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Und die Kartoffel half

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Von klein an hatte er es gewusst: Kartoffeln waren schmutzig und böse. Sie kamen aus dem Nachtschatten und gediehen in der Dunkelheit. Mit ihren Augen sahen sie ins Verborgene, und was sie verstohlen mit ihren blassen Trieben streiften, wurde vergiftet.

Deswegen liebte er sie. Sie waren seine Verbündeten. Er gewährte ihnen Unterschlupf an seinem Körper und hütete sie bis zu dem Tag, an dem er sie wieder der Erde übergeben musste. Sie schenkten ihm Gelassenheit, wenn er sie im Zorn fast zerquetschte oder seine Fingernägel angstvoll in ihr Fleisch grub. Sie trösteten ihn, indem sie sich liebevoll in seine Hand schmiegten.

Und sie rächten ihn. Zum Beispiel damals, als sein Bruder – Lichtgestalt in den Augen der Eltern – von einer Kartoffel an der Stirn getroffen wurde, zu Boden fiel und das Bewusstsein verlor. Oder als die Mutter der Frau, die er heiraten wollte, auf einer Kartoffel ausglitt, die Kellertreppe hinunterstürzte und sich das Genick brach.

***

Und nun hatte er diesen schlimmen Verdacht.

Nachdenklich betrachtete er die kleine Kartoffel, die vor ihm auf dem Tisch lag. Sie war bereits von den Runzeln der Weisheit überzogen, ihr Inneres weich und nachgiebig. Sanft strich er mit der Spitze seines Zeigefingers über ihre Haut.

„Hilf mir, Festa“, flüsterte er.

Und die Kartoffel half.

Er versteckte sie zwischen Zeitschriften auf der Kommode. Von dort aus konnte sie beobachten, was in seinem Ehebett vorging.

In der Nacht wisperte sie ihm ins Ohr, was sie gesehen hatte: Dinge, die ihm die Zornesröte ins Gesicht trieben, wundervolle Dinge, die die Frau ihm nie gestattete. Wut brodelte in ihm. „Wieso mein Bruder und nicht ich?“, fragte er sich.

Sein brennender Blick versuchte die Dunkelheit zu durchdringen, doch er sah nur die Umrisse der Frau, hörte, wie sie ruhig und gleichmäßig neben ihm atmete.

Sie drehte sich auf den Rücken. Vorsichtig zog er die Decke weg, bis sie nackt dalag. Sie schlief immer nackt.

„Vergifte sie, Festa!“, zischte er.

Verstohlen strichen die Tentakel über den Leib der Frau. Sie räkelte sich ein wenig und stöhnte im Schlaf.

Er presste die Lippen aufeinander. Langsam ließ er die Kartoffel hinunterwandern vom Nabel über den leicht gewölbten Bauch bis hin zu der Mulde zwischen ihren Schenkeln. „Spritze dein Gift in sie hinein!“, flüsterte er heiser.

In diesem Augenblick wälzte sich die Frau auf die Seite und die Kartoffel fiel herunter. Er tastete nach Festa und berührte dabei den Unterleib der Frau.

Sie fuhr hoch. „Was machst du da?“ Licht flammte auf. Im letzten Moment konnte er die Kartoffel in seiner Hand bergen.

„Was soll das? Warum zum Teufel weckst du mich?“

„Tut mir leid“, murmelte er.

„Bevor du mich das nächste Mal anfasst, frag mich gefälligst.“

„Jetzt?“

„Nicht jetzt. Ich bin müde. Du weißt doch: Ich brauche meinen Schlaf.“

„Das glaube ich ihr sogar“, dachte er, „wenn ich bedenke, was sie am Nachmittag mit meinem Bruder getrieben hat. Und das sicher nicht zum ersten Mal. Wer weiß ...“

Sie seufzte und knipste die Nachttischlampe an. „Jetzt bin ich wach.“ Sie schlüpfte in ihre Pantoffeln und warf ein Negligé über. „Ich hole mir ein Glas Milch.“

Als sie sich wieder neben ihn legte, hatte er die Augen geschlossen.

Das Licht verlosch. Dumpf brütend lag er in der schmutzigen Dunkelheit, Festa neben sich auf dem Kissen. Er wandte den Kopf ab, denn ihr Körper hatte sich bereits braunviolett verfärbt und sie roch unangenehm.

„Ich werde dich bald verlassen müssen“, flüsterte sie. „Doch zuvor möchte ich dir noch einmal helfen.“ Sie raunte ihm ihren Plan ins Ohr.

Heftig schüttelte er den Kopf. „Nein, das kann ich dir nicht antun.“

Doch am Ende überzeugte sie ihn.

Die Frau schlief fest, als er sich im Morgengrauen in die Küche stahl. In der Schublade suchte er nach dem Schälmesser. Es würde schwer werden, sehr schwer.

Ein letztes Mal wusch er seine Festa unter einem dünnen, lauwarmen Wasserstrahl. Ganz klein und schrumpelig lag sie in seiner Hand.

Er drückte ihr einen Kuss auf die faltige Wange.

„Und nun fang an.“

Schmerz schnürte ihm die Kehle zu wie ein Würgereiz. „Ich kann nicht.“

„Du musst!“

Er biss die Zähne zusammen, griff nach dem Messer und begann, ihr bei lebendigem Leib die Haut abzuziehen. Sie schrie gellend, dann wimmerte sie nur noch, doch er ließ nicht von ihr ab, denn sie wollte es so.

Ihre Schmerzensschreie hallten noch immer in seinen Ohren, als er zum Schlafzimmer zurückschlich. Das, was von ihr übrig geblieben war, fühlte sich fremd an, das Fleisch gummiartig. Und doch war es seine Festa, die sich für ihn opferte.

Geräuschlos drückte er die Klinke herunter. Die Frau durfte nicht aufwachen. Noch nicht.

Es musste sehr schnell gehen.

Er holte tief Luft, griff die Nasenflügel der Schlafenden und drückte sie zusammen. Sie riss den Mund auf. Im selben Augenblick ließ er die Kartoffel in das gähnende Loch fallen.

Die Frau gab ein Gurgeln von sich, versuchte zu husten, röchelte, würgte, kämpfte, ihre Augen quollen hervor, doch er presste ihren Leib mit eiserner Gewalt auf die Matratze. Sie wand sich, strampelte mit den Beinen ...

Er schloss seine heiß brennenden Augen, versuchte nicht daran zu denken, was Festa in diesem Augenblick alles durchleiden musste.

Schließlich zuckte die Frau nur noch schwach. Und dann lag sie still.

Widerstrebend öffnete er die Augen, griff in ihren schwarzen Schlund. Vielleicht konnte er Festa noch retten. Doch nein, sie war für immer in der Tiefe des Rachens verschwunden.

„Ich danke dir“, flüsterte er.

Er trug die tote Frau in die Küche und legte sie vor die Spüle.

Danach ging er zum Telefon.

***

„Warum um alles in der Welt hat Ihre Frau eine rohe Kartoffel gegessen, dazu noch am frühen Morgen?“, fragte der Notarzt, nachdem er die Leiche untersucht hatte.

Er zuckte die Achseln. „Das tat sie in letzter Zeit öfter. Schwangere haben seltsame Gelüste.“

Als wieder Ruhe eingekehrt war, setzte er sich an den Küchentisch, vor sich einen Korb mit jungen Kartoffeln. Ganz unten fand er eine, die Festa sehr ähnlich sah. Sorgfältig befreite er sie von Erde und Staub, ehe er sie in seine Hosentasche gleiten ließ.

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