Читать книгу Anja und das Reitinternat - Auf gut Glück - Feli Fritsch - Страница 7

Wunder Punkt

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Das unangenehme Gespräch, das Phil und ich in jener Nacht geführt hatten, war am Montag bereits wieder vergessen. Ich war überzeugt davon, dass mich meine Müdigkeit die Angelegenheit ganz anders hatte wahrnehmen lassen, sodass ich auf Phils Andeutungen etwas blöd reagiert hatte. Ich wollte keinen Gedanken mehr daran verschwenden, sondern mich lieber unserer neuen Mission widmen: Projekt Phil!

Als ich nach Erdkunde in der achten Stunde nach Hause kam, fand ich Mama in der Küche Waffeln backend. Sie goss gerade eine gute Ladung Teig ins Waffeleisen und schloss das zischende Ding, als sie mich bemerkte.

„Hallo, meine Große. Wie war die Schule?“, fragte sie wie fast jeden Nachmittag, wenn ich nach Hause kam.

„Gut. Nur Herr Paulus hat sich mal wieder mega aufgeregt, weil Erwin und Pia zu spät kamen. Pias Pferd hat nämlich irgendeine Verletzung am Bein. Wusstest du das schon?“ Ich wollte mir eine Waffel vom Gitter klauen, auf dem sie abkühlten, doch Mama hielt meine Hand zurück.

„Erst Hände waschen“, sie deutete aufs Waschbecken. „Ja, Pia war schon bei mir. Deshalb kamen sie zu spät.“

„Paulus geht mir voll auf die Nerven …“, begann ich.

Aber Mama unterbrach mich: „Herr Paulus, Anja!“

„Ja, dann eben Herr Paulus. Der meckert jede Stunde rum. Dem wäre es wohl am liebsten, wenn wir Wirtschaft immer in der ersten hätte, aber dann müsste er feststellen, dass einige verschlafen. Dem kann man es nie recht machen!“

„Ich werde noch mal mit ihm reden, okay? Er muss sich langsam mal damit abfinden, so wie alle anderen Lehrer auch“, fand Mama und ließ mich nach dem Händewaschen endlich eine Waffel klauen. In dem Moment kam Papa in die Küche und auch er wurde von Mama zunächst ans Waschbecken geschickt.

„Anja, am Mittwoch fängt offiziell das L-Training für dich und Sky an. Kannst du abends in die Reithalle kommen?“, wollte Papa von mir wissen und setzte sich an den Esstisch in der Küche.

„Ja, abends geht das.“ Dann fiel mir wieder etwas ein. „Ich wollte eigentlich mit euch über was ganz anderes reden“, ich setzte mich Papa gegenüber an den Tisch und wartete darauf, dass sie mir beide ihre Aufmerksam schenkten.

„Was ist los, Anja? Ist irgendwas passiert?“ Mama stellte vier Teller auf den Tisch und einen Becher Sahne, den sie bereits geschlagen hatte.

„Phil hat keine Lust mehr auf dieses ganze Wochenendding. Und auch mir reicht diese Wochenendbeziehung langsam“, fing ich an.

„Habt ihr euch etwa getrennt?“, fragte Papa erstaunt. „Ich dachte, bei euch läuft es derzeit spitze.“

„Läuft es ja auch. Und nein, wir haben uns nicht getrennt. Und weil es so gut läuft, wollen wir seine Eltern überzeugen, ihn beim Reitinternat anzumelden. Dann kann er mit Baltic hier trainieren und wir müssten uns nicht mehr irgendwelche Wochenenden rausgucken, an denen wir uns treffen und einer sein Pferd stehenlassen muss.“ Ich wartete kurz ab.

„Ja, klingt sinnvoll“, sagte Papa kauend und erntete dabei von Mama einen tadelnden Blick.

„Meine Frage wäre jetzt, ob er da überhaupt eine Chance hat. Also nicht wegen des Überzeugens, sondern wegen der freien Plätze. Kann Phil überhaupt aufs Internat gehen?“ Ich warf erst Mama, dann Papa einen erwartungsvollen Blick zu.

„Der Junge ist ein Ausnahmetalent. Ihn auf dem Internat zu haben, wäre der Jackpot“, sagte Papa sofort, als er Mamas nachdenklichen Blick bemerkte.

„Ich denke nur gerade darüber nach, ob wir deiner Jahrgangsstufe noch Platz haben. Denn er kann ja schlecht ein Jahr höher oder tiefer gehen“, versuchte sich Mama zu verteidigen.

„Wovon redet ihr?“ Cedric tauchte in der Küche auf, wusch sich als einziger freiwillig die Hände und setzte sich auf seinen Platz neben Papa.

„Anja und Philipp überlegen, wie sie seine Eltern vom Reitinternat überzeugen können“, erklärte Papa, während Mama im Kopf nachrechnete.

„Oh, ja, bitte. Dann könnten wir nächstes Jahr zusammen auf die Jugendmeisterschaften fahren“, freute sich Cedric und ich sah ihn erstaunt an.

„Er muss sich erst mal qualifizieren, Cedric“, erinnerte ich ihn.

„Das wäre der Hammer. Unser Internat wäre plötzlich richtig berühmt“, träume Cedric weiter und ich verdrehte die Augen. Dann wandte ich mich an Mama. „Kann er nicht in meine Klasse?“

Während Papa und Cedric sich eindeutige Blicke zuwarfen, seufzte Mama. „Wir sind eine gerade Zahl an Reitern und im zweiten Halbjahr stehen immer noch dieselben Partnergruppen wie im ersten Halbjahr auch“, erwiderte sie dann.

„Na toll.“ Ich war resigniert. „Aber wäre es denn schlimm, wenn er sich irgendwie anders einbringt. Er muss doch bloß eine gleich zu wertende Leistung erbringen, oder?“

„Ach, Anja“, Mama musste lachen. „Es ist total süß, wie du dich für ihn einsetzt. Bis ihr seine Eltern überzeugt habt, habe ich auch sicherlich eine Lösung gefunden.“ Sie lächelte mir mütterlich zu und ich gab mich zufrieden. Wenigstens waren sie alle begeistert von der Idee. Ganz vorne weg natürlich Cedric, der allerdings mit ganz eigenen Neuigkeiten in die Küche gekommen war.

„Ich hätte da auch noch was“, meinte er, als das Thema Phil bereits ein paar Minuten in den Hintergrund gerutscht war.

„Was ist heute bloß für ein Tag?“, sagte Mama. „Cedric, was ist passiert?“

„Ich … ist morgen irgendwas Wichtiges geplant?“ Auf einmal wurde er nervös.

Mama war verwundert. „Nein, nichts.“

„Können wir morgen zusammen zu Mittag essen? Ich … möchte euch gerne jemanden vorstellen“, rückte er dann mit der Wahrheit heraus.

„Was heißt denn das?“, wollte Papa wissen, der sich aus solcher Art Gesprächen eigentlich raushielt.

„Ich möchte euch gerne meine Freundin vorstellen. Marie und ich sind seit drei Wochen zusammen“, Cedric warf Papa einen genervten Blick zu.

„Uhhh, was geht denn jetzt ab? Erst bekommt Amelie von Sebi eine zweite Chance und jetzt du? Wie hast du sie rumgekriegt, dass sie glaubt, du meinst es ernst?“, stichelte ich meinen Bruder.

Der fand das gar nicht lustig. „Ich meine es ernst mit ihr!“

„Nee, ist klar“, ich nickte ihm kein Wort glaubend zu.

„Würde ich sie sonst meiner Familie vorstellen?“ Cedric hatte eine Augenbraue hochgezogen.

„Ich frage dich in acht Wochen noch mal. Mal sehen, ob du das dann immer noch von ihr und dir behauptest“, erwiderte ich.

„Anja, sei nicht so gemein. Vielleicht hat Cedric ja auch endlich gemerkt, dass es sinnvoller ist, sich für eine und nicht für drei zu entscheiden“, tadelte mich Mama und ich hielt lieber den Mund. Auf eine Diskussion hatte ich jetzt auch keine Lust.

„Ist okay. Ich bin gespannt, wie Marie so ist“, sagte ich deshalb entschuldigend.

Cedric nickte. „Du wirst sie mögen“, prophezeite er.

„Du kannst sie morgen gerne mitbringen. Soll ich etwas Bestimmtes kochen?“ Das war wieder typisch Mama. Anderseits konnte ich froh sein, denn sie war es auch gewesen, die Phil vor Cedric in Schutz genommen hatte, als wir ganz frisch zusammen gewesen waren.

Nach der Französischarbeit, die für mich alles andere als blendend gelaufen war, freute ich mich aufs Mittagessen, dass Mama zu Ehren unseres Gastes extra gekocht hatte. Zunächst war mir die Tatsache, dass Cedric sich anscheinend eine feste Freundin gesucht hatte, glatt entfallen. Erst, als ich – laut wie immer – zur Tür hereinkam und nur kurz ein „Hallo, bin auch da“ in die Küche warf, um danach nach oben zu verschwinden, fiel es mir siedend heiß wieder ein.

„Anja? Kommst du zum Essen?“, rief Mama aus der Küche und ich blieb erschrocken stehen.

„Mist“, murmelte ich, als mir einfiel, dass wir ja Besuch hatten. „Bin sofort da. Ich bring nur eben meinen Kram hoch“, sagte ich dann und verschwand schnell die Treppen hoch in den ersten Stock. Dort warf ich meinen Schulrucksack unter den Schreibtisch und wusch mir im Bad die Hände. Dann rannte ich nach unten ins Esszimmer, wo Cedric schon ganz stolz neben Marie stand und ihre Hand hielt. „Da bin ich“, sagte ich.

„Marie, das ist meine Schwester Anja. Du kennst sie bestimmt schon“, meinte Cedric und ich musste mich schwer zusammenreißen, ihn nicht wie eine Bekloppte anzusehen. Was hatte sie aus meinem eingebildeten Bruder gemacht? – Er war nett!

Marie war mir eh schon sympathisch, aber als sie mich dann begrüßte, wurde mir klar, dass sie genau die Richtige für meinen Bruder war: Schüchtern, ihn anhimmelnd und dennoch bestimmt. „Hi, Anja. Ich bin Marie. Schön, dich mal richtig kennenzulernen. Ich habe dich bis jetzt nur reiten sehen“, sie zwinkerte mir zu.

„Ich freue mich auch, Marie. Ich habe dich leider bis jetzt noch gar nicht gesehen. Aber das wird sich ja jetzt wohl ändern!“ Ich grinste und blickte mich um. „Wollen wir uns setzen?“

„Gerne!“ Marie setzte sich neben Cedric und mir gegenüber. Sie hatte lange braune Haare, die sie heute offen trug und mit einer kleinen Blume im Haar. Eine enge dunkle Jeans und eine niedliche Bluse standen ihr wirklich gut. Auch optisch passte sie wirklich gut zu meinem Bruder.

„Rate mal, mit wem meine Schwester seit einem Jahr geht“, grinste Cedric seine Freundin an. „Er ist kein unbeschriebenes Blatt.“

„Aber im Gegensatz zu Cedrics Sieg bei der DJM ein kleines Licht“, erwiderte ich und nahm von Mama den Topf mit dem Rotkohl entgegen. Ich liebte Rotkohl!

„Keine Ahnung. Es gibt so viele gute und bekannte Reiter. Es ist doch nicht Otto Becker, oder?“ Marie sah uns zweifelnd an.

„Nein, der ist zu berühmt“, lachte Cedric.

„Hallo? Der ist viel zu alt!“, protestierte ich. „Mein Freund ist in meiner Altersklasse.“

„Könnt ihr es mir nicht einfach sagen?“, wollte Marie wissen.

„Philipp Brückner aus Fulda“, sagte ich, bevor Cedric sie noch mehr auf die Folter spannen konnte.

„Waas?“ Marie fiel alles aus dem Gesicht. „Der ist dein Freund??“

„Ja … wieso bist du so erstaunt?“

„Der ist Landesmeister geworden! Und er hat ein gutes Pferd. Eure Familie scheint sich schon in edleren Kreisen zu befinden“, bemerkte Marie.

„Cedric, woher wusstest du, dass sie ihn kennt?“, wollte ich von meinem Bruder wissen.

„Marie reitet in der Dressurmannschaft unseres Internats. Sie kennt sich in ihrer Disziplin gut aus. Mir war klar, dass der Name ihr etwas sagen würde“, erwiderte er.

„Richtig cool, Anja. Wieso reitet Philipp nicht hier auf dem Internat?“, fragte sie weiter.

„Seine Eltern sind dagegen“, erklärte ich ein wenig niedergeschlagen.

„Wunder Punkt. Beide wollen gerne, dass Phil auf dem Internat lebt, aber bisher haben sich seine Eltern immer quergestellt“, sprach Cedric an meiner Stelle weiter. Er hatte sofort bemerkt, dass mir das Thema wehtat.

„Ach so. Naja, irgendwann werden sie verstehen, dass er hier richtig gefördert wird. Er hat einen guten Trainer, aber auf dem Internat hat er viel mehr Möglichkeiten“, wollte mich Marie aufheitern.

„Du kennst seinen Trainer?“ Ich war überrascht.

„Ja. Ich hab mal bei dem einen Lehrgang gemacht. Und danach war ich froh, dass ich hier auf dem Internat mit meiner Holly viel besseres Training bekomme“, sie lächelte mir zu.

„Irgendwie freut mich diese Tatsache gerade doppelt“, grinste ich. „Wir müssen Phils Eltern ja bloß davon überzeugen, dass er hier mehr gefördert wird und auch schulisch kein Absacken seiner Noten zu befürchten ist.“

„Ich drücke euch die Daumen! Wirklich, Anja“, sagte Marie von Grund auf ehrlich.

Ich freute mich. „Danke.“

Wie versprochen kam ich am Mittwochabend mit Sky in die Reithalle. Papa wollte als erstes die Dressurlektionen ausbauen, damit er im Springen und im Gelände ein bisschen versammelter lief. Die Kandare konnten wir zum Glück weglassen, weil in Dressurpferdeprüfungen keine Kandaren verwendet wurden.

„Wir fangen mit der Hinterhandwendung und dem Außengalopp an. Beides bietet Sky uns bereits an und das wollen wir fördern, bevor wir uns den versammelten Gangarten widmen“, beschloss Papa, als ich Sky warmgeritten hatte.

Ich war einverstanden und begann mit den ersten Übungen. Tatsächlich bot sich Sky gut an und nach den ersten holprigen Anfängen klappte es ziemlich gut. So gut, dass Papa uns nach einer Dreiviertelstunde noch ein wenig alleine Dressur reiten ließ. Als ich abritt, bemerkte ich Oliver, der an der Bande stand und mir zusah.

„Hey, Olli. Was ist los?“, fragte ich, als ich seinen Gesichtsausdruck bemerkte.

„Ich will die Leistungsklasse vier haben, genauso wie du. Aber im Gelände beziehungsweise in der Vielseitigkeit. Und dafür brauche ich nicht nur noch ein paar mehr Platzierungen und mehr Turniere, sondern auch einen guten Trainer“, er hatte sich aufgerichtet und ich war ein paar Volten an der Bande geritten, um in seiner Nähe zu bleiben.

„Hast du schon meinen Vater gefragt?“, wollte ich wissen.

„Genau deshalb frag ich ja dich! Meinst du, ich sollte ihn drauf ansprechen?“ Olli sah mich zweifelnd an.

„Klar! Was das angeht, ist er genau die richtige Adresse“, machte ich ihm Mut.

„Und … wann kann ich ihn am besten ansprechen?“, wollte er dann noch wissen.

„Komm doch morgen Abend zum Training. Ich trainiere mit Sky aufs L-Springen hin“, schlug ich ihm vor.

„Das ist eine gute Idee. Danke, Anja!“ Olli kam durch die kleine Tür in der Bande in die Bahn und folgte mir dann in den Privatstall, wo ich Sky absattelte und ihn in die Box brachte. Die Abendfütterung stand kurz bevor und der Hengst wurde dann immer etwas ungeduldig.

„Ach, du weißt doch, dass ich das gerne mache“, winkte ich lächelnd ab, als ich Skys Boxentür schloss und ihm noch schnell eine Möhre zuschob. Er zerkaute sie gierig.

„Schon, aber ich bin trotzdem froh, eine so gute beste Freundin zu haben“, er lächelte mir dankbar zu und ich war einen kurzen Augenblick wirklich überwältigt.

„Ich kann mich mit dir als besten Freund doch auch glücklich schätzen“, erwiderte ich und schenkte auch meinem Boreo noch kurz ein wenig Aufmerksamkeit. Seit mir immer mehr klar wurde, dass es die letzte Saison mit ihm sein würde, versuchte ich, ihn so viel mit mir erleben zu lassen wie möglich. Ich wollte Boreo danach nicht abschieben, nur weil er mit seinen Kräften am Ende war. Ich wollte ihm eine schöne Koppelrente bieten und ihn auf kleine Events mitnehmen. Ein A-Springen oder auch die Dressuren der unteren Klassen würde er locker mitmachen. Es würde eine Chance für uns zwei sein und in der Hinsicht sollte ich mich vielleicht sogar darauf freuen!

Anja und das Reitinternat - Auf gut Glück

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