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Kapitel 3

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„Ich wette, sie hält keine Sekunde Ausschau nach einem Mann“, sagte Patrick zu seiner Schwester, als ihre Mutter aus dem Zimmer ging.

„Irgendwann vielleicht doch“, hoffte Hannah.

„Sie tut es nie im Leben“, widerholte Patrick. „Das müssen wir für sie erledigen.“

„Und was machen wir, falls wir einen Mann für sie finden?“

„Das werden wir dann schon sehen.“

„Ich kenne niemanden, den sie heiraten könnte“, setzte Hannah hinzu. „Mir würde zwar der Vater meiner Freundin gefallen, aber der ist ja leider schon verheiratet.“

„Ich denke da gerade an jemanden“, begann Patrick zögernd. „Nämlich an Leons Vater. Leons Eltern sind geschieden. Und der Herr Schafmeister, der ist echt cool.“

Hannah feixte. „Schafmeister! Ein irre komischer Name!“

Patrick rollte die Augen. „Jedes Mal, wenn du den Namen hörst, fängst du an zu gackern. Sooo komisch ist er nun auch wieder nicht.“

Hannah lachte laut auf. „Stell dir vor, du würdest Patrick Schafmeister heißen. Und ich Hannah Schafmeister.!“

„Mensch, bist du doof! Unser Name wäre doch gar nicht Schafmeister, sondern weiter Berggrün.“

„Was ist denn so cool an diesem ... diesem ...“ Hannahs Stimme wackelte schon wieder. „... Herrn Schafmeister?“

„Zum Beispiel meckert er nie, wenn Leon Ärger in der Schule hat. Und er hilft ihm bei Mathe.“

„Mama war früher auch gut in Mathe“, warf Hannah ein. „Nur hat sie leider alles vergessen, sagt sie.“

„Wahrscheinlich hatte sie einen besseren Lehrer als ich“, brummte Patrick. „Diesen Graupe kann man in der Pfeife verbrennen.“

„Mir braucht zum Glück niemand zu helfen“, sagte Hannah. Es klang ziemlich eingebildet.

„Noch nicht“, entgegnete Patrick. „Warte mal ab, bis du in die fünfte Klasse kommst. Ab da wird alles viel schwerer.“

„Pf“, machte Hannah. „Glaube ich nicht. Aber erzähl weiter von Leons Vater.“

„Leon darf jeden Abend bis neun Uhr fernsehen. Am Wochenende länger. Und sonntags gehen sie oft zu McDonalds oder Burger King.“

„Klingt gut“, meinte Hannah anerkennend.

„Tagsüber, wenn Herr Schafmeister arbeitet, kann Leon allein zu Hause bleiben“, fuhr Patrick fort. „Und am Wochenende unternehmen sie meistens was zusammen. Neulich waren sie auf einer Gokart-Bahn. Und sie gucken gern Fußball. Ab und zu nimmt Herr Schafmeister Leon sogar mit ins Stadion.“

„Ins Stadion würde ich auch mal gern“, erwiderte Hannah. Aber Gokartfahren – nee, danke!“

„Feigling! Ich fände das toll. Außerdem wäre es superpraktisch, wenn ich einen Vater hätte, der mir zeigt, wie man ein Rad repariert. Weißt du noch, wie ich vor Kurzem einen Platten hatte? Mama und Oma haben null Ahnung von Fahrrädern. Ich musste das Ding kilometerweit ins Fahrradgeschäft schieben.“

„Du hättest doch diesen großartigen Herrn Schafmeister um Hilfe bitten können.“

„Das wollte ich ja. Aber Mama hat es verboten. ‚Du kannst fremde Leute damit nicht belästigen‘, hat sie gemeint. Als ob der Vater meines besten Freundes ‚fremde Leute‘ wäre! Er hätte mir bestimmt geholfen. Ich sage dir: Über den sollten wir ernsthaft nachdenken.“

„Halt, halt, halt!“, fuhr Hannah dazwischen. „Erst muss ich gucken, ob ich ihn genauso super finde wie du.“

Patrick hielt das für vollkommen überflüssig, aber Hannah gab nicht nach. Widerstrebend machte er sich am Sonntag darauf mit seiner Schwester im Schlepp auf den Weg zu Leon.

Leon war alles andere als begeistert, als er die Tür öffnete. „Wozu hast du die mitgebracht?“, fragte er unwirsch und wies mit dem Kopf auf Hannah.

„Sie wollte unbedingt mitkommen.“

„Na und? Seit wann tust du, was sie will?“

„Sie stört bestimmt kaum“, versuchte Patrick seinen Freund zu beschwichtigen.

„Kleine Kinder stören immer.“

„He!“ Hannah war es satt, dass man über sie sprach, als wäre sie nicht da. „Keine Bange, ich bleibe höchstens ein paar Minuten. Länger halte ich es bei euch nicht aus.“

„Du kannst meinetwegen sofort abhauen.“

Hannah platzte der Kragen. „Blödmann!“, schrie sie. „Dich will ich nie im Leben zum Bruder haben!“

„Zum Bruder?! Was soll der Quatsch?! Das würde mir gerade noch fehlen!“, schrie Leon zurück.

„Hört auf zu schreien!“, schrie Patrick.

„Was ist denn hier los?“

Die drei schauten den Mann an, der in den Flur getreten war.

„Die ist mitgekommen“, antwortete Leon mürrisch und zeigte auf Hannah.

„Na und?“ Herr Schafmeister gab Hannah die Hand. „Du bist sicher Patricks kleine Schwester.“

Sie nickte ein wenig verlegen. „Ich geh gleich wieder“, murmelte sie.

Leons Vater lachte. Es klang fröhlich und richtig nett. „Könntest du denn wenigstens noch auf ein Eis bleiben?“, fragte er.

Für Eis tat Hannah beinahe alles. „Ja, danke“, antwortete sie leise.

Sie setzten sich an den Küchentisch und Herr Schafmeister machte drei Eisschälchen fertig.

„Nehmen Sie kein Eis?“, fragte Hannah ihn.

„Eigentlich hast du Recht“, erwiderte er. Als er sich umdrehte, um eine vierte Eisschale aus dem Schrank zu nehmen, streckte Hannah den Daumen nach oben. Das hieß: „Einverstanden, den nehmen wir.“

Leider sah es nicht nur Patrick, sondern auch Leon. „Warum tut die das?“, fragte er misstrauisch.

Hannah wurde puterrot.

„Ihr schmeckt das Eis“, antwortete Patrick geistesgegenwärtig. „Stimmt’s, Hannah? Das wolltest du sagen.“

Sie nickte dankbar und stand auf. „Jetzt muss ich aber gehen.“

Leons Vater brachte sie hinaus. Richtig höflich. Hannah gab ihm die Hand und schlüpfte durch die Tür. Herr Schafmeister winkte, ehe er die Tür schloss.

Hannah sprang die Treppe hinunter. „Ist der lieb!“, dachte sie. „Den hätte ich gern zum Vater. Bloß dieser dämliche Leon, der stört. Auf den könnte ich gut und gern verzichten.“

Dasselbe teilte sie abends ihrem Bruder mit.

„Ich fände es klasse, wenn mein bester Freund mein Bruder würde“, entgegnete der.

„Na toll! Und ich hätte die Arschkarte gezogen. Zwei gegen einen – das ist unfair.“

„Du gewöhnst dich daran. Außerdem: Was soll ich erst sagen? Im Augenblick bin ich der einzige Mann hier im Haus. Ich wäre froh, wenn außer mir noch andere männliche Wesen bei uns herumliefen.“

„Du und Mann“, stieß Hannah verächtlich hervor.

Patrick holte tief Luft – und blies sie wieder aus. „Ich streite mich nicht mit dir“, sagte er großzügig. „Zumindest im Moment nicht. Überlegen wir lieber, wie wir Mama und Herrn Schafmeister zusammenbringen können.“

„Sie kennen sich ja schon“, wandte Hannah ein. „Die Frage ist vielmehr, wie wir sie dazu bewegen könnten, sich ineinander zu verlieben.“

„Vielleicht sollte ich Leon einweihen“, überlegte ihr Bruder.

„Bist du bescheuert? Dieser Mistkerl blabbert doch bestimmt sofort alles aus.“

Nun wurde Patrick doch wütend. „Leon ist kein Mistkerl! Und wenn er ebenfalls dafür wäre, dass sein Vater und unsere Mutter heiraten, erreichen wir zu dritt sicher mehr als wir beide allein. Ich frage ihn morgen.“

Hannah war fest davon überzeugt, dass dies ein Fehler war. Aber eine bessere Idee hatte sie leider auch nicht.


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