es sich überhaupt lohnt, davon zu erzählen. Bei ihm habe ich zum Beispiel den Zungenkuss gelernt und noch viel mehr. Ich war siebzehn und sehr nahe daran, ohne Rücksicht auf die Richtlinien meiner Mutter meine Unschuld zu verlieren. Ich berichte zunächst mal die Fakten und dann sage ich euch, was ich darüber denke.

Es war in dem sogenannten „Goldenen Prag“, wohin wir vom Geschichte-Leistungskurs der Schule aus eine dreitägige Exkursion unternahmen. Wir waren zu zehnt in einem großen Altbau in der Neustadt untergebracht, der zu einer Pension umgebaut worden war. Sie nannte sich Boarding House. Diese sogenannte Neustadt in Prag ist auch schon uralt. Herr Bender, der Geschichtslehrer, ein lebensfroher Mann, hatte bald den Überblick über uns verloren. Es gab einige Pflichtveranstaltungen: Besichtigung der Altstadt, des Judenviertels, des Hradschin, das ist die Burg oben auf dem Berg mitten in Prag, früher mal, lang, lang ist’s her, Sitz des deutschen Kaisers aus dem Hause Habsburg (ja, gelernt ist gelernt!), Franz Kafka und, und. Aber wir hatten auch Freizeit und da durchstreifte ich mit Maria die große schöne alte Stadt ...

Da fällt mir ein, dass ich noch gar nichts zu meiner besten Freundin gesagt habe. Maria ist meine Verbindung zum „kleinen Mann“, würde ein Politiker sagen. Sie wohnt bei uns in der Nähe in einer Sozialwohnung mit ihrer Mutter, die als Küchenhelferin bei der Stadt arbeitet. Maria hat einen sogenannten Migrationshintergrund (ein grässliches Wort!), ist aber hier geboren. Die Eltern haben ihre Heimat Kroatien während des Jugoslawienkriegs in den Neunziger Jahren verlassen. Sie ist Einzelkind, der Vater hat die Familie schon vor Jahren im Stich gelassen und ist nach Kroatien zurückgekehrt. Inzwischen haben sie und ihre Mutter die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen. Sie ist der ganze Stolz ihrer Mutter und bemüht sich immer, ihr alles recht zu machen. Deshalb ist sie auch sehr ehrgeizig. Aber sie ist nicht nur ehrgeizig, sie ist auch klug. Wir sind die Klassenbesten des Abiturjahrgangs, haben allerdings verschiedene Schwerpunkte, ich eher in Sprachen, sie eher in Naturwissenschaften. Sicher wird sie einmal hochbezahlte Chemikerin oder Physikerin. Das will sie nämlich studieren. Maria ist ein bisschen zu dünn, zu ätherisch, wenn ihr den Ausdruck kennt, elfenhaft halt. „Keine Titten, kein Hintern“, haben die „Männer“ in unserer ehemaligen Klasse gesagt. Und sie wird leicht nervös und ängstlich. Aber mir ist sie seit Jahren eine gute Freundin. Sie war auch die, die bei mir in meinem neuen Maxi-Bett übernachtet hat. Ich kann mit ihr über fast alles reden. Sie war eigentlich nicht im Leistungskurs Geschichte, aber da war ein Platz frei und sie leistete es sich, mich zu begleiten. Und dann habe ich sie im Stich gelassen und sehr enttäuscht!

Zurück nach Prag: Nach zwei Stunden Besichtigung in der juliheißen Stadt setzten wir uns in ein Gartenlokal und tranken eine Limo. Nach einer Weile setzten sich an den Nebentisch zwei junge Männer, und plötzlich fragte mich der eine in schlechtem Deutsch mit breitem amerikanischen Akzent irgendwas, was ich nicht mehr weiß. Er suchte sowieso nur Anschluss an uns. Als ich ihn genauer ansah, merkte ich, dass ich ihn schon mal gesehen hatte. Als wir das erste Mal in der Gruppe aufbrachen, war ein großer junger Mann aus unserer Pension herausgekommen und hatte uns ungeniert betrachtet, besonders die Mädchen Er war groß, blond und ich hielt ihn für einen Amerikaner. In Prag wimmelt es von Amerikanern. Deswegen wohl auch Boarding House!

Ich hatte recht gehabt. Es stellte sich heraus, dass er Student aus den USA war und Joe heißt. Er studierte International Relations und Journalismus an der Anglo-American University in Prag, da er tschechische Vorfahren hat. „Aber auch Germans!“, versicherte er mit einem umwerfenden Lachen. Und er gab zu, dass er uns erkannt hatte als Girls from the Boarding House. Er stammte aus Chicago, sein Freund Bill war zu Besuch. Joe war schon seit einem Jahr in Prag und fragte uns, ob sie uns die Stadt zeigen dürften, was mir sehr verlockend erschien. Wir gingen los und die beiden gaben sich große Mühe, uns möglichst viel zu erklären. Joe gefiel mir besser als Bill.

Da ich gerne tanzen wollte, gingen wir anschließend in eine Diskothek. Maria bekam aber wegen der heißen Luft dort Platzangst. Also verzichtete ich, und wir setzten uns in ein Straßencafé. Um halb zehn Uhr brachen wir auf. Bill verabschiedete sich, er wohnte woanders. Ich wollte gerne heimlaufen, Maria war zu müde und wollte den Bus nehmen. Trennen wollten wir uns nicht, also Bus. Joe erbot sich, mitzufahren, er kannte sich bei den Buslinien aus. Irgendwann nahm er ganz sachte meine Hand, um dann später den Arm um mich zu legen. Mir tat nun Maria leid, die mit verbissenem Gesicht mitging. Ich glaube, ihr hat Joe auch gefallen. Als wir aus dem Bus ausstiegen, küsste er mich einfach. Als ich mich wehrte, sagte er „You are cruel!“, sodass ich nachgab. Nein, ich konnte zu ihm nicht grausam sein. Vor der Pension verschwand Maria sofort. Joe bat mich so sehr, noch ein wenig zu bleiben, dass ich wieder nachgab – es ist unglaublich, wie schnell ich mit ihm vertraut wurde, es gab einfach keine Fremdheit ihm gegenüber. Wir gingen ein Stück miteinander und dann küssten wir uns lange und heftig. Ich hatte zunächst etwas Hemmungen, aber nur, weil ich kurz an Dennis dachte. Ich kam dann eine halbe Stunde später in unser Zimmer als Maria, die mir Vorwürfe machte. Jetzt hatte ich ein bisschen ein schlechtes Gewissen, weil Maria von Dennis wusste. Dennis war mein damaliger Freund, einer von denen, die ich verhältnismäßig keusch umarmt und geküsst habe. Er sandte mir laufend SMS mit Grüßen und Küssen und Emoticons, auf die ich halbherzig reagierte.

Am nächsten Tag war tagsüber Pflichtprogramm. Erst abends konnte ich Joe endlich wieder sehen. Er legte sofort ganz leicht den Arm um mich, war aber sonst ganz brav. Da er direkt von der Arbeit gekommen war (er arbeitete während der Ferien in einer amerikanischen Handelsagentur) sah ich ein, dass er zuerst in seinem Zimmer etwas essen wollte. Bedenkenlos ging ich mit ihm mit. Einzeldauermieter wie er waren unter dem Dach der Pension untergebracht. Ich kam gar nicht auf die Idee, dass es gefährlich sei, mit einem wildfremden Mann allein auf sein Zimmer zu gehen – weil er mir einfach nicht fremd erschien! Er machte sich in seinem Zimmer ein Sandwich und zeigte mir stolz seine, nein, nicht seine Schmetterlingssammlung, sondern seine nicht untalentierten Zeichnungen, seine Sport-Medaillen vom College und bot mir Saft zu trinken an. Plötzlich bat er mich, mich neben ihn aufs Bett zu setzen. Er merkte mir aber sofort an, dass ich jetzt ein bisschen Angst bekam, und küsste mich nur ganz behutsam. Das setzten wir ausdauernd fort, schließlich auf seinem Bett liegend. Irgendwann ließ ich es zu, dass er mich oben streichelte, zuerst über der Bluse. Schließlich fühlte ich seine Hand direkt auf meiner Haut und ich erschauerte bei jeder seiner zärtlichen Berührungen. Er fragte mich, ob ich noch Jungfrau sei. Auf meine Antwort hin meinte er, er würde so gerne mit mir schlafen, wenn ich aber nicht wolle, wolle er mir nichts antun. Daran hielt er sich auch, wenn ich auch voll beschäftigt war, mit ihm „Gangster“ (seine Hände) und „Cop“ (meine Hände) zu spielen, nämlich seine Hände mit meinen Händen davon abzuhalten, kriminell zu werden und auch noch unter meinen Rock zu schlüpfen. Wenn ich das jetzt schreibe, denke ich an die „hellseherischen“ Fähigkeiten meines Papas, der so was prophezeit hat, aber wohl nur aufgrund seiner eigenen Erfahrungen. Im Übrigen muss ich sagen: Hätte ich eine Hose angehabt, wäre das Ganze vielleicht nicht so reizvoll gewesen.

Gegen 22.00 Uhr ließ mich Joe gehen. Das war nämlich unsere Sperrstunde, da mussten wir daheim sein, sprich in unserem Zimmer. Ich war selig. Maria, mit der ich das Zimmer teilte, schlief schon oder tat zumindest so. In meinem Bett hatte ich die süßesten Träume.

Am nächsten Abend traf ich Joe wieder. Verliebt wanderten wir durch die Stadt. Er führte mich hoch zum Hradschin mit der super Aussicht über die Dächer der alten Stadt, dann hinunter über den Stadtteil Kleinseite zur romantischen Karlsbrücke über der Moldau, hin in die Altstadt bis zum riesigen Wenzelsplatz. So schnell ging das allerdings nicht, weil uns das dauernde Sich-küssen-müssen aufhielt.

Ich rief Maria an und bat sie, Herrn Bender zu sagen, dass ich etwas später komme. Schließlich gingen wir in ein Lokal, tranken etwas und küssten uns wieder. Als wir vor der Pension angekommen waren, fragte mich Joe, ob ich noch auf sein Zimmer mitkomme. Er versprach mir, dass mir nichts geschehe. „Du kannst jederzeit gehen“, meinte er. Es war schon nach zehn Uhr. Ich rief nochmals Maria an, die mir widerwillig mitteilte, dass Herr Bender keine Kontrolle gemacht hatte. Da sagte ich ihr, ich komme so bald wie möglich. So bald wie möglich! Das war meine Einwilligung dazu, mit Joe zu gehen.

In seinem Zimmer umarmten wir uns und küssten uns lange. Seine Zunge lockte meine an, unsere Münder klebten aneinander. Als er die Hände auf meinen Po legte und mich an sich drückte, merkte ich, wie erregt er war. Mir wurde heiß, ich wurde ein bisschen nervös und rückte etwas von ihm ab. Da knurrte er und drückte mich wieder an sich, bis er sich engumschlungen mit mir auf sein Bett plumpsen ließ. Auf einmal zog er mir die Bluse aus und deutete auf den BH: „Please take off!“ Ich war willenlos und brachte einfach den Mund nicht auf, um Widerstand zu leisten.

Er setzte sich auf, zog sein Hemd aus, dann die Hose ... Ich wurde ganz starr vor Schreck, als seine aufdringliche männlichen Nacktheit immer näher in Richtung meines Kopfes schwenkte. Und dabei sah er mich auffordernd an! Ich konnte nichts sagen und ich konnte mich nicht rühren, aber meine schreckerfüllten Augen zeigten ihm wohl überdeutlich meine Angst.

„No Problem! No Angst! Ich tue nicht!“, sagte er sanft, sogar in seinem wunderlichen Deutsch. Er bedeckte sich und bemühte sich sehr, mich zu beruhigen, aber ich zitterte noch lange, als er mich in seine Arme nahm. Ich konnte keinen Ton sagen, blieb aber bei ihm, weil ich ihm glaubte. Er küsste und streichelte mich. „You are so beautiful!“, flüsterte er. Schließlich müssen wir für kurze Zeit eingeschlafen sein. Erst als der Wecker um sechs Uhr klingelte, wachten wir beide wieder auf. Was unterhalb meiner Gürtellinie war, hatte er nicht berührt. Als er sich ganz angezogen hatte, meinte er, jetzt sei keine Gefahr mehr für mich, er möchte jetzt please meinen ganzen Körper sehen. Aber ich muss ihn so flehend angeschaut haben, dass er fragte, ob ich mich nicht lieber auch anziehen wolle. Das tat ich erleichtert.

Er ging mit mir aus seinem Zimmer, weil er zur Arbeit musste. Auf der Treppe waren Leute unterwegs. Ich meinte, alle müssten uns ansehen, dass wir die Nacht zusammen verbracht hatten.

Er sagte, er schäme sich so sehr, aber es sei einfach über ihn gekommen. Ich konnte ihm aber einfach nicht böse sein und fragte ihn, ob wir uns am Abend noch einmal treffen könnten. Er war darüber froh, denn er hatte gedacht, es wäre aus zwischen uns.

Am Abend hatten wir beide eine sehr wehmütige Stimmung. Wir spazierten über die Karlsbrücke am Nepomuk vorbei, dann das Moldauufer entlang und sprachen uns über die vergangene Nacht aus, wobei wir beide zugaben, Schuld zu haben. Ich sagte: „Es ist meine Schuld, weil ich meinen Gefühlen nachgegeben und einfach nicht gleich ,Nein’ gesagt habe, als du mich ausgezogen hast!“

Er erklärte: „Als ich dich so gesehen habe, habe ich einfach nicht mehr die Gewalt über mich gehabt und mich nicht mehr beherrschen können.“ Und er schäme sich sehr und es tue ihm leid, weil er nicht gewusst habe, dass seine nackte Männlichkeit für mich als Jungfrau so schrecklich sei. Er hätte bisher mit Mädchen zu tun gehabt, die so was nicht zum ersten Mal machten. „Du bist jetzt sicher böse auf mich“, sagte er.

Aber ich versicherte ihm, dass ich das gar nicht könne, ich sei nur in der vergangenen Nacht nicht ganz glücklich gewesen. Und dann sagte er etwas, was mich fast umwarf: Er habe vor diesem heutigen Treffen „masturbation“ gemacht, damit er mir gegenüber nicht wieder aufdringlich werde. Ich konnte dazu natürlich nichts sagen, seine offene Mitteilung über so etwas überwältigte mich - und es beeindruckte mich sehr. Bevor er mich zum Bus brachte, schob er mich noch in eine Hofeinfahrt und dort küssten wir uns noch fast eine halbe Stunde. Er versprach, mir zu schreiben und mich zu besuchen.

Am nächsten Tag döste ich auf der langen Heimfahrt im Bus und schwelgte in Erinnerungen an Joe und seine Zärtlichkeiten. Die neben mir sitzende Maria störte mich irgendwann mit der boshaften Frage: „Na, hat er dich gut gevögelt?“

„Nur kein Neid!“, sagte ich cool. Maria sah starr aus dem Fenster hinaus. Sie war böse mit mir und sprach nur das Nötigste. Ich musste zugeben, ich hatte meine beste Freundin die letzten Tage sehr vernachlässigt.

Auf ihre Frage hin dachte ich über meine neuen Erfahrungen nach. Das war meine erste heftige Begegnung mit einem Mann, der mit mir schlafen wollte, und mit den Methoden der Männer, dieses Ziel zu erreichen: Küsst mich schwindlig, zieht meine Bluse aus und befiehlt mir, meinen BH auszuziehen! Und ich gehorche brav! Erstmals in meinem Leben liege ich mit nacktem Oberkörper bei einem jungen Mann im Bett. Zum ersten Mal in meinem Leben war ich auch hautnah mit einem nackten Mann zusammen, und ich mochte diesen Mann - eigentlich. Natürlich war es schön, mit ihm zusammen zu sein, aber es wäre noch schöner gewesen, wenn ich nicht so Angst gehabt hätte.

Ich hatte sein aufdringliches Ding furchterregend direkt vor meinen Augen. Er hat wohl aufgrund meines bisherigen Verhaltens gedacht, ich wäre zu allem bereit. Aber dann hat er gemerkt, dass er sich in mir getäuscht hat und setzte nicht durch, was er wollte. Er wäre wohl auch in anderer Beziehung gern weitergegangen, aber er tat es nicht. Was hätte ich gemacht, wenn er sich mit sanfter Gewalt durchgesetzt hätte? Ich war verknallt in ihn und ich war willenlos, war wie gelähmt. Ich wäre mit schuld gewesen, weil ich mich nicht von ihm hatte trennen wollen. Und ihn verstand ich auch. Er hat als Mann ja auch seine Bedürfnisse. Trotzdem machte er das, was mir so gefiel und auch heute noch gefällt: Er nahm sich zurück, er vernaschte das unerfahrene Mädchen neben ihm in seinem Bett nicht voll und ganz, weil er meine Scheu und meine Angst sah. Er hatte es mir zuliebe getan beziehungsweise nicht getan! War das nicht liebenswert? Aus diesem Grund bin ich ihm ewig dankbar und habe ich mich noch mehr in ihn verliebt. Ich hatte meine kostbare Unschuld nicht verloren, allerdings nur, weil ich rein zufällig mit einem rücksichtsvollen Mann im Bett war. Ich hätte andernfalls ein Kind kriegen können, ich hätte AIDS kriegen können ...

Was sagt da eigentlich die #MeToo-Bewegung dazu? Hat er mich genötigt? Wie sagt man noch: War er übergriffig? Ja, natürlich!

Aber warum habe ich nicht gleich „Nein“ gesagt, als er mich ausgezogen hat? Und warum habe ich mich brav weiter entblößt, als er das sagte? Und warum bin ich nicht gegangen? Ich glaube nicht, dass er mich festgehalten hätte, die Tür verschlossen hätte ...

Antwort: Dies alles ist mir nicht eingefallen, ich wollte es wohl nicht. Nein, das Ganze scheint eher ein Beispiel für meine Abenteuerlust zu sein, meine Neugier, buchstäblich die Gier aufs Neue, der Kitzel, das andere Geschlecht näher, nahe, ganz nahe kennenzulernen: Was passiert jetzt? Was macht er? Was mache ich? Wie weit geht er? Wie weit gehe ich mit? Ich nehme dabei Risiken in Kauf, weil es mir Spaß macht. Dass meine Brüste eine so starke erogene Zone darstellen, für ihn, für einen Mann, aber auch für mich selbst, das weiß ich erst seit dieser Nacht. Mir ist mit Joe manchmal ganz heiß geworden, mein Körper war offensichtlich bereit für alles ... Ob ich ihm da Widerstand hätte leisten können, wenn er sich einfach ganz genommen hätte, was da in seinem Bett lag ...

Macht es mir Spaß, weil ich sinnlich bin, weil ich einen Mann brauche, Lust auf Zärtlichkeit, auf Berührungen, auf Liebe habe? Ja, so ist es, und dafür brauche ich mich nicht zu schämen. Das habe ich so beschlossen, weil es ganz natürlich ist! Die Natur hat diese gegenseitige Anziehungskraft zwischen Frau und Mann doch extra so eingerichtet, um die Fortpflanzung zu sichern und damit den Erhalt der Art. Das ist einfachste Biologie, die man in der Schule lernt. Wir als arme triebgesteuerte Geschöpfe, Frauen wie Männer, müssen diesen vorgegebenen Zwängen folgen, können es nur ..., na, sagen wir: ein bisschen kultivieren.

Um ehrlich zu sein, ich glaube nicht, dass ich alle diese Gedanken damals schon hatte ... Aber jetzt denke ich so darüber! Und ich versuche, mein Liebesleben so kultiviert wie möglich zu managen. Haha!

Was mir nur nicht gefällt, ist diese passive Rolle, die ich damals gespielt habe und die ich immer wieder spiele. Das werdet ihr noch sehen und das ist eins meiner Probleme. Frauen sind wohl zurückhaltender als Männer bei dieser Fortpflanzungsmasche. Warum? Weil sie es vor allem ausbaden müssen, wenn es (mit Kind!) schief geht? Oder sind sie einfach kultivierter? Das wird’s sein! Oder nicht? Soll ich weniger Kultur walten lassen, Simon und/oder Lukas einfach ins Bett ziehen, wenn ich Lust auf sie habe? Ich kenne eine, die das macht! Aber ich kann das einfach nicht, es gefällt mir auch nicht. Ich sollte mal mit jemanden darüber reden. Aber Maria ist nicht die Richtige dafür, sie ist zu religiös. Mal sehen!

Nach der Prag-Reise versöhnte ich mich bald wieder mit Maria und erzählte ihr in großen Zügen, was ich mit Joe so erlebt hatte. „Du heißt zu Recht Eva!“, sagte sie. „Du bist nämlich wie Eva in der Bibel, du kannst der Schlange Versuchung nicht widerstehen.“ Dieser biblische Vergleich ist echt Maria! Sie ist trotz allem immer noch meine beste Freundin. Und mit dem damaligen Freund Dennis habe ich schnell Schluss gemacht.

War das mit Joe die große Liebe? Ich bin noch in Kontakt mit ihm, meistens per WhatsApp. Er ist derzeit wieder in den USA, weil sein Vater gestorben ist. Deshalb konnte er mich auch nicht besuchen, schreibt er. Vorher hatten wir mal per Skype Kontakt (er war in Riga), und da hat er mich gefragt, ob ich immer noch Jungfrau sei. Natürlich bin ich wieder idiotischerweise rot geworden und habe keine Antwort gegeben. Er gefällt mir immer noch, aber sein Bild verblasst irgendwie. Selber schuld! Warum lässt er sich nicht bei mir sehen? Zeit genug hatte er ja!

Es war wohl auch seine Weltläufigkeit, die mich angezogen hat, der Duft der großen weiten Welt! Der Exot aus Chicago – jetzt ist er wieder weg in der weiten Welt. Schade? Vielleicht.

Meiner Mutter habe ich erzählt, dass ich in Prag mit einem jungen Amerikaner unterwegs war, der mir gut gefallen hat.

„Hast du …?“, fragte sie sofort und sah mich scharf an.

„Nein!“, sagte ich und versuchte, überzeugend zu sein.

„Brave Tochter!“, sagte sie und strich mir über die Wange.

Ich wollte eigentlich nicht brav sein. Damals dachte ich nämlich: Joe wäre der passende Lehrer, Coach würde er sagen, mich so richtig in die körperliche Liebe einzuweihen. Er gefällt mir, ist verständnisvoll, rücksichtsvoll – und er hat Erfahrung! Wenn er mich besucht, dann können wir vielleicht damit richtig anfangen ...

Als ich mit Joe skypte, kam überraschend Papa in mein Zimmer. Er war offensichtlich vorher von Mama über meinen Prague Guide informiert worden. Zunächst ging er rücksichtsvoll wieder hinaus, kam aber wieder, als ich fertig war. Er sah mich forschend an und merkte wohl, wie mich das Gespräch beeindruckt hatte.

„In Riga ist er derzeit? Morgen vielleicht in Hongkong oder Sidney!“, antwortete er auf meine Info über Joes Reisen und verzog abfällig das Gesicht. „Such dir was Richtiges, mit solchen Abenteurern fällst du doch nur herein!“

Ich falle nicht herein, dachte ich trotzig, ich möchte nur, dass man mir auch mal eine Freude gönnt. Und Erfahrungen, die ich brauche, um erwachsen zu werden! Offensichtlich ist mein Papa nur theoretisch liberal. Wenn es ernst wird mit seiner Tochter, dann ist er hoffnungsvoll konservativ! Okay, ich erkenne die Sorge um mich an, aber ich bin ja schließlich auch ein Mensch, der denkt, und mir wurde bei Joe inzwischen klar, dass das nichts Dauerndes wird. Auch mit Lehrer oder Coach oder was auch immer wird es wohl nichts ...

Ich muss mir jemand anders suchen! Habe ich ihn inzwischen gefunden?

Aber eigentlich suche ich doch die große Liebe und nicht nur einen Lehrer ... Ich komme immer irgendwie durcheinander!

MÄDCHEN.SUCHT.LIEBE

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