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Die Überraschung

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Sie fuhren schon eine geraume Zeit durch den Großstadtdschungel. Der Stadtrand näherte sich.

„Da vorne rechts, da muss es sein“, sagte sie zu sich selbst.

Claudia lenkte ihren kleinen Flitzer zwischen zwei alten Alleebäumen hindurch.

„Nach einhundert Metern ungefähr kommt der Parkplatz“, hatte Florian sie angewiesen, „gleich rechts.“

Langsam fuhr sie durch das große, weit offen stehende, schmiedeeiserne Doppeltor am Eingang des Parks um das alte Wasserschloss herum. Sie bog ein, stellte den Motor ab und atmete noch einmal tief durch. An der angenehmen Wärme dieses wundervollen Sommertages, an dem die heißen Strahlen der Sonne am wolkenlosen Himmel durch einen beständigen, leichten Wind abgemildert wurden, lag es nicht, dass Claudia innerlich immer heißer wurde.

„Auf was habe ich mich da bloß eingelassen? Völlig verrückt“, überlegte sie, während sie die Sonnenblende herunterklappte und ihr Make-up überprüfte. „Aber nun muss ich es auch durchziehen“, machte sie sich selber Mut, während der rote Lippenstift über die Konturen ihrer vollen, weichen Lippen strich.

Ein letzter Blick in ihre eigenen, stahlblauen Augen, dann atmete sie tief durch und schwang die Tür des kleinen Sportwagens auf. In der Scheibe sah sie ihr eigenes Spiegelbild. Selbst für einen so heißen Sommertag war sie sehr leicht bekleidet.

„Zieh die knappsten, geilsten Klamotten an, die du hast, die höchsten Schuhe, den kürzesten Rock, die durchsichtigste Bluse.“

Sie hatte Florian gefragt, was er vorhätte. Aber außer einem tiefgründigen Lächeln, der Wegbeschreibung zu dem Parkplatz, auf dem sie jetzt stand und den Hinweisen für die weiteren Schritte hatte sie ihm nichts entlocken können.

Sie betrachtete ihr Spiegelbild, den Ansatz der langen, schlanken, braun gebrannten Beine unter dem Jeans-Minirock mit dem unten leicht geöffneten Reißverschluss vorne, die vor der Brust geknotete weiße, fast durchsichtige Bluse, die den knappen weißen Seiden-BH darunter zur Geltung brachte und unter dem Knoten das kleine, aus einem Diamanten und zwei silbernen, lang herunter baumelnden Kettchen bestehenden Bauchnabelpiercing. Ein Geschenk von Florian zu ihrem zweiunddreißigsten Geburtstag.

Jetzt war sie sechsunddreißig und er fünfundvierzig, ging mit seinen dunkelbraunen Haaren, den ebenso dunklen, funkelnden Augen und einer Figur, der man das viele Training ansah, aber auch locker für ein paar Jahre weniger durch. Ein echter Glückstreffer! Sein Charme verdrehte Claudia immer wieder den Kopf und sein Lachen war nicht nur ansteckend, sondern auch verführerisch. Fünf Jahre waren sie nun schon zusammen, langweilig war es nie geworden mit ihm, was auch daran lag, dass sie sich immer wieder gegenseitig mit immer neuen Ideen anstachelten. Das hier war eine davon.

“Selbst schuld“, schalt sie sich selbst. „Warum wette ich auch auf den Ausgang von unserem Pokerabend. Das konnte ja nur schief gehen bei all meiner Ahnung von Poker.“

Also durfte Florian sich etwas wünschen. Und das, was an diesem heißen Samstagnachmittag im August soeben seinen Anfang nahm, war das Ergebnis des Wunsches.

Mit einem letzten prüfenden Blick wandte sie sich ab von ihrem Spiegelbild und ging auf ihren hohen, knallroten High Heels mit den bleistiftdünnen Absätzen langsam weg von ihrem Wagen und auf die andere Seite zum Beginn des sandfarbenen Weges, der sich gewunden durch die beeindruckende Gartenanlage schlängelte, links und rechts gesäumt von wunderschön gestalteten Buchsbäumen und großen Blumenbeeten.

„Du gehst den Weg entlang, der hinter dem schmiedeeisernen Tor beginnt“, hatte Florian gesagt, „folgst ihm und wirst ein ganzes Stück weiter auf der Alleenstraße vor dem Schloss wieder herauskommen.“

Der leichte Sommerwind wehte durch ihre lange, blonde Mähne, während Claudia den Blick schweifen ließ zwischen dem alten Gemäuer des Schlosses und den sie umgebenden bunten Blumen. Es roch betörend nach all den Blüten. Bienen summten im Gegenlicht der Sonne. Da vorne, hinter der Biegung musste es sein. Ein kleines Waldstück grenzte den Schlossgarten von der Alleenstraße ab.

Sie durchquerte es zügig, weil sie ein leichtes Frösteln erfasste und sie sich fragte, ob das von der fehlenden Sonne in dem Waldstück kam oder von ihrer Ungewissheit. Die letzten Schritte hinaus aus dem kleinen Waldstück, durch den schmalen Durchgang der Einfriedungsmauer des Schlossparks und sie stand auf der Alleenstraße, vor sich die großen, alten Platanen, durch deren Blätterkleid sich das Sonnenlicht seinen Weg suchte.

Das Nächste, was Claudia sah, war eine Frau: kurzes, schwarzes Minikleid, schwarze Lack-Overknees. Sie hatte schwarze, glatte, lange und glänzende Haare und stand mit dem Rücken zu ihr.

„Komisch“, dachte Claudia, „die passt so gar nicht hier hin, genau wie ich.“

Bei dem Gedanken, die Dame könnte auch eine Wette verloren haben, lächelte sie in sich hinein. Aber nur für einen Moment, dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Ihr Blick wanderte weiter nach rechts und ihr Atem stockte. Da standen noch mehr Frauen, jeweils zwei zwischen den riesigen alten Bäumen, alle schön, attraktiv, sexy, jung und sehr aufreizend, sowohl was die Kleidung als auch was die Körpersprache betraf.

„Das kann doch nicht …“, Claudia explodierte innerlich fast, „ich bring ihn um. Der hat mich auf einen Straßenstrich geschickt, dieser elende Mistkerl. Klar, die Autos fahren nicht so langsam, weil das hier Vorschrift ist, sondern weil die Fahrer sich die Frauen anschauen“.

Claudia wurde heiß und wieder kalt und ihre Knie fingen an zu zittern. In dem Moment drehte sich die Schwarzhaarige um und sah Claudia vor dem kleinen Durchgang stehen. Es war eine grazile Asiatin mit bronzefarbener Haut. In dem Moment, in dem sie Claudia erblickte, wurden ihre schmalen Augen noch viel enger und Claudia hatte das Gefühl, dass sie sie mit der Kraft von tausend Blitzen, die aus diesen mandelbraunen Augen schossen, umbringen wollte.

„Mist, ich kann hier nicht stehen bleiben.“

Was hatte Florian gesagt? Durch den Durchgang, dann rechts langsam die Straße hinunter. Sie straffte sich, atmete innerlich tief durch, setzte das gleichgültigste Gesicht auf, zu dem sie in dieser Situation fähig war und wand sich abrupt nach rechts.

„Solange ich mich bewege, passiert mir nichts und keine wird mir die Augen auskratzen, weil sie das Gefühl hat, ich wollte ihr Konkurrenz machen“, beruhigte sie sich nur unzureichend und ging los.

Langsam, aber bestimmt, schritt sie den unter den Platanen liegenden Weg hinunter. Die jungen Schönheiten zwischen den alten Bäumen aus dem Augenwinkel betrachtend und mit dem Versuch, möglichst den Blickkontakt zu meiden. Die meisten aber beachteten sie gar nicht, interessierten sich nur für ihre potenzielle Kundschaft in den Autos vor ihnen auf der Straße. Ab und an sah eine zu ihr hin und fragte sich wohl, ob das eine Neue sei.

Aber da sie sich ohne innezuhalten immerzu bewegte, sprach sie keine der Frauen an. Innerlich kam langsam ein Gefühl von Panik in ihr hoch. Was war der Plan? Wie weit sollte sie gehen? Noch zweihundert Meter, dann endete die Alleenstraße an der nächsten Einmündung. Unmöglich konnte sie den Weg wieder zurückgehen, das würde sicher erneut die Aufmerksamkeit der jungen Damen erregen. Und wie sollte sie gegebenenfalls erklären, dass sie hier nur spazieren ging und sich wohl verlaufen hatte. Vor allem in dem Outfit?

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