Читать книгу Pferde, Wind und Sonne - Federica de Cesco - Страница 7
ОглавлениеSophie hatte für die lange Reise ein Buch mitgenommen; aber sie kam nicht zum Lesen. Fortwährend gab es draußen etwas zu sehen: Landschaft, Ortschaften, aber auch Menschen. Bis Bern fuhr Sophie mit einer Frau, die sich in Kreuzworträtseln vertiefte, und mit zwei bärtigen Holländern, die schmutzige Jeans trugen und schwer beladene Rucksäcke schleppten. In Bern stieg ein älterer Mann zu, der bald mit offenem Mund einschlief. Eine Fliege schwirrte um sein Gesicht. Sophie wartete gespannt auf den Augenblick, in dem er sich an der Fliege verschlucken würde. Aber als der Zug in Fribourg einfuhr, erwachte der Mann, und die Fliege verschwand. Nun fuhr der Zug durch Weinberge weiter. Der Genfer See strahlte blau wie der Himmel, die hohen hellen Häuser von Lausanne flogen vorüber, große Parks mit Zedern und exotischen Bäumen vor Genf, und schon war die Grenze erreicht. Ein kurzer Aufenthalt wegen der Grenzkontrolle und schon ging die Fahrt weiter. Jetzt war sie in Frankreich!
Kurz vor Mittag gelangte der Zug nach Lyon. Die Stadt kam Sophie groß vor. Auf dem Bahnsteig wimmelte es von Menschen, die sich mitsamt ihrem Gepäck drängelten und schubsten. Der Zug wurde überfüllt. Sophie saß eingezwängt zwischen dem Fenster und einer dicken, stark parfümierten Frau, die sie dauernd mit dem Ellbogen in die Seite stieß. Ihr gegenüber saß ein ungefähr gleichaltriges Mädchen und hielt einen Katzenkorb offen auf dem Schoß. Sophie sah die Augen der Katze gelb leuchten. Jedes Mal, wenn das Tier miauend klagte, streichelte es das Mädchen.
Sophie verschlang die beiden belegten Brote und den Apfel. Die Orange sparte sie auf. Es war heiß. Sophie kämpfte gegen den Schlaf, betrachtete das blaugraue Band der Rhône, die zwischen niedrigen Dämmen dahinfloss. Sie sah Weinberge, Getreidefelder, Zypressen. Es war eine friedliche, aber eintönige Landschaft, wo nichts Besonderes ins Auge fiel. Sophie renkte sich vor Gähnen fast die Kinnlade aus. Sie war ja heute auch in aller Frühe aufgestanden. Der Anblick dunkler Festungswälle und massiver Türme, die ins Licht aufragten, riss sie aus ihrer Stumpfheit. Das musste Avignon sein!
Sie stand rasch auf, stieß an Ellbogen und Knie von irgendjemand. Ihr Rucksack prallte unsanft mit einem Schädel zusammen. Sophie stotterte eine Entschuldigung.
Uff! Endlich stand sie auf dem Bahnsteig! Im Gegensatz zu dem Gedränge in Lyon machte der Bahnhof in Avignon einen eher verlassenen Eindruck. Der Zug nach Arles wartete bereits. Sophie fand ein fast leeres Abteil. Das wäre geschafft!, dachte sie und machte es sich bequem. Im Abteil saß nur ein alter Mann, der in ein großes Taschentuch hustete. Er schien erkältet zu sein.
Der Zug fuhr mit halbstündiger Verspätung ab. Obwohl es schon Nachmittag war, stand die Sonne immer noch hoch. Der Himmel war matt, verstaubte Zypressen standen aufgereiht in der grauen Ebene; nirgends war Schatten. Sophie hatte Durst. Sie aß die Orange. Die Augen fielen ihr zu. Sie nickte ein, fuhr aber plötzlich hoch, als der Zug verlangsamte. Sie sah weiße Häuser und eine Platanenallee.
»Entschuldigen Sie, wo sind wir?«, fragte sie noch halb verschlafen den Alten.
»In Arles!«, röchelte dieser hinter seinem Taschentuch. Es blieb ihr gerade noch Zeit, die Orangenschalen verschwinden zu lassen und den Rucksack aufzuladen. Schon hielt der Zug! Schläfrig benommen, blinzelte Sophie auf den heißen Bahnsteig und suchte den Ausgang.
»Sophie!« Die Stimme ließ sie herumfahren. Ihr Rucksack schlug einem Mann ins Gesicht, der sich fluchend mit der Hand über das Gesicht fuhr.
»Was bin ich ungeschickt mit meinem Gepäck!«, stieß Sophie hervor und streckte Mireille die Hand entgegen, »aber das macht wohl die Hitze!«
Mireille hatte sich nicht verändert, war nur noch dünner und sonnenverbrannter. Sie trug Jeans, ein weites Hemd mit aufgekrempelten Ärmeln und die üblichen Leinenschuhe.
»Wie war die Reise?«
»Ich bin eingedöst und wäre fast weitergefahren«, stammelte Sophie.
»Zugfahren schläfert ein«, bestätigte Mireille. »Einmal, als Alain nach Nizza zu Papa fuhr, wachte er erst eine Stunde später an der italienischen Grenze wieder auf!« Sie grinste. »Aber sag ihm nicht, dass ich es dir erzählt habe, das wurmt ihn heute noch!«
»Ist Alain nicht da?«
Mireille schüttelte den Kopf. »Der ist schon seit einer Woche bei Tante Justine. Inzwischen hatte ich meine Ruhe! Er ist nämlich echt anstrengend!«, fügte sie hinzu. Sie streckte die Hand nach dem Rucksack aus.
»Komm, ich helfe dir.«
»Nicht nötig, der ist ganz leicht«, log Sophie.
»Wir nehmen den Bus.« Vor dem Ausgang packte sie plötzlich Sophies Arm. »Schnell! Da kommt er schon!« Der stark besetzte Bus hielt gerade gegenüber. Mireille benutzte die Ellbogen, um Sophie auf einen der wenigen freien Plätze zu stoßen. Sophie klemmte den Rucksack zwischen die Knie. Mit einem Ruck fuhr der Bus an, eine Wolke Abgase ausstoßend.
»Arles stinkt im Sommer. Man sollte alle Motorfahrzeuge verbieten«, erklärte Mireille und hielt sich die Nase zu.
Sophie schmunzelte. Mireille ließ sich nie eine Gelegenheit entgehen, gegen eine Luftverschmutzung zu wettern. »Und wie soll man sich dann fortbewegen? Zu Fuß?«
»Zum Beispiel. Oder zu Pferd oder in einem Pferdewagen. Das ist nur eine Sache der Gewohnheit. Die Energiekrise haben wir ja schon. In zwanzig Jahren wird Europa nur noch ein schöner, großer Autofriedhof sein!«
Sophie betrachtete die beschatteten Straßen, die von Geschäften und überfüllten Kaffeehäusern gesäumt waren. Mireille hatte recht: Arles erstickte an seinem Verkehr. Die Abgase, die die Hitze noch drückender machten, hüllten Straßen und Plätze ein. Aber war das nicht in allen Städten der Fall?
Der Bus fuhr durch den breiten Boulevard des Lices und bog dann ab. Mireille zeigte auf eine hochragende, grauschwarze Mauer, die eine abschüssige Gasse abzuriegeln schien.
»Das ist die Arena«, erklärte sie, »sie soll zu Beginn des zweiten Jahrhunderts nach Christus erbaut worden sein. Dort finden sonntags die Wettkämpfe um die Kokarde statt.«
»Was heißt das?«
»Das sind Stierkämpfe. Die Teilnehmer, die so genannten razeteurs, müssen eine Kokarde ergattern, die der Stier zwischen den Hörner trägt. Es gehört viel Mut und Geschicklichkeit dazu, um den wütenden Angriffen der Stiere zu entgehen.«
»Und der Stier wird dann getötet?«
»Gott behüte, nein!« Mireille schüttelte empört den Kopf. »Der Stierkampf in der Camargue ist weder eine Corrida noch ein Rodeo, sondern ein Wettkampf, bei dem das Tier auch eine Chance hat.«
»So einen Stierkampf würde ich gern einmal sehen«, sagte Sophie.
»Nichts leichter als das. Tante Justine hat zwei Stiere, die nächsten Sonntag in Aigues-Mortes kämpfen werden. Komm, hier müssen wir aussteigen!«
Sie bahnten sich einen Weg zum Ausgang. Dann überquerten sie eine von Autos und Motorrädern vollgestopfte Straße und gelangten schließlich auf einen von großen Bäumen beschatteten Platz. Ein tumultartiges Gezwitscher tönte aus dem Laub der Bäume; es musste sich eine ungeheure Zahl von Vögeln darin niedergelassen haben. Rings um den Platz standen Restaurants, Kaffeehäuser und Geschäfte.
»Dort ist unsere Boutique«, sagte Mireille stolz.
Im Schaufenster, auf das sie wies, sah Sophie lange Volantröcke, Leder- und Korbwaren, einige handgestrickte Pullover in leuchtenden Farben und eine Anzahl jener kleinen Statuen aus Ton, in bunte Trachten gekleidet, die in Südfrankreich als Krippenfiguren aufgestellt werden.
»Nicht schlecht«, sagte Sophie.
»Du hast ja noch gar nichts gesehen!« Mireille stieß die Tür auf. Ein Glockenspiel ertönte.
In dem nach Lavendel duftenden Halbdunkel sah Sophie große, flaumweiche Wolldecken, bunte Baumwollstoffe, bestickte Leinwandtaschen, handgehäkelte, breite Schultertücher. Auf einem Gestell reihten sich zierlich geformte Gläser und bizarre Muschelkästchen. Hinter dem Ladentisch, auf dem Säckchen mit duftendem Lavendel lagen, stand eine groß gewachsene Frau mit tiefbrauner Haut und dichten schwarzen Haaren, die im Nacken zu einem Knoten geschlungen waren. Sie trug Jeans und eine Bluse aus türkisfarbener Seide.
»Mama, das ist Sophie«, sagte Mireille und schob ihre Freundin vorwärts.
Frau Colomb kam hinter dem Ladentisch hervor, umarmte Sophie und gab ihr einen Kuss, worüber diese verlegen errötete.
»Ich freue mich, dich kennenzulernen! Mireille hat mir viel von dir erzählt!«, sagte sie mit herzlicher Stimme. »Du wirst nach der langen Fahrt gewiss todmüde sein! Geht schnell hinauf, Finette wird euch Kaffee machen.«
Finette war Mireilles Großmutter; das wusste Sophie aus den Erzählungen ihrer Freundin. Sie folgte Mireille, die eine dunkle, enge Treppe hinaufpolterte. Ein Flur führte zur Wohnung im ersten Stock. Sophie wurde in ein großes Zimmer geführt. Die Fensterläden waren wegen der Hitze geschlossen. Schwere, alte Möbel standen im Raum. An der Decke hing ein großer Leuchter. Es roch ein wenig modrig, nach Bohnerwachs und Äpfeln.
»Das Haus ist über hundert Jahre alt und ziemlich verwohnt«, bemerkte Mireille. Als sie »Finette!« rief, wurde eine Tür geöffnet, und es erschien eine ganz in Schwarz gekleidete, kleine, alte Frau. Eine Silberbrosche hielt das Schultertuch vorn auf ihrer Brust zusammen. Ihr runzliges Gesicht drückte verschmitzte Güte aus. »Du bist ein unmögliches Kind, Mireille. Da lässt du deine Freundin mit dem schweren Rucksack stehen! Komm, lass dir helfen.« Mit unerwarteter Kraft half sie Sophie, den Rucksack abzunehmen.
»Vielen Dank, Madame«, sagte Sophie unsicher.
»Ich heiße Finette«, wurde sie von der Großmutter belehrt.
»Und ich rate dir, sie ja nicht ›Großmutter‹ zu nennen«, fiel Mireille ein. »Da wird sie böse.«
»Jeder hat so seine Eigenarten, und ich habe meine«, sagte die Großmutter, packte Sophies Rucksack mit einem einzigen Ruck am Riemen und stellte ihn an die Wand. »Anstatt dummes Zeug zu reden, solltest du deiner Freundin lieber das Badezimmer zeigen. Sie muss sicher Pipi machen und sich das Gesicht waschen.«
»Komm mit!«, rief Mireille lachend und zog Sophie hinter sich her. »Erschrick nicht, es kollert in den Rohren, und das ganze Haus dröhnt, wenn du die Kette ziehst.«
Als Sophie ins Wohnzimmer zurückkehrte, standen auf dem Tisch zwei winzige Tassen mit schwarzem Kaffee, eine Zuckerdose und ein Teller mit überzuckertem Mandelgebäck.
»Versuch es mal«, forderte Mireille sie auf.
Sophie nahm davon. Das Gebäck schmolz ihr auf der Zunge. Finette lächelte sie an und verschwand aus dem Zimmer.
»Hat Finette das gebacken?«, fragte Sophie verblüfft. »Was glaubst du denn? Dass sie es beim Konditor kauft?«
Sie tranken den Kaffee und leerten den Teller mit dem Mandelgebäck. Dann zeigte Mireille Sophie ihr Zimmer. Es war viel höher und geräumiger als ihr Zimmer zu Hause, ging aber auf eine Geschäftsstraße hinaus, von der lautes Geräusch, Stimmen und Schritte heraufdrangen. Mireille beugte sich hinaus und schloss die Fensterläden.
»Tagsüber ist es hier so laut, dass ich im Wohnzimmer arbeiten muss«, sagte sie. »Aber nachts ist es still wie in einem Kloster.« Ein Spiegelschrank aus schwerem Eichenholz stand neben einem ungewöhnlich schmalen altertümlichen Bett.
»Das war Finettes Bett, als sie noch jung war«, sagte Mireille. »Ich bekam es von ihr zu meinem zehnten Geburtstag geschenkt. Du schläfst heute Nacht hier.« Sie klopfte auf ein Sofa, das Finette – oder jemand anders – mit frischen, nach Lavendel duftenden Leintüchern bezogen hatte. »Deinen Rucksack brauchst du gar nicht auszupacken. Mutter bringt uns morgen zum ›Mas‹.«
»So etwas, fast hätte ich’s vergessen!« Sophie schlug sich an die Stirn. »Ich hab versprochen, zu Hause anzurufen, um zu sagen, dass ich gut angekommen bin.«
»Das machen wir unten im Laden«, antwortete Mireille. »Mutter wird die Vorwahl für dich heraussuchen.«
Erst nachdem die letzte Pflicht erledigt war, fühlte sich Sophie wirklich in den Ferien!
Die Zeit bis zum Abend verging wie im Fluge: Die beiden hatten sich so viel zu erzählen, dass sie gar nicht merkten, wie spät es inzwischen geworden war.
»Habt ihr denn gar keinen Hunger?«, fragte Frau Colomb erstaunt, als sie nach Ladenschluss heraufkam. »Es wird langsam Zeit fürs Abendessen. Wie ich Finette kenne, wird sie sich heute Abend mit dem Kochen übertroffen haben!« Sie deckte flink den Tisch. Teller und Besteck kamen auf eine gestickte Tischdecke. Als alles bereit war, tauchte Finette mit rotem Kopf und zufriedener Miene aus der Küche auf; sie trug mit beiden Händen eine riesige Suppenschüssel herein.
»Nach so einer langen Reise muss man sich stärken«, sagte sie und füllte energisch Sophies Teller, die bei dieser Portion an ihre zu engen Jeans denken musste. Der herrlich duftenden Fischsuppe folgte ein üppiger Ei-Käse-Salat mit Nüssen, dann geschmorte Fische und ein Brathähnchen mit Oliven und verschiedene Gemüse. Nachdem Sophie zum Schluss noch eine köstliche Schokoladencreme mit Schlagsahne zu sich genommen hatte, war ihr zumute, als könnte sie nicht einmal den kleinen Finger mehr bewegen. Ihr Magen schien prall gefüllt, und sie musste heimlich zwei Knöpfe ihrer Hose öffnen.
Frau Colomb wollte am nächsten Morgen frühzeitig aufbrechen. »Ich muss auf der Rückfahrt einen Umweg über Nîmes machen, um mit einem Töpfer zu sprechen, und ich möchte vor dem Mittagessen zurück sein.« Sie wandte sich an Sophie, die ein Gähnen zu unterdrücken versuchte: »Kaffee?«
Verlegen schüttelte Sophie den Kopf, und Finette sagte streng: »Die Kleine fällt ja vor Müdigkeit um. Sie muss jetzt ins Bett, wenn sie morgen schon wieder reisen will. Sie hat ja viel vor. Auch das Reiten ist anstrengend, wenn man es nicht gewöhnt ist.«
»Es sieht aber gar nicht schwer aus«, erwiderte Sophie.
»Das hängt auch vom Pferd ab«, sagte Mireille. »Ich habe dir ja von Etoile erzählt, dem verrückten Hengst meiner Tante.«
»Was ist aus ihm geworden?«, fragte Sophie.
»Immer das Gleiche! Der Witz ist nur, dass Alain jetzt auch spinnt! Er hat es sich in den Kopf gesetzt, Etoile zu reiten. Ist dir klar, was das heißt? Ein Pferd, das keinen Menschen an sich herankommen lässt! Als Alain zu Tante Justine sagte, er wolle Etoile zähmen, lachte sie laut auf. ›Junge‹, sagte sie, ›wenn es dir gelingt, drei Minuten im Sattel zu bleiben, schenke ich dir das Pferd!‹ Das ließ sich Alain natürlich nicht zweimal sagen, und er sauste sofort hinaus, um sein Pferd zu satteln. Seither hat Etoile keine ruhigen Tage mehr«, schloss Mireille lachend.
»Ich würde mich wundern, wenn ihm das Zureiten gelänge«, sagte Frau Colomb. »Alain ist viel zu ungestüm, zu ungeduldig. Bei Pferden kommt man mit sanfter Energie besser ans Ziel. Alain sollte nicht vergessen, dass Etoile einen schweren Schock erlitten hat. Ich glaube kaum, dass sich das jemals wieder einrenken lässt.«
Sophie hatte ihre Müdigkeit vergessen und hörte voller Spannung zu.
»Ich habe immer davon geträumt, die Camargue kennenzulernen!«, warf sie glücklich ein.
Finette wiegte den Kopf. »Die Camargue gehört zu den letzten Paradiesen auf Erden«, sagte sie mit ihrer spröden, aber guten Stimme. »Jedoch wie alle Paradiese ist auch sie zum Untergang verurteilt.«
Sophie starrte sie betreten an. »Zum Untergang verurteilt? Wieso?«
Finette stieß einen leisen Seufzer aus. »Der Mensch verdient das Paradies nicht. Er kann es nur verderben und verwüsten.«
Mireilles Stimme unterbrach das Schweigen. »Lass dich nicht beeindrucken, Sophie! Wir sind’s gewöhnt: Nach dem Essen verfällt Finette mit Vorliebe in düsteres Grübeln.«
»Stimmt!«, erwiderte die Großmutter gleichmütig. Ein spöttischer Funke tanzte in ihren braunen Augen. »Sag, isst du gerne frische Croissants zum Frühstück?«, fragte sie Sophie.
»Du lieber Himmel! Finette, reden Sie bitte jetzt nicht von Essen. Mir ist, als könnte ich ein ganzes Jahr lang nichts mehr essen.«
Nachdem die beiden Mädchen den Tisch abgeräumt und in der Küche, die wie ein Schlachtfeld aussah, Ordnung geschafft und abgewaschen hatten, gingen sie zu Bett. Sie schliefen jedoch nicht gleich, sondern flüsterten und kicherten noch eine Zeit lang miteinander. Mitternacht war längst vorüber, als Sophie erschöpft einschlief.