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I.
Zwei Herren, jeder mit seiner Patience

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Inhaltsverzeichnis

Mein Herr!

Da wir nun schon längere Zeit vergeblich auf das erste Kapitel des uns kontraktlich zugesicherten Romans warten, nehmen wir uns die Freiheit, daran zu erinnern. Wir haben dem Roman schon durch die Presse wie auch anderweitig Reklame gemacht, und eine weitere Verzögerung wäre höchst unangenehm … direkt für uns, indirekt für Sie.

Sobald das Kapitel eingetroffen ist, wird es uns ein Vergnügen sein, Ihnen das vereinbarte Honorar von fünfhundert Franken für die französisch-englischen Preßrechte zu übermitteln. Aber was einen Vorschuß in irgendeiner Form betrifft, so kennen Sie unsere Prinzipien.

Wir erinnern noch einmal an die besonderen Vorteile, die unser Uebereinkommen für Sie hat, und zeichnen

in ausgezeichneter Hochachtung

für

Nathan Lévys Pressesyndikat

C. R.

Dieser Brief war vierzehn Tage alt.

Bang!

Eine behaarte, fast violette Hand fiel auf einen polierten Tisch. Zweiundfünfzig Spielkarten hüpften – sechs davon auf den Boden hinab. Vor den offenen Fenstern begannen die Glocken zu dröhnen – bang! bang! bang!

Es war zwölf Uhr! Für heute war die Zeit vorbei, die beste Zeit! Und noch nichts getan, nichts! Denn konnten die Worte »Die Lokomotive pfiff schrill, der Zug blieb plötzlich stehen« für etwas zahlen? Konnte man der Ansicht sein, etwas geleistet zu haben?

Nein, wenn es unsicher war, warum die Lokomotive pfiff, warum der Zug plötzlich stehenblieb, wer daraus ausstieg und was der Betreffende dann machte, konnte man kaum sagen, daß diese Worte ein Resultat bedeuteten.

Doch! Etwas hatte er auf jeden Fall getan: fünfzehnmal hintereinander hatte er zweiundfünfzig Karten in sieben Häufchen geschichtet, hatte Schwarz auf Rot, niedrigere Karten auf höhere gelegt, und auf diese Weise versucht, die zweiundfünfzig Karten in vier Farben mit dem Aß zu unterst zu ordnen. Diese Beschäftigung nennt man im täglichen Sprachgebrauch »Patience legen«. Aber wenn man kein professioneller Wahrsager ist, läßt sich kaum behaupten, daß man durch das Legen von fünfzehn Patiencen etwas Nützliches vollbracht hat. Maurice Lebrun legte seine Patiencen nicht in der Absicht, auf diese Weise zu erforschen, was hinter dem Vorhang der Zukunft seiner harrte: er legte Patiencen, damit ihm dabei eine Inspiration komme. Es mag eigentümlich erscheinen, auf diesem Wege eine Inspiration zu erwarten; aber wenn keine Inspiration kommen will, versucht man es auf jede Weise.

Vor dem Fenster brach die tägliche Revolution aus: il Mezzo – gior – no – il Mezzo – gior – no – il Mezzo – gior – no – il Mezzo – gior – no! Die behaarte Hand riß ein Fenster auf. »Still! Ich werde verrückt!«

Seine Stimme ertrank in dem Lärm, wie ein Regentropfen im Niagara ertrinkt. Aber nun sank der Lärm der Zeitungsverkäufer ein wenig. Sie waren um die Ecke zur Piazza Colonna. Er war allein mit seinen Gedanken.

Eine angenehme Gesellschaft! Lévy! Die Unmöglichkeit, zu arbeiten. Das immer leerere Bankbuch, und als wäre dies nicht genug und übergenug, einen neuen Hiob zu schaffen, war also noch Brüggemeyer hier aufgetaucht!

Ja, Brüggemeyer hatte jenen Körperteil, den er sein Gesicht nannte, in der Stadt gezeigt. Aber nicht genug damit! Was fehlte noch, um dem Ganzen die Krone aufzusetzen? Daß er mit diesem schmalen fuchsartigen Körperteil im Al Povero Diavolo anrückte! Das hatte er getan. Vorgestern war er dort aufgetaucht; gestern gleichfalls. In Zukunft würde jeder Tropfen, den man trank, nach Brüggemeyer schmecken. Brüggemeyers welkes Voltairelächeln würde den Genzanowein in Essig verwandeln.

Eine Viertelstunde war vergangen, aber die Glocken dort draußen verkündeten noch immer dröhnend ihren Lobgesang an die Ewigkeit, ihre Verachtung für die Zeitlichkeit.

Ein schwarzer Hut wurde über dichtes Maulwurfshaar gepreßt und warf einige Schatten über ein Gesicht, das violett von Geburt und Gewohnheit war.

Al Povero Diavolo! Frühstück, Brüggemeyer und Lévy zum Trotz! …

*

Mein Herr!

Da wir nun schon längere Zeit den ersten in der versprochenen Serie kritischer Artikel über moderne Literatur erwartet haben, nehmen wir uns die Freiheit, daran zu mahnen. Wir haben die Serie in unserer Zeitschrift schon vorbereitet, und eine weitere Verzögerung würde uns große Unannehmlichkeiten verursachen.

Wir erinnern an den für Sie besonders vorteilhaften Kontrakt, durch den Sie an uns gebunden sind, sowie auch an unsere Prinzipien, was Vorschuß betrifft.

Sobald Ihr Artikel vorliegt, wird es uns ein Vergnügen sein, Ihnen das Honorar – eintausendfünfhundert Franken – zu übersenden.

In ausgezeichneter Hochachtung

für Revue du Globe

P. L. B.

Ratsch!

Eine kleine welke, beinahe greisenhafte Hand fuhr melancholisch über ein Blatt grünes Löschpapier. Ein blanker Bogen Papier und zweiundfünfzig fächerartig geordnete Spielkarten imitierten plötzlich einen Schneefall und verteilten sich über die Marmorfliesen des Bodens. Ein Mund, der seit Jahren in einem schlauen Faunlächeln erstarrt war, öffnete sich einem melancholischen Wortschwall.

»Bin ich deshalb nach Italien gekommen?«

»Nein, nicht deshalb. Warum bin ich nach Italien gekommen? Ich kam nicht wie ein Rohr, das vom Wind hin und her getrieben wird. Ich kam nicht als Tourist. Ich kam nicht, von der vulgären Neugier getrieben, Michelangelo und Raffael zu sehen. Was gehen mich die Museen an? Ihr einziger Nutzen ist der, daß sie die Innenwände der Häuser von Madonnen befreien. Die Madonnen, die an den Außenmauern hängen, tun keinen Schaden; sie sind ein Wegweiser, denn das Haus, das sie schmücken, ist unfehlbar ein Haus von zweifelhaftem Ruf. Aber ich kam nicht nach Italien, um, sei es Museen, sei es andere zweifelhafte Etablissements zu besuchen. Ich kam nach Italien, um meine Arbeitskräfte wiederzugewinnen.«

Der Sprecher, der fünfundvierzig Jahre alt, mager, spitznasig war und eine braune Arbeitsjacke aus Samt trug, stellte sich in Positur vor den Spiegel, steckte die Hand in die Hosentaschen und fuhr fort, indem er den Satzrhythmus mit einem welken Zeigefinger markierte und seine Lippenbewegungen kritisch beobachtete.

»Durch viele Jahre und in drei Ländern war ich als ein Cerberus der Literatur gefürchtet. Ich habe alle Literatur verhöhnt, die nicht vollendet war, in Frankreich, in der Schweiz und in Belgien; ich habe viel zu tun gehabt. Aber ich habe es mit Eifer getan, denn wenn auch alles als Gesamtheit bedeutungslos ist, bleibt es von Gewicht, daß die Details schön und vollendet seien. Und plötzlich geschieht mir, was dem Vater Johannes des Täufers geschah. Ich werde stumm, ich kann nicht schimpfen. Aber der Vater Johannes des Täufers heischte eine Tafel und schrieb. Ich kann auch nicht schreiben. Was habe ich seit zwei Monaten getan? Ich habe Patiencen gelegt!«

Er legte den Kopf auf die Seite und musterte die Bügelfalten seiner Hosen.

»An und für sich ist es keine verächtliche Beschäftigung, Patience zu legen. Nur die Gottheit kann ruhen; der Mensch muß eine Beschäftigung haben, der Mensch muß einem Ziele zustreben. Aber jedes erreichte Ziel zieht unberechenbare Konsequenzen nach sich; hinter jedem erreichten Ziel lauert die Leere. Darum ist das Patiencelegen eine bewunderungswürdige, ja eine ideale Beschäftigung. Das Ziel, das wir erreichen, wenn die Patience aufgeht, kann schwerlich besonders verhängnisvolle Konsequenzen haben. Und wenn man es erreicht hat, fühlt man nur ein Minimum von Leere.

Aber diese Idealpatience verlangt, daß man Patience um der Patience willen lege. Ich erfülle diese Forderung nicht. Ich lege Patience, weil ich einstmals fand, daß die Wendung einer Phrase auftauchen könnte, während ich Patience legte, und weil ich nun hoffe, daß eine Idee aus den Kartenspielen hervorspringen werde, wie Pallas Athene aus dem Haupte des Zeus.«

Er ging zum Tisch hin, nahm die zweiundfünfzig Karten und den Brief der Revue du Globe auf und rief: »Ihr schreibet und heischet Manuskripte. Ihr rufet nach Zeichen. Aber kein Zeichen wird euch gegeben werden. François Brüggemeyer schreibt, wann er will, das will sagen, wann er kann. Und er kann nicht mehr!«

Eine Glocke schlug eins. Sein Gesicht erhellte sich. Er ordnete seine Krawatte und sein Voltairelächeln vor dem Spiegel und setzte sich einen grauen Borsalino auf.

»Ich gehe in das Lokal mit dem guten Wein, da sitzt mein alter Freund Maurice Lebrun. Ich will ihn durch meinen Anblick irritieren, wenn ich es schon nicht durch meine Artikel tun kann.«

*

Unterdessen schien die Sonne des Friedens wiederum auf Europa; das Negativ des neuen Weltbildes, in Strömen von Blut entwickelt, begann sich in immer schärferen Konturen abzuzeichnen. Auf Italien schien die Sonne ernstlich; da war die Wiederaufbauarbeit in vollem Gange. Die Valuta besserte sich; man zog einen Strich durch das L, das »Lire« bezeichnet, und machte damit Lire gleich mit englischem Pfund. Die Verkehrskrise wurde überwunden, alle Lokomotiven bekamen sechszifferige Nummern; wer zweifelt an der Vortrefflichkeit der Kommunikationen, wenn keine Lokomotive hinter der Nummer 486 725 zurückbleibt? Die Wohnungsnot wurde besiegt, man numerierte jede Tür, und das kleinste Gäßchen bekam Hausnummern bis zu dreihundert. Die Bevölkerung von Bologna versuchte die Straßenbeleuchtung dadurch zu verbessern, daß sie den Bürgermeister an einen Laternenpfahl hängte. Die Bevölkerung von Neapel half ihrer Oekonomie auf, indem sie während einer politischen Versammlung ihre Parlamentskandidaten um eintausendzweihundert Lire bestahl. Unterdessen schien die Sonne nicht nur auf das schönste Land, sondern auch in das Herz des gutmütigsten Volks von Europa.

Man vergaß die Bitterkeit des Krieges. Der Staat warf die Poststempel mit den Worten fort: »Vergesset nicht, die Deutschen und Oesterreicher zu hassen«, mit denen er die Kriegsstimmung aufrechterhalten hatte. Die Einzelnen kehrten zu der Höflichkeit früherer Zeiten zurück und schrieben »Signor« zweimal vor dem Namen auf jede Adresse.

In der Straße der Demut in Rom steigerte die Rosticceria zum Armen Teufel das allgemeine Wohlbefinden dadurch, daß sie für vier Lire den Liter einen auserlesenen Genzanowein servierte.

In der Rosticceria al Povero Diavolo wurden die armen Teufel im Januar 1920 von zwei Kellnern und einem Pikkolo bedient. Die Kellner hießen Romeo und Aristides. Der Pikkolo Herkules war ein raffaelitischer Cherub, mit ohrfeigengeschwollenen Wangen, dem fettigsten Smoking der Welt, und einer Hemdbrust, die wie eine Zeitungskarikatur aussah. Romeo, Aristides und Herkules waren lauter Verwandte des Wirtes, aber man konnte nicht sagen, daß sie viel Freude an der Verwandtschaft hatten. Cesare Pedrotti war ein Mann, dem die Augen für das Wichtigste im Leben früh aufgegangen waren. Und was ist wichtiger für den Menschen als ein Grabmonument? Cesare Pedrotti war Genueser; auf Genuas berühmtem Campo Santo, unter den Reihen prunkender Grabdenkmäler, sollte mit der Zeit auch Cesare Pedrottis Grabdenkmal stehen, in Marmor gemeißelt, ihn in Lebensgröße darstellend, am Schanktisch des Povero Diavolo, einesteils von Weinfässern umgeben, andernteils von einer trauernden Familie. Um diesen Traum zu verwirklichen, legte Cesare Pedrotti jeden Kupfergroschen, den er verdiente, beiseite. Damit ist nicht gesagt, daß er das Zeitliche über dem Geistigen vernachlässigte. Alle Italiener sind Materialisten. (Den klaren Beweis dafür geben sie, wenn sie sich mit geistigen Dingen befassen.) Al Povero Diavolo hatte eine Küche, deren Vortrefflichkeit in umgekehrtem Verhältnisse zu der Reinlichkeit der Tischtücher stand. Im Hintergrund des Raumes befand sich ein Holztisch. Da lagen Hühner, Tauben, Lerchen, die nackten Köpfe erfroren unter nackte Flügelknochen gesteckt. Beefsteaks, Käse, alle möglichen Gemüse und Früchte. Hinter dem Tisch stand ein offener Herd; vor diesem Herd bewegte sich die dicke Frau Pedrotti, mit einem Fächer in der einen Hand und dem jüngstgeborenen Pedrotti an der andern. Mit dem Fächer wehte sie dem Feuer im Herd Luft zu, mit der andern Hand hob sie von Zeit zu Zeit den jüngsten Pedrotti auf und nahm eine hydrographische Untersuchung des Bodens vor. Diese war in der Regel resultatreich, und die Schreie des jüngsten Pedrotti vermischten sich mit dem Prasseln der gerösteten Hühner. In einer Ecke ruhten zwei Weinfässer auf Holzständern. Das eine enthielt Genzano asciutto, trockenen Genzano, das andere Genzano pastoso, süßen Genzano. Wenn eines von ihnen leer war und ein neues Faß angeschlagen werden sollte, war es die Aufgabe des Pikkolos Herkules, an einem Schlauch zu saugen, bis der Wein zu rinnen begann; Cesare Pedrotti fand nicht ohne Grund, daß es unnötig lange Zeit brauchte, bis der Wein sich zeigte. Und darum hatte der Pikkolo geschwollene Wangen, und seine Nase war leicht gerötet wie eine Herzkirsche, die zu reifen beginnt.

Wie hatte der Kritiker Brüggemeyer die Rosticceria al Povero Diavolo gefunden?

Dieser Gedanke wanderte in einem violetten Kopfe hin und her, der sich um dreiviertel ein Uhr in der Türe der Rosticceria zeigte. Signor Pedrotti, der gerade zwischen den Weinfässern Modell zu seinem Grabmonumente stand, grüßte diesen Kopf mit einem asthmatischen Keuchen. Der Pikkolo Herkules beeilte sich, einen Stuhl vorzurücken, Romeo, den Hut entgegenzunehmen, der den violetten Kopf bedeckte, und Aristides, die Speisenkarte zu verlesen. Der violette Kopf beugte sich im Studium über den Tisch.

»Asciutto? Pastoso, Signore?«

»Spaghetti mit Schinken, Huhn, Salat, Gorgonzola, Radieschen, Mandarinen, ein halbes Liter Trockenen und ein viertel Liter Pastoso! Und sagen Sie mir eine Sache: ist der andere französische Herr hier gewesen? Signor Brüggemeyer? Der Magere, der wie ein Schurke grinst?«

»Nein, Signor, nein, nein!«

So, so, er war nicht dagewesen. Es gab also noch Hoffnung. Wenn Brüggemeyer weiter hierherkam, wurde das Leben unerträglich. Es hatte eine Zeit gegeben, wo er selbst und Brüggemeyer Freunde gewesen waren. Diese Zeit war vorbei, sie waren nunmehr Feinde. Das machte nichts. Brüggemeyer war boshafter als ein Buckliger, das machte auch nichts. Aber Brüggemeyer im selben Lokal sitzen zu sehen und zu wissen, daß er arbeiten konnte, daß er wie ein Roß schrieb, während man selbst – da kam Brüggemeyer!

Ja, da kam er. Der leichte Borsalino saß kokett auf seinem Kopfe, die Krawatte, die in der Farbe mit den Strümpfen übereinstimmte, war im richtigen Winkel zur Weste geordnet, das kühle Voltairelächeln um die Mundwinkel war nicht vergessen. Er kam zur Türe herein, wie eine Personifizierung seiner These von der Eitelkeit aller Dinge und der Wichtigkeit der Bagatellen. Er maß Maurice Lebrun mit einem Blick, der gerade ironisch genug war, daß Lebrun vom Sessel auffuhr, und flüchtig genug, damit er sich wieder setzte. Nun setzte er sich selbst an einen Tisch am anderen Ende des Zimmers. Maurice Lebrun raufte zornig sein schwarzes Maulwurfshaar: verdammter Mensch! Zufrieden mit sich, zufrieden mit seiner Arbeit! Unerträglich!

Der Kritiker Brüggemeyer bestellte mit einem kühlen Voltairelächeln sein Frühstück und eine viertel Karaffe Wein. Lebruns Zorn bei seinem Anblicke war ihm nicht entgangen, und dieser Zorn stimulierte ihn. Die bitteren Würzen sind doch die angenehmsten, im Leben wie in der Kochkunst. Aber dennoch! – Wenn er Lebrun sah, fühlte er einen Stich der Mißgunst. Da saß er, groß, schwer, violett im Gesicht vom Wein und vom guten Essen, mit zerrauftem Haar, ganze Telegraphenleitungen von Makkaroni in sich einsaugend, sie aufschlürfend, wie eine Baggermaschine Seegras einschlürft. Diese Verachtung für das Aeußere war verabscheuenswürdig und dabei doch bewunderungswürdig. Der Mann dort hatte Gewohnheiten, die auf dem Niveau des Kloakentieres standen, aber auch eine Unerschütterlichkeit gegenüber dem Dasein, die mit der des Kloakentieres wetteiferte. Das Kloakentier wird nicht von Nervosität belästigt, der Mann dort ebensowenig. Er war zufrieden mit dem Dasein, er schrieb und er aß. Das waren die einzigen Funktionen, die er kannte. Dachte er an ihre Sinnlosigkeit? Nie! Er hatte seine zehn bis zwanzig Seiten geschrieben, er hatte ein gutes Gewissen, jetzt aß er, und sein Gewissen wurde nur noch besser.

Der Kritiker Brüggemeyer vergaß sein Voltairelächeln und verstieg sich zu zwei vulgären Worten, den einzigen, die er gebrauchte. Er schleuderte sie in der Stille dem Schriftsteller Lebrun zu: Kamel! Brechmittel!

Romeo, Aristides und der Pikkolo Herkules stürzten herbei, rissen die Teller weg, bevor noch die Gäste halbfertig waren, und stellten neue hin, ohne daß sie sie bestellt hatten, wie italienische Kellner erzogen sind, es zu machen. Nur eine Person gab ihnen keine Gelegenheit, den Teller wegzureißen. Das war der Schriftsteller Maurice Lebrun. Er lag mit dem ganzen Gesicht über einem Huhn und aß es mit den Fingern. Hie und da warf er im Schutze seines Maulwurfshaares einen rasenden Blick quer durch das Zimmer. Dort drüben saß der Schurke und aß kokett, als äße er auf dem Theater. Die Makkaroni glitten in seinen Mund, wie Spinnwebenfäden im leichten Winde gleiten. Wenn der Pikkolo Herkules seinen Teller wegriß, der noch voll war, zog er ganz leicht die Augenbrauen in die Höhe, ohne zu protestieren. Zu überlegen, um zu protestieren, zu skeptisch, um zu protestieren, skeptisch gegen andere, voll Vertrauen zu sich selbst! Das war seine Formel! Es gab eine Sache, die nie Gegenstand seiner Skepsis wurde. Das war er selbst und seine Artikel. Natürlich kam er direkt von seinem Schreibtisch. Natürlich hatte er gerade irgendeinen armen Teufel, der sich gegen die Bagatellen versündigt hatte, gemordet und wieder einmal die Eitelkeit aller Dinge festgestellt. Ja, der arbeitete, der schon! Der schrieb!

Lebrun rollte die Augen und zerrte an dem Huhn, wie ein junger Hund an einem Pantoffel zerrt. Der Kritiker Brüggemeyer beobachtete ihn verstohlen und seufzte. Der Mann dort drüben war so lebendig. In seiner Gegenwart kam er sich wie ein Schatten vor, wie ein Toter. Er suchte das Mark aus den Triumphen seines Lebens zu saugen, um sich damit zu stimulieren … Es war, als wären es die Triumphe eines andern. Er verglich sich selbst mit einem Arzt, der dadurch, daß er den Extrakt von Organen, die einem andern entnommen sind, einspritzt, das zu ersetzen sucht, was dem Patienten fehlt. Und doch hatte sein Leben Triumphe aufzuweisen gehabt!

In Belgien geboren, von wohlhabenden Eltern, war er früh nach Paris gezogen, hatte als Boulevardier gelebt, die Interessen seines dozierenden Hirns und seiner genußsüchtigen Sinne verbindend. Aus Spaß, zum Zeitvertreib hatte er begonnen, für eine nihilistische Boulevardzeitung »A bas tout« zu schreiben, hatte Anklang gefunden, dann zum Spaße, zum Zeitvertreib seine Ansicht geändert und war zur Ultrarechten, dem »Echo de Paris« übergegangen; bis ein unvorhergesehenes Ereignis ihn zwang, eine Tugend aus dem zu machen, was er sein einziges geheimes Laster nannte. (Er schrieb unter einem Pseudonym.) Der Tag kam, an dem er sein ganzes Vermögen verlebt hatte. Er sah sich nun gezwungen, von seiner Feder zu leben.

Eigentümlicherweise reagierte er nicht gegen den Zwang, der ihm so auferlegt wurde. Er fühlte sich dabei wohl, so wie alte Libertins sich im Gefängnis wohl fühlen können. Jahr für Jahr jonglierte er mit seinen bunten Kugeln in den Spalten. Vor zwei Monaten hatte er einen Kontrakt mit der »Revue du Globe« unterzeichnet, einen Kontrakt, den er mehr als vorteilhaft fand. Durch zwei Monate sollte er auf seinen eigenen Wunsch den vollen Gehalt, ohne zu arbeiten, beziehen; dann sollte er zwei Artikel monatlich zum Preise von eintausendfünfhundert Franken das Stück schreiben. Er war mit Leidenschaft in sein zweimonatiges Otium versunken, denn von Natur war niemand fauler als er, obwohl der Schlendrian der letzten Jahre ihn das Gegenteil hatte glauben lassen. Aber als die zwei Monate vorbei waren und es galt, zur Arbeit zurückzukehren, konstatierte er zu seinem Entsetzen eine Tatsache: er war arbeitsunfähig, ohne Ideen, ohne Energie, ohne die Möglichkeit, in Gang zu kommen, wie eine Lokomotive, die abgekoppelt und kalt auf einem Seitengeleise steht … Als eine letzte Zuflucht war er wie die Lungenkranken nach Italien gefahren. Was ist Energie anders als verwandelter Sonnenschein? Aber Italien, das Land des Sonnenscheins, ist auch das Land der liebenswürdigen Indifferenz. Es bestärkte ihn in seinem Glauben an die Eitelkeit aller Dinge, aber es erweckte keineswegs irgendwelche Energien in ihm zum Leben; im Gegenteil untergrub es seinen einzigen Glauben, den Glauben an das Gewicht der Bagatellen, die man kritische Artikel nennt.

»Ich verdammtes Kamel! Warum bin ich hergefahren? Ohne Glauben an sich selbst kann man nicht an allem zweifeln, oder jedenfalls keine Artikel über seine Zweifel schreiben. Warum bin ich hierhergereist? Warum habe ich mir Ferien genommen? Ich war ein feines Spielzeug, das man plötzlich zum Stehen gebracht hat, meine Feder verträgt es nicht, wieder aufgezogen zu werden. Ich bin nicht robust wie der dort. Wenn man einen Felsblock auf ihn hinauflegte, er würde schreiben. Wenn man ihn an den Zehen aufhängte, er würde schreiben. Wenn man ihn vor Michelangelos Schöpfung setzte, er würde weiter seinen Schund schmieren. Kamel! Da sitzt er und gestikuliert mit dem Finger. Das sind die Pointen seines fünfzigsten Romans, die er für sich selbst feststellt! Brechmittel!«

Der Schriftsteller Maurice Lebrun stellte wirklich mit seinem violetten Zeigefinger Pointen fest, aber es waren nicht die Pointen eines Romanes, sondern eines Vortrags. Der Vortrag war dazu bestimmt, den Mißmut zu verjagen, den die Gegenwart des Kritikers Brüggemeyer in ihm hervorgerufen hatte. Er saß mit dem Rücken gegen Brüggemeyer, aber Brüggemeyers bloße Gegenwart wirkte erstickend auf ihn, so wie die Nachbarschaft eines Fabrikschornsteins auf einen Baum wirken muß. Der Vortrag handelte von den bisherigen Erfolgen des Schriftstellers Maurice Lebrun und strotzte von Honorarbeträgen. Er saß da und gab sich selbst Injektionen von Nullen. Wer hatte eine ähnliche Laufbahn hinter sich? Aus einer elenden Hütte in der Normandie hervorgegangen, hatte er im Alter von neun Jahren den Beruf des Pikkolos ergriffen, mit zehn den des Billardmarkörs, mit elf den des Bananenverkäufers, um nach einer Anzahl von Jahren, die ebenso vielen Berufen gewidmet waren, bei dem Berufe zu landen, der gleich dem Amazonenstrom alle Nebenberufe verschlingt, dem des Journalisten. Er hatte Morde, Diebstähle und falsche Zeugenaussagen einer Zeitung beschrieben, deren hauptsächlichste Einkommenquelle darin bestand, solche Dinge mit halben Namen und Punkten zu beschreiben und abzuwarten, daß Geld einfloß, bevor die restlichen Buchstaben im Druck erschienen. Aus Rücksicht auf jene Personen, denen es noch nicht aufgegangen war, daß die Wirklichkeit wunderbarer ist als die Dichtung, brachte die Zeitung auch ein Romanfeuilleton, wo der eben angedeutete Inhalt ihrer Artikel sich in romantisierter Form wiederfand. Eines schönen Tages machte sich Maurice Lebrun erbötig, dieses Romanfeuilleton zu schreiben. Die Zeitung hatte nichts dagegen, daß er als Romandichter zum Preis von fünf Franken per Kapitel angestellt wurde. Durch acht Jahre schrieb er zweiunddreißig Feuilletonromane, ohne Lohnsteigerung. Eines schönen Tages gelang es ihm, vom Hunger getrieben, einen Verleger zu zwingen, einen dieser Feuilletonromane als Buch zu kaufen. Der Verleger gab ihm zweihundertfünfzig Franken, ein für allemal. Er ist der einzige Verleger auf Erden, der eine Bucherwerbung nie bereut hat. Er bereute sie, solange das Buch nur in fünfundzwanzigtausend Exemplaren gegangen war, und klagte laut über die furchtbaren Zeiten; als das Buch in fünfzigtausend abgesetzt war, schüttelte er den Kopf und bat die Leute, doch die hohen Herstellungskosten zu bedenken; als das hunderttausendste erreicht war, bemerkte er mit einem bitteren Lächeln, daß nicht alles Gold ist, was glänzt; aber als das zweihundertste Tausend in den Buchhandel geschleudert wurde, gab er offen zu, daß er ausnahmsweise einmal ein weniger schlechtes Geschäft gemacht hatte als gewöhnlich und sandte Maurice Lebrun freiwillig eine Anweisung auf weitere zweihundertfünfzig Franken. Maurice Lebrun, der unterdessen andre seiner Feuilletonromane ebenso pessimistischen Verlegern verkauft hatte, aber mit Kontrakten, die ihn selbst zu einem gewissen Optimismus berechtigten, der sich eine Wohnung, Kleider und ein falsches Gebiß angeschafft hat, gab den Scheck in Glas und Rahmen und stellte ihn zugleich mit dem Porträt des Verlegers im Kriminalmuseum der Polizei aus. Der Verleger lächelte bitter und sprach von der Undankbarkeit der Menschen, innerlich erheitert durch den Gedanken an die zweihundertfünfzig Franken, die er so ersparte.

Dies war der erste Band von Renard Lepin, dem erfolgreichsten Roman in Frankreich seit Zola. Er führte einen neuen Typus in die Literatur ein: den Gentleman-Verbrecher. Damit war Maurice Lebrun ein gemachter Mann. Lange Zeit schien Gold aus seiner Füllfeder zu fließen. Er gab von seinen alten Feuilletonromanen, mit Mühe und Schweiß für fünf Franken das Kapitel geschrieben, einen nach dem andern heraus, und sie brachten ihm zehntausend auf zehntausend ein. Diese setzte er in den Pariser Restaurants rasch um. Er war einer von jenen Menschen, die immer der Mittelpunkt der Gesellschaft sein wollen und die es darum nur vertragen, mit Leuten zu verkehren, die weniger Geld haben als sie selbst. Paris bot ihm alle erdenklichen Möglichkeiten zu einem solchen Verkehr. Durch viele Jahre sah man Maurice Lebruns violettes Gesicht über viele Tische geneigt, nie aber über einen Schreibtisch; und Maurice Lebruns violette Hand hielt viele Dinge, nie aber einen Federstiel. Maurice Lebrun glaubte seine Arbeit ein für allemal erledigt zu haben, er gedachte von seinen zweiunddreißig Feuilletonromanen zu leben, bis er das Zeitliche segnete. Es erregte darum bei ihm ein unbeschreibliches Staunen, als er eines Tages fand, daß er nicht mehr als fünfzigtausend Franken im Jahre ausgeben konnte. Seine Einkünfte hatten abgenommen. Er fragte seine Verleger, was sie für die Ursache hielten. Sie deuteten an, daß sie möglicherweise darin zu suchen sei, daß er seit mehreren Jahren kein Buch herausgegeben hatte.

»Aber werden denn die alten Bücher nicht verkauft?« fragte Maurice Lebrun verwundert.

»Bis zu einem gewissen Grade,« antworteten die Verleger. »Darum bekommen Sie ja noch immer Geld, Herr Lebrun. Aber das einzige Ihrer Bücher, das noch eine Auflage nach der andern erzielt, ist der erste Band von Renard Lepin. Das ist nun im zweihundertfünfzigsten Tausend.«

Maurice Lebrun stieß einen Fluch aus, phantasievoll, daß sich sogar die Haare auf den Köpfen der alten, ergrauten Verleger sträubten. Er ging in das Kriminalmuseum, holte den freiwilligen Scheck seines ersten Verlegers auf zweihundertfünfzig Franken und kassierte ihn zur unsäglichen Empörung des Verlegers in einer Bank ein. Kurz darauf hörte der Absatz seiner übrigen Bücher so gut wie ganz auf, und von dem ersten Band von Renard Lepin erschien das dreihundertste Tausend. Maurice Lebrun fluchte nicht; er unterschrieb mit einem Seufzer einen Kontrakt mit Nathan Lévys Preßsyndikat. Dies war ein neues Unternehmen, von einem französisch-amerikanischen Juden gestartet, der den amerikanischen Typus der Wochenzeitschrift in Frankreich einführen wollte. Spätestens in zwei Monaten sollte Lebrun dem Syndikat das erste Kapitel eines neuen Romanes liefern, und das französisch-englische Presserecht für dieses und jedes folgende Kapitel sollte mit je fünftausend Franken bezahlt werden. Das war ein Fortschritt seit der Zeit, als er für fünf Franken das Kapitel schrieb, aber es bereitete ihm keine Freude. Seine Gedanken kreisten ausschließlich um den Verleger, der Renard Lepin für zweihundertfünfzig Franken gekauft hatte und nun auf seine Kosten sorglos bis zu seinem Tode leben konnte. Er kaufte einen Revolver, suchte die Wohnung des Verlegers auf und sandte drei Kugeln durch sein Fenster, eine für jedes Hunderttausend Exemplare von Renard Lepin. Dann setzte er sich in den Expreß nach Modane. Es fiel ihm ein, daß eine Revolverkugel per hunderttausend Exemplare möglicherweise im Widerspruch mit der Berner Konvention stehen könnte. Italien hatte er als ein liebenswürdiges Land nennen gehört, wenn es sich um Auslieferungen dieser Art handelte. Außerdem unterlag es keinem Zweifel, daß er seinen Widerwillen gegen die Arbeit überwinden würde, wenn er nur Paris verließ. –

Anstatt dessen – anstatt dessen hatte er eine totale Unmöglichkeit, eine Feder zur Hand zu nehmen, konstatiert, und einen kompletten Mangel an Ideen. Er hatte zu allen Mitteln der Suggestion gegriffen, sogar zu solchen, die seiner Natur widersprachen. Er hatte sein Zimmer mit bestimmten Farben und Blumen dekoriert, hatte Musik angewendet. Dann hatte er zum Wein seine Zuflucht genommen und war schließlich dem Kartenspiel verfallen. Einmal vor langer Zeit, als Brüggemeyer und er noch Freunde waren, daran erinnerte er sich, hatte Brüggemeyer etwas von Patiencen erwähnt. Während er mechanisch die Karten kombinierte, suchte er sich Kombinationen auszudenken, die er in einem Buch verwenden konnte. Vergebens. Und als ob das nicht genug wäre, wie um ihn zu verhöhnen, war Brüggemeyer angekommen. Seine Patiencen gingen auf und gebaren Ideen. Er schrieb!

Er schlug mit der Hand auf den Tisch, Romeo stürzte herbei und nahm seinen Teller weg, Herkules stürzte herbei und nahm Salz und Pfeffer fort, Aristides stürzte herbei, mit einer neuen Karaffe Wein. Brüggemeyer war fort. Maurice Lebrun warf ein paar Noten auf den Tisch. Seine Seele war krank. Er wollte hinaus und seine Wunden in der Sonne entblößen, wie die Bettler vor den Kirchen, wollte in einem Trottoircafé sitzen und sich von Sonne durchtränken lassen.

Er ging der Piazza Venezia zu. Er spuckte nach dem Viktor-Emanuel-Denkmal, das halbkreisförmig und weiß wie ein gestärkter Kragen in der Sonne schimmerte, und kreuzte die Piazza zum Café Faraglia. Sein Gesicht glühte vom Wein; der Hut saß zerknüllt auf seinem dichten Maulwurfshaar; er glich einem Poltergeist, der den Hahnenschrei vergessen hat und nun blind im Tageslicht umhertaumelt. Aber er sah. Als er sich dem Café Faraglia näherte, sah er Brüggemeyer von einem Tisch aufstehen und, den Stock schwingend, zum Korso flanieren. Mit wem hatte er da gesessen? Ah, mit dem französischen Professor! Dem Manne, dessen Bekanntschaft er gleich nach seiner Ankunft in Rom in einer Weinstube gemacht hatte. Wie hieß er doch? Das hatte er vergessen. Aber es war ein sympathischer Mann. Pelotard, so war der Name. Wie konnte er mit Brüggemeyer verkehren?

Er taumelte zu dem Tisch hin, an dem Brüggemeyer eben gesessen hatte, und ließ sich daran nieder, ohne um Erlaubnis zu bitten. Der einzige Inhaber des Tisches war ein Herr mit wohlgebürsteten, aber abgetragenen Kleidern, mit schwarzem Bart und klugen, ungewöhnlich aufgeweckten schwarzen Augen.

Maurice Lebrun rief:

»Wie können Sie mit einem Menschen wie Brüggemeyer dasitzen, Professor!«

Der Professor lächelte in seinen Bart und sagte:

»Man muß im Inneren Frieden halten, Herr Lebrun, wenn die Welt es nicht will. Der Krieg, der dem Krieg ein Ende machen sollte, endete mit einem Frieden, der dem Frieden ein Ende machte. Im übrigen sagt mir Herrn Brüggemeyers Gesellschaft zu. Er will an allem zweifeln, und es gelingt ihm nur, an was es nur sein mag, zu glauben.«

Ehe noch Lebrun seine Ansicht über Brüggemeyer ausdrücken konnte, hielt ihm der Professor ein Heft entgegen. Es war eine Nummer der Revue Lévy.

»Ich habe das hier gerade gelesen,« sagte er. »Gestatten Sie mir, dem französischen Publikum und Ihnen selbst zu gratulieren.«

»Gratulieren! Publikum! Mir selbst! Wozu?«

»Dem Publikum zu einem neuen Roman von Ihnen. Ihnen zum Honorar. Diskreterweise erwähnt die Zeitschrift es selbst.«

»Ein Roman? Von mir? Was sagen Sie da?«

»Ja, oder ist es eine Novellenserie? Ich weiß ja nicht, wie Sie sich die Fortsetzung denken.«

»Was ist denn das? Was meinen Sie?«

»Ich glaube, das brauchen Sie mich doch nicht erst zu fragen.« Der Professor schlug das Heft auf.

Ohne zu wissen, was er denken sollte, stumm, sprachlos starrte Maurice Lebrun eine Titelzeile mit gesperrtem Druck an.

Da stand:

Ein Souper. Erstes Kapitel zu fünftausend Franken des neuen Romans von Maurice Lebrun.

Ja, das stand da.

Und wenn er eine Sache bestimmt wußte, so war es, daß er weder das erste Kapitel, noch irgendein anderes Kapitel eines neuen Romanes geschrieben hatte.

Was war dies?

Der Professor grüßte und ging. Lebrun las.

Herr Collin ist ruiniert

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