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Ein unheimlicher Dieb

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Dies Veneris (Freitag), 18. August 79 n. Chr.

»Riesen sah man durch die Luft fliegen, ätzende Dämpfe drangen durch die Eingeweide der Erde nach oben, schaurige Gespenster gingen in den Straßen um, der Himmel war lila gefärbt und viele sahen ein unheimliches Feuerschwert am Himmel«, schluchzte Papila, die Magd der Familie, am nächsten Morgen, während sie das Frühstück zubereitete.

»Aufhören, Papila! Erschreck die Kinder doch nicht noch mehr. Die letzte Nacht war für uns alle furchtbar!«, ermahnte Apollonia die Küchensklavin und beschied ihr mit einer eindeutigen Geste, nicht weiter in dieser Weise zu reden.

»Aber wenn sie doch recht hat!«, widersprach Aemilia trotzig. Sie stocherte lustlos mit dem Löffel in ihrem mit Honig gesüßten Mehlbrei herum. Puls, der Frühstücksmehlbrei, war zwar ihre Lieblingsspeise, aber nach dieser Nacht hatte sie einfach keinen Hunger.

Ihr Bruder winkte lässig ab und versuchte, mutig zu klingen: »Pah! Feuerschwert am Himmel oder nicht. Spuk im Garten oder nicht. Pompeji droht keine Gefahr. Isis breitet ihren schützenden Mantel über unsere Stadt aus. Jupiter thront mächtig wie eh und je in seinem Tempel. Die Götter werden nicht zulassen, dass uns Menschen etwas geschieht.«

»Genau so ist es richtig, Aemilius, mein Sohn«, rief sein Vater, der gerade ins Zimmer trat. »Das Leben geht ewig seinen Gang! Lasst uns einfach nur leben und genießen!«

Der Bäcker blickte seine Kinder aufmunternd an. Er hatte bereits gearbeitet, als sie noch in ihren Betten lagen. »Esst! Die Brötchen und das Brot kommen frisch aus dem Ofen. Sie sind rund und knusprig wie jeden Tag. Die Menschen kommen und kaufen sie wie alle Tage. Niemand meint, die Welt ginge unter.«

Seine Frau blickte ihn fragend an: »Und das unheimliche Feuerschwert am Nachthimmel?«

Ihr Mann winkte ab: »Natürlich war das Ereignis der letzten Nacht Thema in meinem Laden. Albus, der persönliche Diener von Numerius Pontius, Priester im Tempel des mächtigen Jupiter, hat bei mir heute Morgen wie immer sein aus feinem Mehl gebackenes panis candidus gekauft. Er will erfahren haben, dass in den Tempeln der Stadt den Göttern mehr als sonst geopfert wird. Sein Herr sagt, die Ewigen wollen uns mit ihrem Zeichen am Himmel prüfen. Aber ich sage euch: Gefahr droht uns in Pompeji damit noch lange nicht! Wer sich sorgt, vertraut den Göttern nicht.«

Apollonia schaute zweifelnd, nickte dann aber zustimmend. »So wollen wir es mit den ewigen Göttern halten, Marcus Mesonus. Wir beten zu ihnen, wir opfern ihnen und achten sie. Wir Menschen stehen unter ihrem starken Schutz!«

Aemilius grinste seine Schwester herausfordernd an und Aemilia seufzte laut: »Ich versuche ja, meinen blöden Traum zu vergessen, aber dieses schreckliche Gesicht im Garten ...«

»Eben, und auch andere in der Straße haben diesen Geist gesehen«, rief Papila aufgebracht. »Weiß mit glühenden Augen!«

»Papila! Schluss jetzt!«, donnerte die Stimme des pater familias durch den Raum.

Die Sklavin zuckte unter dem »Schluss jetzt!« erschrocken zusammen und blickte den Bäcker ängstlich an.

»Noch mehr davon und ich werde dich bestrafen müssen!«

Papila duckte ihren Kopf tief nach unten.

»Bin jetzt ganz still, Herr. Nur die Angst macht mich ...«

»Schluss! Keinen Ton mehr!«, fuhr Marcus Mesonus sie an.

Während der Bäcker noch seine Sklavin zurechtwies, reifte in Aemilius ein Plan. Er würde der ganzen Sache selbst nachgehen. Zusammen mit seinem Freund Marcellus. Gemeinsam würden sie sich umhören, ob auch andere das seltsame Gespenst gesehen haben wollten. Und dann würden sie herausfinden, was wirklich hinter der Sache steckte.

Plötzlich wusste er, was ihn an den Berichten störte: Was war das für ein merkwürdiges Gespenst, das in einem einzigen Satz über die Mauer verschwand, anstatt sich einfach in Luft aufzulösen?

»Ich gehe jetzt wieder an die Arbeit«, erklärte sein Vater, nachdem er vier, fünf Bissen in sich hineingestopft hatte. »Und was euch Angsthasen hier angeht ...« Er warf seiner Tochter und vor allem der Sklavin einen amüsierten Blick zu. »Bei den nächsten lemuria, dem Fest zu Ehren der Totengeister, werde ich die Riten zur Vertreibung von umherirrenden Toten in und um unser Haus noch intensiver als bisher durchführen. Nur damit ihr endlich beruhigt seid, denn wirklich nötig erscheint mir das nicht.«

›Und ich werde meiner Schwester beweisen, dass das, was auch immer sie gesehen haben will, alles Mögliche gewesen sein mag, aber kein Gespenst‹, dachte Aemilius.

Er stand eilig auf, damit Aemilia ihm nicht folgte, und lief hinaus auf die Straße. Die lange Via Abundantiae mit ihren zahllosen Geschäften, Schenken, Weinstuben und reichen Bürgerhäusern war eine beliebte Gegend in der Stadt.

Aemilius hüpfte über drei Trittsteine hinweg auf die gegenüberliegende Straßenseite. Große Lastkarren rollten an ihm vorbei. Ihre eisenbeschlagenen Räder hatten im Laufe der Zeit tiefe Rinnen im Boden hinterlassen.

Aemilius blieb kurz stehen. Mit einer Hand wischte er sich den Schweiß von der Stirn. Das Wetter im August war heiß und schwül. Eigentlich hätte er um diese Tageszeit lernen müssen, doch der Schulunterricht bei Marius Amandus fiel aus, weil der Lehrer erkrankt war. Man munkelte, der Magister würde sich viel zu häufig in der Weinschenke des Euxinus aufhalten, aber das war nichts als ein Gerücht.

Aemilius sollte es recht sein, zufrieden eilte er an der bekannten Walkerei des Stephanus vorbei, wo altes Tuch gewaschen und Wolle veredelt wurde, und bog wenig später in die etwas weniger belebte Via Stabiana ein.

Marcellus wohnte gegenüber den bekannten Thermen in dieser Straße. Seine hübsche Schwester Carilla, die einen Schmollmund hatte wie keine Zweite, war mit Aemilia gut befreundet. Vermutlich würden sich die beiden Mädchen, sobald sie aufeinandertrafen, in ihrer Angst vor mit Ketten rasselnden Gespenstern gegenseitig zu übertreffen suchen.

Pompeji ‒ reiche Stadt am Fuße des Vesuv

In Pompeji lebten im 1. Jahrhundert n.Chr. etwa 18 000 Menschen. Die Handelsstadt war sehr reich, denn die fruchtbare Vulkanerde war ideal für den Anbau von Weizen, Oliven und Wein. Pompeji war von einer Mauer mit Wachtürmen umgeben und besaß viele Tempel, mehrere Thermen, einen Hafen, ein großes Amphitheater, das 20 000 Besuchern Platz bot, und prächtige Villen, die vom Reichtum ihrer Bewohner zeugten. Im Sommer flüchteten viele wohlhabende Römer aus der schwülen Enge Roms in die Stadt am Meer. Der Stadtplan macht deutlich, wie geordnet die Straßen, Gassen und Plätze der Stadt gebaut waren ‒ typisch römisch eben!

Aemilius meinte, Carilla und Aemilia bereits schnattern zu hören, als er sich dem Haus des Freundes näherte. Gaius Rufus, der Vater von Marcellus und Carilla, war Mosaikleger, was viel Geschick, Kreativität und ein gutes künstlerisches Auge voraussetzte. Sein Haus war der beste Beweis seiner Kunstfertigkeit.

Aemilius freute sich auf Marcellus, denn zu zweit kamen sie auf die tollsten Ideen. Er selbst war einen halben Kopf größer als sein Freund, obwohl sie beide gleich alt waren. Darauf legte Aemilius viel Wert, denn die Soldaten des Kaisers waren fast ausnahmslos große Männer und zu ihnen wollte Aemilius später einmal gehören.

Aemilius und Marcellus liebten Scherze jeder Art und besonders liebten sie es, Aemilia und Carilla zu necken. Und nach dem, was letzte Nacht vorgefallen war, würde sich mit Sicherheit etwas finden lassen, mit dem sie die beiden Mädchen tüchtig erschrecken konnten.

Marcellus empfing ihn bereits in der Tür.

»Wenn die beiden Schnattergänse gleich zusammen sind, müssen wir uns unbedingt einen feinen Scherz mit herrlich schrecklichen Totengeistern überlegen. Wenn Aemilia nach dieser Nacht auf irgendwelche herumgeisternden Lemuren trifft, macht sie das garantiert völlig fertig«, raunte Aemilius seinem Freund zu und grinste breit.

Aber der Freund betrachtete ihn eher nachdenklich.

»Hast du von dem riesigen Flammenschwert über dem Vesuv gehört?«

Aemilius nickte langsam: »Klar habe ich das. Ich habe es sogar selbst gesehen.«

»Du auch?« Marcellus starrte ihn ungläubig an. »Wie hat es ausgesehen? Erzähl schon!«

Dazu hatte Aemilius eher weniger Lust. »Nun ja, es war groß und drohend. Es hing über dem Vulkan. Aber was heißt das schon?« Er winkte ab und versuchte auf seinen Plan zurückzukommen, den beiden Mädchen ein derben Streich zu spielen. »Wir haben jetzt keine Zeit, über das blöde Schwert zu reden, Marcellus. Das können wir später noch tun. Jetzt müssen wir schnell überlegen, wie wir die beiden Sehnatter ...«

»Was für Schnatter ... meinst du wohl, mein teurer Aemilius?«, hörte er in diesem Moment eine vertraute Stimme hinter sich.

Er drehte sich um und erblickte Carilla, die ihn herausfordernd ansah. »Nun red schon, du großer Legionär. Sind wir etwa die Schnattergänse?«

Jetzt trat auch seine Schwester dazu. Offenbar hatte sie einen schnelleren Weg zu ihrer Freundin gewählt als er zu Marcellus. Ihre Augen blitzten zornig. »Wenn du meinst, dass ich spinne, Brüderchen, weil ich ein Gespenst mit roten Augen und weißem Gesicht gesehen habe, dann ...«

Marcellus unterbrach sie: »Halt mal, Aemilia! Gespenst sagst du? Rote Augen, weißes Gesicht?«

Das Mädchen nickte trotzig. »Genau!«

»Ein kleines, an den Beinen behaartes Wesen, mit Klauen bewehrt?«

»So sieht es aus«, stimmte Aemilia zu und schüttelte sich beim bloßen Gedanken daran.

»Und es springt in einem Satz davon?«

Aemilias Augen weiteten sich ungläubig. »Woher weißt du das alles?«

Marcellus machte ein geheimnisvolles Gesicht. »Ob du es glaubst oder nicht, aber dieses angebliche Gespenst wollen auch Marius der Färber vor drei Tagen und der alte Gladiator Flavius Celadus gestern noch gesehen haben.«

Aemilia blickte ihren Bruder triumphierend an.

»Da siehst du, oberster Schnattersoldat, dass ich keinen Blödsinn erzähle. Selbst Celadus, der beste Kämpfer, den Pompeji je erlebte, bestätigt es.«

»Stimmt!«, meinte Marcellus nachdenklich. »Nur eines finde ich merkwürdig an der ganzen Sache.«

Die drei Freunde sahen ihn erwartungsvoll an.

»Ich habe mit Celadus und dem Färber gesprochen. Bei wem auch immer das Gespenst auftaucht, jedes Mal verschwinden wertvoller Silberschmuck und Münzen. Was haltet ihr davon?«

Die anderen waren sprachlos. Das wurde ja immer geheimnisvoller: ein Gespenst, das nicht nur alle verschreckte, sondern auch noch klaute? Wo gab es denn so etwas?

Auch Aemilia und Carilla runzelten ungläubig die Stirn. Wirklich komisch, aber machten Geister nicht manchmal Dinge, die die Lebenden nicht verstanden? Es brauchte keiner weiteren Worte, die vier wussten auch so: Sie würden der Sache nachgehen!

Spuk in Pompeji

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