Читать книгу Untergrundkirche und geheime Weihen - Eva Vybíralová - Страница 11
ОглавлениеGeleitwort
Die Jahre der kommunistischen Herrschaft in der Tschechoslowakei nach dem 2. Weltkrieg gehören zu den dunklen Kapiteln der Kirchengeschichte dieses Landes. Diese Zeit ist gekennzeichnet von dem Versuch des damaligen Staates, sich die katholische Kirche als Institution zu unterwerfen und für seine ideologischen Zielsetzungen gefügig zu machen. Dazu gehörte auch der konkrete Kampf gegen die religiösen Überzeugungen von Christen und die gesellschaftliche Diskriminierung derer, die sich dem widersetzten, ferner die Behinderung und oftmals totale Einschränkung des kirchlichen Lebens vor Ort, die Aufhebung der Orden, der Möglichkeiten eines sozial-caritativen Wirkens der Kirche und die Unterbindung aller kirchlichen Kontakte in die Weltkirche hinein, speziell zum Heiligen Stuhl.
Es ist das Verdienst der vorliegenden Arbeit von Frau Vybíralová, einer speziellen Frage aus dieser Zeit im Detail nachzugehen, die zu den wichtigsten Überlebensfragen einer bedrängten Ortskirche zählt: wie in einer Verfolgungssituation der Priesternachwuchs und damit die sakramentale Grundstruktur von Kirche abgesichert werden kann. Dabei hat die Untersuchung zunächst im Blick, was das kirchliche Recht grundsätzlich als Hilfe in solchen Not- und Verfolgungssituationen vorsieht. Es werden die Möglichkeiten erörtert, mit Hilfe von außerordentlichen römischen Vollmachten den bedrängten Bischöfen bzw. Ordinarien beizustehen. Die Autorin stellt die Geschichte und den Wandel solcher „Fakultäten“ (Sondervollmachten des Heiligen Stuhles) dar, besonders in der Zeit nach der Kodifizierung des Kirchenrechts für den lateinischen Westen im Jahr 1917 und angesichts der Veränderungen, die sich durch das veränderte Kirchenbild des 2. Vatikanischen Konzils (1962-1965), etwa im Blick auf die Stärkung der rechtlichen Stellung der Bischöfe, ergaben.
Das Hauptaugenmerk der Untersuchung gilt freilich der Erfassung und der Schilderung der näheren Umstände der geheimen Diakonen- und Priesterweihen. Die Weihekandidaten wurden meist im Land selbst unter konspirativen Bedingungen auf den Empfang der Weihen vorbereitet. Die Weihen wurden weithin durch Bischöfe aus den Nachbarländern, insbesondere aus Polen und der damaligen DDR unter z.T. abenteuerlichen Umständen vollzogen. Ich selbst gehörte in meiner Amtszeit zu jenen Bischöfen, wobei ich diese Praxis von meinem Vorgänger, Bischof Hugo Aufderbeck, übernahm und bis zum Ende der kommunistischen Zeit 1989 weiterführte.
Verdienstvoll an der vorliegenden Arbeit ist nicht nur das Sammeln und Zusammenstellen der einzelnen Weihen, sondern auch die Erforschung, Beschreibung und Einordnung dieser Weihen in der damaligen kirchlichen und gesellschaftlichen Situation. So hat Frau Vybíralová eine Vielzahl von erteilten Weihen aus diesen Jahren eruiert, wenn auch manchmal Unsicherheiten nicht ausgeräumt werden konnten. Das ist angesichts der damaligen Situation auch nicht verwunderlich. Besondere Würdigung muss freilich aus meiner Sicht das Bemühen der Autorin finden, auch mit den noch lebenden geheim geweihten Welt- und Ordensgeistlichen Kontakt aufzunehmen, deren Einschätzung ihres konkreten geistlich-kirchlichen Weges festzuhalten und ihr weiteres Wirken – zumindest kursorisch – zu skizzieren. So ergibt sich ein realistisches Gesamtbild der damaligen Praxis, die Ausbildung und Weihe von Priestern auf diesem Weg im Geheimen abzusichern. Dabei werden auch die Schwierigkeiten und Probleme, die diese Praxis mit sich brachten, nicht verschwiegen. Nach der „samtenen“ Revolution von 1989 war in manchen Fällen, in denen an der Gültigkeit einer Weihe aus verschiedensten Gründen Zweifel blieben, eine sorgsame kirchliche Überprüfung bzw. rechtliche Klärung erfolgter Weihehandlungen eine wichtige Hilfe für Betroffene, aber auch für die Ortskirchen.
Der Verfasserin ist zu danken, dass sie trotz vielfältiger beruflicher und familiärer Verpflichtungen dieses schwierige Einzelthema aus der jüngeren Kirchengeschichte ihrer Heimat aufgegriffen und so sorgfältig und im Urteil abgewogen zu Ende geführt hat. Möge aus dem leidgeprüften Glaubensmut derer, über die sie in dieser Arbeit berichtet, der tschechischen Kirche der Gegenwart reicher Segen erwachsen!
+ Joachim Wanke
Bischof emeritus von Erfurt