Читать книгу Rose of India - Eveline Keller - Страница 7
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Achmet war in der Hölle gelandet, dessen war er sich gewiss. Um ihn herum röhrte und wieherte es. Alles drehte sich. Aus seinen verquollenen Augen konnte er nichts sehen. Riechen? Da wo seine Nase war, klebte ein blutiger Brei, aus dem Rotz über die aufgeschlagenen Lippen tropfte. Eine Stiefelspitze grub sich unbarmherzig in seine Weichteile und er schrie.
Das Böse gab es überall auf der Welt, das wusste er. Er war in Mogadishu aufgewachsen, eine Stadt, durch die seit Jahren die Fronten der Bürgerkriegsparteien verliefen, die sich einmal vor- und einmal rückwärts verschoben. Täglich starben da Dutzende Menschen im Kugelhagel. Wie durch ein Wunder hatte er das alles überlebt. Zugegeben, einige Male war er am Tod vorbeigeschrammt, hatte Glück gehabt.
Joe fuhr mit ihm nach Europa, nach Zürich. Und ausgerechnet hier in Zürich brach die Hölle über ihn herein, in einer der sichersten Städte Euro-pas, deren Bewohner Kriege nur vom Hörensagen kannten.
In der Ferne leuchteten die Lichter einer Stadt, spiegelten sich in ihren gläsernen Häuserfassaden. Welch Ironie des Schicksals! In der scheinbaren Sicherheit war er unvorsichtig geworden und hatte für einen Augenblick nicht aufgepasst. Der Angriff traf ihn unerwartet.
Er wusste nicht, wo sie ihn hingeschleppt hatten. Erkennen konnte er kaum etwas, die Dunkelheit wurde nur gelegentlich von Lichtern vorbeifahrender Autos unterbrochen. Achmet schmeckte Blut auf seinen Zähnen.
Schon als Kind warnte ihn seine Großmutter, wenn er lieber den Räuber als den Polizisten spielte, werde es eines Tages schlimm mit ihm enden. Er hätte auf sie hören sollen. Auch hätte er den Rat seiner Sippe befolgen sollen und Fischer werden, wie sein Vater und davor sein Großvater. Aber er hatte die Schiffe gesehen, die, von überall her kommend, Giftfässer vor der Küste Somalias versenkten. Sie verseuchten damit alle Lebewesen im Meer. Und die Menschen, die sich von den Fischen ernährten, bekamen Krankheiten, für die es keine Namen gibt.
Ohne ihn. Er hatte beschlossen, sich ein Stück von dem unermesslichen Reichtum der Industrienationen zurückzuholen. Was ihm bis heute auch gelungen war. Er besaß viel Geld und hatte ein Bankkonto. Ihm gehörte der magische Rubin ‚The Rose of India‘, der ihm Macht und Würde verlieh. Er trug einen piekfeinen Anzug, den ein berühmter Schneider Armani genäht hatte. Und er konnte die Puppen tanzen lassen, wenn er wollte.
Nur erwischen lassen, durfte er sich nicht. Genau!
Der Rubin ‚Rose of India‘ musste verhext sein. Darum hatte sich sein Glück gewendet.
Ein weiterer Tritt ließ ihn aufheulen. Angst trieb ihm den Schweiß auf die Stirn. Seine Zunge war geschwollen, seine Kehle brannte vom Schnaps, in seinem Bauch loderte ein Feuer. Er war unendlich durstig. Sein Kopf fühlte sich an, als wäre er in heißes Öl eingelegt. Er schüttelte ihn, er drohte das Bewusstsein zu verlieren. Schmerzen durchbohrten ihn bei jedem Atemzug.
Verzweifelt versuchte er, auf allen Vieren den Tritten zu entkommen. Doch da. Was war das? Seine Hände versanken im Sand. Waren sie mit ihm in die Wüste gefahren? Gab es hier eine Wüste? Oder hatte er alles geträumt? War er gar nicht in Zürich, sondern zu Hause in Puntland? Wartete er vielleicht auf das Lösegeld? Er versuchte einen Gedanken zu fassen, doch in seinem Kopf surrte alles umher wie ein Mückenschwarm. Er blinzelte.
Wo war eigentlich Joe? War er in der Bar geblieben, wo sie mit den hübschen Mädchen getanzt und gefeiert hatten? Achmet hatte den Ladys ein paar Drinks ausgegeben. Er hatte natürlich mitgetrunken. Ehrensache. Obwohl, Alkohol ihm eigentlich nicht bekam. Angeheitert war er einer Blondine, mit schwingendem Po aufs Zimmer gefolgt. Da tauchten vor ihm diese beiden Fratzen auf. Sie stießen ihn durch die Hintertür hinaus in den Hof. Bevor er wusste wie ihm geschah, schlugen sie auf ihn ein. Stopften ihm eine Flasche zwischen die Zähne und hielten ihm die Nase zu, bis er schlucken musste. Seine Fragen beantworteten sie mit einem Prügel und flößten ihm das ätzende Zeug ein, bis er die Besinnung verlor.
Als er wieder zu sich kam, wusste er nur, dass sie nicht mehr im Hinterhof der Bar waren. Die Teufel verhöhnten ihn. Er versuchte zu flüchten, nur weg. Doch sie schlugen ihn nieder, ließen nicht von ihm ab. Wieder bohrte sich mit Wucht ein Stiefel in seinen Bauch, dass ihm der Mageninhalt hochkam. Er schmeckte Galle. Sie grölten. Was waren das für Menschen, in diesem Land mit den blitzsauber geputzten Häusern und den ernsten Gesichtern? Kannten sie kein Mitleid? Der nächste Tritt.
„Ja, kriech nur du Wurm. Du Wüstensohn. Wir machen dich zum Sohn eines Wüstenwurms – Ha, ha!“
Wenn nur wenigstens dieses schreckliche Klagen aufhören würde, das so nahe schien als käme es aus seiner Brust. So schnell er auch kroch, es blieb da. Dann konnte er nicht mehr. Die Arme brachen kraftlos unter ihm ein. Ein Absatz traf ihn an der Stirn. Er wand sich schreiend. Blutiger Nebel senkte sich über ihn. Verzweifelt robbte er weiter. Da spürte er überraschend Wasser an den Händen. Mit letzter Kraft kroch er näher, beugte sich vor und bettete mit einem erlösenden Seufzer seinen Kopf ins kühle Nass. Herrlich!
Das Dröhnen in den Ohren drang nur noch gedämpft zu ihm durch. Vor dem Eintauchen glaubte er das Knattern eines Außenbordmotors zu hören. Endlich! Das waren sie, seine Freunde. Sie kamen, um ihn rauszuholen. Alles wird gut. Er kehrte in seine Heimat zurück, am Horn von Afrika. Achmet entspannte sich.
Er spürte nicht mehr, wie der Stiefel ihn unter Wasser drückte.