Читать книгу Der Idiot - Fjodor Dostojewski - Страница 12
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ОглавлениеIm Vorzimmer wurde es plötzlich sehr geräuschvoll und lebendig. Vom Salon aus schien es, daß von draußen mehrere Menschen hereingekommen seien und ihnen immer noch andere folgten. Mehrere Stimmen redeten und schrien zugleich; auch auf der Treppe wurde geredet und geschrien; denn die Tür, die vom Vorzimmer dorthin führte, war, wie man hören konnte, nicht wieder geschlossen worden. Es war offenbar ein höchst sonderbarer Besuch. Alle sahen einander an; Ganja eilte nach dem Wohnzimmer; aber auch in das Wohnzimmer drangen schon mehrere Menschen ein.
»Ah, da ist er ja, der Judas!« rief eine Stimme, die dem Fürsten bekannt vorkam. »Guten Tag, Ganja, du Schuft!«
»Ja, das ist er in eigener Person!« bestätigte eine andere Stimme.
Der Fürst konnte nicht daran zweifeln: die eine Stimme war die Rogoschins, die andere die Lebedjews.
Ganja stand wie vor den Kopf geschlagen auf der Schwelle des Salons und sah schweigend und ohne es zu hindern zu, wie hinter Parfen Rogoschin her zehn oder zwölf Menschen einer nach dem andern in das Wohnzimmer eintraten. Die Gesellschaft war sehr buntscheckig und zeichnete sich nicht nur durch ihre Buntscheckigkeit, sondern auch durch ihr seltsames Benehmen aus.
Einige traten so ein, wie sie von der Straße kamen, im Überzieher und Pelz. Ganz betrunken waren diese Leute übrigens nicht; jedoch machten sie sämtlich den Eindruck, daß sie stark angeheitert seien. Sie schienen alle einer des andern zu bedürfen, um den Mut zum Eintritt zu finden; jeder einzelne hätte nicht Kühnheit genug besessen, aber alle schoben sich sozusagen wechselseitig vorwärts. Selbst Rogoschin schritt nur mit großer Vorsicht an der Spitze dieses Trupps einher; aber er hatte augenscheinlich irgendwelche Absicht und schien traurig, gereizt und sorgenvoll zu sein. Die übrigen bildeten nur den Chor oder, besser gesagt, eine Hilfstruppe. Außer Lebedjew war da auch der schön frisierte Saloschew, der seinen Pelz im Vorzimmer abgelegt hatte und nun in gewandter, stutzerhafter Art eintrat, und zwei oder drei Herren von ähnlicher Art wie er, offenbar aus dem Kaufmannsstand; ferner einer in einem halbmilitärischen Paletot; dann ein kleiner, sehr dicker Mensch, der beständig lachte; ein Herr von gewaltiger Körpergröße, der gleichfalls ungewöhnlich dick war, sehr finster aussah, sich schweigsam verhielt und offenbar große Hoffnungen auf seine Fäuste setzte. Auch ein Studiosus medicinae war da und ein scharwenzelnder Pole. Von der Treppe her blickten noch zwei undefinierbare Damen ins Vorzimmer herein, wagten aber nicht einzutreten; Kolja schlug ihnen die Tür vor der Nase zu und sicherte sie durch Vorlegung des Hakens.
»Guten Tag, Ganja, du Schuft! Na? Parfen Rogoschins Besuch hast du wohl nicht erwartet?« wiederholte Rogoschin, indem er nach dem Salon zu ging und in der Tür vor Ganja stehenblieb.
Aber in diesem Augenblick wurde er plötzlich im Salon, sich gerade gegenüber, Nastasja Filippownas ansichtig. Es schien, daß er es sich nicht hatte träumen lassen, sie hier zu treffen; denn ihr Anblick übte auf ihn eine außerordentliche Wirkung aus: er wurde so blaß, daß sogar seine Lippen eine bläuliche Färbung annahmen.
»Also ist es wahr!« sagte er mit ganz verstörtem Gesicht leise vor sich hin. »Nun ist alles zu Ende ...! Aber ... das sollst du mir jetzt büßen!« fügte er zähneknirschend hinzu und blickte Ganja mit maßloser Wut an. »Oh ... ach ...!«
Er konnte kaum Luft holen und redete nur mühsam. Mechanisch trat er in den Salon hinein; aber als er die Schwelle überschritt, erblickte er plötzlich Nina Alexandrowna und Warja und blieb, trotz all seiner Aufregung einigermaßen verlegen, stehen. Hinter ihm kam Lebedjew, der ihn wie sein Schatten begleitete und schon stark betrunken war, dann der Student, der Herr mit den Fäusten, Saloschew, der sich nach rechts und nach links verbeugte, und endlich drängte sich noch der kleine Dicke durch.
Die Anwesenheit der Damen hielt sie alle noch ein wenig im Zaum und war ihnen offenbar recht störend, natürlich nur bis es »losging«, bis sich der erste Anlaß bot, ein Geschrei zu erheben und »loszulegen« ... Dann war nicht zu erwarten, daß sie sich von irgendwelchen Damen würden hindern lassen.
»Was? Du auch hier, Fürst?« sagte Rogoschin zerstreut; er war etwas verwundert, den Fürsten hier zu treffen. »Immer noch in Gamaschen ...! Ach!« seufzte er; er hatte den Fürsten bereits vergessen, richtete seine Blicke wieder auf Nastasja Filippowna und rückte ihr, wie von einem Magnet angezogen, immer näher.
Nastasja Filippowna betrachtete die Ankömmlinge ebenfalls mit unruhiger Neugierde.
Endlich faßte sich Ganja.
»Aber erlauben Sie, was soll denn das eigentlich vorstellen?« sagte er mit lauter Stimme, indem er die Eingetretenen mit strengem Blick ansah und sich vorzugsweise an Rogoschin wandte. »Sie sind hier doch nicht in einen Pferdestall hereingekommen, meine Herren; hier befinden sich meine Mutter und meine Schwester.«
»Das sehen wir, daß deine Mutter und deine Schwester da sind«, preßte Rogoschin zwischen den Zähnen hervor.
»Daß die Mutter und die Schwester da sind, das sieht man«, pflichtete ihm Lebedjew bei, um sich ein Ansehen zu geben. Der Herr mit den Fäusten, der wohl annahm, daß jetzt der richtige Augenblick gekommen sei, fing an, etwas zu brummen.
»Aber das ist doch unerhört!« rief Ganja erregt und überlaut. »Erstens ersuche ich Sie alle, dieses Zimmer zu verlassen und in das Wohnzimmer zu gehen, und dann seien Sie so freundlich, sich vorzustellen ...«
»Nun sieh einer an! Er kennt mich nicht!« erwiderte Rogoschin mit boshaftem Lächeln, ohne sich vom Fleck zu rühren. »Kennst du Rogoschin nicht mehr?«
»Ich bin allerdings schon irgendwo mit Ihnen zusammengetroffen, aber ...«
»Sieh mal an! Irgendwo zusammengetroffen! Ich habe ja erst vor drei Monaten zweihundert Rubel, die meinem Vater gehörten, an dich verspielt, und der Alte ist gestorben, ehe er es erfahren hat; du hast mich hingeschleppt, und Knif hat mich gerupft. Und da kennst du mich nicht? Ptizyn kann es bezeugen! Aber wenn ich jetzt drei Rubel aus der Tasche ziehe und dir zeige, dann kriechst du hinter ihnen her auf allen vieren bis zur Wasili-Insel. So ein Subjekt bist du! So einen Charakter hast du! Ich bin auch jetzt hierher ge kommen, um dich für Geld zu kaufen. Kümmere dich nicht darum, daß ich in solchen Stiefeln hereingekommen bin; ich habe Geld, lieber Freund, viel Geld, und werde dich und alles, was drum und dran ist, kaufen ... Wenn ich will, kaufe ich euch alle! Alles kaufe ich!« Er war immer hitziger geworden und schien immer mehr in die Berauschtheit hineinzugeraten. »Ach, ach!« schrie er. »Nastasja Filippowna! Jagen Sie mich nicht fort! Sagen Sie nur ein einziges Wörtchen: werden Sie ihn heiraten oder nicht?«
Rogoschin hatte diese Frage gestellt, wie wenn er ganz wirr im Kopf wäre und wie wenn er sich an eine Gottheit wendete, aber mit der Kühnheit eines zum Tode Verurteilten, der nichts mehr zu verlieren hat. In Todesangst wartete er auf die Antwort.
Nastasja Filippowna maß ihn mit einem spöttischen, hochmütigen Blick; aber dann sah sie nach Warja und nach Nina Alexandrowna hin, betrachtete prüfend Ganja und veränderte plötzlich ihren Ton.
»Nein, keineswegs; was haben Sie denn? Und mit welchem Recht stellen Sie mir diese Frage?« antwortete sie leise und ernst und, wie es schien, etwas erstaunt.
»Nein? Nein?« schrie Rogoschin, vor Freude ganz außer sich. »Also nicht? Und die Leute hatten es mir gesagt ...! Ach! Oh ...! Nastasja Filippowna! Die Leute sagen, Sie hätten sich mit Ganja verlobt! Mit diesem Menschen? Ist das denn überhaupt möglich? Ich habe zu allen Leuten gesagt, daß das nicht möglich ist. Ich kaufe ja den ganzen Patron für hundert Rubel, und wenn ich ihm tausend Rubel, na, oder auch dreitausend Rubel dafür gebe, daß er zurücktritt, so wird er am Tag vor der Hochzeit davonlaufen und mir seine Braut ganz überlassen. Ja, ja, so ist es, Ganja, du Schuft! Du würdest gewiß die dreitausend nehmen! Da sind sie, da! Eben deswegen bin ich ja hergekommen, um mir von dir einen solchen schriftlichen Verzicht ausstellen zu lassen. Ich habe gesagt: ›Ich will ihn kaufen!‹, und das will ich denn auch tun!«
»Scher dich weg von hier; du bist ja betrunken!« schrie Ganja, der abwechselnd rot und blaß wurde.
Sowie diese Aufforderung verklungen war, ließen sich plötzlich mehrere heftige Stimmen vernehmen; Rogoschins ganzer Trupp hatte schon lange auf die erste Herausforderung gewartet. Lebedjew flüsterte Rogoschin etwas mit besonderem Eifer ins Ohr.
»Da hast du recht, du Bureaumensch!« antwortete Rogoschin. »Da hast du recht, du Trunkenbold! Ach, wir wollen's wagen! Nastasja Filippowna!« rief er, blickte wie ein Halbirrer rings um sich, wurde ängstlich und ging dann auf einmal wieder zu kühner Dreistigkeit über. »Da sind achtzehntausend Rubel!« Und er warf ein in weißes Papier eingewickeltes, kreuzweise zugebundenes Päckchen vor ihr auf das Tischchen. »Da! Und ... es kommt noch mehr!«
Er wagte nicht zu Ende zu sprechen und zu sagen, was er eigentlich wünschte ...
»Nein, nein, nein!« flüsterte ihm von neuem Lebedjew mit ganz erschrockenem Gesicht zu.
Man konnte merken, daß er über die Höhe der Summe erschrocken war und vorgeschlagen hatte, es mit einer beträchtlich geringeren zu versuchen.
»Nein, nein, darin bist du nun schon ein Dummkopf, lieber Freund; du weißt nicht, wen wir vor uns haben ... und offenbar bin ich ebenso ein Dummkopf wie du!« Dies letztere fügte Rogoschin hinzu, da er unter Nastasja Filippownas funkelndem Blick zur Besinnung kam und zusammenfuhr. »Ach, ach! Ich habe Unsinn geredet, weil ich auf dich hörte«, fuhr er in tiefer Reue fort.
Als Nastasja sein bestürztes Gesicht sah, lachte sie laut auf. »Achtzehntausend Rubel bietet er mir? Da sieht man doch gleich den Plebejer!« fügte sie ungeniert und dreist hinzu und stand vom Sofa auf, als ob sie aufzubrechen beabsichtigte.
Ganja beobachtete diese ganze Szene mit fast versagendem Herzschlag.
»Also vierzigtausend, vierzig, nicht achtzehn!« schrie Rogoschin. »Iwan Ptizyn und Biskup haben versprochen, bis sieben Uhr die vierzigtausend heranzuschaffen. Vierzigtausend! Bar auf den Tisch!«
Die Szene wurde sehr widerwärtig; aber Nastasja Filippowna lachte, statt wegzugehen, immer weiter, als ob sie sie absichtlich verlängern wollte. Nina Alexandrowna und Warja erhoben sich gleichfalls von ihren Plätzen und warteten erschrocken und schweigend, was das für einen Ausgang nehmen werde. Warjas Augen funkelten; aber auf Nina Alexandrowna übte all dies physisch eine sehr üble Wirkung aus: sie zitterte und drohte im nächsten Augenblick in Ohnmacht zu fallen.
»Nun, wenn's nicht anders ist, dann hundert! Noch heute übergebe ich Ihnen hunderttausend Rubel! Ptizyn, sei mir behilflich; du machst dabei einen guten Profit!«
»Du bist verrückt geworden!« flüsterte im Ptizyn zu, der rasch zu ihm herantrat und ihn am Arm faßte. »Du bist betrunken; es wird nach der Polizei geschickt werden müssen. Wo glaubst du denn zu sein?«
»Er ist betrunken und renommiert«, sagte Nastasja Filippowna, wie um ihn zu reizen.
»Ich renommiere nicht; das Geld wird da sein, zum Abend wird es da sein ... Ptizyn, sei mir behilflich, du alter Wucherer; nimm dafür, soviel du willst; aber beschaffe mir zum Abend hunderttausend Rubel; ich will doch zeigen, daß ich nicht kneife!« rief Rogoschin verzückt und enthusiastisch.
»Aber was soll denn das eigentlich vorstellen?« rief Ardalion Alexandrowitsch auf einmal in zornigem, drohendem Ton und ging auf Rogoschin zu.
Die Plötzlichkeit, mit der sich der bisher so schweigsame Alte einmischte, hatte etwas sehr Komisches, und man hörte auch wirklich lautes Lachen.
»Wo kommt denn der her?« fragte Rogoschin lachend. »Komm mit uns, Alter; da sollst du dich mal toll und voll saufen!«
»Aber das ist ja eine Gemeinheit!« rief Kolja, der vor Scham und Ärger geradezu weinte.
»Ist denn kein Einziger unter euch, der es unternimmt, dieses schamlose Weib hinauszuschaffen?« rief plötzlich, zitternd vor Zorn, Warja.
»Also mich nennt man ein schamloses Weib!« entgegnete Nastasja Filippowna mit verächtlicher Heiterkeit. »Und ich, dumm wie ich bin, komme hierher, um die beiden Damen auf den Abend zu mir einzuladen! Sehen Sie, Gawrila Ardalionowitsch, wie mich Ihr Schwesterchen behandelt!«
Ein Weilchen stand Ganja infolge der heftigen Worte seiner Schwester wie vom Blitz getroffen da; aber als er sah, daß Nastasja Filippowna sich diesmal wirklich zum Fortgehen anschickte, stürzte er wie ein Rasender auf Warja zu und packte sie wütend bei der Hand.
»Was hast du getan?« schrie er und sah sie an, als ob er sie auf dem Fleck zu Asche verbrennen wollte.
Er hatte vollständig die Fassung verloren, und sein Verstand funktionierte nur mangelhaft.
»Was ich getan habe? Wohin zerrst du mich? Du verlangst doch nicht etwa, daß ich sie um Verzeihung dafür bitten soll, daß sie deine Mutter beleidigt hat und hergekommen ist, um dein Haus zu beschimpfen, du gemeiner Mensch?« rief Warja wieder und blickte ihren Bruder triumphierend und herausfordernd an.
Ein paar Sekunden lang standen sie einander so gegenüber, Gesicht gegen Gesicht. Ganja hielt immer noch ihre Hand mit der seinigen gefaßt. Warja suchte sich einmal und noch einmal mit aller Gewalt loszureißen, vermochte es aber nicht und spie plötzlich, ganz außer sich, dem Bruder ins Gesicht.
»Ist das ein Mädchen!« rief Nastasja Filippowna. »Bravo, Ptizyn, ich gratuliere Ihnen!«
Dem so beleidigten Ganja wurde es trübe vor den Augen; er verlor völlig die Herrschaft über sich und holte mit aller Kraft gegen seine Schwester aus. Der Schlag hätte sie sicherlich gerade ins Gesicht getroffen. Aber plötzlich wurde Ganjas Hand durch eine andere im Schwung festgehalten.
Zwischen ihm und seiner Schwester stand der Fürst.
»Hören Sie auf, es ist genug!« sagte er nachdrücklich, aber am ganzen Leibe wie von einer sehr heftigen Erschütterung zitternd.
»Wirst du mir denn immer im Weg sein?« brüllte Ganja, ließ Warjas Hand los und versetzte in sinnloser Wut mit der freigewordenen Hand dem Fürsten aus aller Kraft eine Ohrfeige.
»Oh, oh!« schrie Kolja und schlug die Hände zusammen. »Ach mein Gott!«
Von allen Seiten erschollen Ausrufe. Der Fürst war ganz blaß geworden. Mit einem eigenartigen, vorwurfsvollen Blick sah er Ganja gerade in die Augen; seine Lippen zitterten und strengten sich an, etwas zu sagen; ein seltsames und ganz unmotiviertes Lächeln verzerrte sie.
»Nun, wenn mir das auch widerfährt ... aber sie ... sie lasse ich nicht schlagen!« sagte er endlich leise.
Aber seine Empfindungen wurden doch zu mächtig; er wandte sich von Ganja weg, verbarg das Gesicht in den Händen, ging in eine Ecke, stellte sich mit dem Gesicht gegen die Wand und sagte mit fast versagender Stimme: »Oh, wie werden Sie sich Ihres Benehmens schämen!«
Ganja stand in der Tat wie vernichtet da. Kolja stürzte auf den Fürsten zu, um ihn zu umarmen und zu küssen. Nach ihm drängten sich Rogoschin, Warja, Ptizyn, Nina Alexandrowna und alle andern heran, selbst der alte Ardalion Alexandrowitsch.
»Es hat nichts auf sich, es hat nichts auf sich!« murmelte der Fürst nach allen Seiten hin, immer noch mit demselben unmotivierten Lächeln.
»Und er wird es auch bereuen!« schrie Rogoschin. »Du wirst dich schämen, Ganja, daß du ein solches ... Schaf« (er konnte kein andres Wort finden) »beleidigt hast! Fürst, mein liebes Kerlchen, scher dich nicht um diese Bande; laß sie und komm mit mir! Da wirst du sehen, wie Rogoschin die Leute behandelt, die er gern hat.«
Auf Nastasja Filippowna hatten Ganjas Tat und die Antwort des Fürsten ebenfalls einen tiefen Eindruck gemacht. Ihr meist blasses, nachdenkliches Gesicht, das die ganze Zeit über mit dem bisherigen gekünstelten Lachen nicht hatte harmonieren wollen, war jetzt augenscheinlich von einem neuen Gefühl erregt; jedoch wollte sie's nicht zeigen, und der spöttische Ausdruck bemühte sich gleichsam, auf ihrem Gesicht zu verbleiben.
»Wirklich, ich habe dieses Gesicht schon irgendwo gesehen!« sagte sie dann ernst, indem sie sich an ihre frühere Frage wieder erinnerte.
»Und Sie schämen sich auch nicht! Ist denn das Ihr wahres Wesen, wie Sie sich jetzt geben? Wie wäre denn das möglich!« rief auf einmal der Fürst im Tone ernsten, starken Vorwurfs.
Nastasja Filippowna war erstaunt; sie lächelte, aber nur als ob sie etwas hinter dieser Miene zu verbergen suchte; dann richtete sie einen etwas verlegenen Blick auf Ganja und verließ den Salon. Aber sie war noch nicht zum Vorzimmer gelangt, als sie plötzlich umkehrte, schnell an Nina Alexandrowna herantrat, ihre Hand ergriff und an ihre Lippen führte.
»Ich bin ja wirklich nicht so; er hat es erraten«, flüsterte sie rasch und leidenschaftlich, und eine dunkle Röte übergoß auf einmal ihr ganzes Gesicht. Darauf kehrte sie um und ging diesmal so eilig hinaus, daß sich niemand in der Geschwindigkeit darüber klarwerden konnte, weshalb sie eigentlich zurückgekehrt war. Sie hatten nur gesehen, daß sie Nina Alexandrowna etwas zugeflüstert und ihr, wie es schien, die Hand geküßt hatte. Aber Warja hatte alles genau gesehen und gehört und verfolgte sie erstaunt mit den Augen.
Ganja kam zur Besinnung und stürzte zu Nastasja Filippowna hin, um sie hinauszubegleiten; aber sie war schon aus dem Zimmer. Er holte sie auf der Treppe ein.
»Begleiten Sie mich nicht weiter!« rief sie ihm zu. »Auf Wiedersehen heute abend! Ich erwarte Sie bestimmt; hören Sie wohl?«
Verwirrt und nachdenklich ging er zurück; ein schweres Rätsel lastete auf seiner Seele, mit noch schwererem Druck als bisher. Auch an den Fürsten mußte er denken ... Er war bis zu dem Grade in seine Gedanken vertieft, daß er kaum bemerkte, wie Rogoschins ganze Rotte, die hinter ihrem Anführer her eilig die Wohnung verließ, sich an ihm vorbeiwälzte und ihm in der Tür sogar ein paar Stöße versetzte. Alle redeten laut miteinander über irgend etwas. Rogoschin selbst ging mit Ptizyn und besprach mit ihm eifrig eine wichtige und anscheinend unaufschiebbare Sache.
»Du hast das Spiel verloren, Ganja!« rief er ihm im Vorbeigehen zu.
Ganja sah ihnen beunruhigt nach.