Читать книгу Deutscher Novellenschatz 14 - Fanny Lewald - Страница 5
ОглавлениеVon dem Strande, welcher nun Stabiä, die fast zweitausend Jahre in Aschenregen begrabene Stadt, lieblich überblüht, gelagert zwischen dem Golf von Neapel und dem von Salerno, erhebt sich über den Spiegel des anmutigen Meeres, erst mit sanfteren Hügeln, bald aber geschwungener und kühner, ein mächtiges, vielzackiges, oben dunkel bewaldetes Kalkgebirge, dessen fruchtbare, terrassierte Hänge der Bienenfleiß der Menschen überall reichlich mit Öl- und Weingärten und mit unzähligen zierlichen Ortschaften überbaut und geschmückt hat. So vollendet ist daselbst das Werk des Fleißes, dass es vor die Augen tritt wie ein müheloses, unmittelbar göttliches Geschenk, als habe das Paradies sich herniedergesenkt in die Täler und um die Lehnen der zackigen Anhöhen.
Unter den vielen Ortschaften aber erhebt sich eine, Gragnano genannt, besonders gesegnet mit köstlichen Purpurtrauben. So reichlich trägt die Rebe dort, dass die Winzer noch im Schatten gehen, wenn sie schon die Blätter hinweggebrochen: die Trauben allein geben Schatten genug. Nicht zu früh, nicht zu spät reifen sie dort an den luftigen Hängen und füllen die gewaltigen Fässer mit köstlichem Getränk, so dass die Besitzer daselbst von Jahr zu Jahr an Wohlhabenheit zunehmen. Ja, rings um den ganzen schönen Golf sagt man, will man jemanden als wohlhabend bezeichnen: Er hat sein Kellerchen in Gragnano.
Nun hatte daselbst vor Jahren Gott einem Mann namens Strintillo solcher Kellerchen nicht nur eines, sondern mehrere beschieden, auf deren Besitz sich Herr Strintillo nicht wenig zugutetat. Seine liebste Rede war: Ich bin Don Strintillo, und was ich haben will, muss geschehen! – Herr Strintillo wollte jedoch manchmal sehr dummes Zeug; besonders wenn ihm dergleichen geträumt hatte, denn er war über alle Maßen abergläubig und hielt gewaltig viel auf seine Träume. So hieß er einst in eine dürre Felszacke einen Brunnen hauen, weil ihm dort im Traum von seinem Vetter Ciccio ein Glas Wasser gereicht worden. Als man ihm aber vorstellte: Hier werde kein Wasser kommen, sprach er: Ich bin Don Strintillo, und was ich haben will, muss geschehen! – Sofort wurde mit dem Hauen des Brunnens begonnen. Man sprengte, dass die Steine flogen. Drei Monate vergingen – immer kam noch kein Wasser; aber Don Strintillo verlor den Mut nicht und würde, jedem Spötter zum Trotz, noch heute graben lassen, hätte sein Vetter Ciccio nicht Wasser in die Grube gegossen und ihm ein Glas daraus geschöpft und zu trinken gereicht. – Wer hat nun recht? fragte Don Strintillo und trank das Glas rein aus. Zwar kam später, trotz alles Grabens, kein Wasser mehr nach; aber Don Strintillo hielt den Traum für erfüllt und war zufrieden, und als man ihm einige Zeit nachher von Ciccios List sagte, sprach er: So sagt ihr nur, damit ich nicht recht haben soll, und alles endigte damit, dass er nur desto mehr im Glauben an seine Träume bestärkt wurde, recht nach dem alten Sprichwort: Zerstoße den Narren im Mörser, und er wird ein Narr bleiben nach wie vor. Jeden Morgen, sogleich nach dem Frühgebet, langte Don Strintillo nach seinen Traumbüchern, deren er nicht genug bekommen konnte. Dieselben widersprachen sich zwar hie und da; aber das war ihm eben recht; denn traf sein Traum nach dem einen Buche nicht ein, so fand er in dem anderen Trost. Alles, was ihm widerfuhr, wusste er immer hinterher den Träumen anzupassen, die er kurz vorher oder lange vorher gehabt hatte. Als ihm seine gute Frau starb, sagte er zu seinem Vetter Ciccio mit Tränen in den Augen: Da sieh, wie meine Träume zuletzt doch eintreffen! – Vor drei Jahren, just in derselben Nacht, sah ich im Traum eine Katze, die auf glühenden Kohlen stand und gewaltig schrie. Was diese Katze bedeuten sollte, konnte ich damals in meinen Büchern nicht finden und auch nicht denken; nun ist es aber klar: Die Katze, die auf Kohlen sieht, ist meine Frau im Fegefeuer; denn unter uns gesagt, sie kam mir manchmal nicht aufrichtig vor. Nun aber lass uns für ihre arme Seele beten.
Ihr tut ihr Unrecht, sagte Don Ciccio.
Lass uns beten, sagte Strintillo, vor Gott sind wir alle Sünder!
Zum Glück wurde seine schöne Tochter Angiolina nicht von ihm erzogen, sondern von einer verständigen Muhme, die er ins Haus genommen, und wuchs an Seel' und Leib so herrlich heran, dass sie mit sechzehn Jahren das Wunder der ganzen Gegend war. Unzählige Freier hatten sich bereits vergeblich bei dem wunderlichen Vater um sie beworben, als eines Tages zwei bei ihm zusammentrafen, welche sich besser berechtigt glaubten als alle früheren. Der ältere dieser Freier, Don Granco, war zwar von Gestalt hässlicher und drolliger, als man irgendein Figürchen aus Brot kneten könnte, dabei jedoch der wohlhabendste Mann in Gragnano und, was ihn bei Strintillo gleichermaßen empfahl, wie er, ein leidenschaftlicher Liebhaber von Träumen. Der andere dieser Freier aber war das Gegenteil von diesem, weder ein Träumer noch mit Reichtümern gesegnet, aber sonst mit allem ausgestattet, was an jungen Leuten wohlgefällt. Er war jung und schön, kräftig und rührig und rasch in allem, was er tat, der beste Tänzer am Ort und geliebt von Jung und Alt. Begabt mit der süßesten Stimme, die je von Mannesmund erklungen, verstand er zu Tänzen und Spielen augenblicklich die zierlichsten Weisen und Lieder zu erfinden, und hatte vor kurzem erst in einem Wettsingen mit den besten Improvisatoren der Umgegend eine schön ausgelegte Mandoline gewonnen, zu deren beseelten Klängen er unter Angiolines Fenster manch schmelzendes Lied gehaucht. Kurz, Don Granco besaß das Herz des Vaters und Giovanni das Herz der Tochter, und war bei dem Alten ebenfalls so wohl angeschrieben, dass er die beste Hoffnung hatte. So gerüstet traten beide zugleich in das Zimmer; jeder im Vertrauen auf sein Glück, hatte keiner ein Hehl vor dem anderen, und Giovanni ließ den drolligen Don Granco seine Werbung zuerst anbringen. Dieser hub folgendermaßen an: Mein ehrenwerter Freund Strintillo, vielleicht ist Euch bereits bemerklich geworden, wie mich schon seit geraumer Zeit der Liebesgott quält und peinigt, und zwar um Eurer schönen Tochter willen, welche, wie alle Welt weiß, von der Nasenspitze bis zur kleinen Zehe nichts andres ist als ein Zucker und ein Honig, und, dass ich es kurz heraussage, durchaus gemacht für Euren Diener Granco. Viel Redens kann ich nicht machen, gebt sie mir zum Weibe: Ich stelle sie in ein Glasschränkchen und lasse kein Stäubchen auf sie fallen; so wahr ich Granco bin, es soll Euch nicht leid werden! – Ihr wundert Euch vielleicht, woher ich den Mut nehme, und sogar auf einmal mit der Tür ins Haus falle? Doch seht diese zerknitterte Schlafmütze hier und vernehmt, was mir diese Nacht geträumt hat.
Bei diesen Worten ward der arme Giovanni leichenblass. Auf einen Traum seines Nebenbuhlers war er nicht gefasst, und da er Strintillos Leidenschaft für Träume kannte, fürchtete er sehr, dass Granco die Oberhand gewinnen könnte.
Der Traum ist, fuhr Granco fort, so gut wie einer sein kann, und ein Morgentraum, er passt überall ein und schließt zusammen, dass gar keine Fuge bleibt. Hierauf erzählte Granco mit langweiliger Ausführlichkeit: Wie ihm Angiolinchen im Traum erschienen sei, um und um mit Blumen besteckt, und ihm eine Rose gegeben habe; wie sie dann zusammen einen großen goldenen Fisch gefangen und mit einem Hammer totgeschlagen hätten; der Fisch aber habe so viel Rogen gehabt, dass alle seine Kessel und Töpfe nicht langen wollten, ihn aufzunehmen. Als er deshalb den Hut abgenommen, sich hinter den Ohren zu kratzen, sei er aufgewacht, die Schlafmütze in der Hand, die er vor Freuden über den prächtigen Traum ganz zerküsst und zerbalgt habe. Da seht, wie sie aussieht, überall zerknittert und zerknüllt!
Warum aber dünkt Euch der Traum so gut? fragte Giovanni. Da sagte Don Granco: Wenn Ihr es ihm nicht selber ansehet, will ich Euch belehren; der Traum ist sechsmal gut:
Einmal, weil der Gegenstand der Liebe selber darin ist.
Zweitens, bedeuten die Blumen, dass das Zuckerkind bald heiraten wird.
Drittens, bedeutet die Rose, die sie mir gab, dass ich ein beneideter Mann sein werde.
Viertens, bedeutet das Angeln und dass der Fisch anbeißt, unsere Heirat, und dass wir immer wohlhabend sein werden, denn der Fisch war von Golde.
Fünftens, bedeutet der Hammer, dass wir die Heirat durchsetzen werden, es mag in die Quer kommen, wer da will, und endlich:
Sechstens, bedeutet der viele Rogen zahlreichen Kindersegen.
Nun sagt selber, was fehlt dem Traum noch an seiner Vollkommenheit? Fragt einmal Don Strintillo, er ist gelehrter als ich; aber er mag ihn nach Rotbarts Traumbuch auslegen oder nach Schwarzbarts, er ist gut und bleibt gut. Nach der klugen Sibylle fällt er freilich anders, aber da sind die Nummern verdruckt, und wer ihr traut, ist immer betrogen. Was meint Ihr, Don Strintillo, fragte Granco mit zuversichtlicher Miene, ist er nicht gut, ist er nicht prächtig?
Aber Strintillo, der auf keine Frage rasch zu antworten gewohnt war, und der, unter uns gesagt, noch etwas auf die Sibylle hielt, bewegte nachdenklich den Kopf, wandte sich zu Giovanni, und fragte: Hat Euch auch etwas geträumt? –
Mir? Nein – oder doch, ja, entgegnete Giovanni, und ergriff die Hand Strintillos: Mein lieber Don Strintillo, seit ich Eure Tochter gesehen, lebe ich beständig, Tag und Nacht, in dem Traume fort, dass nie Leute glücklicher zusammenleben würden als Eure Tochter und ich! Hierbei standen ihm die hellen Tränen in den Augen. Don Strintillo sah ihn freundlich an und sagte: Nun, mein lieber Giovanni, ich weiß, dass meine Tochter Euch wohl will, und habe nichts gegen Euren wachenden Traum und gegen Euren schlafenden auch nichts, ehrenwerter Don Granco. Beide Träume können recht gut sein, doch erstens, habe ich sie nicht selber geträumt, und zweitens seid ihr an einem bösen Tage zu mir gekommen, denn hört: Als ich diesen Morgen ausgehen will, kommt mir rechts ein altes Weib entgegen, links huscht mir ein Häschen über den Weg, und wie ich wieder ins Haus trete, läuft mir, bis ins Zimmer, Ciccios roter Hund nach, der mir nie Gutes bringt. Daher ist der heutige Tag sehr böse, und gar nicht gemacht, um dergleichen zu beschließen, geduldet euch also noch heute, morgen früh sollt ihr ausführlichen Bescheid haben. Keiner von euch wird darum von mir verachtet; aber ich will die Sache beschlafen. Der Himmel wird mir einen Wink geben, dem ich folgen kann. Das Schicksal meines einzigen Kindes liegt mir zu sehr am Herzen, als dass ich dergleichen ohne himmlischen Rat beschließen könnte. Lebt wohl. Heute drohet Unglück in meinem Hause, darum wird euch weder Speise noch Trank gereicht. Ein andermal sollt ihr mir herzlich willkommen sein.
Mit solchen Reden entließ Don Strintillo für diesen Tag die beiden Freier. Don Granco fand alles sehr natürlich und blieb, im Vertrauen auf seinen sechsmal vortrefflichen Traum, so glücklich als vorher. Aber Giovanni geriet, als er das Haus verlassen, über den abergläubischen Strintillo ganz außer sich, und als er ins Freie kam, rief er zum blauen Himmel empor: Wenn das Schicksal eines Wesens wie Angiolina an Strintillos albernen Träumen hängt, was soll aus ihr, was soll aus mir werden! Lieber himmlischer Vater, erhelle doch die Augen des Alten, dass er die Tochter nicht auf ewig unglücklich macht, tue seinen Sinn auf über seine Torheiten, oder willst du ihn nicht umschaffen, sende ihm wenigstens einen Traum, worin Angiolina ihm um den Hals fällt und ihn bittet, mich zu nehmen; oder wie du sonst seinen Willen lenken willst, denn du vermagst ja alles und jedes, wie deine Weisheit es für gut findet. – Dieser letzte Gedanke machte Giovanni etwas ruhiger. Langsam schlich er zurück unter Angiolines Fenster und flüsterte die traurige Botschaft hinauf. Angiolinchen, obwohl selbst erschrocken, suchte seine Sorgen zu beschwichtigen, und sagte zu ihm: Lieber Giovanni, tröste dich, mein Vater hat dich lieb, wir wollen Gutes hoffen, gehe nach deinem Weinberge und zerstreue dich mit Arbeiten. Geh, ich will auch etwas vornehmen, so wird Sorge und Unruhe am besten bekämpft. Langsam ging Giovanni nach seiner kleinen Besitzung. Sie schien ihm heute kleiner als je, weil er sie mit Grancos Gütern verglich. Er ging an die Arbeit und kämpfte mit Gewalt gegen seine Sorgen, aber er war immer noch in einem Zustande, der einem Fieber glich. Der Mond schien lieblich und klar, es trieb ihn nach dem Hause seiner Geliebten, er nahm seine Mandoline mit und spielte unter ihrem Fenster alle Lieblingsweisen; aber wenn er an den anderen Morgen gedachte, sanken ihm die Hände von den Saiten. Geh zur Ruh', lieber Giovanni! bat Angiolina mit süßem Flüstern mehrere Male flehentlich. Er ging auch, kam aber immer wieder zurück, und um Mitternacht sang er unter dem Fenster der Kleinen, die selbst nicht tat, was sie ihn hieß, folgendes Lied aus seinem Herzen, während der Vesuv dazu leuchtende Gluten in die Mondnacht emporwarf:
Unruhige du, du rufst mir: ruhe! zu;
Bin todesmüd' und finde doch nicht Ruh!
Wo ruht des Schiffers Haupt im Sturmesdrang?
Ach Gott! ach Gott! wie ist die Nacht so lang!
Ich bin der glüh'nde Stein, der dort entfleugt
Dem Schlund und, schon im Fallen, wieder steigt,
Emporgewirbelt von erneutem Drang,
Ach Gott, ach Gott! wie ist die Nacht so lang!
Ein Ameis'haufen bin ich, den gestört
Die Lieb', all meine Sinne sind verkehrt.
Am Himmel wankt vor mir der Sterne Gang.
Ach Gott! ach Gott! wie ist die Nacht so lang!
Ich bin die Wachtel, überm Meer verirrt,
Kein Land erblickt sie, jagt und schlägt und schwirrt,
Dicht unter ihr der Wellen Grabgesang.
Ach Gott! ach Gott! wie ist die Nacht so lang!
In solchen Gedanken kam den beiden Liebenden der Morgen heran und sie erwarteten mit Ungeduld Strintillos Erwachen.
Don Granco nahm, wie wir wissen, die Sache viel ruhiger, er verließ sich auf seinen Traum, tat einen guten Schlaf, erwachte jedoch beizeiten, legte sogleich die zierlichsten Kleider an, die sich in seinen Kisten und Kasten vorfanden, und machte sich auf den Weg nach Strintillos Hause, vor welchem er den guten Giovanni mit seiner Mandoline sitzend fand.
Schon hier? fragte Granco.
Jawohl, sagte Giovanni, wir kommen noch zu früh, Don Strintillo ist noch nicht erwacht.
O wohl ist er erwacht! rief Strintillo und erschien an der Tür: Kommt herein, ihr beiden Herren, ihr sollt Bescheid haben. Ich habe einen Traum gehabt, der an Schönheit seinesgleichen sucht und so deutlich ist, dass ihr ihn euch selbst auslegen könnt, so wenig ihr vom Traumauslegen versteht.
Don Granco trat freundlich ein und rieb sich die Hände, zitternd folgte Giovanni. Da setzt euch und hört meinen Traum! sagte Strintillo. Beide setzten sich, und der Träumer hub an: Gestern, als ich mich schlafen legte, nahm ich mir fest vor, über eure Angelegenheit zu träumen. Es währte nicht gar lange, so kam ich aus der Finsternis des Schlafes in einen wunderschönen großen Weingarten. der mich sehr in Verwunderung setzte; denn an den Trauben, die dort hingen, waren die Beeren so groß, dass jede Beere wohl einen Schoppen halten mochte, und jede Traube mochte gegen die tausend Beeren haben, aber die Trauben, die da waren, konnte ich nicht zählen; denn es war alles rot und schwarz davon, über und über! Das Sonderbarste war, dass sich die Trauben vor meinen Augen färbten und reif wurden, und die reif wurden, sanken zu Boden und ließen den Most von selbst ausgehen, in Rinnen von weißem Marmor, die unter den Weinstöcken waren. Alle die Rinnen aber gingen zusammen in einen großen Teich. Wem mag wohl der Weinberg gehören? dacht' ich bei mir und sah mich um nach jemandem, der es mir sagen könnte. Da war eine Gans, die von den Beeren fraß und etwas her schnatterte, das immer klang wie Bräutigam, Bräutigam. – Sollte das meiner Tochter Bräutigam sein? dachte ich weiter. – Ja, ja, ja, schnatterte die Gans. Indem ich so weiter gehe, kommt mir mein Vetter Ciccio entgegen und sagt mir: wo bleibst du, Strintillo, lasse die Hochzeitsgäste nicht warten! – Aber so geschwind ging das nicht; denn statt Sandes waren alle Gänge so dick voll Dukaten, dass wir manchmal bis an die Brust hineinsanken. Endlich kamen wir in einen Keller, wo noch mehr volle Weinfässer lagen, als ich oben Trauben gesehen hatte. Wem gehört dies alles? fragte ich Ciccio. Angiolines Bräutigam, war die Antwort. Wir mochten so, wohl ein paar gute Stunden, bei lauter vollen Fässern vorbeigekommen sein, als der Keller endlich ein Ende nahm und sich nach einem großen freien Platz öffnete, wo ganz unzählige Hochzeitsgäste sämtlich auf ungeheuren Würsten saßen, an Tischen von runden Käsen, in deren Mitte jedes Mal Springbrunnen von lauterem Wein waren, die nach allen Gästen hin Strahlen schossen. Weder Gläser noch Flaschen waren zum Trinken gestellt und die Gäste fingen auf gut Spanisch den Strahl, der auf sie zukam, mit den Mäulern auf, welches überaus lustig zu sehen war. Auf den Tischen waren Messer gelegt, womit die Gäste sich nach Belieben Käse von den Tischen losschnitten. Mitten auf dem Platze stand ein großer Ofen, wo man gar fette Ochsen hineintrieb, die auf der anderen Seite, köstlich gebraten, wieder herauskamen und um die Tische herumspazierten, wo sich dann jeder Gast sein Lieblingsstück losschnitt, worauf die Ochsen sich allemal höflich verneigten und wieder weiter gingen. Auf der anderen Seite war ein Teich von heißem Öl, worin ungeheure gebratene Fische herumschwammen. Dort amüsierten sich viele Gäste mit Harpunieren und holten sich allemal den Fisch heraus, zu dem sie Lust und Appetit hatten. Ebenso war es mit dem Federvieh bestellt, welches, von einem großen Pastetenrand eingehegt, teils gebraten, teils gekocht, teils gedämpft herumlief, auch in allerhand Saucen schwamm und ebenfalls sehr artig den Rücken oder die Brust hinhielt, je nachdem man sich dieses oder jenes Pfaffenschnittchen losschneiden wollte. Für die, welche gern Makkaroni aßen, hingen sie von den Bäumen herunter wie Palmenzweige, so niedrig, dass die Liebhaber davon die Hände auf den Rücken legten und sie mit den Zähnen abrissen, wie Ziegen das Laub abknabbern; sie durften auch nicht erst Käse daran tun, denn aller Staub, dessen dort viel herumflog, war fein geriebener Parmesankäse, so dass die Makkaronigäste über und über zu lauter Käse wurden. So reichlich war alles bei dieser Hochzeit und ich sah mich noch immer vergeblich nach dem Bräutigam um. Endlich kam er daher mit meiner Tochter an der Hand.
Nun, und wer war es? fragte Granco ganz freundlich.
Er war aus Gragnano, das hörte ich sagen.
Aber wer war es? fragte Granco noch vergnügter.
Wer es war, mein lieber Granco, das konnte ich unmöglich erkennen, antwortete Strintillo; denn dieser Bräutigam strotzte so von Gold und Juwelen, dass ich vor Glänzen durchaus seine Figur nicht ausnehmen konnte. So viel Mühe ich mir gab, ich konnte mir seine Züge nicht zusammenfinden, bis ich über dieser Bemühung aufwachte; da schien mir die helle Morgensonne gerade ins Gesicht. Nun ratet selbst, auf wen deutet der Traum?
Nun, jedenfalls auf einen wohlhabenden Mann, sagte Granco lächelnd.
Richtig, sagte Strintillo, ein Reicher soll sie haben, dann wird sie glücklich sein, weiter sage ich nichts, und nenne keinen, um keinen zu beleidigen. Wer sich so reich glaubt, richte binnen drei Wochen ein Fest zu. Gefällt es mir, so soll es sein Hochzeitsfest sein, und er mag meine Tochter heimführen mit allem Segen Gottes.
Aber . . . begann da totenbleich Giovanni.
Nichts weiter, fiel ihm Strintillo in die Rede, ich bin Don Strintillo, und was ich haben will, muss geschehen! Damit ging er in sein Gemach und ließ die beiden Freier in sehr verschiedenen Empfindungen steh'n.
Don Granco, seines Sieges mehr als gewiss, kniff vor Freuden den Mund zusammen, blies sein Oberlippchen auf, drückte gleich einem Kropftäuberich das Kinn an den Hals und gurrte behaglich Hm, hm! Damit ging er und nahm sich so drollig aus, dass auch ein Toter über ihn hätte lachen müssen. Doch Giovanni lachte nicht, der Arme stand da wie gefroren. Sein Auge sah nicht mehr, sein Ohr hörte nicht mehr. Hätte jemand ihm ein Messer durch das Herz gestoßen, er würde den Stoß nicht gefühlt haben. Die helle Morgensonne schien ihm in die offenen Augen, aber er war wie in finstrer Nacht. Er wankte hinaus, als wäre der feste Boden unter ihm nur Wind und Woge.
Angiolina, die mit der treuen Muhme am Fenster lauschte, rief ihm mit Zittern entgegen: Nun? –
Er blickte sie an, bleich wie der Tod, schlug sich mit der Hand aufs Herz und wankte stumm dahin.
Giovanni! Giovanni! rief ihm die Geliebte nach; aber er wandte sich nicht wie sonst. – Er wankte fort, bis ihn der Schmerz gewaltsam zur Erde niederzog. Angiolina sah ihn sinken: da vermochte sie nicht mehr, sich zu halten, sie eilte die Treppe hinab und hin zu ihm. Unter einem Mandelbaume lag er wie entseelt. Den Hut hatte er von sich gestoßen, sein Gesicht an die Mutter Erde gedrückt.
Giovanni! Giovanni! rief Angiolina aus zitternder Brust, und warf sich ihm zu Häupten, aber Giovanni winkte ihr hinweg, nahm mit beiden Händen Staub von der Erde, und ließ ihn in seine blühenden Locken fallen. Giovanni! Giovanni! rief Angiolina und nahm sein Haupt in ihre schönen Hände: nicht so, nicht so! lieber, süßer Giovanni! Soll ich mit dir sterben? rief sie schluchzend, und der Strom von heißen Tränen, den sie über seine Stirn ergoss, schien ihn wieder zu beleben. Was ist geschehen? fragte sie, doch Giovanni vermochte nicht zu antworten. Indem war die treue Muhme herangekommen und fragte: Kinder, was ist euch? Nur mit Mühe konnte sie von Giovanni den Hergang herausfragen. Auch sie ward von dem grausamen Spruch Strintillos, dessen Starrsinn ihr wohlbekannt war, herzlich betrübt und weinte mit den Trauernden als gute Christin, endlich aber fasste sie sich und sprach: Liebe Angiolina, geh nur wieder heim, es könnte dich jemand hier sehen, und das wäre nicht gut! – Ach! ob mich jemand hier sieht oder nicht! Wer im Sterben liegt, fragt wenig mehr nach der Welt! erwiderte das holde Kind fast stimmlos.
O! fasset euch, liebe Kinder, sprach die Muhme wiederum; vielleicht ist noch nicht alles verloren. Geh zurück ins Haus, Angiolina. Geh, bete zu Gott und der heiligen Jungfrau; die vermögen den Sinn des Vaters wohl noch zu wenden, und du, Giovanni, raffe dich auf. Weißt du, was du tust? – Geh zu meinem Bruder Ciccio, der ist ein studierter Mann; vielleicht gibt der dir guten Rat?
Guten Rat? – Kann er mir sagen, wie, wer arm ist, in acht Tagen zum reichen Manne wird, auf ehrliche Weise, kann er das?
Geh zu meinem Bruder Ciccio! sag' ich dir, wiederholte die Muhme. Besseres vermag ich dir jetzt nicht zu raten. Folge mir, geh! So trennte sie die beiden Liebenden. Angiolina wankte langsam mit ihr ins Haus zurück, Giovanni zögernd zu Don Ciccio.
Warum so traurig? trat ihm dieser entgegen. Da fasste Giovanni Ciccios Hand und schüttete sein ganzes betrübtes Herz aus. Wieder eine schöne Geschichte von Strintillo! rief Ciccio erbittert aus; ich habe schon oft gesagt, die Träume bringen ihn noch ums Himmelreich! – Armer Giovanni! was sich für dich tun lässt, soll getan werden, aber . . . . hierbei zuckte Ciccio mit den Achseln – Strintillo wird Strintillo bleiben; was in seiner Haut steckt, ist alles närrisch. Ich kann dir wenig Hoffnung geben, lass uns aber doch auf frischer Tat einen Angriff auf sein Herz versuchen, und zwar mit all den Seinen; komm, wir wollen uns noch den Pater Antonio mit zu Hilfe nehmen, der predigt wie Paulus: wenn der ihn nicht mürbe macht, so ist und bleibt er ein Stein und dein Schicksal von Eisen! Damit ergriff der gute Don Ciccio Hut und Stock, nahm ein kleines Säckchen mit Senfsamen in die Hand und ging mit Giovanni zu Pater Antonio. Diesen fanden sie zwar bereit, ihnen beizustehen, und er ging mit ihnen; aber er gab Giovanni fast noch weniger Hoffnung als Ciccio. So traten die drei in das Haus Strintillos und mit Ciccio in das Zimmer der Muhme Cecca, die seine Schwester war, und bei welcher sie Angioline fanden. Ach, sagte Cecca, wie sie von dem Vorhaben der Kommenden hörte, heute werden wir schwerlich zu Strintillo gelangen. Er hat sich fest verschlossen und lässt niemanden vor. – Schadet nichts, sagte Ciccio, ich tue wie Unverstand und werde schon eindringen! Hier in dem Säckchen habe ich ein Pröbchen von dem Senfsamen, nach dem Strintillo schon so lange verlangt hat, damit werde ich die Tür öffnen! Ihr bleibt noch zurück, ich gehe zuerst hinein und rede mit ihm, dann später kommst du nach, Cecca, dann Angiolina, dann Giovanni, und wenn unser Bitten und Ermahnen nichts fruchtet, will der gute Pater Antonio das letzte versuchen. Hiermit ging Don Ciccio, das Säckchen in der Hand, auf Strintillos Zimmer los. Vorsichtig folgten die anderen. Ciccio pochte.
Niemand herein! rief Strintillo.
Ich bin es, lieber Vetter, sagte Ciccio.
Niemand herein! rief Strintillo wiederum.
Gut, sagte Ciccio, so werde ich dir den Senfsamen durch das Schlüsselloch hineinblasen! Hiermit nahm er dessen, halbe Hände voll, und blies ihn durch das gewaltig große Schlüsselloch.
Ach so? kommst du endlich mit dem Senf? fragte Strintillo und öffnete die Tür.
Jawohl, ich bringe dir Senf, sagte Ciccio, und zwar von zweierlei Art.
Von zweierlei?
Ja, von zweierlei: erstlich hier den in diesem Säckchen, wie gefällt dir der?
Der ist sehr schön, sehr schön!
Nicht wahr, der ist schön! Aber, Strintillo, der andere ist noch bei weitem schärfer.
So? Nun, dann bin ich begierig; wo hast du ihn?
Hier auf meinen Lippen.
Auf den Lippen? ich sehe ja nichts.
Er kommt schon, sagte Ciccio. Du weißt doch, dass der gute Senf den Kopf aufräumt und die Gedanken klarmacht, sieh, solchen bring ich dir auf den Lippen; sage mir doch, Strintillo, wie kannst du es über das Herz bringen, dein Kind vor dir sterben zu sehen?
Höre, Ciccio, nahm Strintillo das Wort, wenn das dein Senf ist, so trage ihn wieder hinweg, solchen brauche ich nicht!
Gerade solchen brauchst du, lieber Strintillo, du musst niesen, bevor du klar siehst, was du tust. Du mordest dein Kind, wenn du sie dem braven Giovanni nimmst und dem runzligen Granco gibst. Willst du denn Meerspinnen zu Enkelkindern haben?
Ich folge dem Wink des Himmels, sagte Strintillo, dabei bleibt's! Was der Himmel beschließt, darüber müssen wir Menschen nicht grübeln.
Aber ist denn dein vermoderter Betthimmel, unter dem du träumst, unser Herrgott, oder bist du ein Heiliger, der Visionen hat?
Nein, sagte Strintillo, aber ich bin Don Strintillo, und was ich haben will, muss geschehen.
Hierüber trat die Muhme ein, laut weinend, und bat Strintillo mit Händeküssen, seinen Sinn zu ändern: aber, was auch gesagt wurde, Strintillo kniff den Mund fest zusammen und blieb stumm.
Angiolina trat herein und warf sich ihm zu Füßen; ihr Schmerz rührte ihn zu Tränen, aber er blieb stumm.
Giovanni trat herein und brachte seine Sache vor, so gut er konnte; doch Strintillo blieb stumm; nichts veränderte den steinernen Mann.
Endlich kam auch der Pater Antonio, hieß die anderen hinausgehen und sprach allein zu ihm, und, wie es den Horchern schien, eindringlich; denn Strintillo brach endlich sein Schweigen. Wie aber erschraken sie wiederum, als sie, statt günstiger Worte, folgendes vernahmen:
Glaubt mir, ehrwürdiger Pater Antonio, ich leide bei den Schmerzen meines Kindes wie Abraham auf Moria; doch menschlicher Wille muss dem himmlischen nachgesetzt werden. Mein Traum sei nicht himmlisch, sondern Blendwerk der Hölle, sagt Ihr? Woher wollt Ihr das beweisen, warum soll er nicht gut sein? Was Arges widerfährt denn meiner Tochter? Beide sind gleich brave Leute, beide haben sie lieb – dem Reichsten geb' ich sie. Da sagt Ihr mir, sie liebe nur einen von beiden: o glaubt mir, die Liebe lahmt zuweilen; doch kommt sie später nach. Frauen sind wie die Weinreben, sie lassen sich an jeden Mann binden und gewöhnen sich an jeden, der sie zu ziehen weiß. Wie war es denn mit meiner Seligen? Sie wollte mich erst durchaus nicht haben: in der ersten Nacht wollte sie mir entlaufen, am Ende fand sie sich doch recht gut in mein Hauswesen, und wenn wir uns später oft gezankt haben, geschah es nur aus guter Meinung. Darum, Pater Antonio, lasset ab, mich zu peinigen und zu rösten. Es kann Euch alles nichts helfen. Die Tochter ist meine Tochter, ihr Vater heißt Don Strintillo, ich bin Don Strintillo, und was ich haben will, muss geschehen!
Nach dieser Rede machte Strintillo den Mund wieder fest zu. Da mochte Pater Antonio predigen, schelten, mit göttlicher Strafe drohen und die Hölle malen, so rot er wollte, Strintillo blieb verschlossen, wie die Auster, zu der man kein Messer hat. Endlich ging Pater Antonio von ihm hinweg. Nun soll mir kein Senf mehr da hereinkommen! sagte Strintillo und verrammelte die Tür.
So! mache zu, verrammle dich, dass kein guter Gedanke mehr zu dir kann! sagte Ciccio, Tränen des Zornes in den Augen, und wandte sich sanft zu Giovanni: komm, mein lieber Giovanni, fasse dich, der Hochzeitstag ist noch nicht da. Gott tut viel in einem Augenblick, wie viel mehr kann er in acht Tagen tun. So redete Ciccio zu Giovanni und sah ihm dabei teilnehmend in die Augen, die er voll Tränen glaubte; doch zu seiner großen Verwunderung fand er sie trocken und sein Gesicht bleich, aber unerwartet heiter.
Ich danke Euch, Herr Notar, und Euch, Pater Antonio, sagte Giovanni ganz gelassen, ebenso gelassen: Lebe wohl! zu Cecca und lebe wohl! zu Angioline, die halb entseelt auf ihr Zimmer geführt ward, und leichten, ja fröhlichen Trittes eilte der Jüngling aus dem Hause, ein Liedchen summend, gleich als wäre nichts Übles vorgefallen. – Diesen Leichtsinn begreif' ich nicht, sagte Ciccio. – Ich begreife ihn wohl, sagte Pater Antonio. Der tiefsten Verzweiflung ist es eigen, die schreckliche Gegenwart gleichsam zu überspringen und in das zu flüchten, was wir Leichtsinn nennen. Ein getroffener Hirsch springt hoch empor, ehe er niedersinkt und sich verblutet. Er ist nicht so heiter wie er scheint, glaubet mir! – Und Pater Antonio hatte recht. Giovanni ging die Straßen hindurch, wie es schien, fröhlicher als sonst. Er nickte sogar Don Granco, der ihm des Weges entgegenkam, einen so freundlichen Gruß zu, dass dieser sich ganz erstaunt nach ihm umwendete. Aber der Jüngling war nur der Fröhlichkeit hohles Bild, in seinem Innern tobte es wie eisiger Wintersturm und trieb ihn fern von Menschen. Die Gärten vorüber, klomm er höher und höher das wilde Gebirge hinan, einsamer, immer einsamer ward die pfadlose Gegend um ihn her, immer steiler die Felsen, immer schmaler die herabrinnenden Bächlein. Scharen kleiner Waldvögel flogen vor ihm auf aus den Myrten und Lorbeerbüschen, bis er unter einer Felswand dicht an einem Abgrunde erschöpft niedersank. Zu seinen Füßen lag, gleich dem entfalteten bunten Schweif eines Pfauen, alle Herrlichkeit und Pracht des neapolitanischen Golfes und seiner Inseln hingebreitet. Garten an Garten und Stadt an Stadt, an dem schönen Saume des Meeres, der sich hin schwingt wie der Flug der Schwalbe; während sich aus der Ebene vor den blauen Apenninen der Vesuv erhebt und, gleich bunten Blumen, Aschengewölk auf Aschengewölk emportürmt. Da rief Giovanni: Heiliger Gott, wie schön ist diese Welt, und wie unglücklich bin ich in dieser schönen Welt! – Jetzt erst brachen ihm die Tränen aus den Augen, und er weinte bitterlich. Da musste es sich fügen, dass zu derselbigen Stunde der Räuber Checco mit seinen lustigen Gesellen in jener Einsamkeit umherschwärmte, zu seiner Ergötzung Kaninchen zu jagen. Kühn, wie er war, kletterte er eben um den Gipfel des Felsens, an welchem Giovanni lag, als das Erdreich unter den Füßen des Räubers wich und hinabschob. Was er auch ergriff, sich zu halten, Gras und Busch, alles ward los und rollte mit ihm dem Abgrunde zu. Da vernahm Giovanni das Geräusch, blickte um sich, sprang gewandt hinzu und, die Linke fest um einen überhängenden Baum geschlungen, ergriff er den Stürzenden mit der Rechten, als er eben verloren schien, und hielt ihn dicht an dem Abgrunde schwebend. Obwohl stark genug, ihn eine Weile zu halten, war er doch nicht mächtig genug, ihn völlig herauszuziehen, und beider Lage ward mit jedem Augenblicke gefährlicher, da nicht allein Giovannis Kraft minder wurde, sondern auch die Wurzeln des Baumes, woran sie hingen, mehr und mehr nachließen. Giovanni aber war edelmütig genug, ihn nicht loszulassen; da rief Checco seine Gefährten herbei, welche die beiden, nicht ohne Gefahr, aus der peinlichen Lage befreiten. Habt Dank, ihr Braven! sagte Checco und umarmte seine Freunde, doch zu Giovanni gewendet sprach er: Dich hat Gott gesandt, ihm sei Dank und der heiligen Jungfrau! Lasset uns beten! Damit nahm er den Hut ab, alle taten ein Gleiches, knieten mit ihm nieder und beteten zu Gott und der heiligen Jungfrau. Hierbei muss erwähnt werden: dieser Checco war zwar ein Räuber, jedoch ungewöhnlicher Art, angebetet von den Seinen und bei dem Volke mehr geliebt als gehasst. Sein Patron war Crispinus: er nahm den bösen Reichen und gab den guten Armen. Durch einen ungerechten Urteilsspruch um sein rechtmäßiges Erbe gebracht, hielt er jede Obrigkeit nur für eine Anstalt, das Volk hinabzudrücken, hatte sich mit mehreren ähnlich gesinnten flinken Burschen verbunden und streifte bald hierhin im Lande, bald dorthin, wie er es nannte, "dem Unrecht abzuhelfen!" Bei diesem Geschäft nahm er es freilich nicht so genau wie die lateinischen Bücher, in welchen die tausend und aber tausend Rechtsfälle verzeichnet sind. Er sah alles nur entweder schwarz oder weiß. Verwickeltes hieb er durch, wie Alexander Magnus den Knoten, und das audiatur et altera pars war keineswegs sein Wahlspruch. Im ganzen musste bei ihm der Unglückliche siegen, der Glückliche wenigstens teilen, wobei Checco sich als Richter auch nicht völlig vergaß, sondern oft recht ansehnlich zulangte. Wem er half, den ließ er das für ihn Erlangte sodann sehr klug, in veränderter Gestalt irgendwo, wie zufällig, finden; damit derselbe nicht durch sein Geschenk in Verdacht geriete. Zuweilen trat er, bei hellem Tage, mit seinen Gesellen in ein reiches Haus, wo er wusste, dass eben ein erwuchertes Sümmchen lag, schloss die Türen und bat sich das Sümmchen zu guten Zwecken aus, und wer ihm dieses nicht sogleich herbeischaffte, ward weder geknebelt noch gefoltert. sondern auf ein mitgebrachtes Leder gelegt und von den lustigen Gesellen so lange geprellt, bis er, des lästigen Spieles überdrüssig, Ungernes gern tat und alles bewilligte. Von dieser Art des Geldeintreibens ward Checco "der Preller" genannt; und wahr ist es, seine Leute verstanden das Prellen gut, sie brachen niemandem die Rippen und verteilten die blauen Flecken, mit Ansehen der Person, ziemlich gleichmäßig auf dem Leibe ihrer lebendigen Spielbälle. Dass dieses Treiben böser Art sei, glaubte keiner von ihnen. Alle waren jung und rüstig und immer bereit zu den tausend Schwänken, die Checco sich ausfand, diesen oder jenen Streich nachdrücklich durchzuführen. Sie bildeten zusammen gleichsam eine lustige Feme und ließen zuweilen Prügel regnen auf Schultern, die sich dergleichen nicht vermuteten. Hatten die Schläge zuweilen nicht den richtigen Mann getroffen, so sagte Checco: Nun, dafür wird ihm Gott andere Sünden vergeben, geißeln wir uns! Hierauf pflegten sie sämtlich Stöcke zu nehmen, stellten sich im Kreis und hieben einander weidlich durch. Verschlagen waren alle wie Füchse, listig wie Schlangen, vorsichtig wie die Marder, und wollte man sie fangen, so wurden sie zu Aalen und entwischten aus den Händen der Häscher, wenn man sie schon fest zu haben glaubte. Das ganze Gebirge, voll labyrinthischer Höhlen, war der Palast, in dem sie wohnten. An steilen Felswänden hatten sie kleine Stufen und Griffe zum Klettern gehauen, an denen sie, gleich Steinböcken, wunderbar schnell hinan laufen konnten, die aber, gleich einem Rätsel, so wunderlich verworren durcheinandergingen, dass niemand den Flüchtigen nachzueilen vermochte. So hatten sie, wo man sie umzingelt zu haben glaubte, noch hundert Ausgänge und waren ihren Verfolgern an List immer überlegen. Es war, als ob keine Kugel sie treffen könnte, und wenige waren im Volk, die sie nicht für Zauberer hielten. Als hätten sie den Karneval geplündert, erschienen sie bald in dieser, bald in jener wunderlichen Verkappung und gaben den Leuten viel zu erzählen. Dabei versäumten sie kein Madonnenfest, gingen fleißig zur Messe und bei einem Pater namens Andronico zur Beichte, der ihnen oft harte Büßungen auflegte, welche sie gewissenhaft erfüllten. So beteten sie nun auch hier und dankten Gott und der heiligen Jungfrau für Checcos Rettung.
Aber als sie ausgebetet hatten, sprang Checco auf, schlug sich an die Brust und begann zu Giovanni, der wieder in Gram versunken war: Checcos Herz ist dein. Du bist traurig? Kann ich dir Hilfe schaffen, es soll geschehen. Hast du einen Feind, er soll mein gewahr werden.
Mir kann niemand helfen als Gott! sagte Giovanni, bedeckte sein schwermütiges Gesicht mit den Händen und schwieg. Checco bestürmte ihn jedoch so lange mit teilnehmenden Fragen, bis er ihm, obwohl langsam, mitteilte, was ihn quälte, nachdem Checco das Versprechen gegeben, dass er weder Strintillo noch Granco ein Leid zufügen wolle; denn Giovanni wusste wohl, mit wem er sprach. Als er ausgeredet hatte, erwiderte Checco rasch: Die Umstände sind einfach: Der Alte will dir nicht willfahren, aber wohl die Tochter. Nimm ihm die Tochter mit Gewalt, bringe sie daher in die Wildnis und lebe mit ihr, geborgen in meiner anmutigsten Höhle, bis der Alte sich in die Geschichte findet und euch verzeiht. Traue mir, die Höhle soll eingerichtet werden wie eine Putzstube, nichts soll euch fehlen, und bliebt ihr ewig bei mir! – Dies sagte Checco mit großer Zuversicht; aber wie staunte er, als Giovanni sich plötzlich wie getröstet erhob und ihm entgegnete: Checco, bald wäre getan, was du sagst; aber da sei Gott vor, dass ich solch Unrecht auf mich lüde! Die Tochter ist des Vaters; ich hätte wenig Segen davon, der alte Strintillo aber den Tod, und Angiolina würde nimmer froh. Nein, besser ist schlicht und recht. Ich will Gott bitten, dass er mir seinen heiligen Engel herniedersende und mich und Angioline aus der Verzweiflung erlöse, gleichwie er mich und dich hier wunderbar gerettet. Töricht war es von mir, einen Augenblick an seiner Allmacht zu zweifeln. Hiermit schüttelte Giovanni Checcos Hand und ging vor ihm den Berg hinab. Checco aber blieb betroffen stehen, dann rief er ihm feurig nach: Geh, braver Knabe. Gott wird dir helfen, wunderbar, wie er uns hier gerettet! Aus diesem Baum, der uns beide trug, will ich ein Kreuz machen, bei dem will ich oft beten. Gott erhalte dich! Sage niemandem, dass du mich gesehen! – Ich will es verschweigen, sagte Giovanni und ging. Checco aber sprach rasch zu den Seinen gewendet: Lasst uns gehen, Gesellen, ich muss mich gegen Giovanni dankbar beweisen. Holt das Leder, worauf ihr zu prellen pflegt, und folgt mir. Festen Trittes ging er ihnen voran und sie merkten an seinen blitzenden Augen, dass er irgendeinen Plan gefasst. Einer lief und holte das Leder. Schweigend gingen sie durch den Wald von schattigen Steineichen und Kastanien. Alle sahen sich jedoch verwundert an, als sie merkten, dass Checco seine Schritte nach einer Einsiedelei wendete, welche sehr einsam und entfernt von allen anderen Häusern lag. Der Träger des Leders fragte Checco, ob er Buße tun wolle und die Prellhaut in des Eremiten Kapelle weihen?
Dieses Mal nicht, sagte Checco, und ging schweigend auf den Eremiten zu, der erst vor seiner Tür saß, aber bei Checcos Nahen aufstand und ihm entgegenrief: Nehme Gott die Sünde von Euch, was sucht Ihr bei mir?
Das tue Gott. Kennt Ihr mich?
Ob ich Euch kenne? Ihr seid Checco der Preller, sagte der Eremit wie trotzend: Was führt Euch zu mir?
Dankbarkeit; ich bringe Euch Gelegenheit, ein gutes Werk zu tun. Ich fand eben einen braven Knaben, der mir das Leben gerettet, mit Gefahr seines eigenen, und sehr unglücklich ist. Da ihm aber zu seinem Glück nichts fehlt als leidiges Geld, so bitte ich Euch, holt Euren Schatz hervor, wo Ihr ihn verscharrt habt, und gebt ihn dem armen Teufel. Euch ist das Geld so nichts nütze, da Ihr ein frommer Mann seid und in freiwilliger Armut lebet. Gebt ihm den Schatz und nehmt Gottes Segen dafür!
Wie? sagte der Eremit fast betroffen, welchen Schatz?
Den Ihr hier im Walde gefunden.
Im Walde gefunden?
Ja, bei dem Graben der heiligen Kräuter; sie müssen sehr lange Wurzeln haben, weil Ihr immer so tiefe Gruben macht. Lasst Euer Grabscheit nicht liegen, ich hab' es gefunden. Ihr seid ein Schatzgräber, das weiß die ganze Welt.
Ich ein Schatzgräber? – Ich einen Schatz gefunden! – Ich Geld hergeben! – Ich tiefe Löcher graben! – rief der Eremit einmal über das andere.
Die Sache ist sicher, her mit dem Kasten, Geizhals, sperre dich nicht!
Aber der Eremit blieb bei seinen Ausrufungen: Ich einen Kasten! Ich ein Schatzgräber! Ich einen Schatz gefunden! Ich tiefe Löcher graben! Ich Geld hergeben! Wollt Ihr heilige Kräuter? Wollt Ihr Rosenkränze? Was wollt Ihr von mir armem Manne?
Den Schatz! Denn ich weiß gar wohl, du bist allein darum Eremit, um hier umher ungestört und wohlfeil Schätze zu graben; weil du weißt, dass hier aus alten Kriegen manches verscharrt liegt. Also her mit dem toten Gelde, es soll lebendig werden!
Der Eremit aber faltete die Hände, warf sich auf seine Kniee, drückte die Augen fest zu und murmelte ein Gebet vor sich hin.
Dein Gebet kommt nicht von Herzen, sagte Checco. Auf! Gutes tun ist besser als schlecht beten. Komm, wenn dir das Geld so fest anklebt, wollen wir dich ein wenig schütteln, vielleicht fällt einiges ab.
Der Eremit blieb stumm.
Auf das Leder mit ihm! rief Checco, und flink ergriffen Checcos sechs Begleiter den Eremiten, legten ihn auf die Prellhaut, trugen ihn auf einen freien Platz, sahen gen Himmel, dann auf ihn und prellten und fingen ihn so meisterlich, dass er immer siebenmal länger in der Luft war als auf der Haut. Um besser im Takt zu bleiben, sangen sie ein besonderes Lied dazu, und jedes Mal, wenn das Lied zu Ende war, hielten sie inne und fragten den Gepeinigten, ob ihm nun bald der Ort einfiele, wo er den Schatz verscharrt habe? – Aber der Eremit beharrte bei seinem Schweigen. Als sie nun die Prellerei und das Lied wohl zehnmal wiederholt hatten, sahen sie wieder nach und befragten den Geprellten wiederum wie vor; aber er blieb stumm, ja er blieb sogar in unbequemer Stellung liegen und regte sich nicht. Sein Atem schien stillzustehen. Da erschraken die flinken Gesellen und sprachen zueinander: Wir haben es zu arg gemacht, er ist tot und der Schatz verloren! – Legt ihn auf den Rasen, sprach Checco, gehen wir! – Sie taten es. Als sie im Gebüsch waren, sagte Checco leise: Nun bleibt stehen und habt acht, der Schelm erhebt sich noch! Lange standen sie und spähten, endlich wendete sich das Haupt des Eremiten langsam herum. Er sah rechts, . . . er sah links, . . . vor sich und hinter sich, und als er niemanden erblickte, sprang er munter auf, schüttelte sich gleich einem Pudel, der aus dem Wasser kommt, stemmte die Hände in beide Seiten und kicherte, wie jemand, der einen angeführt hat, lachte, biss sich vor Freuden in den Finger, rieb vergnügt die Hände und ging fröhlich nach seiner Hütte.
Seht, der Schelm hat uns gefoppt und sich nur tot gestellt, Checco.
Prellen wir ihn noch einmal! sprach einer der Gesellen.
Nein, sagte Checco. Kommt, der Schelm muss anders gefasst werden! Er hat einen Schatz, das ist sicher. Man sieht es an seinem Lachen, er kommt sich klüger vor, als wir ihm vorkommen; doch ich stehe euch dafür, er soll bald anderer Meinung werden!
Hiermit verloren sich die Räuber wieder in die Wildnis, und der Eremit freute sich, dass er die Preller mit seiner List um den Schatz geprellt, den er wirklich besaß und so ernsthaft hütete wie irgendein Vogel Greif in der Fabel.
Des frommen Mannes Treiben war, unter uns gesagt, einigermaßen schändlich und stellte das Gegenteil der heiligen Abgeschlossenheit und Gottesverehrung wahrer und ehrwürdiger Anachoreten dar, die ihr Gemüt mehr und mehr reinigen von weltlicher Begier und Habsucht und sich allein göttlichen Dingen zuwenden. Denn er ließ sich als Einsiedler von armer Leute frommen Spendungen ernähren und grub unterdes allein nach irdischen Schätzen, nicht um sie zu gebrauchen oder zu verteilen; sondern um sie, als echter Geizhals, in seiner Nähe wieder zu verscharren. Holzhauer hatten ihn beim Graben belauscht, und so hatte sich im Volke das Gerücht von seinem Schatze verbreitet, welches bei frommen Seelen keinen Eingang fand, bei Checco jedoch umso mehr, da er seit einiger Zeit im Walde mehrere tiefe Gruben gefunden, und bei der einen sogar des Eremiten Grabscheit.
Nun lassen wir den Eremiten und denken wieder an Giovanni. Dieser ging, wie bereits erzählt worden, wieder das Gebirge hinab. Über eine Stunde war er gegangen . . . als er sich von allen Seiten beim Namen rufen hörte. Er vernahm zuerst des guten Don Ciccio Stimme, dann die Stimmen von mehreren seiner Freunde. Die braven Leute hatten überall ängstlich nach ihm gefragt und sich im Walde verteilt, ihn aufzufinden, weil sie, nach Pater Antonios Rede, nichts Geringeres glaubten, als Giovanni sei ausgegangen, sich das Leben zu nehmen.
Da ist er! Da ist er! rief Don Ciccio laut aus, als er ihn sah, und bald umringten den traurigen Jüngling alle seine liebsten Freunde, herzten ihn und küssten ihn und weinten an seinem Halse. Von dieser vielen Liebe und Teilnahme war Giovanni herzlich gerührt. Giovanni, Giovanni, was soll aus uns werden, wenn du nicht mehr bei uns bist! riefen alle, betrüb' uns nicht, wir wollen dich trösten, so gut wir es vermögen. Alle jungen Leute zu Gragnano haben sich vorgenommen, dem alten Strintillo ein Charivari zu bringen, und der garstige Granco soll vor lauter Katzenmusik nicht schlafen können, bis beide vor Ärger den Verstand verlieren. O du bist nicht so allein wie du glaubst, alle verschmähten Freier helfen mit Spektakel machen. – So betrübt Giovanni war, so musste er doch über diese sonderbaren Äußerungen von Liebe lachen und sagte: Herzlichen Dank, meine Freunde, für euren guten Willen; aber lasset das Gelärm, damit wird Strintillos Sinn nicht geändert und Grancos auch nicht. Unverbesserlich eigensinnig ist einer wie der andere; nein, wenn keine andere Hilfe kommt, muss ich mich in Gottes Schicksal ergeben! Verzweifelnd ging ich aus, aber ein wunderbarer Vorfall, von dem ich zu schweigen versprochen, hat mich überzeugt, dass Gottes Hand sichtbar über mir ist, und dass ich noch leben soll.
Unter solchen Gesprächen gingen sie durch den Wald hinab, in dem unzählige Nachtigallen schlugen. Die herrliche Natur und die Liebe der Freunde tröstete Giovanni, und sein herber Schmerz ward sanfte Wehmut. Als er heimkam, zwangen ihn seine Freunde, Speise und Trank zu nehmen, wogegen er einen Widerwillen gefasst. Trink ein Glas mehr wie sonst, es wird dir gut tun, sagte Ciccio. Guten Ausgang! riefen seine Freunde und stießen mit ihm an. Gott kann noch alles wenden! sagte Ciccio. – Fast hoffe ich es, sagte Giovanni und lachte, mit Tränen in den Augen. Seine Freunde blieben bei ihm, bis er vor Mattigkeit die Augen schloss; da legten sie ihn auf sein Bett, löschten seine Lampe aus und verließen ihn.
Des anderen Tages kamen sie bei guter Zeit zu ihm, halfen ihm munter bei seinen Arbeiten und suchten ihn auf alle Art zu zerstreuen. Don Ciccio und Pater Antonio kamen auch und sprachen ihm treulich zu; gegen Abend bat er alle, ihn allein zu lassen: Er wolle beten gehen! – Als er sich allein sah, ging er nach einer einsamen Kapelle, die sein seliger Vater erbaut hatte, und schmückte das Bild der heiligen Jungfrau mit frischen Kränzen. In ähnlicher Weise vergingen drei Tage. Unterdes war Granco emsiglich beschäftigt, alle Vorbereitungen zu seinem Fest zu bedenken; aber bei aller Emsigkeit brachte er wenig heraus: Er war gewohnt, sparsam zu leben und wusste nicht, wie man etwas reichlich einrichtet. Besprach er sich mit seinen Freunden, so schienen ihm alle ihre Vorschläge zu hoch ins Geld zu gehen, sie waren mitunter auch sehr närrisch, so dass er endlich merkte, dass er von allen gefoppt werde. Häuschen von Würsten, gebaut mit Fußböden von Rosinen und Mandeln und getrockneten Feigen, große Wasserfälle von Wein und Likör, das Auswerfen von Doppeldukaten unter das Landvolk, ein Feuerwerk eine halbe Meile breit, das Wegschenken von sechzig geputzten Eseln, das Schlachten und Verteilen von fünfhundert Hammeln, tausend Pfund gebratenen Mückenlebern, dreißig Eimern Hühnermilchsuppe und ähnliche Vorschläge wollten ihm durchaus nicht zu Sinne; dazu blieb jenes angedrohte Charivari, vor welchem ihn die dasigen Gerichte nicht zu schützen vermochten, nicht aus und verfolgte ihn, wo er ging und stand; kurz er rannte hin und her, ward zuletzt ganz verwirrt und toll und sagte: Die Gragnaner verdienen meine Güte nicht, ich will meine Hochzeit ganz einfach und gediegen einrichten, der lumpige Giovanni wird doch nicht wagen mitzuhalten! – So sprach er und beruhigte sich schon, als er plötzlich aus diesen süßen und bequemen Spargedanken durch ein Gerücht geweckt wurde, welches sich schnell durch die Ortschaft verbreitete. Ihm ward es von seinem albernen Diener Cetrullo hinterbracht, welcher ihm erzählte: Seinem Nebenbuhler Giovanni sei in vergangener Nacht bei der Kapelle seines Vaters ein Engel erschienen und habe ihm Hut, Rock, Kragen und alle Taschen voll Gold geschüttet, und der Glückliche rüste sich jetzt in allem Ernste zu einem großen Feste. – Dummes Zeug! rief Granco, der dies nicht glauben wollte, einmal über das andere aus: Dummes Zeug! dummes Zeug! – Mit diesem Geschrei lief er schnurstracks auf Giovannis Behausung zu, wo er dessen Freunde in Menge versammelt fand. Alle jubelten und liefen geschäftig aus und ein: aber als Granco sich nun genauer erkundigen wollte, empfingen sie ihn mit einem so furchtbaren Charivari, dass er sich ganz erbost zurückzog und nun beschloss, Giovannin und aller Welt zum Trotz das Fest so zuzurüsten, dass selbst der Sultan nicht sollte mithalten können!
Giovannis Erlebnis war wirklich eigener Art. Er schwur seinen Freunden hoch und teuer, dass ihm, als er an seines Vaters Kapelle gebetet, ein Wesen in überirdischem Glanze erschienen sei, welches einen Regen von Gold über ihn ergossen und ihm mit himmlisch süßer Stimme zugesprochen und gesagt habe: Da nimm, Giovanni, gehe, rüste alles reichlich und prächtig, am Abend des Festes will ich dir wieder erscheinen und noch mehr Segen über dich ausschütten. Gehe im Namen Gottes und der heiligen Jungfrau. – Aus dieser letzten Rede könnt ihr schließen, liebe Freunde, setzte Giovanni hinzu, dass es kein böser Geist war, der mir erschienen, nein, ein Bote Gottes, und ich habe festes Vertrauen, dass er am Abend des Festes wiederkehrt! – Giovannis Freunde schüttelten die Köpfe; doch Giovanni war kein Schwärmer und hatte sich nie einer Lüge schuldig gemacht, auch lag das Gold sichtlich vor ihren Augen, alle waren überglücklich, vor allen aber Angiolina: Sie tat mit der Muhme vor Freude nichts als weinen und beten. – Aber das bedeutendste Gesicht über diesen Vorfall machte – der alte Strintillo. Die Erscheinung des Engels passte recht in seinen Kram. Sieh, sieh, Strintillo, was daraus wird! sprach er zu sich selbst: Mein Traumwesen soll mir niemand mehr tadeln; denn wie es scheint, geschehen ihm zuliebe Zeichen und Wunder, um alle Welt zu überzeugen, dass Strintillos Glaube kein Narrenglaube sei; nein, richtig und zutreffend nach allen Seiten und in allen Stücken! Dabei freute sich der eitle Mann noch, dass seiner Tochter zu Ehren nun so große Feste zugerichtet würden, wodurch er hoffte, sein Name werde überall auf lange berühmt werden, ohne dass er dabei sonderlich viel Unkosten hätte. Alle diese Gedanken machten ihn so närrisch vergnügt, dass er zu seiner Tochter ging und sie streichelte und küsste, wie er nie getan, und bei jedem Kusse gab er ihr einen Schmeichelnamen, wie: Mein Zuckernüsschen, meine Taube, mein Wieselchen, mein Hündchen, mein Kätzchen, mein Affe, mein Eselchen, mein Lämmchen, mein Hühnchen, mein Kaninchen, gib mir das Pfötchen, streichele dein Papachen, zupf ihn am Näschen, kraue ihn ums Bärtchen! So, so, gib ihm ein Schmätzchen, du Zuckerbirne, lass dich anbeißen, du Marzipan, du Artischocke! Geh, du Senfgurke, du machst deinem Vater Kummer und Sorge, und doch liegst du ihm näher am Herzen als das Hemde auf seinem Leibe! Du Meerkrebs du, warte, ich will dich folgen lehren, sei deinem Vater gut, komm, blase ihm aufs Äugelchen, so! aufs andere auch! O mein Goldfischchen, deine Wängelchen sind wie die Äpfelchen! Ja, ja, die jungen Burschen müssen wie die Narren werden, wenn sie dich sehen, warte nur, du wirst zwei Hochzeitsfeste auf einmal erleben, so was hast du mir zu danken, denn wo bliebe das alles, wenn dein Vater nicht gut zu träumen verstände! Danke Gott täglich auf Knieen, dass dein Vater im Schlafe besser sieht wie jeder andere im Wachen. Das Tarantelchen! will sie wohl das Mündchen halten und nicht immer dreinreden, wenn der Vater Weisheit spricht! – So und noch viel närrischer gebärdete sich Don Strintillo vor Freuden, dass sich zu seinen Träumen so sonderbare Dinge gesellten, und die Muhme musste ihn mit Gewalt von der Tochter reißen, er hätte sie umgebracht!
Doch eilen wir wieder zu Giovanni. Dieser hatte nun alle seine vorige Lebhaftigkeit wieder gewonnen. Im Schatten einer traulichen Reblaube, um eine runde Tafel, bei süßen Feigen und blinkendem Weine, saß er mit seinen Freunden und beriet sich über das, was nun geschehen sollte. Kam die Summe des über ihn ausgeschütteten Goldes auch lange nicht dem Vermögen Grancos gleich, so vertraute er doch fest auf des Engels Wiedererscheinen, und das Empfangene war immer mehr als hinreichend zu Ausrüstung eines überprächtigen Festes. Spare diesmal nichts! hatte der Engel zu ihm gesagt.
Nun, so muss das Fest etwas ganz Besonderes werden! meinte Don Ciccio. – Jawohl! schrien alle. – Gewiss, sagte Giovanni, und ich denke schon lange darüber nach. Still, still, nun hab' ich es! fuhr er auf einmal auf.
Nun, was denn, was denn? riefen die Freunde.
Ich will . . . doch nein, . . . besser ist es, ihr erfahrt es später. Ihr würdet glauben, dass es nicht möglich sei, und mich nur abreden wollen. Morgen sollt ihr alles erfahren. – Doch Euch, Don Ciccio, bitte ich mit tausend Küssen, kommt mit mir, nach Neapel, dort wollen wir einen Freund holen, dessen ich zu meinem Vorhaben bedarf wie meiner Augen zum Sehen! – Aber sagt mir nur, was Ihr wollt? – In Neapel erfahrt Ihr alles! Kommt nur, Don Ciccio, verlieren wir keine Zeit!
Schnell waren zwei gesattelte Maultiere herbeigeschafft und die beiden Freunde nahmen Abschied: Morgen kommen wir wieder, dann erfahrt ihr alles! – Hiermit ließen sie die anderen verwundert stehen und trabten den lustigen Weg nach Castellamare hinunter, wo sie einen zweirädrigen Wagen mit zwei Pferden nahmen, oder, besser gesagt, einen geschnellten Pfeil, auf dem sie längs des Ufers am schönen Golf hinflogen; denn die Pferde liefen, als hätten sie Feuer gefressen! Unterwegs fragte Ciccio Giovanni zu wiederholten Malen, wen er aus Neapel holen wolle?
Das werdet Ihr sehen, lieber, lieber Don Ciccio! war Giovannis einzige Antwort: lasst mich, ich bin glückselig, glückselig! und damit fiel der Jüngling dem braven Notar um den Hals, küsste ihn und drückte ihn unaufhörlich so heftig, bis dieser ihm endlich seinen Mantel hinhielt und sagte: Hier, wenn du durchaus so heftig drücken und küssen musst, nimm meinen Mantel in die Arme, quetsche ihn und balge ihn nach Herzenslust, der hält es aus, aber mit einer lebendigen Seele habe Geduld und lasse sie leben! Wenn einer sich freut, muss denn der andere dabei zu Grunde gehen? – Alle diese Reden aber halfen nichts und Don Ciccio hatte noch viele Qual auszustehen. Lachend wandte sich der Kutscher und rief: Der junge Herr ist verliebt, das merkt man; nun, Gottes Segen! – Ich danke, rief Giovanni: da, Pepo, nimm das Goldstück, lass die Pferde fliegen wie die Schwalben, dann mögen sie hundert Jahre ruhen! – Keine Sorge! rief Pepo zurück: Meine Tiere fressen den Weg, sie laufen die Wände hinan, über Land und Wasser! Wollt ihr über das Meer fahren? Ihr sollt nicht nass werden! – Hierbei lenkte der feurige Knabe nach der Brandung hin . . . Mach keine Possen! rief Ciccio ihn haltend, und schnell wieder zurücklenkend, fuhr Pepo die Straße lachend dahin und ließ den Staub weit hinter dem Wagen. Kaum gönnte sich Giovanni unterwegs einige Erquickung, und es war zur Zeit des Mittagschlafes, als sie in Neapel einrollten. Vor einem halb verfallenen Palast ließ Giovanni haltmachen.
Kommt, kommt! rief Giovanni zu Ciccio und eilte vor ihm eine alte Treppe so rasch hinan, dass Ciccio rief: Du wilde Ziege! kannst du nicht warten, bis ich nachkomme?
Als Ciccio oben ankam, fand er den Jüngling ungeduldig an eine Tür pochend, zu welcher der dicke Mann kaum hindurch konnte vor lauter gemalten Wolken und Thronen und Altären und Triumphwagen und Gespenstern und Teufelsschlangen und Theaterdrachen, die sie von allen Seiten zu verschlingen drohten. Er machte sich eben vom Takelwerk eines römischen Schiffes los, als ein junger freundlicher Mann mit dem Kopf aus der Tür sah: Giovanni! – Sacchetti! und die Jünglinge lagen sich in den Armen.
Herzensfreund, besuchst du mich einmal? Sei willkommen! Womit kann ich dienen?
Lieber Sacchetti, ich komme hier mit meinem Freunde, dem Herrn Notar Ciccio Camarano, rette mir das Leben; du kannst es!
Wie, das Leben? Will dich jemand umbringen? Mit dieser Herkuleskeule stehe ich dir bei, wer bringt dich um? rief Sacchetti und ergriff eine papierne Keule.
Die Liebe; hilf mir du!
Von Herzen gern, wenn ich kann! rief Sacchetti und führte die Freunde in eine Malerwerkstatt, worin es noch wunderlicher aussah, als vor der Tür. Alles stand voll von Räderwerk und Teufelsspuk und Feerei. Überall stolperte man über Stricke, Kloben und Winden, Farbentöpfe, Pinsel und gerollte Leinwänden . . . Hier ist wenig Platz, rief Sacchetti: ihr müsst Geduld haben, kommt hier hinan! Damit führte er sie einige Stufen hinauf und sie nahmen auf Wolken vor einer vergoldeten Sonne Platz. So, setzen wir uns hier! In diesem Himmel, vor dieser hellen Sonne wird uns alles klar werden! Lachend setzten sich die Freunde, und Giovanni erzählte in Eile die Geschichte seiner Liebe und schloss mit folgender Bitte: Nun, mein lieber Sacchetti, sieh, auf dich hab' ich, nächst dem Himmel, am meisten gerechnet. Auf dieser Erde gibt es ja nicht Fisch nicht Vogel, nicht Tier nicht Kraut, nicht Baum nicht Strauch, das du nicht darstellen könntest mit deiner großen Kunst, als wenn es wirklich wäre. Komm und hilf mir in meinem Weinberge ein Fest anrichten, welches den Sinn des harten Mannes bezwingt. – Von Herzen gern, sagte Sacchetti, sage nur wie? – Hierauf teilte ihm Giovanni einen Plan mit, welchen der Erzähler noch verschweigen muss, zu dem aber Sacchetti rief: Vortrefflich, vortrefflich! – Doch alles wird nichts ohne dich, sagte Giovanni; hilf mir, lieber, lieber Sacchetti, du kannst es und tust es!
Ich tu' es und will sehen, ob ich es kann, sagte Sacchetti: wir haben aber kaum drei Tage Zeit; und ich zweifle fast, ob ich alles zustande bringe . . . Doch ja, es geht! . . . Für das Glück eines solchen lieben Freundes arbeit' ich auch die Nacht. Der alte Strintillo soll Wunder sehen!
Engel Gottes! rief Giovanni und weinte an Sacchettis Halse.
Nun, drücke ihn nicht auch tot! sagte Ciccio und machte den Maler frei, der fortfuhr und sagte: Jetzt, Freund Giovanni, fahr du mit deinem Freunde ruhig wieder heim. Besorge du nur Haken, Spaten und eine Menge alter Weintonnen. Halte alles geheim, morgen Abend im Dunkeln komme ich mit Gehilfen und Farben und Pappen, mit Töpfen, Tiegeln, Zangen, Hämmern, Nägeln und Pinseln und mit Hölle und Teufel hinaus und richte dir alles so ein, dass die Gragnaner ewig von mir erzählen sollen!
Hier hast du eine Hand voll Gold zum Einkauf, lieber Sacchetti.
So, das tut not, sagte der Maler; denn meine Schulden will niemand für bar Geld annehmen.
Hast du Schulden? fragte teilnehmend Giovanni.
Nein, eigentlich doch nicht; aber immer leere Taschen, das Geld liebt mich nicht!
Nun, spare jetzt auch nichts, dass alles recht prächtig wird! sagte Giovanni im Gehen; ich verlasse mich auf dich! Leb wohl!
Auf Wiedersehen! Leb wohl bis morgen! sagte Sacchetti und geleitete die Freunde hinab, zur Tür hinaus, durch Drachen und Schlangen, hinunter bis vor die Haustür, wo er sie freundlich entließ.
Als Giovanni noch einigen Schmuck für seine Angiolina gekauft hatte, nahmen sie frische Pferde und eilten nach Gragnano so schnell wieder zurück als sie gekommen waren.
Obwohl es darüber fast Mitternacht geworden war, eilte Giovanni doch unter das Fenster seiner Geliebten und weckte sie mit süßem Gesange, erzählte ihr sein Vorhaben und wie weit es damit gediehen und rief einmal über das andere: Sacchetti ist durch seine Kunst ein Zauberer, größer als Bajalardo oder Virgilio, und mein Herzensfreund, verlasse dich auf ihn, wir werden siegen! Die Liebenden warfen sich Küsse zu und gingen zur Ruhe. Lange konnte Giovanni nicht einschlafen; doch als er erwachte, war die Sonne schon hoch am Himmel, und seine Freunde umstanden sein Bett mit neugierigen Fragen. Giovanni sprang auf und kleidete sich an: Alles sollt ihr erfahren, liebe Freunde, habt mich lieb und wartet nur bis auf den Abend, hier ist Geld, tut mir den Gefallen und kauft, ein jeder so heimlich als möglich, recht viel alte Weintonnen zusammen, die wir dann bei Nacht in meinen Weinberg schaffen wollen; weder Don Granco noch irgendjemand darf merken, was hier vorgeht! – Ja, lieber Giovanni, alles soll geschehen, was du willst! riefen die Freunde und zerstreuten sich, die Einkäufe zu machen. – Lieber Don Ciccio, sagte Giovanni zu dem Kommenden, herzlich bitte ich Euch, seid in diesen Tagen mein Beistand, besonders was Fisch und Fleisch betrifft. Ihr seid ein Kenner und wisst, was gut ist: Macht meine Einkäufe, mir schwindelt der Kopf, ich möchte mich leicht betrügen lassen. Sie setzten sich hin und rechneten aus, was sie nötig hätten. Ciccio erhielt das Geld, ging aus und tat sich überall nach allem Besten um. Beim fröhlichen Mittagmahle kamen die Freunde wieder zusammen, alle Besorgungen gingen rasch und aufs Beste, weil überall herzliche Teilnahme handelte. Über solchen Dingen kam der Abend heran, es wurden Wachen ausgestellt und im Schleier der Nacht Weinfass nach Weinfass über die Gartenmauer hereingekugelt. Man ging umso behutsamer damit um, weil der Garten an den Don Grancos anstieß, welcher am wenigsten davon erfahren sollte.
Unterdessen kam auch der brave Sacchetti auf Nebenwegen an; jubelnd empfing ihn Giovanni, und in einem großen Schuppen ward abgeladen und ausgepackt.
Du hast doch für alles gesorgt! sagte Giovanni, indem er die Sachen überflog und ihn küsste. – Hier sind eine Menge Röhren, die wir noch wohl brauchen werden, hier Stricke, da Farbentöpfe, hier Pinsel, Nägel, Schrauben, Zangen, Hämmer, hier Gelenke und Rollen mit Zugschnüren und so weiter, kurz es fehlt an nichts! Nun aber lass mich das Terrain betrachten! – Jetzt bei Nacht? – Ja freilich, meine Vorstellung ist für den Abend berechnet! – So gingen sie mit ein paar Fackeln in die geräumige Kluft, worin die Fässer lagen. Das Terrain ist herrlich, und schon sind fast zu viel Fässer da! Glaubt mir, alles wird sich machen! Don Strintillo muss hierher erst von Grancos Feste kommen und ein kleines Hiebchen haben, dann wird alles gehen, wie es soll! Nun zu Bett, morgen ist wieder ein Tag, ich bin matt und müde und muss etwas ruhen. Ich zieh die Kleider nicht aus, denn morgen muss es früh wieder losgehen. – Legt Euch nicht zu Giovanni, sagte Ciccio, sonst erwürgt er Euch die Nacht vor Freude. – Er hat sein Zimmer besonders, sagte Giovanni, sonst würde ich nicht aufhören, mit ihm zu plaudern. – Alle gingen fröhlich auseinander, fanden sich am anderen Morgen zeitig wieder ein und arbeiteten nun Tag und Nacht mit Sacchettis Leuten und unter seiner Leitung so emsig, als gelte es einen geschwollenen Strom abzuwehren oder ein Feuer zu löschen. Das schönste Wetter begünstigte sie und sie waren fertig, ehe sie sich dessen versahen, schon vor dem bestimmten Tage und konnten nun alle gemächlich ruhen und sich am Tage selbst ganz ihren Launen überlassen. – Don Ciccio hatte seine Einkäufe vortrefflich ausgeführt, gute Köche gedungen und alles war bereit, um gemächlich bei der Hand zu sein.
In denselben Tagen ging es bei Don Granco ebenso emsig, aber nicht ganz so fröhlich her, denn da wusste sich niemand ordentlich Rat in irgendeiner Sache. Zwar hatte der Mann das Knausern mit Geld aufgegeben, sein Kopf aber knauserte fort mit Gedanken. Zuletzt gedachte er nur daran, wie es zu machen wäre, dass es schiene, als wenn recht viel dabei aufginge. Er schickte weit umher nach berühmten Fressern und Säufern, auf deren Kunst man Wetten machen sollte, und ließ viel falsches Blattgold holen, um damit alles zu vergolden; weil er, kindischerweise, in dieses Gefunkel alle Schönheit setzte. Immer war ihm bange, dass Giovanni ihn übertreffen könnte, und er schickte aus Neugier bald diesen, bald jenen Boten, um Giovanni etwas abzusehen. Aber die Boten kamen nur mit Lügen wieder, da sie von ausgestellten Wachen abgehalten wurden und jene Kluft so glücklich mitten in Giovannis Garten lag, dass man von anderwärts her nicht hineinsehen konnte. Granco wollte vor Neugier sterben; denn er selbst getraute sich wegen des Charivaris nicht wieder hin. Aber als nun der Nachmittag erschien, an welchem das Fest stattfinden sollte, und alles schön vergoldet war, bildete sich Don Granco dennoch ein, bei ihm sei alles unübertrefflich, machte sich auf, geputzt wie ein Osterei, holte Don Strintillo und den Richter des Orts ab und sprach, indem er beide mit stolzem Behagen bei seinen zahlreichen Gästen, die mehrenteils von fern gekommen, einführte: Hier, meine Herren, ist der ehrenwerte Richter von Gragnano, Herr Don Orzo, und hier mein künftiger Schwiegervater, und hier, zu Strintillo gewendet, ist meine Hochzeit! – Halt! halt! Herr Granco, meinte Strintillo, bis jetzt sagt nur "euer Fest" und "Herr Strintillo"; ob Ihr "Hochzeit" und "Schwiegervater" sagen dürft, das wird sich nachher zeigen. Jetzt sehen wir uns um, wie es bei Euch aussieht. Herr Don Orzo, der Richter, wird mir beistehen, um alles wohl zu betrachten. – Von Herzen gern, meinte Don Orzo, und beide gingen, ihre Stockknöpfe bedeutsam an die Unterlippen haltend, umher, zu sehen, was es daselbst alles gebe. Was ihnen zuerst auffiel, waren zwei ungeheuer lange Tafeln, die unter der Last von Speisen fast zusammenbrachen; aber fast kein Gericht war da, welches nicht wenigstens am Rand oder in der Mitte vergoldet gewesen wäre! Ja, etwas, worauf sich Granco am meisten einbildete, war eine vergoldete Laube mit einer Bank. Auf letztere mussten sich die beiden Herren setzen. Die Laube selbst glich mehr einem Käfig, so klein hatte sie Granco machen lassen, um sie ohne zu große Unkosten über und über vergolden lassen zu können; hie und da hatte sie sein Diener mit ebenfalls ganz vergoldeten Würsten und langen Käsen und Kürbissen so behangen, dass sie ziemlich unbequem war, und Strintillo rief: Hier ist ja ein völliger Weihnachtsmarkt! – Wer kauft Wurst, wer kauft Käse? rief scherzend der Richter. – Nun, meine Herren, werdet ihr etwas sehen, was ihr euer Lebtag nicht gesehen habt! sagte Granco und lud auch die übrigen Gäste ein, sich dort umher auf Bänken und Stühlen niederzulassen. Sein Knecht Cetrullo ging mit vergoldeten Flaschen umher und schenkte ein, so viel man wollte, als zwei mit Blumen ausgeschmückte Fässer in die Mitte getragen wurden, an welchen das Gold ebenfalls nicht gespart war. Hierauf wurden zwei Tische gebracht, auf deren jedem ein ganzer gebratener Hammel lag; zu jeder Tonne trat schön geputzt ein berühmter Trinker, zu jedem Tisch, ebenfalls schön geputzt, ein berühmter Esser, alle weither berufen zu diesem Feste. Die Gäste wurden eingeladen, auf diesen oder jenen zu wetten und sich an ihren Bemühungen zu vergnügen! So lächerlich diese Art der Unterhaltung den Gästen anfänglich erschien, so langweilig wurde sie ihnen in kurzer Zeit, und Don Strintillo und der Richter stiegen aus ihrem Käfig heraus, wobei ihnen die goldenen Würste um die Ohren schlugen, und zogen es vor, umherzugehen und zu sehen, was es noch weiter gebe; aber – mit Verwunderung bemerkten sie, dass Grancos Phantasie eben nur bis soweit gereicht hatte! – Nicht wahr, sagte er zu ihnen tretend, die Leute essen recht manierlich, man bekommt selbst Appetit! Da! kostet von diesem Huhn! Hier ist ein Gläschen Wein, wollt ihr Likör? hier ist welcher von Bari. Den Käse müsst ihr versuchen – blast das Gold herunter, es könnte euch schaden! Hier ist wieder ein Weinchen, das seinesgleichen sucht! Da ist Wildschwein; hier stehen Puten; seht wie alles funkelt! Junge Lämmer mit Zwiebeln scheinen mir auch nicht übel! Nun, Don Strintillo, wie seid Ihr zufrieden mit meinem Fest?
Ich sage gar nichts, sagte Strintillo und trank vergnügt ein Glas Wein von einer Sorte, die er überaus liebte.
Wie schmeckt Euch der Wein?
Vortrefflich!
Nun, das ist mir lieb, so will ich Euch eine Tonne voll einschenken! –
Damit ergriff er ein ungeheures Glas, welches die Form einer Tonne hatte, und reichte es Don Strintillo, welcher sich damit behaglich in ein Winkelchen setzte und es sich schmecken ließ, der Richter empfing ein Gleiches und setzte sich zu ihm. Granco trug ihnen mit emsiger Hast Zwiebäckchen und allerlei Süßigkeiten zu, war so vergnügt wie ein Maikätzchen, sprang hin und her und flüsterte bald diesem, bald jenem Gast ins Ohr: Glaubt mir, die Braut ist mein: seht mein Schwiegerväterchen, wie es dasitzt und sich gütlich tut! Dann rief er wieder laut: Meine Herren und Frauen, die berühmten Esser und Trinker hier und Don Strintillo gehen euch mit gutem Beispiel voran; esst und trinkt, hier ist alles vollauf! Schäme sich niemand! hier muss es drunter und drüber gehen! – Musikanten, spielt auf!
Da setzten sich zween Dudelsackpfeifer und ein Knabe mit einer Violine in Bewegung und machten eine Musik wie das Meer, wenn es rast! Mancher Gast hielt sich die Ohren zu; aber Granco rief lachend: Ja! nicht wahr, die Kerls spielen stark? Dafür haben sie heut aber auch sattgegessen und getrunken!
In dieser Art war das Fest Grancos bestellt, welches selbst dem guten Don Strintillo langweilig vorgekommen wäre, wenn ihn nicht das Glas in Gestalt eines Tönnchens und die angenehme Gesellschaft Don Orzos getröstet hätte. So ward er mehr und mehr zufrieden und sagte zuletzt zu allem ja, ja! so dass sich Granco vor Freude gar nicht mehr zu lassen wusste.
Darüber ward es dunkel; ein Esser war schon mit seinem Hammel, ein Trinker schon mit seiner Tonne fertig. Wetten waren gewonnen und verloren. Da wusste Don Granco weiter nichts mehr als: Setzen wir uns nun an die Tafel, meine werten Herren und Frauen, alles ist bereit. Auch diesmal hätte Don Strintillo wieder ja, ja! gesagt; aber der Richter erinnerte ihn, dass er, wenn er gerecht sein wolle, das andere Fest ebenfalls in Augenschein nehmen müsse. Ja, ja! sagte Don Strintillo. – Da gehe ich mit, sagte Granco, ich bin selbst neugierig, was Giovanni angerichtet hat? – So gingen sie aus dem Garten nach Giovannis Hofe. Giovanni kam ihnen entgegen und lud Orzo und Strintillo freundlich ein, willigte jedoch in Grancos Gegenwart nur unter der Bedingung, dass er schweige, ja es ward der Trumpf darauf gesetzt, dass er, wenn er den mindesten Laut von sich gebe, die Braut verloren haben solle. Don Granco war dies zufrieden und gelobte in die Hand des Richters, zu schweigen, mit Worten wie mit Zeichen. – Giovanni bat auch den Richter, anfangs kein Wort zu Strintillo zu reden, sondern ihm stumm zu folgen; denn so verlange es die Haupteinrichtung seines Festes, bis sie zu den eigentlichen Gästen kämen. Sonderbar! sagte der Richter, sonderbar! Strintillo und hm, hm! Don Granco. Da winkte ihm der Richter, dass er schwiege. Hierauf ging Strintillo mit Giovanni voran, hinter ihnen der Richter mit Granco. So kamen sie in den Garten, wo sie am Eingang jener Kluft eine Tür fanden mit der flammenden Inschrift darüber: Tor von Strintillos Traume. – Tor von Strintillos Traume? was bedeutet das? fragte Strintillo. – Geht hindurch und sehet selbst zu, Herr Strintillo, sagte Giovanni; folgt ihm, meine Herren, und sprecht kein Wort zu ihm.
Hiermit verließ Giovanni die Herren, welche Strintillon lange Zeit durch einen dunkeln Gang nachtappten, während sich das laute Schreien einer Gans vernehmen ließ. Strintillo sprach beständig mit sich: Still, ich höre die Gans aus meinem Traume! . . . Strintillos Traum? was soll das bedeuten? – O, o, o! nun wird es heller! Was ist das hier? . . . Hier ist ja meine Weinlaube mit den großen Trauben! Oh! wie viel ihrer sind, wie sie wachsen, wie sie groß werden! und da kommt Don Ciccio, richtig, es ist mein Traum wie er leibt und lebt! – Ja, und hier bin ich, sagte Ciccio, um Euch wieder zum Bräutigam zu führen, seht, wie die Trauben wachsen! Machen wir, dass wir weitergehen; sie kommen von allen Seiten, wir können sonst nicht mehr hindurch! – Strintillo blieb immer erstaunt stehen: Nein, das ist ganz mein Traum, mein Traum! – Auch Granco und selbst der Richter wurden von den sonderbaren Dingen sehr in Verwunderung gesetzt und begriffen nicht, wie alles zuging. Granco aber fing an, für sein Glück bange zu werden. – Was sind das für Bretter hier am Boden? – fragte Strintillo Ciccion. – Mit diesen Brettern sind heute die Goldstücke, in die Ihr neulich versunken seid, bedeckt worden, damit man besser gehen könne; da seht, hier leuchten welche durch die Ritzen. Ich will Euch ein paar aufheben. – Damit scharrte er einige Goldstücke aus den Ritzen und gab sie Strintillo, der sie verwundert betrachtete. Wahrhaftig, pure Goldstücke! Mein Traum, mein Traum! – Nun hätte Granco vor Wut alles zerreißen mögen; aber er fürchtete sich, nur einen Finger zu bewegen, weil er die Braut dann ganz verloren glaubte. So traten sie in einen Keller, der ganz voll Weinfässer war; Ciccio zapfte eines an und gab den Herren zu kosten; man bot auch Granco an, aber so gern er getrunken hätte, er stand wie eine steinerne Säule und gab kein Zeichen von sich, weil er sich beständig irgendeiner Falschheit vermutend war. Strintillo fand den Wein vortrefflich. Nun gingen sie eine lange Weile zwischen lauter Fässern, welche nach Sacchettis Angabe so künstlich gestellt waren, dass sie ein Labyrinth bildeten. welches Ciccio mit einer schwachen Kerze immer anders und anders anleuchtete, so dass alle, selbst der Richter, getäuscht wurden, umso mehr, weil Sacchetti unbemerkt nachschlich und in Eil' immer mit Kreide das Datum an den Fässern veränderte. Als Granco nun kein Ende und immer anderes Datum sah, ging es ihm über den Spaß, und er dachte bei sich: Hier hat der Teufel sein Spiel; solch einen langen Keller hab ich mein Lebtag nicht gesehen! – Wie aber ward ihm zu Mute, als sie auf den freien Platz kamen und hinter einem Zaun von Dornen die lustigen Gäste um die Käsetische, die Springbrunnen von Wein, den Bratofen mit Ochsen, die Teiche mit gebackenen Fischen, den Hof mit dem gebratenen Geflügel, die Makkaronibäume und alles sahen, wie Strintillo es geträumt hatte. Ciccio reichte den Herren zum Beweis von allem einzelnen zu kosten. Da hätte Granco innerlich bersten mögen vor Ärger; aber noch hielt er sich tapfer. Endlich kamen sie um eine Ecke, als ihnen eine helle Sonne in Brillantfeuer entgegenleuchtete und Giovanni, Angioline an der Hand, Strintillo entgegentrat und um seinen Segen bat. Hinter ihnen die Muhme und eine Anzahl Gäste. Strintillo war vor Staunen außer sich: Mein Traum, mein Traum! rief er einmal über das andere und wollte eben die Hand Giovannis in die seiner Tochter legen, da konnte sich Granco nicht mehr halten und schrie: Don Strintillo, Don Strintillo! haltet ein! Hier geht es mit dem Teufel zu! Gebt Giovanni Euer Kind nicht, sonst nimmt er sie mit in die ewigen Flammen!
Da ward Strintillo einen Augenblick stutzig und ließ die Hände wieder sinken, sah in die Höhe und schien sehr ernsthaft nachzudenken. Aber was ist das da oben? rief er auf einmal erstaunt aus. – Alle folgten seinem Blick und erstaunten wie er, denn von wunderbarem Licht umstrahlt, schien eine weiße Gestalt über einem Felsen gleichsam emporzuschweben. Alles war totenstill und die Gestalt rief: Giovanni, empfange diesen Schatz mit dem Segen des Himmels! – Die Gestalt verschwand, und man sah auf dem Felsen etwas Glänzendes schimmern. Giovanni eilte hinauf und brachte nicht ohne Mühe einen Kasten herab, welcher kostbar gearbeitet und im Verhältnis zu seiner Größe über alle Maßen schwer war. – Seht selbst, sagte Giovanni, ob ich neulich gelogen? und alles drängte sich um den Kasten; er ward auf einen Tisch gehoben und dem Richter übergeben, ihn zu öffnen.
Das geht alles mit dem Teufel zu! sagte Granco. – Versündige dich nicht, sagte Strintillo. Wie könnte der Teufel den Segen des Himmels geben? Schweige und lass uns sehen, was in dem Kasten ist. – Derselbe war nicht so leicht zu öffnen, weil das Schlüsselloch künstlich verborgen war, und der Richter hielt eben nachdenklich die Hand an den Mund, als sich durch das fröhliche Gedränge ein Mann in rauen Kleidern hindurcharbeitete. Es war – jener von Checco geprellte Waldbruder.
Herr Don Orzo, begann er atemlos, ich habe Euch wichtige Dinge zu sagen, die nicht aufgeschoben werden können; hört mich armen Mann und dann richtet! –
Alles war mäuschenstill.
Rede, sprach Don Orzo.
Diesen Morgen, fuhr der Eremit fort, diesen Morgen erfuhr ich von einem Pilger, der zu mir kam, dass hier in Gragnano ein Engel mit einem Goldregen erschienen sei und diesen Abend wiedererscheinen wolle.
Ja, eben war er da! riefen alle.
Das habe ich eben gehört, sagte der Eremit, und ich komme nun, über den Engel zu berichten!
Aha! rief Don Granco, nun werden wir etwas hören!
Still! rief der Richter.
Auch ich habe Engelserscheinungen gehabt, sprach der Eremit, obwohl sie mich nicht so glücklich machten, als den Bräutigam hier!
Nun erzählt, erzählt! riefen alle.
Fünf Nächte sind vergangen, seit ich einsam in meiner friedlichen Hütte schlief; da ward ich plötzlich von einer traurigen Musik erweckt, die Tür tat sich wie von selbst auf, ein Licht verbreitete sich in meiner Zelle, und, brennende Kerzen in der Hand, traten drei Jünglinge herein, die mir Engel schienen, weil sie Flügel hatten! Hier schwieg der Eremit und weinte.
Nun, und was taten die Engel?
Sie stellten sich um mich her und sangen ein Lied, und war ich erst erschrocken, so war ich es jetzt noch mehr; denn sie sangen, als ob mein Ende nahe wäre und ich das Irdische verlassen müsste! Da rieselte es mir eiskalt durch alle Glieder, und ich tappte an mir herum, ob ich noch im Leibe wäre? – Vielleicht hätte ich mich noch wiederum gefasst; aber nun erschien an der Tür ein rauer schwarzer Dämon mit grässlichen feurigen Augen und rief: Bist du reif, alter Geizhals? Damit reckte er die Krallen nach mir aus und wollte mich fassen; aber die Engel wehrten ihm und fragten ihn: Was willst du, Drache? – Des Schatzgräbers Seele will ich! brüllte der Raue. Aber der eine Engel hatte ein Rauchfass und schwang es vor ihm und sprach: Der Schatz, den er gefunden, ist ein heiliger Schatz und rettet seine Seele. Hebe dich weg, Satanas! – Aber Satanas wollte nicht weichen und zählte alle meine Sünden her und forderte meine Seele. Da hatte der andere Engel ein blitzendes Schwert und trieb ihn damit hinweg, dass ich ihn nicht mehr sah; aber der dritte sprach zu mir: Sei getrost, deiner Sünden sind viel, aber sie sind dir vergeben um des Schatzes willen, der ein heiliger Schatz ist; zeuch ihn hervor und folge uns damit ins Paradies, so wird Satan dich nimmer erlangen! – Da ward ich etwas getroster, doch zitterte ich noch immer und nahm weinend einen Hebel und hub den Stein empor, der die Schätze barg, die ich unlängst gefunden, einen neben dem anderen. Als ich sie mit großer Mühe vorgezogen, sagte der Engel mit dem Rauchfasse, indem er es über mich schwang: Wohl dir, dass du gehorcht! Aber wirf dich nieder auf dein Angesicht und bete. Stirb ab der niederen Welt, so ist der Himmel dein!
Ich tat es, und der dritte Engel warf ein schwarzes Tuch über mich, unter dem lag ich wie eine Nonne, die eingekleidet wird, und die Engel sangen wieder ein Lied, wovon ich wenig verstand, weil ich unter dem Tuche lag. Auch wurde der Gesang immer schwächer und schwächer und schien sich zu entfernen, bis er endlich gar aufhörte. Ich aber zitterte noch immer unter der Decke und wagte nicht, sie emporzuheben und aufzustehen, denn ich war noch immer der Meinung, ich solle wirklich ins himmlische Paradies gehen. Mehr als zwei Stunden blieb ich liegen und wagte kaum zu atmen. Endlich hörte ich Gesang von Vögeln und vernahm Tritte, die mir nahe kamen; bald darauf ward mein Tuch aufgehoben und ein heller Glanz schien mir in die Augen. Ich meinte den Glanz des Paradieses zu schauen und die Engel; aber – der Tag war angebrochen und Tommaso der Ziegenhirt stand vor mir mit einer Kumme Milch, und die Engel – kamen nicht wieder! –
Als der Eremit hier herzlich seufzend innehielt, brach die ganze Versammlung in ein lautes Gelächter aus: Vor ihm stand Tommaso der Ziegenhirt mit einer Kumme Milch, und die Engel kamen nicht wieder!
Und der Schatz war weg! jammerte der Eremit darein und zerraufte sich und zerschlug sich. Da nahm das Gelächter immer mehr überhand, bis der Richter Schweigen gebot und zum Eremiten sprach: Verzeiht, wenn ich mit lache, aber es ist sonderbar, einen Mann, der sich in die Waldeinöde zurückgezogen, in solcher Art um irdische Geschöpfe jammern zu hören.
Lacht wie Ihr wollt; aber hört mich weiter, sagte der Eremit, und schützt mich den Gesetzen nach gegen Raub und Einbruch! Ich höre, dass der Gragnaner Engel soeben einen Schatz gebracht hat, und wette, dass es einer der meinigen ist. Ich will ihn genau beschreiben: Es ist ein schöngearbeiteter Kasten, mit vielem Messing beschlagen, und geht von unten zu öffnen; inwendig liegt zuoberst ein Pergament, darunter Gold und Juwelen.
Habt Ihr die Schrift davon gelesen?
Nein, lesen kann ich nicht; aber es sind viel Schnörkel darauf, und es hängen gewaltige Siegel daran.
Könnt Ihr den Kasten öffnen?
O ja, sogleich, und hier ist der Schlüssel! Mit Behändigkeit wandte der Eremit den Kasten, öffnete ihn, und der Richter fand alles, wie jener es beschrieben.
Schon wollte der Eremit nach dem Kasten langen und sich den Besitz desselben wieder zueignen, schon wurden Giovanni und Angiolina bleich und Granco froh, als der Richter sagte:
Halt! Erst lasst uns lesen, was hier geschrieben sieht. – Er entfaltete das Pergament und las:
Hiermit sei jedwedem kund und zu wissen, dass ein jeder, welcher diesen Schatz auffindet und denselben den wahren Erben oder Nachkommen des Don Bernardo Carino nicht zukommen lässt, verdammt sein soll bis in alle Ewigkeit, als ein schändlicher Räuber und Entwender fremden Gutes. Er soll krumm werden und lahm und blind bleiben, bis seine Seele hinunterfährt, wo keine Erlösung ist!
Don Orzo hatte noch nicht ausgeredet, als alle riefen: Bernardo Carino? Bernardo Carino? war das nicht dein Urgroßvater, Giovanni, von dem alle Welt sagt, dass er der reichste Mann vor dem Kriege war?
Jawohl, rief Giovanni, und ich kann es gerichtlich beweisen!
Das weiß ich selbst genau, sagte der Richter, ich habe deinen Großvater noch wohlgekannt. Aber Ihr, mein frommer Waldbruder, verlangt Ihr dieses Geld noch samt jenem Fluche des Verstorbenen?
Nein, sagte der Eremit und weinte, dass ihm die Tränen über die Wangen liefen; aber was habe ich nun für das Ausgraben des Schatzes?
Du sollst über meinen Geiz nicht klagen, sagte Giovanni; und wenn dir die Armut so schwer fällt, will ich mit dir teilen!
Bravo, rief der Richter; aber ein Vierteil genügt dem Finder, das andere behalte mit Gottes Segen!
Und hier nimm meine Tochter Angiolina dazu! sprach Don Strintillo und legte ihre Hand in Giovannis.
Aber die Geschichte mit den Engeln ist ja noch nicht im Klaren! rief Granco dazwischen.
Schweigt, Granco, das Reden hilft Euch doch nichts, sagte Strintillo: mein Traum ist erfüllt, um und um und nach allen Seiten und in allen Stücken. Was der Himmel tut, darüber dürfen wir nicht grübeln, die Engel sind gut, die Tochter ist meine Tochter, Giovanni mein Schwiegersohn, ich bin Don Strintillo, und was ich haben will, muss geschehen.