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Idealistisch gesehen, ist die Sache klar: Wir mögen es zu teilen. Edel soll es sein, hilfreich und gut. Wir verehren Jesus und Lady Di, die barmherzigen Samariter und den Freund, der immer so viel Trinkgeld gibt. Je nach Informationsblase auch Bill Gates. Auf jeden Fall identifizieren wir uns mit all denen lieber als mit Scrooge, dem Dickens’schen Geizhals. Wer will schon zugeben, dass er auf Weihnachtsbesuch von drei Geistern wartet, bevor er seine Praktikantinnen angemessen bezahlt?

Auch unseren Kindern versuchen wir Werte wie Solidarität und Sorge um die Schwächeren mitzugeben (»Was auch immer sie später vom BWL-Studium abhält«). »Kinder müssen teilen lernen« heißt das Mantra liebevoller erzieherischer Kleinarbeit und pädagogisch wertvoller Kinderbücher: Der Regenbogenfisch teilt seine Schuppen so freigiebig, dass einige den Autor Kommunist nennen, und der kleinen Dinosaurier Bronto teilt mindestens ein Eis. Beide geben allerdings etwas ab, um nicht mehr gemobbt und verhauen zu werden, und wenn das der einzige Grund zum Teilen ist, dann haben wir womöglich ein ganz anderes pädagogisches Problem. In Kirsten Boies Juli tut Gutes teilt Juli zwar großzügig wie Sankt Martin, aber auch nur, weil ihn seine Mutter dazu zwingt.

Es scheint gar nicht so einfach zu sein, uns die pure Freude am Teilen zu vermitteln. Aber das hat wohl auch kein Elternteil erwartet, das schon mal dabei zugesehen hat, wie sich seine Zwillinge im Sandkasten einen Boxkampf um den Schaufelbagger liefern. Im Notfall halten wir uns eben an den Anstandsrest – das letzte Stück, das niemand zu essen wagt, bis es kalt wird – und ansonsten an die goldene Regel, wonach das Kind, das die Schokolade teilt, niemals auswählen darf, welches Stück es selbst bekommt. Wobei die Kinder unseren Erziehungsversuchen wahrscheinlich weitaus skeptischer gegenüberstünden, wenn sie wüssten, dass wir danach ins Büro fahren zu unserer designierten Kaffeetasse und der handbeschrifteten Tupperdose. Oder dass sich das, was wir mit den Armen teilen – im Gegensatz zu geteilter Schokolade –, steuerlich absetzen lässt.

Auch Erwachsene muss man anscheinend erst einmal zum Teilen schubsen, möglicherweise mit weniger Regenbogenfischen und mehr göttlicher Erleuchtung. Im Hinduismus bringt das Teilen Karmapunkte, im Alten Testament zeugt es von Gottgefälligkeit. Im Buddhismus teilt man noch den letzten Bissen, und in einer islamischen Erzählung teilt eine Familie mit ihrem Gast, auch wenn sie dann selbst nichts mehr hat. Letzteres verheimlicht sie mittels geschickter Beleuchtung, und das würde auch den anderen Glaubensrichtungen gefallen, denn sie sind sich einig: Für Geschenke soll man weder Gegenleistung noch Anerkennung erwarten. Wobei der Hinduismus hinzufügt, dass es gut ist, wenn man auch die Gefühle des Empfängers im Blick hat. Falls Sie als Kind regelmäßig Socken geschenkt bekommen haben, hätten Sie Ihrer Oma einen Religionswechsel vorschlagen sollen.

Der religiöse Ansatz ist durchaus effektiv. Menschen, die man schüttelt und an den Herrgott erinnert, benehmen sich daraufhin freigiebiger (und bestrafungsfreudiger, aber das ist ein anderes Thema).1 Und damit könnte die Frage, warum wir überhaupt teilen, eigentlich erledigt sein. Der ungläubige Rest der Menschheit findet in der Geschichte sicherlich eine Menge humanistischer Vorbilder, die ihm das Teilen nahelegen. Verteilungsproblem gelöst! Ich hoffe, Sie haben sich noch ein anderes Buch in den Urlaub mitgenommen?

Dummerweise sind wir mit der Umsetzung unserer (quasi-)religiösen Prinzipien dann doch wieder inkonsequent. Nicht umsonst findet man Buddha im Baumarkt direkt neben den Whirlpools (von wegen, das Leben ist Leiden!). Ein kommunistisches Parteibuch schützt nicht vor dem Traum vom Eigenheim, und das, was wir neulich ins Tauschregal gegeben haben, war streng genommen nicht unser letztes Hemd, sondern ein Wollpullover, der kratzt.

Es fühlt sich ja auch alles nicht ganz fair an. Schließlich haben wir uns das, was wir haben, sauer verdient, im Schweiße unseres Angesichts, auf einem unbequemen Bürostuhl (okay, gestern war ein ruhiger Tag, aber davor lagen ein paar sehr volle Wochen). Haben dafür alles erledigt, was wir sollten: den Auslandsaufenthalt und das unbezahlte Praktikum, Überstunden, grenzwertige Vorgesetzte und berufsbedingte Umzüge. Da ist es doch wahrlich nicht zu viel verlangt, dass man sich von der ganzen Arbeit jetzt ein paar wohlverdiente schöne Dinge kaufen und genießen kann, ohne dass einem jemand deshalb ein schlechtes Gewissen macht. Wir haben gestern erst Fairtrade-Kaffee gekauft!

Teilen ist nicht immer schön. Besonders, wenn man sich selbst gefühlt sehr stark eingebracht hat und die anderen sich eher so mittel. Außerdem kommt man sich reichlich komisch vor, wenn man mal großzügig ein paar Euro mehr abgibt und am nächsten Morgen direkt um ein paar weitere gebeten wird.

Am Ende erübrigen wir zähneknirschend etwas Kleingeld für den Gitarrenspieler oder den Geburtstagsstrauß an die nervigste Kollegin, über das Jahr verteilt ein paar Spenden und zu Weihnachten sogar mal eine, die man spürt – allein schon wegen der drei Geister. Bei den Kleckerbeträgen, die da zusammenkommen, kann man sich schon fragen, ob sie den Stress und das schlechte Gewissen wert sind.

Sucht man das Wort »Teilen« auf Wikipedia, zeigt das Titelbild zwei Kinder, die mit Strohhalmen aus derselben Limonadenflasche trinken. Beide sehen eher unglücklich aus.

Teilen und Haben

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