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10.14 Uhr – Rogers Wohnung

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Es war ein ganz normaler Morgen. Ich wachte in meinem Bett auf. Der Aufwachprozess sieht bei mir so aus, dass zuerst mein linker großer Zeh unkontrolliert an meiner Bettdecke zu kratzen beginnt. Wie in einem kleinen Orchester stimmt dann der rechte große Zeh mit ein. Weil ich diese eigenartige Symphonie in aller Herrgottsfrüh noch nicht aushalte, winkle ich dann beide Beine an, woraufhin sich das Orchester meiner Sinne etwas weiter nach oben in meine Knie verlegt, die dann synchron zu der vorgegebenen Melodie meiner Zehen wippen. Meine Augen sind übrigens zu diesem Zeitpunkt noch geschlossen. Der nächste Schritt, diesen ungewöhnlichen Aufwachprozess abzuschließen, ist, meinen gesamten Körper auf die rechte Seite zu hieven, um noch ein bisschen was von dem Morgen im Bett zu haben. Kurze Zeit darauf jedoch beginnen meine Augenlider unkontrolliert zu blinzeln….

Heute jedoch war irgendwas anders. Meine großen Zehen stießen auf irgendeinen trockenen Widerstand auf meiner Bettdecke. Das sonst so stimmige Kratzen wurde zu einer Qual meiner Zehen und meiner Sinne. Es fühlte sich so an, als ob jemand vor 2 Wochen ein Fruchtjoghurt auf meiner Bettdecke verschüttet hat, welches nun eingetrocknet ist. Ich konnte mich allerdings nicht erinnern, jemals ein Fruchtjoghurt im Bett gegessen zu haben. Jemand anderer bekam die heiligen Hallen meines Schlafgemachs nie zu sehen. Plötzlich wurde mir klar, woran meine Zehen da kratzten. Es war eine hartgewordene Ejakulation. Pfui! Aber, woher kam die? Normalerweise endeten die Abenteuer mit meiner Hand in Taschentüchern auf meinem kleinen Nachtkästchen, worauf die Ration der letzten 3 Wochen zu sehen ist.

Oh, entschuldigt! Ihr wisst nun also über meine erotischen Abenteuer Bescheid, kennt mich aber noch gar nicht. Mein Name ist Roger. Genauso wie „Alles Roger in Kambodscha“, oder wie Roger Rabbit, der verrücktgewordene Hase. Fragt mich nicht, was sich meine Eltern dabei dachten, als sie mir diesen Namen gaben. Ich bin 25 Jahre alt, ja, ein viertel Jahrhundert. Mein Leben ist sehr unspektakulär: Arbeitslos, viel Alkohol, keine Frauen, wenige Freunde, obwohl ich die, glaube ich, auch nur wegen dem vielen Alkohol habe und weil ich nach dessen Konsum immer so lustig werde.

Meine Augenlider begannen also unkontrolliert zu blinzeln und sprangen plötzlich sperrangelweit auf. Ich sah sicher aus, wie ein Uhu der im Dunkel des Waldes mit seinen großen Glubschaugen irgendwas zu erspähen versuchte. Was ich nun erspähte ließ mein Herz etwas wilder schlagen. Plötzlich war ich hellwach. Viele Dinge gingen mir durch den Kopf. In erster Linie versuchte ich zu rekonstruieren, wie der letzte Abend mit meinen „Freunden“ verlaufen ist. Ich konnte mich beim besten Willen nicht mehr daran erinnern. In der Psychologie nennt man dies Kurzzeitgedächtnis. Meine Erklärung dafür ist einfacher: Bier, Wein, Schnaps, Whiskey,… kurz Alkohol!

An dieser Stelle möchte ich nun die Beschreibung meines unspektakulären Lebens nochmals revidieren: Arbeitslos – ja, viel Alkohol – ja, wenige Freunde – ja, keine Frauen - ? Was, um Himmels Willen, macht diese rassige, schwarzhaarige Schönheit in meinem Bett? Wer ist sie? Wie heißt sie? Wie alt ist sie?

Sie schien noch zu schlafen. Langsam und vorsichtig streckte ich meine zitternde Hand aus und hob ihre Bettdecke hoch. Sie war nackt… HALLELUJAH – sie war nackt! Gut, das erklärt das „Fruchtjoghurt“ auf meiner Bettdecke. Wenigstens etwas. Mein verstörter Blick führte mich von der rechten Seite, der sexy Latina, auf die linke Seite, mein Nachtkästchen. Gefühlte 353 eingetrocknete Taschentücher türmten sich darauf. Das darf sie auf keinen Fall zu Gesicht bekommen, ging es mir durch den Kopf. Ich wusste ja nicht, seit wann sie hier war und ob sie das gestern schon gesehen hat. Eine Wischbewegung mit meiner rechten Hand und die Taschentücher fielen zu Boden. Allerdings habe ich nicht damit gerechnet, dass eingetrocknetes Ejakulat in Taschentüchern einen derartigen Lärm verursacht, wenn diese zu Boden fallen.

Plötzlich rekelte sich die unbekannte Frau an meiner Seite. Ähnlich wie bei den Taschentüchern hatte ich nun auch bei meinem Herz, welches im Maschinengewehrtakt schlug, das Gefühl, dass es einen enormen Lärm verursacht. Mit gerümpfter Nase sah ich der Begleitung meiner Nacht in ihre wunderschönen, haselnussbraunen, großen Augen. Ich versuchte, so gut, wie möglich, die Verunsicherung, die mein Gesicht ausstrahlte, zu kaschieren, was ich im Folgenden auch sehr gut anstellte.

„Guten Morgen, mein Süßer, was für eine Nacht!“, begrüßte sie mich. „Guten Morgen, …Süße, …ja… Wahnsinnsnacht!“, entfuhr es mir. Und jetzt?

Sie umarmte mich und begann hemmungslos mit mir zu knutschen. Oh mein Gott, ich bin im Himmel, dachte ich. Als diese Kussorgie dann doch noch ein Ende fand, fragte sie mich, ob ich denn wusste, wann wir gestern nach Hause gekommen sind, sie habe nicht auf die Uhr geschaut. 3 Indizien in einem Satz, Sherlock. 1. Ich habe sie beim Ausgehen kennengelernt, 2. Sie ist danach mit mir mitgekommen und 3. Sie nennt meine Wohnung „zu Hause“! Der letzte Punkt macht mir Angst. Selbstsicher entgegnete ich: „Natürlich weiß ich das! Wie könnte ich den letzten Abend vergessen?“ „Du hast sehr viel getrunken, mein Liebling, da könnte das schon vorkommen.“ Ich sah das nun als meine letzte Chance, der Dame die Wahrheit zu sagen. Die Wahrheit darüber, dass ich nicht weiß, wer sie ist, woher sie kommt, was ich gestern gemacht habe, was ich gestern getrunken habe, wie wir nach Hause gekommen sind, was dann hier abgegangen ist und vor allem, was sie jetzt noch in meinem Bett macht. Ja, ich wollte diese letzte Chance ergreifen und antwortete ihr: „Um ca. 2 Uhr sind wir zu Hause angekommen!“ Hmmmpf!

Gott sei Dank war meine Antwort für sie ausreichend und sie bohrte nicht mehr nach. Stattdessen stöhnte sie: „Ich habe sooooo einen Hunger. Wie wär’s mit Frühstück, mein Schatz?“ Ich fasse zusammen: In meinem Bett liegt eine Frau, die ich noch nie in meinem Leben gesehen habe (ich erinnere mich zumindest nicht daran), sie nennt mich „Süßer“, „Liebling“ und „Schatz“ und sie will bei mir frühstücken. An dieser Stelle erinnere ich nochmal an die Beschreibung meines unspektakulären Lebens. „Na klar, gute Idee!“


A(lko)mnesie

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