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ОглавлениеDER DARM – EIN WUNDERWERK IN UNSEREM KÖRPER
„Der gesunde Darm ist die Wurzel aller Gesundheit.“
Hippokrates, griechischer Arzt, 300 v. Chr.
Unser Darm ist ein faszinierendes Organ, das ganz entscheidend unsere körperliche, aber auch psychische Gesundheit beeinflusst. Der Darm erfüllt eine Vielzahl von Aufgaben, die für unseren Körper und unsere Gesundheit von großer Bedeutung sind: Im Verdauungssystem wird die Nahrung abgebaut und über den Darm in den Organismus aufgenommen. Die meisten lebenswichtigen Nährstoffe müssen dem Körper über die Nahrung zugeführt werden, nur in Einzelfällen können diese auch aus bereits im Körper vorhandenen Stoffen – wie beispielsweise aus Fetten – hergestellt werden. Im Darm werden von den Zellen der Darmoberfläche wichtige Verdauungsenzyme gebildet, die den Abbau der Nährstoffe übernehmen. Zusätzlich bilden die Zellen verschiedene Transporter-Moleküle, die mit verschiedenen Mineralstoffen im Austausch stehen und die Aufnahme der Nahrungsbestandteile in den Körper aktiv durchführen. Um eine möglichst große Aufnahmefläche zu bilden, ist die Darmoberfläche in unzählige Falten gelegt, die aus Zellen gebildet werden, die an der Oberfläche kleine Borsten zur weiteren Vergrößerung der Aufnahmeoberfläche besitzen.
VERDAUUNGS-, AUFNAHME-, PRODUKTIONS-, IMMUN- UND AUSSCHEIDUNGSORGAN
Neben der Verdauung und der Nährstoffaufnahme übernimmt der Darm als wichtiges Ausscheidungsorgan die Aufgabe, den Körper von schädlichen Stoffen zu befreien. Zu diesem Zweck erfolgt eine enge Zusammenarbeit mit der Leber, die für den Körper schädliche Stoffe aus dem Blut filtert, um diese über die Galle in den Darminnenraum abzugeben. Erst dieses Zusammenwirken ermöglicht die Ausscheidung von Schadstoffen über den Stuhl.
Zusätzlich werden im Darm essenzielle Botenstoffe gebildet, die für eine gesunde Funktion des Körpers entscheidend sind und die gesamte Verdauungsfunktion regeln.
Durch die große Darmoberfläche, die gegen Krankheitserreger geschützt werden muss, ist der Darm außerdem eines der wichtigsten Immunorgane. Rund 80 % der körpereigenen Immunzellen sind im Darm einzeln unter den Darmoberflächenzellen oder in organisierten Immunstrukturen zu finden.
Und was auch nicht vergessen werden darf: Unser Darm ist Heimat der mit Abstand größten Anzahl von Kleinstlebewesen in unserem Körper, den sogenannten Mikroorganismen. Zu diesen Mikroorganismen, die in und an unserem Körper leben, gehören nicht nur die Bakterien, sondern auch Pilze, Viren sowie einzellige Lebewesen, die Protozoen (früher auch Urtierchen genannt) und auch die Archaeen, die früher auch Urbakterien genannt wurden. Sie alle übernehmen eine wichtige Rolle in dieser Gemeinschaft der Mikroorganismen und sind damit wichtige Bestandteile unserer Mikrobiota, wie die Gemeinschaft dieser Mikroorganismen auch genannt wird.
Die vielfältigen Aufgaben des Darms:
• Verdauung und Aufnahme von Nährstoffen
• Produktion von Botenstoffen, welche die Verdauung beeinflussen
• eines der wichtigsten Immunorgane unseres Körpers
• Lebensraum für unsere Darmmitbewohner, die Mikroorganismen, auch Mikrobiota des Darms genannt
• Ausscheidung der Abfallprodukte, die im Rahmen der Verdauung anfallen
Abb. 1: Funktionen des Darms schematisch dargestellt
Doch wie kann ein einziges Organ all diese Aufgaben erfüllen? Welche Rolle spielt dabei der Organaufbau und wie wird dadurch die Organfunktion beeinflusst? Nur durch ein besseres Verständnis des gesunden Darms und seiner einzelnen Teile lässt sich erklären, welche Faktoren unseren Darm gesund halten und wie es zu Krankheiten kommen kann.
AUFBAU UND FUNKTIONEN DES DÜNNDARMS
Der Dünndarm schließt direkt an den Magen an. Er besteht aus drei Hauptabschnitten:
• dem Zwölffingerdarm (Duodenum),
• dem Leerdarm (Jejunum) und
• dem Krummdarm (Ileum).
Die Hauptfunktionen des Dünndarms sind die abschließende Verdauung und die Aufnahme von Nährstoffen. Aus diesem Grund ist für die Organfunktion die große Oberfläche des Dünndarms entscheidend. Da diese große Oberfläche geschützt werden muss und viele verschiedene Bestandteile im Darminnenraum zu finden sind, sind Immunzellen ein wichtiger Bestandteil des Dünndarms. Unser Immunsystem hat im Darm die Aufgabe, gefährliche Substanzen zu erkennen, Krankheitserreger abzuwehren und Nahrungsbestandteile als ungefährlich zu akzeptieren.
Die Funktionen der verschiedenen Zellen des Dünndarms:
• Verdauung und Aufnahme von Nährstoffen
• Produktion von Botenstoffen, welche die Verdauung beeinflussen
• Produktion einer Schleimschicht, welche die Darmoberfläche schützt und für die geregelte Immunantwort wichtig ist
• Produktion von Substanzen, welche die Darmmikroorganismen unter Kontrolle halten
• Aufnahme von „Proben“ aus dem Darminnenraum, um diese den Immunzellen zur Verfügung zu stellen Der Dünndarm trägt seinen Namen aufgrund seines verglichen mit dem Dickdarm (rund 6 cm) geringeren Durchmessers (rund 2,5 cm). Er ist mit rund sechs Metern der längste Teil des Verdauungstraktes. Sein erster Abschnitt, der Zwölffingerdarm, erhält am Pylorus – dem Übergang zum Magen – in kleinen Portionen den vorverdauten Speisebrei aus dem Magen. Nach Verdauung und Aufnahme der Nahrungsbestandteile im Leerdarm und Krummdarm gelangen die auszuscheidenden Reste über die Bauhin-Klappe (auch Ileozäkalklappe genannt) vom letzten Teil des Krummdarms (dem terminalen Ileum) in den Dickdarm.
Abb. 2: Der Dünndarm besteht aus drei Abschnitten.
Im Dünndarm besteht die Oberfläche zum Darminnenraum, dem Darmlumen, aus einer einzelnen Zellschicht. Wäre es möglich, die gesamte Oberfläche auszubreiten, dann nähme diese eine Gesamtfläche von 200 bis 400 m2 – also bis zu zwei Tennisfelder! – ein, wobei die exakte Fläche vom Alter und Geschlecht abhängt. Damit diese große Oberfläche in unserem Dünndarm Platz finden kann, ist sie mehrfach gefaltet und bildet außerdem fingerförmige Ausstülpungen – sogenannte Villi – und Einstülpungen, die Krypten genannt werden. Zusätzlich haben die Zellen an ihrer Oberfläche kleine Bürsten, um die Aufnahmeoberfläche weiter zu vergrößern. Die verschiedenen Zelltypen dieser Oberfläche übernehmen unterschiedliche Funktionen des Dünndarms:
Die Dünndarmepithelzellen sind für die letzten Schritte der Verdauung der Nährstoffe und für deren Aufnahme verantwortlich.
Die Becherzellen (auch Gobletzellen genannt) bilden eine Schleimschicht, die sich schützend über die Darmepithelzellen legt. Bildlich kann man sich diese Schleimschicht wie einen Filter vorstellen, der verhindert, dass Krankheitserreger, aber auch die natürlichen Mitbewohner unseres Darms an der Epithelzellschicht anhaften können. Zusätzlich verhindert die Schicht, dass große, unverdaute Bestandteile des Darminhalts mit den Epithelzellen interagieren können. Wenn das passiert, kann eine Immunreaktion in Gang gesetzt werden und können Entzündungen entstehen.
Weiters besteht die Zellschicht aus spezialisierten Zellen, den endokrinen Zellen, die Botenstoffe für den geregelten Ablauf der Körperfunktionen bilden. Zu ihnen zählen die Serotonin-produzierenden Zellen (die sogenannten enterochromaffinen Zellen). Man weiß heute, dass 95 % des gesamten Serotonins des Körpers im Darm gebildet wird. Man kennt Serotonin als „Glückshormon“; umgekehrt spielt sein Mangel eine ganz entscheidende Rolle bei Depressionen. Serotonin wirkt aber auch auf die Muskelzellen im Darm und ist bedeutsam für die geregelten Bewegungen dieses Verdauungsorgans. Dies spielt eine entscheidende Rolle für den Weitertransport der Stoffwechselreste. Andere endokrine Zellen (im Dünndarm sind die D-, S-, L- und K-Zellen zu finden, siehe Tabelle 1, Seite 29) produzieren Botenstoffe, welche die Funktion des gesamten Verdauungstraktes koordinieren, die Darmbewegungen aktivieren oder reduzieren und die Produktion und Freisetzung von Verdauungssäften regeln. Ohne die Freisetzung dieser Botenstoffe würde die Verdauung der Nahrung nicht funktionieren, die Stoffwechselreste würden nicht weitertransportiert und letztendlich nicht als Stuhl ausgeschieden.
Es gibt aber noch weitere spezialisierte Zellen, die für die Kommunikation mit dem Abwehrsystem und die Kontrolle der Darmmikroorganismen wichtig sind:
Die birnenförmigen sogenannten Tuft-Zellen beispielsweise sind im gesunden Darm nur sehr selten zu finden und wurden erst vor rund zehn Jahren entdeckt und zum ersten Mal beschrieben. Diese Zellen verfügen über büschelförmige Bürsten (Mikrovilli), die als Sensor für Bestandteile im Darminnenraum dienen. Wenn die Zellen gefährliche Bestandteile aufspüren, beispielsweise bei einer Wurminfektion, dann produzieren sie Botenstoffe, die das Immunsystem in Gang setzen und dadurch die Abwehrreaktion einleiten.
Abb. 3: Schematische Darstellung der Dünndarm-Schleimhautzellen
Am Boden der Dünndarmkrypten wiederum sind die Körnerzellen, die sogenannten Panethzellen, zu finden. Panethzellen produzieren wichtige Substanzen, die die Mikroorganismen im Darminnenraum unter Kontrolle halten. Der Grund, warum die Körnerzellen dort zu finden sind und warum hier keine Mikroorganismen erwünscht sind, sind die neben den Panethzellen liegenden Stammzellen, aus denen alle anderen Zellformen gebildet werden. Diese Stammzellen sind für die Darmgesundheit so entscheidend, dass sie mit den Panethzellen über eigene „Bodyguards“ – also Wächterzellen – verfügen, die sie vor Infektionen durch Mikroorganismen schützen. Die durch die Panethzellen freigesetzten antimikrobiellen Bestandteile hemmen die Mikroorganismen nicht nur in der Nähe der Stammzellen, sondern auch im Darminnenraum und sind daher besonders wichtig für die individuelle Zusammensetzung unserer Darmmikroorganismen. Wie wichtig dies für die Darmgesundheit ist, lesen Sie im Kapitel „Die Gemeinschaft der Mikroorganismen im Darm“.
Abb. 4: Schematische Darstellung von M-Zellen innerhalb der Dünndarmschleimhaut mit darunterliegendem Lymphfollikel
Im Krummdarm befinden sich außerdem spezialisierte Epithelzellen, die M-Zellen. Sie lassen die Proben aus dem Darminnenraum zu den darunterliegenden Immunzellen durch. Man kann sich diese Zellen wie eine Station für die Qualitätskontrolle des Darminhaltes vorstellen. Diese Probenentnahme ermöglicht dem Immunsystem, die Bestandteile im Darminnenraum kontinuierlich zu überprüfen. So kann eine Abwehrreaktion in Gang gesetzt werden, sollten für den Körper gefährliche Bestandteile oder Krankheitserreger gefunden werden. Außerdem kommt dieser Probenentnahme eine wichtige Rolle bei der Entwicklung und Funktion des Immunsystems zu.
AUFBAU UND FUNKTIONEN DES DICKDARMS
Durch langsame, koordinierte, wellenartige Muskelbewegungen werden Verdauungsreste als Stuhl im Darm weitertransportiert. Man nennt diese Bewegung in der Fachsprache auch Darmperistaltik. Durch diese Darmbewegungen gelangen Stoffwechselreste und -abfall in den Mastdarm, wo sie zunächst gesammelt und danach in größerer Menge beim Stuhlgang ausgeschieden werden. Im Dickdarm werden Wasser – bis zu sechs Liter – und Elektrolyte aus den Verdauungsresten in den Körper aufgenommen, wodurch der Stuhl eindickt. Um gleichzeitig die in den Speiseresten enthaltenen Ballaststoffe ausreichend aufquellen zu lassen, ist für den Darm eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr entscheidend.
Eine weitere Besonderheit des Dickdarms ist die große Anzahl und Vielfalt an Darmmikroorganismen. Diese bauen unverdauliche Nahrungsbestandteile ab und produzieren für den Körper wichtige Nährstoffe (wie z. B. Vitamin K und kurzkettige Fettsäuren; Details zu den für die Darmgesundheit wichtigen Nährstoffen finden Sie im Kapitel „Der Einfluss der Ernährung auf die Darmgesundheit“).
Die Funktionen der verschiedenen Zellen des Dickdarms:
• Aufnahme von Wasser und Elektrolyten
• Produktion von Botenstoffen, welche die Verdauung beeinflussen
• Produktion einer dicken Schleimschicht, welche die Darmoberfläche schützt und den Darmbakterien auch als Nahrung dient
• Ausscheidung der unverdaulichen Nahrungsreste
Der Dickdarm ist ungefähr 1,5 m lang und hat einen Durchmesser von rund 5–8 cm. Im Bauchraum legt er sich wie ein Rahmen um den Dünndarm. Am Dickdarm sind Kontraktionsfalten oder Wandausbuchtungen zu sehen. Auch der Dickdarm besteht aus verschiedenen Abschnitten:
• dem Blinddarm (Caecum) mit dem Wurmfortsatz (Appendix vermiformis),
• dem Dickdarm (Colon, bestehend aus den vier Teilen Colon ascendens, Colon transversum, Colon descendens und Colon sigmoideum) und
• dem Enddarm mit dem Mastdarm (Rectum) und dem Analkanal.
Abb. 5: Schematische Darstellung der Dickdarmabschnitte
Genau wie im Dünndarm bildet auch im Dickdarm eine einzelne Zellschicht die Oberfläche zum Darminnenraum. Die Schleimhaut bildet im Gegensatz zum Dünndarm keine Zotten, sondern tiefe Einstülpungen, die Krypten, aus. Diese können bis zu 0,6 mm tief sein. Neben den Epithelzellen des Colons, die für die Aufnahme von Wasser und Elektrolyten aus dem Darminnenraum verantwortlich sind, finden sich besonders viele Becherzellen. Diese bilden eine dicke Schleimschicht, die im Dickdarm fest an den Epithelzellen anhaftet.
Es sind in der Dickdarmschleimhaut aber auch endokrine Zellen, also Botenstoffe produzierende Zellen, zu finden. So sind im Dickdarm neben den enterochromaffinen Zellen, die über Freisetzung von Serotonin die Darmbewegungen beeinflussen, auch D-Zellen und L-Zellen zu finden, die Botenstoffe für die Regulation der Verdauung und der Nährstoffaufnahme freisetzen. Der Blinddarm ist mit reichlich Immunzellen ausgestattet und wird daher als Teil des Immunsystems angesehen. Die Hauptaufgabe des Enddarms besteht in der Sammlung der unverdaulichen Nahrungsbestandteile, bis diese im Zuge der Darmentleerung ausgeschieden werden.
Abb. 6: Schematische Darstellung der Dickdarm-Schleimhautzellen
DIE VERDAUUNG
Nur der Abschluss der Verdauung findet im Darm statt. Da für eine gesunde Funktion der abschließenden Darmverdauung und damit für die gesunde Versorgung unseres Körpers mit Nährstoffen auch die vorherigen Verdauungsschritte von großer Bedeutung sind, verlassen wir an dieser Stelle kurz den Darm und treten eine kurze Reise zum Beginn des Magen-Darm-Traktes an, um die einzelnen Schritte der Verdauung darzustellen.
DER MUND: WO DIE VERDAUUNG BEGINNT
Im Mund wird die Nahrung durch die Zähne zerkleinert, durch die Zunge, die auch den Geschmack der Speisen prüft, durchmischt und durch den von den Speicheldrüsen produzierten Speichel aufgeweicht. Pro Tag bildet der Körper zwischen 0,5 und 1,5 l Speichel, der auch wichtige zuckerabbauende Verdauungsenzyme enthält. So ist im Speichel Alpha-Amylase (auch Ptyalin genannt) zu finden, das Stärke abbaut. Ebenso wird mit dem Speichel in geringeren Mengen Lipase, ein fettabbauendes Enzym, freigesetzt.
Ausreichend langes Kauen trägt dazu bei, dass Nahrungsbestandteile gut durchweicht und bereits vorverdaut in den Magen kommen. Dies unterstützt die nachfolgende Verdauung entscheidend und erhöht die Bekömmlichkeit der Speisen.
DER MAGEN: SPEICHER, MISCHMASCHINE UND WICHTIGES VERDAUUNGSORGAN
Nach einer sehr raschen Passage durch die Speiseröhre gelangt der eingeweichte Speisebrei in den Magen, wo die Speichelenzyme durch den niedrigen pH-Wert der Magensäure inaktiviert werden. Im Magen wird der Speisebrei durch das Zusammenziehen der Magenwände mit der Magensäure und den Verdauungsenzymen des Magens durchmischt. Durch die Magensäure werden alle Eiweißbestandteile, die sogenannten Proteine, in ihrer Struktur verändert, was man in der Fachsprache als Denaturierung bezeichnet. Das bedeutet, dass die Faltung der Proteine aufgehoben wird und die Eiweißbestandteile dadurch leichter zugänglich für die abbauenden Enzyme sind.
Im Magen wird aus den Hauptzellen der Magenschleimhaut Pepsinogen, die inaktive Form des eiweißspaltenden Enzyms Pepsin, freigesetzt. Pepsin wird durch die Magensäure aktiviert und spaltet die Nahrungseiweiße in kurze Peptidketten. Man kann sich also Pepsin wie eine Schere vorstellen, die die langen Aminosäureketten von Nahrungseiweißen in kürzere Ketten schneidet. Zusätzlich wird von der Magenschleimhaut auch in geringeren Mengen das fettabbauende Enzym Lipase freigesetzt, um die im Mund gestartete Fettverdauung fortzusetzen. Die Verweildauer des Speisebreis im Magen liegt normalerweise je nach Zusammensetzung der Nahrung zwischen einer und sechs Stunden.
Die Verdauung im Magen ist ausgesprochen wichtig für den Abbau von Eiweißbestandteilen, die beispielsweise auch Allergien auslösen können. Im Magen übernimmt die Magensäure nicht nur die Funktion, die Struktur bzw. Faltung von Eiweißbestandteilen zu verändern, sie ist auch verantwortlich für die Aktivierung von eiweißspaltenden Enzymen wie Pepsin und tötet zusätzlich Krankheitserreger ab, die dadurch nicht in den Darm gelangen können.
DER DARM: ABSCHLUSS DER VERDAUUNG UND NÄHRSTOFFAUFNAHME, ABTRANSPORT DER STOFFWECHSELRESTE
Der saure Speisebrei wird portionsweise aus dem Magen in den Zwölffingerdarm abgegeben. Dort wird er durch die alkalischen Verdauungsflüssigkeiten aus der Bauchspeicheldrüse neutralisiert. Gleichzeitig werden die letzten Schritte des Abbaus der Nahrung durchgeführt. Der Abbau der verschiedensten Zuckerstrukturen wird durch die Laktase, die Maltase und die Saccharase fortgesetzt. Fette werden durch die Darm- und Pankreas-Lipase und Gallensäuren verstoffwechselt, wobei die Gallensäuren auch für die Fettaufnahme entscheidend sind. Zusätzlich werden die im Magen vorverdauten Eiweißketten durch Darmenzyme, das sind beispielsweise die verschiedensten Peptidasen, weiter abgebaut. Spezialisierte Zellen der Bauchspeicheldrüse stellen zusätzlich unterschiedliche Verdauungsenzyme wie beispielsweise Trypsin, Chymotrypsin, Carboxypeptidasen, Elastase, Alpha-Amylase und Lipasen her, die in den Dünndarm gelangen und dort aktiviert werden.
Ohne diese Enzyme könnte der Körper die Nahrung nicht aufnehmen und verwerten. Die unverdaulichen Nahrungsreste werden durch die Organbewegung – die Peristaltik – nach rund sieben bis neun Stunden im Dünndarm an den Dickdarm weitergegeben. Der Transport der Nahrung durch den Dickdarm dauert rund 24 bis 48 Stunden. In diesem Zeitraum werden Wasser und Elektrolyte aufgenommen und unverdauliche Reste von den Darmbakterien abgebaut.
Je nach Menge und Zusammensetzung der aufgenommenen Nahrung, je nach körperlicher Bewegung und individuellen Faktoren variiert die normale Stuhlfrequenz zwischen dreimal täglich und dreimal wöchentlich. Wichtig ist, dass im Darm eine geordnete Organbewegung stattfindet, um den Speisebrei mit den Verdauungsflüssigkeiten zu durchmischen. Zusätzlich bekommen die Nahrungsbestandteile dadurch Kontakt mit der Darmwand, was eine Aufnahme der Nährstoffe ermöglicht. Der Speisebrei wird zusätzlich durch die Darmbewegungen im Darm weitertransportiert, was von empfindlichen Personen auch wahrgenommen werden kann.
Als Verstopfung wird ein zu seltener oder mit übermäßiger Anstrengung verbundener Stuhlgang bezeichnet. Vorbeugende Maßnahmen sind:
• ausreichende Flüssigkeitszufuhr (im Idealfall täglich zwei Liter, falls aus medizinischer Sicht nichts dagegenspricht), um ein ausreichendes Aufquellen der Ballaststoffe zu ermöglichen
• ausreichende Bewegung, um die Darmbewegungen anzuregen
• ballaststoffreiche Ernährung
• Stuhlgang nicht unterdrücken
Durchfall ist ein vermehrtes Stuhlgewicht pro Tag mit mehr als drei Stuhlgängen pro Tag und veränderter Stuhlkonsistenz. Durchfall kann von Bauchschmerzen oder Bauchkrämpfen begleitet werden. Bei bestimmten Infektionen kann Durchfall auch mit Übelkeit und Erbrechen einhergehen. Es gibt eine Vielzahl von Ursachen für die Entstehung von Durchfällen. Diese können bei Entzündungen, Infektionen, einer Veränderung der Zusammensetzung der Darmmikroorganismen, Nahrungsmittelunverträglichkeiten, aber auch aufgrund von starker Aktivierung der Darm-Hirn-Achse bei Stress auftreten.
Eine normale Stuhlfrequenz liegt zwischen dreimal täglichem und dreimal wöchentlichem Stuhlgang und ist von verschiedenen individuellen Faktoren abhängig.
PRODUKTIONSSTÄTTE DARM
Wie bereits erwähnt, gibt es im Darm eine Vielzahl von verschiedenen Zellen, die durch die Produktion aller wichtigen Stoffe eine für die Darmgesundheit entscheidende Aufgabe übernehmen. Da diese Stoffe im Zusammenspiel essenziell für die Funktion des Darms und damit für unsere Gesundheit sind, möchten wir die einzelnen Produkte zusammenfassen (siehe unten Tabelle 1).
VERDAUUNGSENZYME | ||
Welches? | Wo wird es hergestellt? | Wie wirkt es? |
Laktase | von den Dünndarm-Schleimhautzellen in der Bürstensaummembran | spaltet Milchzucker in seine Bestandteile Schleimzucker (Galactose) und Traubenzucker (Glukose) |
Maltase | auf dem Bürstensaum der Dünndarm-Schleimhautzellen | spaltet Traubenzucker (Glukose) von Glukoseketten ab |
Saccharase-Isomaltase | auf dem Bürstensaum der Dünndarm-Schleimhautzellen | spaltet Haushaltszucker (Saccharose) in Fruchtzucker (Fruktose) und Traubenzucker (Glukose) und spaltet Malzzucker (Maltose) und Isomaltose (in zwei Moleküle Glukose) |
Darmlipase | im Dünndarm | spaltet von Lipiden wie Glyceriden oder Cholesterinestern freie Fettsäuren ab |
Peptidase (Amino- und Dipeptidasen) | an der Bürstensaummembran der Dünndarm-Schleimhautzellen | spaltet einzelne Aminosäuren ab |
BOTENSTOFFE | ||
Welcher? | Wo wird er hergestellt? | Wie wirkt er im Darm? |
Motilin | M-Zellen des Duodenums | Steigerung der Magenbewegung |
Secretin | S-Zellen des Duodenums | Steigerung der Freisetzung von Verdauungssäften aus Bauchspeicheldrüse und Galle |
Cholecytokinin | I-Zellen des Dünndarms | Freisetzung von Galle und Bauchspeicheldrüsensaft in den Darm wird gesteigert, Magenentleerung und Magensaftproduktion wird reduziert |
Gastric Inhibitory Peptide (GIP) | K-Zellen des Dünndarms | reduziert die Magensaftfreisetzung, steigert die Insulinfreisetzung |
Serotonin | enterochromaffine Zellen des Dünn- und Dickdarms | Steigerung der Darmbewegungen |
Somatostatin | D-Zellen des Dünndarms und des Dickdarms | Hemmung anderer endokriner Zellen |
GLP-1 (Glucagon-like Peptide 1) | L-Zellen des Dünndarms und des Dickdarms | Steigerung der Insulinsekretion |
Immunbotenstoffe | Darmepithelzellen | Anlockung und Aktivierung von Immunzellen |
SCHLEIMBESTANDTEILE | ||
Welcher? | Wo wird er hergestellt? | Wo ist er zu finden? |
sezerniertes Mucin: Mukus-Protein 2 | Becherzellen (Gobletzellen) | Hauptbestandteil des Darmschleims |
Zelloberflächen-Mukus-Protein 3 A/B | Becherzellen (Gobletzellen) | im Darm- und Magenschleim |
weitere Zelloberflächen-Mucine (MUC4, MUC12, MUC13, MUC15, MUC17) | Becherzellen (Gobletzellen) | Bestandteile des Darm-schleims |
WIRKSTOFFE GEGEN MIKROORGANISMEN | ||
Welche? | Wo werden sie hergestellt? | Wie wirken sie? |
Defensine | Körnerzellen (Panethzellen) | breite Wirksamkeit gegen Mikroorganismen |
Pattern Recognition Receptors | Epithelzellen des Darms | erkennen Strukturen von Mikroorganismen und setzen eine Abwehrreaktion des Immunsystems in Gang |
Tabelle 1: Der Darm ist ein wichtiger Produktionsort für Verdauungsenzyme, Botenstoffe, Schleimbestandteile und Wirkstoffe, die gegen Mikroorganismen wirken.
ZUSAMMENFASSUNG
Unser Darm mit den beiden Abschnitten Dünndarm und Dickdarm ist ein faszinierendes Organ, das unsere Gesundheit stark beeinflusst. Einerseits nimmt er Nährstoffe auf und verdaut sie und produziert Botenstoffe, welche die Verdauung beeinflussen. Unser Darm ist aber auch eines der wichtigsten Immunorgane unseres Körpers, in dem die meisten Immunzellen zu finden sind. Er dient den Darmmikroorganismen als Lebensraum und ist für die Ausscheidung der Abfallprodukte, die im Rahmen der Verdauung entstehen, verantwortlich. Um all diese Aufgaben erfüllen zu können, ist es entscheidend, dass unser Darm gesund bleibt. Was unseren Darm gesund hält und wie er mit anderen Organen zusammenarbeitet, erfahren Sie in den nächsten vier Kapiteln.