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Berlinerisch

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Wenn hier einiges über die Umgangssprache der Berliner mitgeteilt wird, so glaube ich, das Original-Berlinerische durch lebenslange Bindungen an meine Vaterstadt so zu beherrschen, dass ich auch über einige ihrer Besonderheiten zu urteilen vermag. Man lernt die Sprechweise nicht in der Schule, kaum im Elternhaus, vielmehr nimmt man sie auf der Straße im Umgang mit den Spielgefährten und im öffentlichen Verkehr beiläufig auf. In allen Teilen unseres Landes entwickelt sich auch heute noch die Jugend unter dem Einfluss einer ortsgebundenen Mundart, der sie sich nicht entziehen kann, auch wenn ungestüme Schulmeister die Schriftsprache zur Umgangssprache erheben wollen. Selbst in der unsteten Berliner Bevölkerung erbt sich der Heimatdialekt, wenn auch beständig abgewandelt, noch immer fort. Dabei bin ich mir durchaus bewusst, dass »berlinan«1 im Allgemeinen verpönt ist; es gilt als die Sprache der Gosse; man wird sozial abgewertet und als ungebildet abgestempelt, wenn man es, gewollt oder unbewusst, als Mundart gebraucht. Auch Lortzing, ein geborener Berliner, bezeichnet seine Muttersprache als »einen ekelhaften Dialekt«.2 Immerhin wurde er doch auch von anerkannten Persönlichkeiten gesprochen, wie z. B. von Gottfried Schadow, Friedrich Zelter, Carl Fürstenberg, Max Liebermann, Paul Lincke, Heinrich Zille. Zugestanden, er mag grobschlächtig klingen, aber er ist, so meine ich, durchaus nicht schlechter als andere deutsche Idiome: Bayerisch, Sächsisch, Schwäbisch oder Kölnisch und Hamburgisch erscheinen mir keineswegs wohlklingender und leichter verständlich. Mir jedenfalls gibt kein Geringerer als Goethe den Mut zu meinen Ausführungen, da er dem Dialekt als Umgangssprache viel Sympathie entgegenbrachte3 und unter anderem auch feststellte: »Die Berliner Sprachverderber sind eben doch auch zugleich diejenigen, in denen noch eine nationelle Sprachentwicklung bemerkbar ist.«4

Berlin hat im Laufe seiner mehr als siebenhundertjährigen Geschichte eine durchaus eigenständige Mundart entwickelt. Sie ist keine reguläre, charakteristische Abwandlung des Hochdeutschen, sondern hat in ihrem niederdeutschen Kern, dem märkischen Platt, ein gut Teil fremdländischer Wörter und Redewendungen in sich aufgenommen: so z. B. aus dem Polnischen Großkotz, Kabache, Pachulke, Pennunze, Pomade, dalli; aus dem Jiddischen stammen Ausdrücke wie Daffke, Dalles, Geseires, Jontef, Kaschemme, mauscheln, Massel, meschugge, Mischpoche, Ramsch, Schmu, Zores, ausbaldowern, beseibern, beschickern, schnorren, schofel u. v. a.; aus dem Lateinischen Animus, Lokus, Moneten, Palaver, Pelle, Pulle, Tempo, famos, fatal, intus, kapieren, kolossal, simulieren usw. Weit mehr aber noch wurden Entlehnungen aus der französischen Sprache zum festen Bestandteil des Berlinerischen. Weist man den Ortsfremden auf diesen Sachverhalt hin, lächelt er zweifelnd. Und doch enthält die Feststellung keineswegs eine anmaßende Übertreibung, wenn man auch natürlich nicht das elegante Französisch in der zwanglos-drastischen Berliner Mundart wiederfinden wird.

So entwickelte sich aus einem Gemisch von örtlicher Mundart mit fremdländischen Wörtern und Floskeln, vorwiegend zu Anfang des 19. Jahrhunderts, eine bodenständige, natürlich gewachsene Volkssprache mit einem Gepräge, das gerade durch die Auswahl, Aufnahme und Anwendung fremder Begriffe charakterisiert ist und darin auch ganz bestimmte geschichtliche Abschnitte der Stadt erkennen lässt.

Man mag darüber streiten, ob das Berlinerische als Dialekt5 bzw. als lokale mundartliche Volkssprache, als »Weltstadt-Idiom«6, als Slang, Patois oder als Jargon, d. h. als verdorbene, fehlerhafte Sonder-, Verkehrs- und Mischsprache7 eines milieugebundenen Kreises, einzuordnen ist. Für den Nichtberliner gilt es missfällig als Jargon, dann aber ist es zumindest ein Jargon mit einem volkskundlichen Herkommen. Eine Umgangssprache übernimmt gar leicht fremde Wörter und unterliegt damit den regellosen Eigenheiten des Jargons. Ich habe mich, wenn auch sprachwissenschaftlich anfechtbar, im Titel bewusst für Jargon entschieden, wegen des französischen Ursprungs dieses Ausdrucks und damit auch wegen seiner Beziehung zum abzuhandelnden Thema. Schließlich spricht auch Fontane vom »Jargon unserer Hauptstadt«8, und Willibald Alexis bezeichnet die Berliner Sprache als »Jargon aus verdorbenem Plattdeutsch und allem Kehricht der höheren Gesellschaftssprache«.9

Französisch im Berliner Jargon

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