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3 Aufbruch ins Glück

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Der Bauernsohn löste sich aus den Armen der jungen Eodeva. Er drehte sich auf den Rücken und lauschte auf sein heftig pochendes Herz. So schön wie mit Tohona war es vorher bei keiner, er liebte sie wie nichts auf der Welt.

Die leidenschaftliche Schwarzhaarige kuschelte sich eng an ihn und flüsterte: »Du machst mich glücklich, Pedro! Ich möchte immer mit dir zusammensein.«

»Ich liebe dich auch.« Pedro drehte seinen Kopf so, dass er der in seinem Arm liegenden Frau einen dankbaren Kuss geben konnte, den sie freudig erwiderte.

»Stimmt das auch oder sagst du das nur so? Vielleicht hast du das zu Sobipu und Arispe auch gesagt? Ich habe jedenfalls keine Beschwerden von ihnen gehört.«

»Warum sollten sie sich auch beschweren? Ich war schließlich bei jeder die vorgeschriebenen zwei Handvoll Tage und Nächte. Ich habe Holz aus dem Wald geholt und zerkleinert, habe auf den Feldern gearbeitet, bei Sobipu das Dach ihrer Hütte ausgebessert und Arispe beim Schlachten eines Schafs und anschließendem Räuchern geholfen.«

»Und des Nachts? Hast du bei ihnen gelegen?«

»Natürlich, wo denn sonst? Ich habe sie in den Nächten warm gehalten wie es Vorschrift ist.«

Tohona ließ in ihrer Fragerei nicht nach. »Und? Hast du mit ihnen …? Na, du weißt schon!«

»Liebste! Was willst du? Ich bin ein Mann – und dich kannte ich noch nicht! Du aber, meine Liebste, bist einfach unvergleichlich!«

Die stolze Tohona erhob sich vom gemeinsamen, mit weichen Fellen bedeckten Lager. Sie drehte sich noch einmal zu ihrem geliebten Pedro um, beugte sich zu ihm hinunter und gab ihm erneut einen Kuss. »Ruhe dich noch ein wenig aus! Ich fache erst einmal das Feuer an.«

Der Sohn eines spanischen Siedlers schaute der Amazone, die ihn nächtens sehr in Anspruch genommen hatte, verträumt hinterher. Ihre weiblichen Run­dungen, der warme bronzene Ton ihrer Haut, die langen blauschwarzen Haare, ihre glutvollen dunklen Augen – alles gefiel ihm an diesem Weib. Sie war wirklich anders als die beiden anderen Frauen aus dem Dorf, bei denen er zuerst zum Dienst verpflichtet worden war. Diese beiden waren recht herrisch gewesen, fordernd nicht nur bei der harten Tagesarbeit, sondern auch in der Nacht. Tohona war ganz anders: liebevoll und zärtlich, bei der Tagesarbeit mehr bittend als Befehle erteilend. Pedro fragte sich manchmal, ob sie wirklich eine echte Eodeva war. Aber natürlich war sie es. Er war ihrer Mutter vorgestellt worden, sie hatte von ihrer Großmutter erzählt und wusste sogar von deren Mutter Anekdoten zu berichten.

Seit Generationen wohnten die Ahnen von Tohona in Matacori, das in der ganzen Umgebung schon immer als Amazonendorf bekannt und in früheren Zeiten wegen der furchtlosen Kriegerinnen auch berüchtigt war.

Der Bauernsohn stammte aus der weiteren Umgebung und gehörte zu einer der vielen Familien, die als Nachfahren spanischer Einwanderer schon mehrere Jahrhunderte hier in der Neuen Welt lebten. Er war in Erfüllung eines alten Vertrages zwischen dem Gouverneur und den Amazonen für drei Monate zum Dienst in Matacori verpflichtet worden. Seinerzeit hatte dieses Abkommen endlich die Überfälle der kriegerischen Frauen auf die benachbarten Siedlungen, die stets mit dem Raub junger Männer einhergingen, beendet.

Fernández, Pedros Vater, hatte das Schicksal schwer beklagt, als das Los auf seinen Sohn fiel. »Auf unserer Farm ist mehr als genug zu tun. Eigentlich solltest du dieses Jahr auf Brautschau gehen, damit endlich wieder eine Frau auf den Hof kommt. Seit Mutter gestorben ist, wächst uns die Arbeit über den Kopf. Was soll nur aus mir und dem Hof werden?« Aber alle Jammerei half nicht, Gesetz ist Gesetz!

Vor der Hütte hörte man plötzlich mächtiges Gezeter. »Komm raus, du Schlampe! Und bringe dein Männchen gleich mit! Was bildest du dir ein? Fast schon zwei Mal zwei Handvoll Nächte versteckst du den Bock. Denkst du, der gehört dir allein? Der gehört unserem Dorf, soll allen dienen. Ich bin schon lange dran, sagt Toâ'pa.«

Pedro zählte an den Fingern ab. War er wirklich schon so lange bei Tohona? Er hatte keine Lust, sie zu verlassen und schon wieder zu einer anderen zu gehen. Schon gar nicht, wenn er diese keifende Stimme hörte. »Toâ'pa ist doch eure Häuptlingin, die Dorfälteste? Was machen wir?« Der junge verliebte Mann sah die Geliebte an.

»Gar nichts machen wir. Ich geb dich nicht wieder her!«

Ob das gut geht?, fragte sich der zum Dienst Verpflichtete. Da würden beide gleich gegen mehrere geschriebene und – fast noch schlimmer – ungeschriebene Gesetze verstoßen. In den Amazonendörfern werden keine Männer auf Dauer geduldet, bei deren vor­übergehenden Aufenthalten dürfen einzelne Frauen sie nicht allein beanspruchen. Und natürlich haben sich die dienstverpflichteten Männer den Anweisungen des Ältestenrates des zugewiesenen Dorfes zu beugen. Sollten sie das nicht tun oder gar fliehen, so würden sie von der Polizei des Gouverneurs verfolgt und hart bestraft werden, sobald die Amazonen sich beschweren. So sieht das der schon lange bewährte Vertrag vor.

»Ich gehe jetzt zur Häuptlingin, du wirst schon sehen«, schrie die Frau draußen weiter. Dann war Stille.

Nicht lange danach war Getrappel von vielen Schritten zu hören, auch aufgeregtes Gemurmel. Ohne anzuklopfen, wurde die Tür aufgerissen und im Raum standen drei bewaffnete hochgewachsene junge Frauen. In ihren Gürteln steckten große Dolche, in den Händen hielten zwei eine Doppelaxt, eine trug ein Schwert. Vor der offenen Tür scharten sich viele Frauen und gafften hinein, um soviel wie möglich vom Geschehen im Inneren der Hütte mitzubekommen.

Tohona tat ganz unerschrocken: »Seid gegrüßt, liebe Schwestern Bâtzinú, Teúcatô und Uépaca! Was führt euch in meine Hütte?«

Die als Bâtzinú Angesprochene sprach mit unduldsamer Stimme: »Toâ'pa schickt uns, um das Mannsstück abzuholen. Er soll jetzt endlich Ak'Chin beiwohnen.« Und an Pedro gewandt, fuhr sie fort: »Du! Kommst du freiwillig mit oder sollen wir dir Fesseln anlegen?«

Zu seiner Liebsten gewandt, zuckte der junge Mann entschuldigend mit den Schultern und sagte dann zu den Ordnungshüterinnen: »Ganz ruhig! Ich komme schon mit. – Du siehst doch, was hier los ist, Tohona, da kann ich nichts machen.« Das letzte war für die Hausherrin bestimmt, wenn man bei einer solchen Hütte diesen Begriff gebrauchen kann.

Auch die Situation war nicht so, dass sich Tohona als Herrin der Lage fühlen konnte. Als Pedro zwischen den Bewaffneten Bâtzinú und Teúcatô zur Tür hinausgeführt wurde, warf sie sich von hinten an ihn und umklammerte ihn. »Ich lass dich nicht gehen, bleib bei mir! Ich liebe dich doch! Lass mich nicht allein!«

Der dritten Ordnungshüterin, Uépaca, gelang es, sie mit Gewalt von dem Mann loszureißen. Schließlich war Uépaca wesentlich kräftiger als Tohona. Sie war nicht umsonst vom Ältestenrat als Ordnungshüterin bestimmt worden. »Du kommst mit mir! Die Älteste will dich sprechen.«

Ak'Chin überhäufte Pedro zunächst mit einer Flut von Vorwürfen, von denen er zum Glück nicht viel verstand, weil sie die Sprache ihres Volkes benutzte, die der junge Siedler nur unzureichend beherrschte. Dann befahl sie ihm, ein Stück mit wilden Büschen bewachsenes Land hinter ihrem Haus zu roden und umzugraben. »Ich will hier ein Gemüsebeet anlegen, also arbeite ordentlich und gründlich!«

Pedro war froh, allein gelassen zu werden und machte sich an die Arbeit. Ab und zu kam seine neue Herrin, um nach dem Rechten zu sehen.

Am späten Nachmittag schlich Tohona heran, sie wollte keinesfalls von ihrer Konkurrentin entdeckt werden, und winkte Pedro hinter einen großen Busch in der Nähe. »Liebster, ich halte es ohne dich nicht aus. Bitte, sieh zu, dass du in der Nacht wegkannst und komm zu mir! Ich warte auf dich!«

Der Dienstverpflichtete fühlte sich hin- und hergerissen. Er war glücklich über die offensichtliche große Liebe dieser Eingeborenen, aber hatte auch Angst vor der Rache der Dorffrauen, wenn er ihnen nicht zu Willen war.

»Mal sehen, was sich ergibt«, wimmelte er die Lieb­ste ein wenig ab. »Was wollte denn die Älteste von dir?«

»Ach, nichts weiter, nur Vorhaltungen wegen unserer Sitten und Traditionen, die ich beachten soll.« Sie schaute ringsum, ob sie beobachtet wurde, und lief dann schnell weg. »Denk dran, ich warte auf dich!«, rief sie noch im Wegdrehen.

Erstaunlicherweise war Ak'Chin zufrieden mit seiner Arbeit, lobte ihn sogar. Ich glaube, sie will noch was von mir, dachte sich der schlaue Bauernsohn im Stillen. Als dann Zeit zur Nachtruhe war, legte sich Pedro auf die weichen Felle, drehte sich zur Seite und murmelte: »Es war ein anstrengender Tag, ich möchte nur noch schlafen.« Fast im gleichen Moment war er eingeschlafen – oder tat zumindest so. Die neben ihm liegende Ak'Chin hatte sich das ganz anders vorgestellt. Aber was sollte sie machen?

Als die Frau in der Nacht wach wurde, war der Platz neben ihr leer. Mit einem schlimmen Verdacht stand sie auf und rannte zum Haus der verhassten Tohona. Leise schlich sie an die Tür und lauschte. Von drinnen klangen verräterische Geräusche …

Im ersten Moment wollte sie wütend hineinstürmen, dann aber besann sich die Betrogene. Was sollte es bringen? Am nächsten Morgen beachtete sie den Mann gar nicht, der wieder auf ihr Lager gefunden hatte, sondern lief zu Toâ'pa.

Die Älteste rief Tohona zu sich, die alles gestand: »Was soll ich machen? Ich liebe Pedro! Ich möchte ihn nie mehr missen. Ja, ich habe ihn des Nachts auf mein Lager bestellt – und er ist gekommen. Er liebt mich ebenfalls!«

So etwas war der Häuptlingin in ihrem ganzen Leben nicht untergekommen. Sie war ratlos. Die Frauengemeinschaften der Eodeva lebten in ihren Dörfern seit Ewigkeiten ohne Männer – und sie liebten dieses Leben in Freiheit, ohne Rücksicht auf das andere Geschlecht. Natürlich hatten auch die Eodeva Bedürfnisse, aber dafür holten sie sich eben von Zeit zu Zeit Männer aus der Umgebung, früher mit List und Gewalt, heute mittels des Abkommens. So werden auch Töchter geboren und das Frauenvolk bleibt stark. Die überflüssigen Jungen nehmen ihnen heute die Klöster der Spanier ab. Toâ'pa hatte noch nie davon gehört, dass eine Eodeva einen Mann für sich allein haben wollte. Es war immer klar, dass er der Gemeinschaft gehörte. Der Ältestenrat bestimmte, wann er bei welcher ihrer Schwestern wohnen durfte.

Die Dorfälteste redete mit Engelszungen auf die Verstörte ein, führte ihr noch einmal die Jahrhunderte alten Traditionen und Sitten ihres Volkes vor Augen und warnte vor dem Chaos, das sich ergäbe, wollte man diese über den Haufen werfen. Tohona hielt die ganze Zeit den Kopf gesenkt, hinter ihren nach vorn fallenden schwarzen Haaren sah man ihre Tränen nicht.

Auch Pedro wurde zur Clanchefin gerufen, Bâtzinú und Teúcatô führten ihn vor Toâ'pa. »Was bist du nur für ein Mann? Habe ich dir bei deiner Ankunft in Matacori nicht persönlich erklärt, was deine Pflichten sind? Hat meine Tochter dich nicht in der ersten Nacht gut eingeführt?«

O, das war eine heiße Nacht, erinnerte sich der Bauernsohn. Mit Setásura würde er jederzeit gern wieder zusammensein – egal, wie sehr er Tohona liebte. Die Häuptlingstochter war seine Erste, das war ein unvergessliches Erlebnis. Sie hatte ihm gezeigt, was seine Aufgabe im Dorf sein würde. Die Töchter und Mägde der Siedler waren immer abweisend gewesen, sie wollten erst geheiratet werden.

»Und?«, unterbrach die alte Frau seine Erinnerungen, »wirst du jetzt deinen Mann stehen?«

»Ich …, ich …«, stammelte der junge Mann eingeschüchtert. Die beiden Bewaffneten neben ihm hatten ihre Dolche gezückt.

»Ich mache, was Ihr wollt, Herrin!« Dazu nickte er heftig mit dem Kopf.

Am Tage arbeitete der Dienstverpflichtete wieder eifrig und machte alles, was Ak'Chin von ihm verlangte zu ihrer vollsten Zufriedenheit. Auf dem gemeinsamen Lager mit dieser Frau musste er allerdings immer wieder an seine geliebte Tohona denken. Zwischendurch blitzte auch einmal ein Gedanke an die Häuptlingstochter Setásura auf. Nur die Frau neben ihm mit ihren fettigen Haaren, den fleischigen Armen und dem übel riechenden Atem – so kam sie ihm jedenfalls vor – wollte ihm absolut nicht gefallen. So drehte er ihr auch diesmal bald den Rücken zu.

Mitten in der Nacht öffnete sich leise die Tür. Tohona war so frech, hereinzuschleichen und den Liebsten zu wecken. Schnell waren beide in ihrer Hütte und fanden sich in einer leidenschaftlichen Umarmung auf dem Nachtlager wieder.

Noch vor Sonnenaufgang holten die Ordnungshüterinnen das Paar aus dem Bett. Pedro wurde in eine kleine Blockhütte gesperrt, vor der Teúcatô und Uépaca Wache hielten.

Die undisziplinierte und offensichtlich uneinsichtige Tohona band man an einen Pfahl auf dem Platz in der Mitte des Dorfes. Viele Frauen kamen vorbei, um sie anzustarren, manche beschimpften sie heftig. Andere fragten bloß: »Was machst du nur, Schwester Tohona?«

Gegen Mittag band sie Bâtzinú los und brachte sie zu Cucúripa, der Schamanin des Dorfes.

»Was muss ich von dir hören, Tohona? Was ist nur in dich gefahren? Du warst immer ein Vorbild für die anderen jungen Schwestern. Du hättest eines Tages sogar in den Ältestenrat gewählt und später sogar Häuptlingin werden können. Du enttäuschst mich.«

»Ich habe doch gar nichts Schlimmes gemacht! Niemandem ist etwas Böses widerfahren. Aber ich liebe Pedro und möchte immer mit ihm zusammenbleiben!«

»Du weißt, das das nicht geht, Schwester! Wir sind ein Volk stolzer Frauen! Niemand darf uns beherrschen! Wenn wir Männer im Dorf duldeten, würden sie bald die Macht an sich reißen und uns befehlen. So wie es überall in den anderen Dörfern ist – und wie ich weiß, auch im fernen Spanien und sonst auf der Welt. Das wollen wir nicht!«

Cucúripa machte eine Pause und ging zu einem Regal an der Wand, von wo sie eine kleine Holzschüssel holte. Sie war mit Wasser gefüllt und mit einem Geflecht aus Schilf abgedeckt, durch das man hindurchsehen konnte. Die Schamanin zeigte in eine dunkle Ecke des Raumes und sagte: »Du erinnerst dich, Tohona, dass du vor zwei Tagen in diesen Topf Pipi gemacht hast. Jetzt sieh einmal in diesen Schilfkäfig! Die Kröte hat gelaicht, siehst du das?«

Die junge Frau beugte sich über die abgedeckte Schüssel. Dort sah sie eine Kröte im Wasser und ringsum an den auch darin befindlichen Pflanzen klebten lange Schnüre weißer Kügelchen.

»Ich habe die Kröte in dein Pipi gesetzt und noch in der Nacht hat sie angefangen, Eier zu legen. Das ist der Beweis dafür, dass du schwanger bist, liebe Tohona. Du wirst unserem Dorf sicherlich bald ein Töchterchen schenken können. Was also willst du noch mit einem Mann?«

»Aber …, aber …, nicht doch deswegen! Ich liebe ihn, möchte ohne ihn nicht mehr leben!«

»Aber was soll das? Das gab es doch noch nie bei den Eodeva! Du bekommst dein Kind – und wenn du später noch eines willst oder auch nur mal wieder einen Mann auf deinem Nachtlager haben möchtest, so wird dir dieser Wunsch erfüllt werden. So wie allen Frauen vor dir und nach dir!«

»Aber ich möchte Pedro! Ich möchte immer mit ihm zusammenleben, ihn nie mehr hergeben!« Die Verliebte blieb uneinsichtig.

Die weise Frau seufzte: »Das ginge nur, wenn du unser Dorf verlässt und mit dem Bauernlümmel zu den Spaniern gehst. Er würde aber eine harte Strafe von seinen Herren bekommen, weil er gegen unseren schon viele, viele Jahre bestehenden Friedensvertrag verstoßen würde. Und dein Leben würde ein völlig anderes werden. Die Männer würden über dich bestimmen, nicht nur dein Pedro, alle in seinem Haus und im Dorf. Du hättest gar nichts zu sagen, wärest nur eine Arbeitskraft und müsstest Pedro immer zu Willen sein, egal, wie du dich gerade fühlst. Bei diesen Menschen gibt es ein heiliges Buch, nachdem sie sich richten, und darin steht: ›Die Weiber seien untertan ihren Männern als dem HERRN. Denn der Mann ist des Weibes Haupt.‹ Willst du denn Untertanin sein von Pedro und seinem Vater und vielleicht auch seinen Brüdern? Ich glaube, das würde dir nicht gefallen! Überlege dir alles gut! Wenn die Sonne über unserem heiligen Berg steht, wirst du vor dem Ältestenrat zu deinem Verhalten Rede und Antwort stehen müssen.«

Am Nachmittag versammelte sich der Rat der Ältesten von Matacori auf dem Dorfplatz. Diesmal band man Pedro an den Pfahl, gegenüber stand die ungehörige Tohona zwischen den Ordnungshüterinnen Teúcatô und Uépaca. In zwei Halbkreisen zu beiden Seiten der Übeltäter hatten die Ratsfrauen Platz genommen, auf der einen Seite saß die Häuptlingin, gegenüber auf der anderen die Schamanin.

Zuerst erörtete die Versammlung das unerhörte Verhalten von Tohona, also das überlange Festhalten des Mannes in ihrer Hütte und die anschließende Verweigerung Pedros gegenüber Ak'Chin bei gleichzeitiger Fortsetzung des gemeinsamen Lagers mit der Diszi­plin­losen. Als Tohona um ihre Stellungnahme gebeten wurde, blieb sie dabei: »Ich liebe Pedro! Ich möchte nur noch mit ihm leben. Bitte lasst ihn mir!«

Sie war nicht zur Vernunft zu bringen. Toâ'pa machte ihr klar, dass sie unter keinen Umständen in Matacori und auch in keinem anderen der Dörfer der Eodeva weiter mit Pedro zusammen sein könnte. Sie würde nicht mehr zu ihnen gehören, der Rat müsste sie verstoßen.

»Dann gehe ich mit Pedro mit in sein Zuhause«, schluchzte sie.

Alle Argumente, die Tohona die Illusionen nehmen sollten, die sie offenbar von der Männerwelt da draußen hatte, schlug sie in den Wind.

»Würdest du denn deiner Dienstpflicht zukünftig nachkommen, wenn Tohona nicht mehr im Dorf ist?«, fragte eines der alten Weiber den jungen Mann.

»Aber – ich denke, Tohona will mit mir kommen …«, antwortete der Gefesselte, dabei seiner Liebsten in die Augen schauend.

Mit schneidendem Ton erwiderte die Clanchefin: »Deine Zeit bei uns ist noch nicht um! Willst du Krieg provozieren?«

Der Bauernsohn erschrak, er kannte die Erzählungen von den grausamen Kriegerinnen, die früher in die Dörfer der Kolonisten eingefallen waren. Bisher hatte er nur die Strafe der Regierung des Gouverneurs gefürchtet. Er wusste nicht, was ihn da erwartete, er kannte keine Beispiele. Da fiel ihm Felipe ein, der etwas einfältige Sohn des Nachbarn. Er war ganz neidisch gewesen, als er hörte, dass Pedro in ein Amazonendorf geschickt wurde.

»Was wäre, wenn statt meiner ein anderer stattlicher Mann zu euch kommt?«, wagte der an den Pfahl Gebundene zu fragen.

Eine lebhafte Diskussion entspann sich, in deren Ergebnis festgelegt wurde, dass das Dorf sich nicht beim Gouverneur beschweren würde, wenn der Ersatzmann innerhalb von einer Handvoll Tagen bei ihnen wäre, er die Erwartungen der Frauen erfüllen würde und die volle Dienstzeit ableistete.

Pedro wurde erneut in das kleine Blockhaus gesperrt, Tohona durfte in ihre Hütte, um ein paar ihrer Habseligkeiten zu packen, die sie mitnehmen wollte. Vor ihrer Tür hielt zunächst Teúcatô Wache und wechselte sich während der Nacht mit Bâtzinú und Uépaca ab.

Noch vor Sonnenaufgang weckten die Ordnungshüterinnen die Verbannten. Die Schamanin kam noch einmal zu Tohona, um sie ein letztes Mal umzustimmen: »Willst du dein Töchterchen wirklich der von Männern beherrschten Welt aussetzen?« Sie fand kein Gehör, es war vergeblich.

Dann wurde das Paar aus dem Dorf getrieben. Pe­dro trug einen Teil der Sachen, die seine Liebste gepackt hatte. Es waren vor allem die weichen Felle, aber auch einige Töpfe und Pfannen. Und ein wenig Proviant. Die drei bewaffneten Wächterinnen folgten im Abstand zweier Steinwürfe den Ausgestoßenen, bis sie das Gebiet der Frauendörfer verlassen hatten.

»Ich bin so glücklich, Pedro, mit dir ein neues Leben anfangen zu können.« Tohona himmelte ihren Weggefährten an.

»Ich bin froh, nach Hause zu kommen. Du bist jetzt meine Frau!« Der Siedlersohn war stolz auf seine schöne Geliebte.

Nach über zwei Tagen anstrengenden Fußmarsches und zwei kalten Nächten langten die beiden hungrig und erschöpft am Hof von Pedros Vater an.

Fernández empfing seinen Sohn mit den Worten: »Was machst du denn schon hier? Und wen bringst du da mit?«

Pedro stellte Tohona als seine Frau vor, die nun das Leben mit ihm teilen würde.

»Tohona? Was für ein seltsamer Name! Ist das etwa deine Metze von den Amazonen?«

»Sie stammt aus dem Dorf, in das ich geschickt wurde. Ich habe sie lieb gewonnen und sie liebt mich!«, antwortete der Sohn.

»Das ist doch gar kein richtiger Christenmensch!« Fernández verzog angewidert das Gesicht. »Ach! Was soll’s? Kannst du wenigstens kochen?«, wandte er sich an die Eingeborene.

»Si, señor«, war die leise gesprochene, schlichte Antwort.

»Dann überlege schon mal, was du uns heute Abend auf den Tisch bringst. Ich möchte etwas Anständiges essen!« Er funkelte die ungeliebte junge Frau, die so etwas wie seine Schwiegertochter sein sollte, aus böse blickenden Augen an.

»Und nun halte hier keine Maulaffen feil! Der Schweinestall muss ausgemistet werden, da bin ich allein nicht dazu gekommen. Und anschließend kannst du gleich die Kühe melken.«

Tohona schaute eingeschüchtert und um Hilfe heischend zu ihrem Liebsten. Der aber hatte nicht einmal einen freundlichen Blick für sie, sondern fuhr sie an: »Hast du nicht gehört, was mein Vater gesagt hat?«

Die bis eben so glückliche Eodeva drehte sich um und lief mit hängenden Schultern zum Schweinestall. Ob die Schamanin doch Recht hatte mit ihrer Schwarzmalerei?, fragte sie sich zutiefst erschrocken.

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