Читать книгу Die Augen der Hydra - Ein Ratekrimi aus dem alten Rom - Franjo Terhart - Страница 7

III
Das Geheimnis des Lehrers

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Bei Zeus, ich verstehe nicht ...«, stammelte Kaliste. »Sie haben Marcus Antonius ...« Sie schlug sich erschrocken die Hand vor den Mund.

»Was? Was haben sie mit unserem Lehrer gemacht?«, rief Cornelia bestürzt.

Aber Kaliste schwieg und schien zu keiner Auskunft fähig.

Cornelia griff beherzt nach dem Papyrus, den Kaliste zitternd in den Händen hielt. Was sie las, schnürte auch ihr die Kehle zu:

DEIN GELIEBTER MARCUS ANTONIUS, WUROE VON MIR,

DEM MÄCHTIGEN DER MÄCHTIGSTEN, ENTFÜHRT.

WENN DU IHN LEBEND WlEDERSEHENWILLST,

DANN GIB MIR DAS LIBER SECRETUS DE TERRA PHA.

SAG NIEMANDEM, WAS HIER VoRGEHT,

SONST WIRST DU DEINEN MANN ERST IM HADES WIEDERSEHEN, KALISTE.ALLEIN ICH, DER

MÄCHTIGE, ENTSCHEIDE , OB ICH IHN FREILASSE ODERNICHT! ES,LIEGYALLEINDARAN OB

ICH BEKOMME, WAS ICH WILL, UNDOBMIR

GEFÄLLT, WAS ICH LESE.

liebe frau. ich bin ihm ausgeliefert. wenn es

dich nicht gäbe , würde ich ihm nie mals das geheime buch übergeben.eher wäre ich zu

sterben bereiy. so muss ich dich bitten: suche jenen raum im haus, den du nicht kennst.

der strahl der sonne, der dich blenndet.

wird dich leiten. er zeigt, was sich öffnen

lässt.

hinterlege das buch, das mein entführer fordert morgen nachmittag am templum rotundum, dritte säule von links beim aufgang . und wie gesagt:

keine ädilen! andernfalls

oculi hydrae

Unzweifelhaft stammte der letzte Teil der Nachricht von Marcus Antonius. Cornelia erkannte die Handschrift des Lehrers. Das Ganze war mehr als rätselhaft.

»Das glaube ich nicht!«, sagte sie schließlich verblüfft. »Soll das komisch sein? Nichts als unverständliche Andeutungen. Und überhaupt: Wer entführt denn einen Lehrer? Hat man je von so einem Buch Liber Secretus de Terra Pha gehört? Und was soll dieser seltsame Hinweis mit dem Strahl der Sonne?« Sie schüttelte ungläubig den Kopf.

Titus rieb sich nervös das Kinn. »Merkwürdige Sache«, murmelte er. »Wer sind die Oculi Hydrae? Und warum fordern sie für Marcus Antonius kein Geld, sondern eine mysteriöse Buchrolle? Und warum schreibt der Lehrer nicht, in welchem Regal sie zu finden ist? Stattdessen gibt er seiner eigenen Frau ein Rätsel auf. Such es im Raum, den du nicht kennst? Vollkommen verrückt!«

Es war wirklich verrückt, aber umso deutlicher spürten alle, dass Gefahr auf sie zukam. Was war jetzt zu tun? Die Ädilen einweihen, damit sie mit ihrer Amtsgewalt gegen die Verbrecher vorgingen? Aber genau davor hatte sie der unbekannte Entführer heftig gewarnt. Das Messer und die Blutstropfen waren nicht misszuverstehen.

In diesem Moment erwachte Kaliste aus ihrer Starre. Sie entriss Cornelia das kleine Papyrusblatt und rief in höchster Not: »Aber davon dürft ihr doch gar nicht wissen. Davon dürft ihr doch nichts wissen. Sonst bringe ich meinen Mann noch in allergrößte Gefahr.«

Sie war völlig außer sich und schrie wie verrückt. Cornelia drehte sich nach allen Seiten um. Jedes Aufsehen musste vermieden werden! Rasch schob sie die Frau mit einer energischen Geste ins Haus und schloss hastig die Tür hinter sich.

»Was wollt ihr zwei von mir?«, fragte Kaliste. Ihre Stimme klang ängstlich.

»Keine Sorge, Kaliste, wir mögen doch alle unseren Lehrer«, versuchte Cornelia, die Frau zu beruhigen. »Und deshalb müssen wir in Ruhe überlegen, was jetzt geschehen soll. Vielleicht ist das alles nur ein derber Scherz, den faule Schüler sich ausgedacht haben.«

Sie musterte Titus streng. Doch der hob entsetzt die Hände, dass er nichts mit der Sache zu tun hatte.

›Bella!‹, durchfuhr es Cornelia. Hatte sie etwa ...? Das durfte doch nicht wahr sein!

Kaliste stand da mit offenem Mund und hörte ungläubig zu. »Marcus Antonius hat immer gesagt, dass du die Klügste in seiner Gruppe bist, Cornelia. Wenn du mir und ihm helfen kannst, dann tue es. Denn die Götter, die alle unsere Wege bestimmen, haben gewollt, dass ihr mich heute besuchen kommt.«

»Ich sehe das auch so, Kaliste«, antwortete Cornelia selbstbewusst.

Titus verdrehte die Augen, als seine Schwester fortfuhr: »Die Götter planen für uns mit. Deshalb frage ich dich, ob du eine Ahnung hast, wo das Liber Secretus de Terra Pha steckt. Weißt du, was es damit auf sich hat?«

Kaliste war keine große Hilfe. »Ich habe niemals zuvor von diesem merkwürdigen Buch gehört. Was ist nur in Marcus Antonius gefahren, dass er mir so merkwürdige

Anweisungen gibt? Ich begreife es nicht«, murmelte sie niedergeschlagen.

»Das ist genau unser Problem!« Cornelia machte eine ausladende Geste das Haus betreffend: »Kann es hier einen Raum geben, den du nicht kennst, Kaliste?«

Ihre Stimme hatte plötzlich einen Klang angenommen, der Titus unwillkürlich aufhorchen ließ. Wenn Cornelia so redete, dann konnte das nur eins bedeuten: Sie witterte ein neues Abenteuer!

Aber die Frau des Lehrers schüttelte bloß stumm den Kopf. »Wie soll ich das wissen? Wozu soll es hier einen geheimen Raum geben?«

»Das Geheime Buch vom Lande Pha«, sagte Titus nachdenklich. »Was beim Hades ist das Land Pha? Davon hat uns unser kluger Lehrer niemals erzählt, oder?« Er schaute Cornelia fragend an.

Seine Schwester musste ihm recht geben: »Selbst ich habe keinen Schimmer, wovon die Rede ist. Aber wir müssen es herausfinden. Schließlich ...«

»Schließlich soll ich es ja gegen das Leben meines Mannes eintauschen«, schluchzte Kaliste auf. Sie ließ sich auf einen Schemel nieder und vergrub ihr Gesicht in ihren Händen.

Die hübsche dunkelhaarige Griechin wirkte hilflos und allein.

Cornelia und Titus hatten zwar keine Ahnung, wie sie der Frau ihres Lehrers beistehen konnten, aber Cornelia spürte, dass sie ihr Mut zusprechen musste.

»Die Götter haben bestimmt, dass wir Zeuge dieses Schreibens werden«, erklärte sie mit fester Stimme. »Und wir werden dir helfen, Marcus Antonius gegen dieses merkwürdige Buch auszutauschen. Wir müssen nur herausfinden, wo er es versteckt hat.«

»Aber warum sollte mein Mann es überhaupt vor mir verstecken?«

Eine gute Frage. Hatte der Lehrer Geheimnisse vor seiner Frau? Es war wichtig, so rasch wie möglich dahinterzukommen.

»Wir müssen über alles gründlich nachdenken«, sagte Cornelia auf einmal. »Deshalb gehen mein Bruder und ich zunächst zurück zum Forum.« Dabei drückte sie Kaliste die Hand. Die schien einmal mehr entsetzt. »Ihr wollt mich allein lassen? Jetzt?«

»Wir kommen zurück, wenn wir ein Stück klüger geworden sind«, versprach Cornelia. »Noch haben wir bis morgen Nachmittag Zeit, das geheimnisvolle Buch aufzuspüren.«

Titus zog die Augenbrauen zusammen und seufzte auf. Er konnte sich gut vorstellen, was Cornelia vorhatte. Sie würde Gaius und Publius Bescheid sagen und nicht eher Ruhe geben, bis der Lehrer wieder aufgetaucht war. Von ihm aus hätte Marcus Antonius ruhig ein paar Tage verschwunden bleiben können, was ihnen ein wenig schulfrei bescheren würde. Aber so viel war klar: Aus der Ruhe würde nichts werden. Dafür würde Cornelia schon sorgen!

Kaliste nickte traurig. »Ich bete zu den Göttern und ich werde ihnen opfern, damit sie euch beistehen und gute Einfälle bescheren.«

Doch als sich Cornelia der Tür zuwandte, stieß sie einen spitzen Schrei aus. Sie hielt sich abwehrend beide Hände vors Gesicht.

»Was ist?«, fragte Titus. »Eine fiese Mücke?«

»Nein. Nur ein Lichtstrahl, der genau mein linkes Auge traf, als ich mich zur Tür umdrehte.«

Titus wies erstaunt auf das viereckige Fenster über dem Eingang.

»Sieh mal, dort oben! Die Sonne bricht sich ihre Bahn genau durch diese kleine Öffnung unterhalb der Decke. Sieh dich beim nächsten Mal vor, sonst kitzeln dich die Strahlen noch, bis du lachst.«

Er grinste und Cornelia gab ihm einen kleinen Schubs, als er vor ihr nach draußen ging.

Sie hatte eben einen Schritt aus dem Haus hinaus getan, als sie auf einmal wie angewurzelt stehen blieb. Was hatte sie da eben für einen Moment blind gemacht wie ein Pfeil, der ins Auge geht? Ein Lichtstrahl ...

»Der Strahl der Sonne, der dich blendet, wird dich leiten. Er zeigt, was sich öffnen lässt«, hatte Marcus Antonius geschrieben.

»Ha!«, machte Cornelia und wandte sich zur Haustür um, die der Sklave Demetrios eben im Begriff war zu schließen.

»Halt! Nicht so eilig, ich habe noch was Wichtiges vergessen«, rief das Mädchen dem verdutzten Mann zu.

»Tür auf, Tür zu, Tür wieder auf. Als hätte ich nicht schon genug zu tun«, beschwerte sich Demetrios unwillig. Doch das Mädchen kümmerte sich nicht um sein Gejammer, sondern drängte sich schnell an dem genervten Sklaven vorbei.

Kaliste schaute sie verblüfft an.

Cornelia hob den Finger an den Mund. »Pst! Ich muss nachdenken.«

Demetrios verschwand kopfschüttelnd um die Ecke in Richtung Atrium. »Was für eine nie endende, unermüdliche Arbeit«, hörten sie ihn schimpfen.

Doch Cornelia ließ sich nicht beirren. Sie ließ ihre Blicke im Raum umherschweifen. Dabei zeigte sie mehrmals auf das kleine viereckige Fenster oberhalb der Tür.

»Durch das Fensterchen fällt ein Strahl herein«, stellte Titus fest. »Das hatten wir bereits.« Aber dann schlug er sich hastig vor die Stirn. »Ich Esel, ich dreifach großes Rindvieh. Aber na klar. Der Strahl des Lichtes soll dich leiten, hat der Lehrer geschrieben.«

»Genau!«, sagte Cornelia. »Also los!«

Sie blickten sich eifrig in dem kleinen Eingangsbereich um. Er war nur karg möbliert. An der linken Seitenwand standen zwei Stühle. An der Wand gegenüber thronte auf einem Sockel eine marmorne Götterstatue. Das war alles. Cornelia näherte sich der Statue, die den Gott Merkur zeigte, und klopfte vorsichtig dagegen. Sie war fest wie Stein und kalt wie Eis.

»Hätte ja sein können, dass sie hohl ist«, meinte Cornelia enttäuscht.

»Hier kann man wirklich nichts vor den Augen anderer verbergen«, ließ sich Kaliste hören. »Du musst dich irren, Cornelia. Hier gibt es kein einziges Versteck.«

Anscheinend hatte die Frau des Lehrers recht. Doch wo sollten sie dann suchen?

»Der Lichtstrahl fällt genau auf die Wand gegenüber dem Eingang«, stellte Titus fest. Er starrte auf die Mauer, die mit einem großen Wandgemälde geschmückt war. »Keine Spur von einem Regal mit Buchrollen, in dem wir suchen könnten«, stöhnte er.

Auch Cornelia betrachtete das Fresko: Junge Mädchen in durchscheinenden Gewändern tanzten auf den Wellen des Meeres zusammen mit drei Delfinen. Die Tänzerinnen waren Nymphen, nicht von dieser Welt.

Eine schöne Szenerie, die der Künstler direkt auf den weißen Putz gemalt hatte.

Der Sonnenstrahl, der durch die Fensteröffnung fiel, berührte den Kopf eines Delfins. Das sah hübsch aus. Der unbekannte Maler hatte zusätzlich vier Säulen gemalt, drei große und eine nur halb. Sie deuteten einen verfallenen Tempel an. Dazwischen lag das Meer mit den Mädchen und den Delfinen. Zwei Delfine schwammen zwischen den Säulen und waren ganz zu sehen. Der dritte Delfin erschien dicht über der halben Säule – fast so, als läge er darauf. Cornelia fand es komisch, dass ein Delfin sich auf einer Säule ausruhte. Überrascht ging das Mädchen ganz nah an das Fresko heran.

Die Augen der Hydra - Ein Ratekrimi aus dem alten Rom

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