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Kapitel 2
Оглавление„Hi, Lea, alles klar?“
Steffen wartete am Gartentor. Wie jeden Morgen fuhren sie gemeinsam mit dem Rad zur Schule.
„Alles klar“, behauptete Lea, obwohl sie todmüde war. Auf dem Weg war sie sehr schweigsam. Zum Glück ließ Steffen sie in Ruhe.
„Bis später“, rief Lea ihm zu, als sie ihre Fahrräder am Fahrradständer abschlossen. Sie wollte Nele unbedingt vor der ersten Stunde berichten, dass Marc tatsächlich eine Freundin hatte.
„Das ist wirklich blöd“, meinte die, „aber nicht hoffnungslos. Immerhin sitzt sie in Frankreich, und er kann sie nur selten sehen. Du musst dich eben anstrengen.“
„Ach, nee …“ Lea winkte ab. „Das möchte ich nicht. Außerdem habe ich gegen Amélie eh keine Chance.“
„Woher willst du das wissen? Du kennst sie doch gar nicht.“
„Trotzdem kann ich sie mir gut vorstellen. Du weißt ja, wie Französinnen sind: schlank …“
„Nun hör aber auf!“, fiel Nele ihr ins Wort. „Wenn du deine Figur wirklich dermaßen schrecklich findest, dann mach eine Diät.“
„Das habe ich ja schon oft versucht. Wenn es bloß nicht so furchtbar schwer wäre durchzuhalten. Aber ich kann‘s ja noch mal probieren. Selbst wenn es mir bei Marc nichts nützen wird.“
„Warum guckst du dich nicht nach was anderem um? Du tust grad so, als wäre Marc der einzige Junge auf der Schule!“
„Der einzige nicht. Aber der netteste.“
„Mensch, Lea!“, stöhnte Nele. „Manchmal bist du ganz schön halsstarrig, weißt du das?“
Es gongte.
„Wie wär’s zum Beispiel mit Philipp?“, schlug Nele beim Hineingehen vor. „Der ist doch ganz nett.“
„Ja, aber – du weißt schon.“
„Ich glaube nicht, was man über ihn sagt“, stellte Nele in entschiedenem Ton fest. „Das war damals bestimmt ein Irrtum. Außerdem wäre da noch Steffen. Der ist doch ganz heiß auf dich.“
„Quatsch“, widersprach Lea „Wir wohnen bloß zufällig seit Ewigkeiten nebeneinander.“
„Kommt er auch zur Fete?“
„Ja.“
Nele nickte zufrieden. „Bestens!“
„Wenn man dich so reden hört, könnte man fast meinen, du wärst scharf auf ihn.“
„Ich mag Steffen. Mehr nicht. Ich denke da mehr an dich. Außerdem habe ich, wie du weißt, ein Auge auf Kevin geworfen.“
„Armer Steffen“, spottete Lea. „Da entgeht ihm aber was!“
Lea hatte grundsätzlich nichts dagegen, dass Steffen auch zu Carolins Fete kam, nur eins störte sie gewaltig: dass er offenbar annahm, sie würden zusammen hingehen.
„Wir treffen uns um halb acht bei mir“, bestimmte er, als sie am Samstagmorgen auf dem Mäuerchen saßen. „Meine Mutter holt uns um Mitternacht mit dem Auto ab.“
„Ich bin schon mit Nele verabredet“, entgegnete Lea abweisend.
Steffen stockte. „Macht nichts“, meinte er dann, „wir können ja zu dritt hingehen.“
„Ich frag sie. Wenn sie einverstanden ist, kannst du mit uns kommen.“ Lea betonte „mit uns“, doch Steffen schien es nicht zu bemerken. „Ich freu mich auf heute Abend“, fuhr er aufgeräumt fort. „Ich bin schon lange nicht mehr mit dir auf einer Fete gewesen.“
„Marc kommt übrigens auch.“ Lea musste es kurz erwähnen, um Steffen auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen.
„Aha“, erwiderte der gleichmütig. „Vergiss bloß nicht: Er ist vergeben.“
Lea presste die Lippen aufeinander.
Am Nachmittag verwendete sie sehr viel Zeit darauf, sich zu stylen. Sie tönte ihre blonden Haare und fand, dass ihr der Farbton „Sommerblond“ super stand. Statt des dicken Zopfes, der ihr bis auf den Rücken fiel, trug sie die Haare offen. Wimperntusche und Lidschatten ließen ihre blauen Augen intensiver erscheinen. Der perlmuttrosa Lippenstift sah klasse zu ihrer hellen Haut aus.
Nele war beeindruckt. „Cool!“, sagte sie. „Wenn Marc dich sieht, wird er mit fliegenden Fahnen zu dir überlaufen.“
Wie immer, wenn Lea an Marc dachte, klopfte ihr Herz stärker.
Als Steffen kurz vor halb acht erschien, schaute er Lea bewundernd an. „Toll siehst du aus!“
„Ich etwa nicht?“ Nele baute sich vor ihm auf.
Sein Blick streifte sie. „Doch, du auch“, erwiderte er und sah sofort wieder zu Lea hin.
Die wurde fast ein bisschen verlegen. Sie warf ihre Jacke über, rief ihren Eltern „Tschüss“ zu, streichelte Chipsy zum Abschied und riss die Haustür auf.
Nele und Steffen unterhielten sich auf dem Weg. Lea hörte nur halb zu. Sie überlegte, was sie sagen sollte, wenn sie Marc begegnete. Irgendwas Knackiges, was Originelles. Was Witziges. Bloß nicht so was Langweiliges wie „Hallo“ oder „Hi“.
Leider fiel ihr überhaupt nichts ein. Und was sie tatsächlich sagte, als ihr Marc über den Weg lief, war idiotischer, als sie es sich in ihren schlimmsten Alpträumen hätte ausmalen können. Sie sagte nämlich: „Ach! Bist du auch hier?“ Eine überflüssigere Frage gab es ja wohl kaum. Am peinlichsten aber war, dass Marc sicher haargenau wusste, dass sie wusste, dass er kommen würde. Warum bloß hatte sie etwas dermaßen Dämliches gesagt? Wahrscheinlich, weil sie für einen Moment nicht klar denken konnte und er so toll aussah: groß, schlank und dabei kräftig. Seine schwarzen Haare glänzten, sein tiefdunkler Blick machte sie atemlos.
Steffen spürte wohl ihre Verlegenheit. Er legte den Arm um sie. „Komm, wir holen uns was zu trinken.“
Lea war richtig froh, dass er sie wegführte. Sie brauchte einen Augenblick, um sich zu beruhigen. Mit dem Glas Cola light in der Hand stand sie neben Steffen und sah den Ersten zu, die sich trauten zu tanzen. Langsam wurden es mehr.
„Sollen wir?“
Lea konnte die Frage nur von Steffens Lippen ablesen, die Musik war zu laut. Sie schüttelte den Kopf. „Später“, schrie sie und hob ihr Glas wieder an die Lippen. Mit den Augen suchte sie Marc. Als sie ihn entdeckte, tanzte er gerade mit Nele. Lea stellte sich auf die Zehenspitzen und winkte ihnen zu. Sie winkten zurück.
Auf einmal packte sie Unruhe. Wie kam es, dass Nele mit Marc tanzte? Hatte sie ihn dazu aufgefordert? Oder er sie?
Sie stellte ihr Glas ab, packte Steffen am Arm und zog ihn mit. Geschickt schob sie sich durch die Tanzenden an die beiden heran. Eine Weile tanzten sie zu viert.
Bald merkte Lea, dass sich Nele und Steffen entfernten und sie allein mit Marc tanzte. Ergab es sich zufällig oder hatte jemand das eingefädelt? Womöglich Marc selbst?
Eine neue CD wurde aufgelegt: ein englischer Lovesong mit einer wunderschönen, traurigen Melodie und Worten, die sie zum größten Teil nicht verstand. Die Stimme des Sängers schmeichelte sich in ihr Ohr. Marc legte seine Arme um sie. Es fehlte nicht viel und Lea hätte angefangen zu zittern. „Jetzt fehlt nur noch, dass ich stolpere oder ihn anrempele“, ging es ihr durch den Kopf. „Hoffentlich trete ich ihm nicht auf die Füße.“ Sie schaute zu Marc hoch. Er lächelte.
Da fasste sie jemand an die Schulter. „Tut mir leid“, hörte sie Steffens Stimme. „Wir wurden getrennt.“
Lea warf ihm einen bitterbösen Blick zu. „Wo ist Nele?“, fragte sie.
„Keine Ahnung. Auf einmal war sie weg.“
„Warum hat sie nicht besser aufgepasst?“, dachte Lea wütend. „Ausgerechnet jetzt muss er stören.“
Steffen nahm Lea bei der Hand. Sie wollte sich losreißen, aber er umklammerte sie, schmiegte seine Wange an ihre und drängte sie zurück auf die Tanzfläche.
Lea achtete kaum auf ihn. „Wie komme ich am besten zurück zu Marc?“, überlegte sie. Sie entdeckte ihn am anderen Ende des Raumes. Sie schob Steffen ein Stück von sich weg und reckte den Hals. Er tanzte mit Nele. Schon wieder! Zu allem Überfluss auch noch auf Tuchfühlung.
Der Sänger hauchte sein letztes „I love you“, die Musik verklang.
„Huhu! Hier!“, rief Nele und winkte.
Lea kämpfte sich zu ihnen durch, Steffen folgte ihr. Beide standen stumm dabei, während Nele und Marc lebhaft miteinander redeten. Lea überlegte krampfhaft, was sie zum Gespräch beitragen könnte. Normalerweise war sie nicht auf den Mund gefallen, doch sobald Marc auftauchte, versandete ihr Gehirn. Ab und zu schaute er sie an, als ob er auf eine Reaktion von ihr warten würde, dann wanderte sein Blick weiter zu Steffen, der dicht neben ihr stand.
Jemand legte eine neue CD auf und drehte die Musik lauter.
„Ich hol mir was zu trinken“, schrie Marc.
„Bestimmt sagt er das nur, damit er einen Abgang machen kann“, dachte Lea resigniert. „Bestimmt kommt er nicht zurück. Kein Wunder, bei solchen Langweilern wie Steffen und mir.“
Neles Lippen bewegten sich.
„Was?“, brüllte Marc. „Ich versteh kein Wort.“
Nele stellte sich auf die Zehenspitzen und schrie ihm ins Ohr.
„Okay.“
Was bedeutete das? Was hatte Nele gesagt? Lea warf ihr einen misstrauischen Blick zu. Sie konnte es kaum glauben, aber es sah verdammt danach aus, als ob ihre beste Freundin gerade den Jungen anbaggerte, in den sie sich bis über beide Ohren verliebt hatte.
Marc kam mit zwei Flaschen Cola zurück. Eine reichte er Nele. Die lächelte ihn strahlend an.
„Zuckersüß!“, dachte Lea. „Wie ein Honigkuchenpferd.“
„Willst du auch?“ Nele hielt ihr die Cola hin.
Lea schüttelte den Kopf.
Nele nahm ein paar Schlucke, setzte die Flasche ab und rief: „Kommt, wir tanzen!“ Mit der einen Hand zog sie Lea, mit der anderen Marc auf die Tanzfläche. Steffen kam hinterher.
Ehe Lea es sich versah, tanzte sie mit Steffen und Nele – wie konnte es anders sein? – mit Marc. Aus den Augenwinkeln beobachtete sie die beiden. Wie die sich an ihn ranschmiss! Nie hätte sie ihr das zugetraut!
Auf einmal hielt Lea es keine Sekunde länger aus. „Ich will nach Hause“, brüllte sie Steffen ins Ohr.
„Okay.“
Sie zupfte Nele am Ärmel. „Ich hau ab.“
Nele stockte mitten in der Bewegung. Marc schaute sie ebenfalls verwundert an.
„Jetzt schon?“
„Mir ist nicht gut“, log sie.
„Soll ich mitkommen?“
„Nein“, schrie Lea. Genau da hörte die Musik auf. Doch es war bereits zu spät, um den nächsten Satz hinunterzuschlucken. Jeder konnte hören, wie sie hinzufügte: „Amüsier du dich ruhig weiter mit Marc!“
Viele drehten sich nach ihr um.
Marc zog eine Braue hoch.
„Was soll das heißen?“, fragte Nele empört.
Lea spürte, wie sie puterrot wurde. Zu allem Überfluss stiegen ihr auch noch Tränen in die Augen. Sie senkte den Kopf. Ohne Nele und Marc eines weiteren Blickes zu würdigen, hastete sie mit Steffen im Schlepptau zur Tür.
Die Musik setzte wieder ein. Wegen der Tränen konnte sie nicht richtig gucken. Steffen reichte ihr ein Papiertaschentuch, grub ihre Jacke unter den vielen anderen hervor, half ihr hinein und führte sie hinaus.
Die kalte Nachtluft tat gut, wenn sie auch nichts an der Traurigkeit und Wut änderte, die sie erfüllten. Am liebsten wäre Lea jetzt allein gewesen.
Steffen schien das zu spüren, denn auf dem Heimweg sagte er kaum ein Wort. Er brachte sie bis an die Haustür. „Gute Besserung“, wünschte er.
„Warum sagst du das? Ich bin doch nicht krank!“, fuhr Lea ihn an.
„Ich dachte, dir wäre schlecht.“
„Ach so, ja, danke“, würgte sie hervor und verschwand blitzschnell im Haus.