Читать книгу DIE ZÜRCHER ACHSE - Eveline Keller - Страница 12

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7.

David stand um 6: 15 Uhr in der Küche seiner, an bester Lage in Zürich gelegenen Wohnung, und machte sich einen Kaffee. Nach Motivation suchend, starrte er auf den Granit der verlängerten Arbeitsfläche, die als Ess-Bar diente. Die Küchenkombination war in mattem Weinrot gehalten. Das Spiegelglas an der Rückwand gab dem Ganzen mehr Tiefe. Sie war ausgerüstet mit Induktionsherd, Backofen-Mikrowellen-Kombi, Kühlschrank und Geschirrspüler, nur das Teuerste war für Jessica gut genug. Die Sonne sandte ihre Strahlen durch das Fenster über der Spüle und tauchte alles in ein warmes Licht, für das er heute keinen Blick hatte. Er stocherte ohne Appetit in seinem Müsli, kippte es schließlich weg und beeilte sich, auf die Baustelle zu kommen.

Um Viertel vor sieben betrat er sein Büro, schaltete den Computer ein, las sich durch die Mailbox und vertiefte sich in die Arbeit. Der halbe Morgen war bereits um, als ihn seine Assistentin störte: „Kommissarin Glättli ist da, wegen des Toten.“

Er zog die Stirn kraus. „Ich kann jetzt nicht, hab bald einen Termin, soll ein anderes Mal kommen.“ Sein Blick klebte auf der Abrechnung des Architekten, die, wie oft er auch nachrechnete, nicht dasselbe Resultat wie geschrieben ergab. Er wählte eben dessen Nummer, als er sich energisch klappernde Absätze nähern hörte, und legte seufzend auf.

„Tut mir leid, wenn ich ungelegen komme, Herr Maler, aber die Ermittlungen können nicht warten.“ Amber marschierte herein und baute sich vor ihm auf.

Seine Hand verharrte noch immer über dem Telefon, dann hob er sie grinsend zum indianischen Gruß. „Hough!“, scherzte er. „Amber, richtig?“, und nach genauer Betrachtung: „Bemerkenswert.“

Ihre Haare waren kunstvoll gestylt wie vom Sturm zerrupft, über die Augen zog sich ein Balken aus schwarzviolettem Lidschatten, der von der linken Schläfe bis zur rechten reichte, darunter kalkiges Make-up und ein blutorangeroter Mund.

„Ja, die heutige Mode - chic!“, schnalzte er. „Da fühlt man sich gleich uralt, wenn man auf rosa Lippen und Bambi-Augen steht.“

Konventioneller war ihr Outfit, sie trug Jeans, eine peppige Jacke und Gamaschen-Sandalen.

„Mensch, was für eine Kreuzfahrt! Was haben wir durchgemacht, hm…“, deutete er an.

Sie reagierte nicht.

„Du warst da schon immer so still.“

Verschmitzt lächelnd hob er den Zeigefinger. „Und dann die verrückte Nacht in Nairobi!“

Amber zuckte mit keiner Wimper.

Für eine Sekunde huschte ein Schatten über Davids Gesicht. Erinnerungen an Jessica, „The Rose of India“ und den wendigen Reber, und er allein zurückblieb. Amber war ohne ein Wort abgereist. Krass! Aber längst Geschichte. Er meinte jovial: „Wollte dich immer mal anrufen, aber du siehst selbst: Keine Chance, bei der Menge Arbeit.“

Sein Charme perlte an ihr ab. Sie war schließlich nicht seinetwegen hier. Sie hatte einen Fall zu klären.

„Die korrekte Anrede ist Kommissarin Amber Glättli. Die Schiffsreise…“, sie wollte nicht daran denken. „Das war mal…“.

Ausgerechnet er musste das erwähnen, nach allem, was sie auf dem Schiff durchgemacht hatte, war sie nicht mehr, sie selbst gewesen. Sie hatte die Beruhigungs-Tabletten mit Sekt runtergespült. Das konnte er ihr sicher nicht nachtragen. Warum sagte sie ihm das nicht?

„Kommen wir zur Sache!“

Mit einem Anflug von Melancholie suchte David in ihrem Gesicht nach der Gefährtin, die mit ihm durch die Hölle gegangen war. Sie hatte die wogenden Haare abgeschnitten, ihr weicher Körper wirkte trainiert, und ihre warme Stimme, die einem im Bauch kribbelte, war laut wie die eines Ausbildungsoffiziers. Als wollte er nicht wahrhaben, was er sah, wanderte sein Blick wiederholt über ihr Antlitz.

„‘Sie‘ ist etwas ungewöhnlich, nach allem was wir zusammen erlebt haben. Meinetwegen können wir uns in der Öffentlichkeit siezen, aber unter uns: No!“

Er klatschte in die Hände. „Ach, Amber! Entschuldige meine schlechten Manieren. Darf ich dir einen Espresso anbieten, einen Cappuccino, oder hättest du lieber einen Saft?“ Gut gelaunt wies er auf die Sitzecke.

„Nein danke, und Duzen, nur unter uns!“

„Verstehe, beeilen wir uns.“ Er nahm seinen Kalender zur Hand und studierte ihn: „Mal sehen. Morgen gegen sechzehn Uhr, oder lieber nächsten Dienstag? Nein?“ Seine Mundwinkel blieben oben, obwohl seiner guten Laune die Luft ausging.

Amber entnahm ihrer Handtasche ein Papier und hielt es ihm wortlos hin.

Konsterniert las er: „Beschluss des Untersuchungsrichters … tadam… tadam… mit sofortiger Wirkung vorübergehend die Bautätigkeit einzustellen…! - Bist du von Sinnen!“, schrie er.

„Bingo! Mit dieser Antwort sind Sie im Einklang mit 87,3 Prozent aller Betroffenen einer einstweiligen Verfügung“, teilte sie ihm freundlich mit, als hätte er einen Preis gewonnen. „Steht da vielleicht ‚von Sinnen‘ irgendwo unter dem Kleingedruckten?“, fragte sie gespielt.

„Beantworte bitte folgende Fragen: …“

Er unterbrach sie und hielt beide Hände zum Stoppzeichen hoch: „Dein Timing ist grottenschlecht, sorry.“ Er griff zum Telefon und bellte in den Hörer: „Kannst du den Carlson im Hotel abholen … danke dir!“ Gehetzt sah er sich um: „Ich muss dem Vorarbeiter Bescheid sagen und die Arbeiter umdisponieren, bevor alle weglaufen, sonst versinke ich im Frischbeton.“

Er wählte erneut, während er sie musterte. ‚Wohl mit dem falschen Bein aufgestanden. Wieder so eine, die ihre Macht missbraucht, um ihr Selbstwertgefühl aufzurichten. Wollen mal sehen, wer hier der Boss ist!‘

Amber trat an seinen Tisch, drückte auf die Gabel und unterbrach die Verbindung. „Wir müssen alle unseren Job erledigen, meiner ist es, Leute unvorbereitet zu befragen, ob es dir passt oder nicht“, stellte sie klar.

„Das ist nicht das Thema. Ich muss die Handwerker orientieren“, drängte er.

„Hör auf, dich wie ein Kind zu benehmen, beantworte meine Fragen, und sobald die Spurensicherung ihre Arbeit getan hat, sind wir weg.“

„Versprochen?“

Sie schaute ihn nur an. „Ich habe auf der Homepage des Wellnesscenters gelesen, dass es von einem Unternehmer-Konsortium gebaut wird und du der verantwortliche Bauführer bist.“

„Wenn es so dasteht… Was soll dann die Frage?“

„Erklär mir bitte: Wer sind all die Unternehmer? Gibt es zusätzliche Investoren, und wie sind die Mehrheitsverhältnisse aufgeteilt?“

„Eigentlich ist das Geschäftsgeheimnis, aber ich gebe dir besser die richtigen Informationen. Bitte dich deshalb, die Angaben diskret zu behandeln.“ Amber nickte und er fuhr fort: „Das Konsortium besteht aus vier Hauptinvestoren, die Allgemeine Vereinsbank, Dumonts Import & Export, Rudolf Kunz und meine Wenigkeit. Wir halten je zwanzig Prozent der Anteile, den Rest halten Kleinanleger.“

„Wann ist die Eröffnung?“

„Das steht auch auf der Homepage“, knurrte er, „Im nächsten Frühling, Anfang April, wenn alles nach Plan läuft.“

„Wem könnte es zum Vorteil gereichen, wenn der Bau verzögert werden würde?“

„Da gibt es immer Interessengruppen, zum Beispiel einen Umweltverband, Politiker oder Anwohner, die alle Einsprachen erheben könnten, aber mir ist nichts bekannt. Das Ergebnis ausgewogener Öffentlichkeitsarbeit“, sagte er nicht ohne Stolz. „Von Unternehmerseite her verteuert sich der Bau um jeden Tag, den es länger dauert, bis eröffnet werden kann. Das hieße, verlangsamte Amortisation und fehlende Einnahmen, all das drückt auf die Rendite.“

„Besitzt du ein Auto?“

Er blinzelte: „Was hat das damit zu tun? Ja – einen Toyota Pickup.“

„Benutzt ihn außer dir sonst noch jemand?“, hakte sie nach.

„Was soll die Frage?“

„Wir haben am Anfang der Kriechspur des Opfers verdächtige Reifenabdrücke sichergestellt, die eindeutig von deinem Wagen stammen. Wie erklärst du das?“

Er sah sie an, als wäre sie nicht ganz bei Trost. „Ist dir schon aufgefallen, dass ich hier arbeite und täglich mit meinem Auto Spuren in den Matsch mache!“, brüllte er. Er musste seine Wut einmal herauslassen.

„Gerade deshalb, weil du viele Spuren machst, würde es am wenigsten auffallen. Die Gipsnegative zeigen vorne links den dünneren Reifen eines Reserverades. Nach Aussage deiner Autowerkstatt ließest du ihn erst am Montagmorgen flicken. Es war also dein Pick-up! Wenn niemand anderer ihn gefahren hat – warst du es?“

David ärgerte sich: Da schickten sie diese lächerliche, halbe Portion, und ehe er sich versah, zog sie die Schlinge um seinen Hals zu. Verdammt aber auch. „Ich habe die Schlüssel am Samstagabend Vero gegeben, aber nicht, dass du jetzt gleich losrennst und sie vernimmst. Sie hat nichts damit zu tun.“

Nervös sprang er auf und tigerte hin und her. Er hasste es, vor ihr sein Leben ausbreiten und sich rechtfertigen zu müssen. Aber er sah keine andere Lösung. „Es ist so: In der Ehe meines Freundes Emilio kriselte es. Nichts ist mehr, wie es war, romantisch und liebevoll, nein, nur noch Gehässigkeiten und Streit.“

Jedenfalls sorgte er sich um das befreundete Paar. Er hatte mit Emilio im H&M ein Geburtstagsgeschenk für den Sohn von Darios neuer Freundin gesucht. Ratlos war er mit seinem Freund von Regal zu Regal der Männerabteilung geschlendert und hatte ihm zugehört. „Da sagt sie zu mir: ‚Wenn du nicht kompromissbereit bist, sind wir geschiedene Leute!‘ Einfach so! Was sagst du dazu, eine glückliche Ehe von sieben Jahren will sie damit aufs Spiel setzen.“

Bis dahin hatte David mitbekommen, dass Emilios Frau die Joghurts im Kühlschrank unten einräumen wollte, und er dagegen findet, sie gehören oben hin, es wäre viel praktischer und man müsse sich nicht bücken.

David blieb stehen bei den Gürteln und entschied sich schließlich für einen mit gehämmerter Verzierung, während Emilio redete, als gäbe es kein Morgen mehr.

„Was interessiert es die Joghurts, ob es ein Grad kühler ist. ‚Es macht keinen Sinn oben alles reinzustopfen und unten ist das Fach leer‘, hat sie gesagt. Kannst du mir sagen: Hat es einen Einfluss auf die Kühlung, ob man die Lebensmittel zusammenstellt oder über den Raum verteilt? Natürlich nicht! Aber dieses sture Weib lässt sich von vernünftigen Argumenten nicht überzeugen. Findet, I C H sei unsensibel und rechthaberisch, ein Teufel mit Engelszunge. ‚Und was bist dann du?‘ habe ich geantwortet, die Joghurts genommen und aus dem Fenster geschmissen. Weißt du, was sie…“

David lächelte die Kassiererin an, die sich an ihn wandte: „… macht zweiundzwanzig neunzig.“ Er zahlte. „Auf Wiedersehen.“

Emilio redete ohne Pause weiter: „Dann heulte sie los und schloss sich im Badezimmer ein. Ich meine, warum gerade dort? Gibt es keinen anderen Platz? Nein! Darum konnte ich mich heute Morgen weder duschen noch rasieren, also komm mir nicht zu nahe. Ich stinke!“

David hatte Verständnis für den Kummer seines Freundes, aber er mochte auch dessen Frau und war dazu verdammt, hilflos mit anzusehen, wie sich die beiden fertigmachten.

Er war auch nicht mit allem, was Jessica tat, einverstanden gewesen, aber das war etwas anderes. Oder nicht? Er hatte einfach alles ihr überlassen. Sie staffierte das Schlafzimmer aus, und er versank in Rüschen und Spitzen. Die Küche wurde wöchentlich mit einer weiteren unentbehrlichen Haushaltshilfe ergänzt, wie Eiswürfelmaschine, Zeituhr, elektrischer Dosenöffner, Milchschaumschlaggerät. Manchmal beschlich ihn das Gefühl, dass sie die innere Leere mit all dem Material füllen wollte. War es ein Zeichen, dass die Ehe der Bertolinis funktionierte, weil sie einander ernst nahmen, sich deshalb heftig stritten, oder war es der Anfang vom Ende?

David räusperte sich und sah Amber an: „Emilio war am Samstag auf einem Tiefpunkt, laberte und trank, bis er nicht mehr stehen konnte. In seinem Zustand konnte er unmöglich fahren, aber das Auto brauchte er am nächsten Morgen, weil er mit seiner Schwiegermutter spazieren fahren sollte, übrigens ein weiterer Grund für das Besäufnis. Also wo war ich? Ich brachte Emilio nach Hause, das ist ein ziemliches Stück bis nach Horgen, übergab ihn seiner Angetrauten und bin mit dem letzten Zug zurückgefahren.“ Er atmete durch.

„Die Schlüssel des Pick-ups hatte ich vorher Vero in die Hand gedrückt. Sie wollte seit langem ihr Lager an Ayurveda-Produkten, die sie nebenher verkauft, räumen. Alles lag immer noch in der Garage ihres Ex, und das war die Gelegenheit, darum lieh ich ihr den Wagen an dem Abend. Freund Jan würde ihr dabei helfen. So einfach war es dann doch nicht. Als sie die Kartons eingeladen hatten und wieder wegfahren wollten, versperrte ihnen so ein Idiot die Ausfahrt. Vero blieb nichts anderes übrig, als mitten in der Nacht die Nachbarschaft herauszuklingeln, bis sie den Besitzer des Autos gefunden hatte.“

Er seufzte tief: „Was glaubst du wer es war? Richtig! Ihr Exfreund, der mit viel Gedöns den Weg freimachte, aber beim Vorbeigehen noch schnell den Reifen vorne links aufschnitt. Vero und Jan machten das Reserverad drauf, dann brachten sie ihr Zeug nach Hause und parkten den Pick-up wie abgemacht vor dem Eingang der Bar. Die Schlüssel gaben sie Barkeeper Ronni. Von ihm holte ich sie mir am Sonntagmorgen.“

David hob die Augenbrauen: „Klärt es das?“

Sie wollte trotzdem wissen, ob er ein Alibi hatte: „Wo warst du am Samstagabend zwischen dreiundzwanzig Uhr und zwei Uhr früh?“

„Bin ich jetzt einer deiner Verdächtigen? Überleg mal: Würde ich einen Toten auf meine Baustelle legen? Bist du völlig bescheuert?“

Ihr Kiefer mahlte und sie strahlte Wut aus jeder Pore aus. „Ich könnte dich wegen Beamtenbeleidigung einbuchten lassen, also zügle deine Zunge. Komm schon, was hast du gemacht?“

Er beugte sich zu ihrem Ohr hinab: „Das würdest du gerne wissen, nicht wahr? Alles bis ins kleinste Detail. Mit wem ich schlafe und wie wir es tun, damit du davon träumen kannst.“

Amber glühte, sie würde die Beherrschung nicht verlieren, nicht jetzt, nicht hier.

Aber David war noch nicht fertig: „Mir reichts, du kleines Mistst… Kommst hier an wie ein Androide aus Blade Runner und willst mir an die Gurgel. Warum? Bist du sexuell frustriert? Nicht meine Schuld. Mit mir kamst du jedes Mal, wie ich mich erinnere, dein ganzer Körper bebt, und dazu machst du so kehlige Laute. Ahaa, aoooha! Hast du Sehnsucht nach mir? Möchtest du wieder mal richtig durchgenudelt werden?“

Ihre Ohrfeige biss an der Wange und traf seinen Stolz. Sie langte ihm noch eine, um das schiefe Grinsen wegzuputzen. Vor der Dritten packte er ihr Handgelenk.

„Weißt du, was dein Problem ist? Ich sag es dir: Du findest keinen Mann, weil du so beschissen stur bist und immer den anderen die Schuld gibst. Wir wissen beide, dass ich unverdächtig bin. Das ist nur deine persönliche Vendetta gegen mich.“ Er deutete mit dem Finger auf sie. Amber stutzte, sie konnte seiner Schlussfolgerung nicht ganz folgen.

David griff nach dem Telefon, um seinen Anwalt anzurufen.

„Lass das!“ Sie versuchte es ihm zu entreißen.

„Das ist mein gutes Recht.“ Sie rangen um den Hörer.

„Autsch, mein Fingernagel!“, japste sie und wedelte mit ihrer Hand.

„Sorry“, er ließ los. Und sie legte flink auf, dabei zuckten ihre Mundwinkel verdächtig.

„Du Aas, du hast mich gelinkt“, zischte er.

Wütend musterten sie sich wie zwei Ringer vor der nächsten Runde. Plötzlich stieß er die Luft aus und seufzte resigniert: „Ich kam mit dem letzten Zug in Zürich an und ging allein nach Hause, wo ich vor dem Fernseher eingenickt bin. Aber sag das niemandem, das kratzt an meinem Image als Frauenheld.“

„Kann das jemand bezeugen?“

„Sagte ich nicht ‚allein‘?“

„Vielleicht hat dich jemand besucht, wollte die Autoschlüssel bringen, musste noch Ayurveda-Kartons einlagern?“

Er ging nicht darauf ein, schüttelte nur resigniert den Kopf.

Amber hielt ihm das Bild des Toten hin: „Sieh dir den Mann genau an. Kennst du ihn, oder bist du ihm einmal begegnet?“

„Ist das eine Fangfrage?“, murrte er. „Nein. Das habe ich dir bereits gesagt, und du hast es aufgeschrieben. Steht das denn nicht da?“

Ach ja, ihre Notizen. Röte kroch ihr ins Gesicht, zum Glück hatte sie Make-up auf. „Bist du sicher?“

„Er wäre mir bestimmt aufgefallen.“

Sie legte das Foto weg und tat, als würde sie von ihrem Schreibblock ablesen.

„Der Tote wies schwere Verletzungen auf, die von Schlägen stammten. Er kroch auf allen vieren bis zum Pool, wo er zusammenbrach und im Regenwasser ertrank. Er war stark alkoholisiert, hat vielleicht auch Drogen eingenommen.“

David blies seine Wangen auf: „Herrgott noch mal, ich verstehe immer noch nicht, warum ich ein Alibi brauche?“

„Du hast gestern zugegeben, die Sorte Menschen nicht ausstehen zu können. Deine Vorurteile ergeben ein klares Tatmotiv. Vielleicht musste der Nächstbeste für den Tod deiner Frau bezahlen? Die Spurensicherung hat Gewebepartikel und Blut in deinem Pick-up gefunden, somit ist klar, dass damit der Mann zur Baustelle transportiert wurde.“

„Jetzt mach mal einen Punkt. Ich bring dich auch nicht gleich um, weil ich dich nicht leiden kann“, stellte er klar.

„Das ist reine Schikane.“

Ihre Nasen hatten sich auf wenige Zentimeter genähert.

Amber zitterte vor innerer Zerrissenheit. Sie hatte mit diesem Mann ihre schlimmsten und ihre schönsten Stunden geteilt, er weckte in ihr jene bittersüße Sehnsucht, wie es nur eine unerfüllte Liebe kann.

„Meine Fragen sind nicht unbegründet. Ich kann auf eine ansehnliche Aufklärungsquote zurückblicken“, erklärte sie spitz. „Also werde ich deine Freundin und den Barmann dazu befragen. Wo kann ich sie finden?“

„Weiß ich nicht“, murrte er.

„Logisch, bei deinen zahlreichen Abenteuern ist es wohl zu viel verlangt, dass du Name und Adresse behalten kannst.“

„Siehst du. Du bist eifersüchtig und mischst dich deshalb in mein Privatleben ein. Ich werde mich bei deinem Vorgesetzten beschweren.“

„Bemüh dich nicht, das hat keinen Zusammenhang.“

‚O doch, und wie‘, dachte David. „War es das? Guten Tag, und schließ die Tür bitte von außen.“ Er griff nach dem Telefon und warf ihr einen herausfordernden Blick zu.

Sie drehte sich wortlos um und ging. Er hatte sie schon fast vergessen, als die Tür mit einem Knall ins Schloss fiel.

„‘T schuldigung. Ist mir ausgerutscht“, flüsterte sie der Assistentin zu, die vor Schreck ihren Kaffee verschüttete.

Amber erkannte sich nicht wieder. Wo war ihre ruhige Sachlichkeit geblieben? Nicht einmal als Anfängerin hätte sie sich zu solchen Gefühlsausbrüchen hinreißen lassen. Es begann schon am Morgen, als sie sich betont normal kleiden wollte, und schließlich einen Berg von Kleidern auf ihrem Bett zurückließ.

Sie konnte nicht leugnen, dass er immer noch eine starke Faszination auf sie ausübte.

Nicht einmal mit dem dick aufgetragenen Make-up war es ihr gelungen, sich ihn auf Distanz zu halten.

DIE ZÜRCHER ACHSE

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