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Spuk in Pompeji

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Dies Jovis (Donnerstag), 17. August 79 n.Chr.

Eine unheimliche Stille. Dann ein Klirren, als wenn eine Eisenstange gegen Marmor schlüge, und wenn man genau hinhörte, vernahm man Kettenrasseln, zuerst in der Ferne, dann, als wäre es dicht neben einem. Nebel stieg auf und aus diesem formte sich ein Gespenst: ein alter Mann, abgemagert und vor Schmutz starrend, mit langem Bart und struppigen Haaren. Er war an Händen und Füßen mit eisernen Ketten gefesselt, an denen er heftig rüttelte.

Aemilia fröstelte. Ein eisiger Windhauch strich an ihren nackten Beinen entlang. Das Gespenst streckte drohend seine langen, knochigen Arme nach ihr aus ...

Aemilia schreckte hoch und rang nach Luft. Sie wollte schreien, aber ihr Mund war wie ausgetrocknet. Schweißgebadet kauerte sie auf ihrem Bett. Was für ein furchtbarer Traum! Nur langsam gelang es ihr, sich zu beruhigen. Sie schluckte mehrmals, hustete. Die volle Scheibe des Mondes tauchte ihr Zimmer in ein helles Licht. Im Haus war es still. Es musste de media nocte (weit nach Mitternacht) sein.

Aemilia erhob sich von ihrem Nachtlager und stand auf. Sie gähnte und schlurfte blinzelnd zum Fenster, durch das man in den Garten hinunterschauen konnte. Das sanfte Licht des Mondes wirkte beruhigend. Warum schickten die Götter den Menschen so schreckliche Träume? Wollten die Ewigen sie erinnern, dass alles endlich war und sich die Menschen nicht nur vergnügen sollten, wie fast alle im reichen Pompeji es taten?

Aemilia seufzte und blickte hinaus. Wie friedlich die Nacht jetzt war. Kein Laut war zu hören. Selbst die Vögel schwiegen noch. In der Ferne bellte ein Hund. Vielleicht war ja ein Einbrecher unterwegs gewesen und das treue Tier hatte angeschlagen, um alle im Haus zu warnen. Das Bellen war weit weg gewesen, beruhigte Aemilia sich selbst.

Ihr Vater Marcus Mesonus, der beliebteste Bäcker in der Via Abundantiae, verriegelte die Haustür jeden Abend mit drei Schlössern. Daran würde sich jeder nächtliche Dieb die Zähne ausbeißen. Aemilia gähnte erneut. Sie wollte sich gerade wieder schlafen legen, als sie ein merkwürdiges Geräusch vernahm: Es klang wie ein Rascheln und Brechen zugleich und kam vom Nachbarhaus. Was konnte das sein? Ein Tier?

Vorsichtig lugte Aemilia heraus. Stille. Dann hörte sie es ein zweites Mal rascheln und kurz darauf klang es, als würde ein morscher Ast brechen. Jetzt war Aemilia alarmiert. War da vielleicht doch ein Einbrecher ganz in ihrer Nähe? Sie wagte kaum zu atmen. Sollte sie laut schreien, damit alle im Haus wach wurden und herbeieilten?

Nun war wieder Stille. Was ging da vor? Aemilia beugte sich noch etwas weiter vor, um besser sehen zu können. Und anders als in ihrem Traum entrang sich diesmal ihrem Mund tatsächlich ein lauter Schrei. Direkt unter ihr kauerte das schrecklichste Wesen, das sie jemals gesehen hatte. Sie blickte in ein kleines weißes unheimliches Gesicht mit rot glühenden Augen und einem frechen Grinsen. Aemilia war so erschrocken, dass sie laut schreiend rückwärtstaumelte. Dabei nahm sie noch aus den Augenwinkeln wahr, wie das schreckliche Gespenst mit einem gewaltigen Satz über die mannshohe Mauer sprang und dahinter verschwand.

Wenig später standen Marcus Mesonus und seine Frau Apollonia im Zimmer ihrer Tochter.

Apollonia starrte die am ganzen Körper zitternde Aemilia erschrocken an.

»Was ist denn nur passiert? Du hast geschrien, als würde dir jemand ein Messer ins Herz stoßen«, stammelte sie besorgt und zitterte dabei kaum weniger als Aemilia.

Marcus Mesonus schüttelte unwillig den Kopf. »Was soll denn dieser Lärm, der uns alle um unseren Schlaf bringt?«

Aemilia flüchtete sich in die Arme ihrer Mutter.

»Es ist eine furchtbare Nacht«, schluchzte sie »Erst träume ich von einem Greis, der im finsteren Hades schmort und seine Knochenarme nach mir ausstreckt, und dann sehe ich unten im Garten dieses grässliche Gespenst.«

Apollonia strich ihrer Tochter sanft über den Kopf und murmelte beruhigend: »Die Götter prüfen uns mitunter im Schlaf, wenn unser Verstand nicht mehr bei uns ist, mit schrecklichen Bildern. Aber glaube mir, Aemilia, so schlimm diese uns auch erscheinen mögen, sie bedrohen nicht wirklich unser Leben. Am Morgen zerplatzen diese Träume wie Schaumblasen.«

In diesem Moment schlurfte Aemilias Bruder Aemilius gähnend ins Zimmer. »Was ist denn passiert?«, fragte er verschlafen. »Ich habe einen wilden Schrei gehört, bin aufgestanden und sah draußen ein großes Lichtschwert am Himmel.«

»Was redest du denn für wirres Zeug?«, mischte sich jetzt sein Vater ein, der die ganze Zeit über schweigend, aber missbilligend zugehört hatte: »Nicht du auch noch! Schwert am Himmel? Gespenst im Garten? Seid ihr denn beide verrückt geworden?«

Man merkte Marcus deutlich an, wie verärgert er darüber war, dass man ihn um seine kostbare Nachtruhe gebracht hatte. Als Bäcker musste er morgens sehr früh raus. »Legt euch jetzt alle wieder hin und schlaft!«, knurrte er.

»Aber Marcus«, ermahnte ihn seine Frau. »Die Kinder haben schlecht geträumt. Das darfst du ihnen nicht vorwerfen.«

In diesem Augenblick erschütterte ein Beben das Haus des Bäckers. Alle zuckten erschrocken zusammen, obwohl Erdbeben in Pompeji nicht unüblich waren. Zugleich breitete sich ein Lichtschein am Himmel über der Stadt aus. Die ganze Familie eilte ans Fenster und blickte verstört in die Nacht hinaus, die taghell geworden war.

»Da! Seht nur!«, rief Aemilius. »Da ist das Schwert aus Feuer wieder, das ich gesehen habe. Schaut nur, wie riesig und bedrohlich es ist!«

Nun konnten alle sehen, dass der Junge alles andere als einen schlechten Traum gehabt hatte.

Aus der Spitze des Vesuv schoss ein flammendes Schwert in die Höhe, wies mit seiner glühenden Spitze drohend in den dunklen Himmel und zerbarst kurz darauf in einem Regen hell glühender Funken. Doch so schnell, wie das Feuerschwert aufgetaucht war, verschwand es auch wieder. Pompeji lag wieder so still und friedlich da wie zuvor. Aber jeder, der das Zeichen am Himmel gesehen hatte, war um seinen Schlaf gebracht.

Der Geisterglaube der Römer

Zu allen Zeiten waren die Menschen davon überzeugt, dass die Geister der Toten nicht zur Ruhe kommen und die Lebenden als Spuk erschrecken. Das war bei den Römern nicht anders. Sie glaubten, dass Tote, die ihr Leben gewaltsam verloren hatten, als Gespenster auf sich aufmerksam machten. Selbst ein angesehener Gelehrter wie der Naturforscher Plinius glaubte an die Existenz von phantasmata bzw. larvae, Gespenstern. Als Abwehr gegen Spuk feierten die Römer im Mai und November eines Jahres die sogenannten lemuria. Der Hausherr vollzog dabei Unheil abwehrende Riten, um die lemures, die Totengeister, aus dem Haus zu vertreiben. Die lemuria waren geprägt von Gespensterfurcht, die Tempel waren geschlossen, Hochzeiten fanden nicht statt.

Spuk in Pompeji

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