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Günther Weber, 4. August 1943, bei Borissowka/Gruzskoje

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Er war ohne allzu große Hoffnungen auf ein einfaches Gelingen in den Kampf gegangen, aber erstaunlicherweise hatten die Russen weniger Kräfte als vermutet an der Ausbruchsstelle am Westrand des Kessels konzentriert, weil sie auch mit einem Angriff der Deutschen im Süden gerechnet hatten. Die vor Weber und seinen Männern vorgestürmten Einheiten hatten dem Gegner sogar einige empfindliche Schläge versetzen können, so dass dessen Attacken aus den Flanken schwach ausfielen und die deutschen Verluste so recht gering geblieben waren. Der Befehl hatte gelautet, nach der Überwindung der Sperren des Feindes in südlicher Richtung auf das etwa 15 Kilometer entfernte Gruzskoje vorzurücken, sich dabei an die dorthin verlaufende Eisenbahnstrecke anzulehnen und den Ort zu sichern. Nordöstlich von ihnen mussten aber auch noch deutsche Truppen stehen, denn er hatte seit früh an aus dieser Richtung heftigen Gefechtslärm gehört. Alles in allem waren die Russen ganz klar darauf aus, Charkow wieder einzunehmen. Vermutlich war jetzt mit ständig wechselnden Lagen zu rechnen, denn die deutsche Front war an vielen Stellen zerrissen worden und die Einheiten versuchten sich irgendwie wieder zu organisieren und eine geschlossene Abwehr aufzubauen. Gruzskoje lag auf einer senkrechten Linie mit Charkow und war von dort gut 100 Kilometer entfernt. Schnelle mechanisierte Einheiten sollten in der Lage sein, diese Strecke in kurzer Zeit zu überwinden. Der Ort selbst war eine Ansiedlung von einigen an einer gut 2 Kilometer langen schnurgeraden Straße liegenden Häusern und weiteren im Gelände verstreuten Bauernhöfen. Das Terrain an sich war gut zur Verteidigung geeignet, denn der ungefähr 100 Meter östlich neben dem Ort gelegene Bahndamm stellte einen kleinen Wall dar, auf dem sich die Infanterie eingegraben hatte. In bestimmten Abständen zwischen den Soldaten hatten sich auch Geschützbedienungen Stellungen geschaffen, so dass nur die Schutzschilde über den Boden ragten. Es waren in der Mehrzahl 7,5 Zentimeter PAK 40 die nach Osten hin freies Schussfeld hatten. Die Infanterie war mit etlichen MG 42 ausgestattet und in diesem Bereich gab es demzufolge eine ordentliche Feuerdichte. Das Vorfeld mit Minen zu sichern war nicht mehr gelungen. Einige Sturmgeschütze III hatten sich so positioniert, dass ihre Sturmkanonen nur knapp über die Gleisanlage emporragten. Zwei Batterien Artillerie hatten westlich des Ortes Stellung bezogen, ihre Beobachter lagen mit am Bahndamm. Telefonkabel waren keine gezogen worden, die Verbindung musste über Funk laufen. Im Norden des Örtchens hatten sich einige Panzer III und IV geschickt hinter Häusern aufgestellt. Im Süden gab es nur einen dünnen Schützenschleier, von dort erwartet man den Gegner nicht. Lediglich zwei PAK 40 waren dort postiert. Für Günther Weber sah das alles so aus, als würde die Truppenführung schon damit rechnen, sich wieder vor den überlegenen Kräften des Feindes zurückziehen zu müssen. Ob die knapp 400 deutschen Infanteristen und die wenigen schweren Waffen den Ort lange halten konnten war recht unwahrscheinlich. Noch konnten Verbände hin und her verschoben werden, aber sobald der Regen einsetzen und wieder alles im Schlamm versinken würde, würde eine Kampfpause eintreten. Die Russen würden die bis dahin verbleibende Zeit nutzen um noch möglichst große Geländegewinne erzielen zu können. Das war nur folgerichtig, lagen in dem jetzt umkämpften Gebiet doch wichtige Rohstoffe für die Rüstungsproduktion und das fruchtbare Schwarzerde Anbaugebiet.

Noch war es ruhig und die Männer verbesserten ihre vorhin schnell ausgehobenen Deckungen. Für die MG-Nester war so viel Erde ausgehoben worden, dass jeweils zwei Männer in dem Loch hocken konnten. Günther Weber hatte seine Ausrüstung noch einmal überprüft. Die Patronentaschen waren gefüllt, an seinem Koppel hatte er zwei Stielhandgranaten befestigt. Das Kampfmesser steckte griffbereit in seiner Scheide. Das letzte Mal hatte er es bei einem Nahkampf in der Nähe von Belgorod eingesetzt. Zusammen mit seinen Männern war er bei einem Gegenangriff bis zu den russischen Gräben gekommen und dann waren die Männer wieder aufeinander losgegangen. Die Laute die sie beim Kampf von sich gaben waren wie die von Tieren, die sich gegenseitig an die Gurgel gingen. Weber war zusammen mit drei seiner Leute in den Graben gesprungen. Die Deckung war auf 20 Meter Länge fast geradlinig angelegt worden und jetzt standen sich die Deutschen und vier Russen in einem Abstand von gerade einmal 10 Metern gegenüber. Einer der Russen reagierte am schnellstens und feuerte seine MPi ab. Die zwei SS-Grenadiere vor Weber gingen getroffen zu Boden, der dritte tötete den schießenden Russen mit einem Kopfschuss. Zwei der Feinde wandten sich zur Flucht, der dritte blieb wie erstarrt stehen. Der SS-Mann hatte seinen Karabiner wieder durchgeladen und schoss erneut. Er traf den Mann in die Schulter, dieser wurde von dem Einschlag herumgewirbelt und sackte an der Grabenwand nach unten. Weber hörte einen seiner getroffenen Männer brüllen, schaute kurz nach ihm und sah, dass die Kugeln aus der MPi des Russen ihm die linke Gesichtshälfte zerrissen und das Auge zerstört hatten. Der Soldat würde nicht mehr lange leben, die Geschosse hatten sicher seinen Schädel durchdrungen oder steckten darin fest. Weber war ohnehin voller Aggressionen und Wut, war mit ein paar Schritten bei dem verwundeten Rotarmisten, hatte sein Kampfmesser schon in der Hand, bückte sich, und zog des scharfen Stahl mit einem Ruck tief durch die Kehle des Mannes. Der Blutschwall traf seine Hände, und der Russe kippte noch mit den Beinen zuckend auf die Sohle des Grabens. Die Deutschen hatten den Graben nur kurz halten können, dann wurden sie wieder daraus vertrieben. 11 SS-Grenadiere waren bei diesem Angriff gefallen oder wurden als vermisst geführt. Vermisst war ein grausamer Begriff, denn so wurden die Angehörigen der Soldaten informiert und in den Familien blieb immer noch lange eine vage Hoffnung übrig, dass der Sohn oder der Ehemann eventuell in Gefangenschaft geraten sein könnte. Dass die Russen den SS-Leuten gegenüber fast nie Pardon gaben war aber bekannt. Günther Weber war klar, dass sich diese Gnadenlosigkeit auf beiden Seiten mit zunehmender Dauer des Krieges noch verstärken würde, denn die Russen würden Rache für den Überfall auf ihr Land nehmen und sie hatten bei der Zurückeroberung der Gebiete auch feststellen können, wie die Deutschen dort zum Teil gehaust hatten. Die Wehrmacht und die SS waren angeschlagen, in die Defensive gedrängt worden und das Fehlen von Erfolgen und die täglichen Verluste schufen eine höchst aggressive Stimmung bei den Männern, die sich eben auch in besonderen Grausamkeiten entlud. Dazu kam eine gewisse Vorahnung, dass sie den Ansturm der Roten Armee nicht aufhalten können würden, und wohl erst recht weit westlich wieder eine einigermaßen stabile Auffanglinie entstehen könnte.

Der Tag war schon etwas herbstlich geprägt aber es war noch warm und die Sonne schien. Weber saß auf dem Rand seines Schützenloches und aß eine Schnitte. Das Brot hatte er mit seinem Messer von einem schon harten Kanten abgesäbelt und sich etwas Jagdwurst aus der Dose darauf aufgeschichtet. Er kaute langsam, um das Brot mit seinem Speichel etwas weicher zu bekommen, und schaute dabei in die Gegend. Vor den deutschen Einheiten lag ein sehr ebenes und fast unbewachsenes Gelände, das garantierte ihnen ein gutes Beobachtungs- und Schussfeld. Ob der Gegner aber aus dieser Richtung angreifen würde war nicht sicher. Vermutlich hing das auch davon ab, wie sich die Gefechte weiter nördlich entwickeln und welche Lücken die Sowjets in die deutsche Verteidigung reißen könnten. Dass der Feind durchbrechen würde stand für Weber fest, seine Kräfte waren denen der Deutschen weit überlegen. Gleichzeitig hatte er Zweifel, dass sie einem massierten Panzerangriff standhalten könnten, die wenigen schweren Waffen würden dazu nicht ausreichen. Die in der Linie stehenden PAK 40 waren wirksame Waffen aber sie hatten den Nachteil eines hohen Gewichtes. Es brauchte mindestens einen leichten Zugkraftwagen 3 t um das Geschütz bewegen zu können, und ein schneller Stellungswechsel war nahezu unmöglich. Für den Angreifer war das Terrain durchaus nicht ungünstig, wenn er nur mit Panzern vorgehen wollte. Die T 34 konnten auf der Fläche hohes Tempo entwickeln, sich der Verteidigungslinie schnell nähern und den PAK-Besatzungen so das Zielen erschweren. Weber hörte ein charakteristisches Motorengeräusch näher kommen, die Nähmaschine. Ein russischer Aufklärer kam in Sicht und flog langsam direkt über die deutschen Stellungen hinweg. Er musste aufgrund des guten Wetters beste Sicht haben und da die Schanzarbeiten noch nicht lange her waren, sollten auch die Linien gut zu erkennen sein. Die Männer schauten besorgt zum Himmel und hofften wohl, dass deutsche Jäger erscheinen würden, aber sie hatten eigene Maschinen schon längere Zeit nicht mehr gesehen. Niemand musste darüber nachdenken, was als nächstes kommen würde.

Der Angriff traf den schwachen deutschen Verband mit voller Wucht. Entgegen ihrer sonstigen Rammbockart, sich auf einen Abschnitt zu konzentrieren und dort durchzubrechen, hatten die Sowjets ihre Kräfte diesmal geteilt. Weber hatte sich auch erst täuschen lassen aber dann erkannt, dass der Plan der Russen gut durchdacht war. Vor ihren Linien tauchten gegnerische Panzer auf, die aber unentschlossen schienen, und schätzungsweise 4 Kilometer von den deutschen Stellungen entfernt stehen blieben. Alle Aufmerksamkeit war auf diese Einheiten gerichtet. Außerhalb der Sichtweite der Deutschen hatte aber eine Panzergruppe von knapp 10 Fahrzeugen einen Schwenk nach Süden vollzogen und dann nach einigen Kilometern wieder nach Norden eingedreht, direkt auf die südliche Verteidigungslinie der bei Gruzskoje liegenden Einheiten zu. Die dünnen Schützenlinien und die beiden PAK wurden von den Panzern regelrecht zermahlen. Grenadiere gerieten unter die Ketten, wurden von Sprenggranaten zerrissen, fielen im MG-Feuer. Die Verteidigung brach an dieser Stelle zusammen, die Überlebenden flüchteten in den Ort, dicht gefolgt von den T 34. Zu dieser Zeit rollte die andere östlich stehende Panzergruppe an, sie bestand aus zirka 20 Fahrzeugen. Auf den Panzern waren wie bei den Russen üblich, Infanteristen aufgesessen. Nach Webers Ansicht war das eine selbstmörderische Vorgehensweise, denn die Deutschen würden mit dem Abschuss eines Panzers auch die mitfahrenden Soldaten töten oder verwunden. Die deutschen Linien waren nun im Süden schon überrannt worden, und die Soldaten würden bald mit umgekehrten Fronten kämpfen müssen, wenn ihnen die Panzer aus dieser Richtung in den Rücken fielen. Gleichzeitig mussten sie den Angriff aus dem Osten abwehren. Der Stab hatte die Panzer aus dem nördlichen Bereich eiligst umgruppiert, und 5 Panzer IV verließen ihre Deckungen und rollten den aus dem Süden kommenden T 34 entgegen. Zwei Fahrzeuge schoben sich hintereinander und etwas seitlich versetzt auf der Straße des Ortes vor, die anderen neben den Häusern.

Heinz Hornig war seit 1941 Panzerfahrer und ein sehr erfahrener Soldat. Als Schlosser war er auch in der Lage etliche Dinge selbst zu reparieren, und er hielt den Panzer IV H immer bestens in Schuss. Als er von einem Panzer III umgestiegen war hatte das für kaum Überraschungen für ihn mitgebracht, die Bedienelemente waren fast identisch, er musste sich lediglich auf das größere Gewicht der Maschine und die etwas behäbigere Fortbewegung umstellen. Bislang hatte er einmal nach einem Treffer aussteigen müssen, aber ansonsten noch keinen einzigen Kratzer abbekommen. Hornig fühlte sich hinter der 80 Millimeter starken Bugpanzerung recht sicher. Auch die Kettenschürzen und die am Turm angebrachten 5 Millimeter starken Platten gaben ihm das Gefühl, dass das Fahrzeug durch diesen zusätzlichen Schutz Beschuss gut standhalten konnte. Die 48 Kaliber lange 7,5-Zentimeter Bordkanone hatte eine beeindruckende Durchschlagleistung und seiner Besatzung war es gelungen, mit dem seit Juni im Einsatz befindlichen Fahrzeug 11 russische Panzer zu vernichten, davon acht T 34. Sie selbst hatten zwar auch einige Treffer einstecken müssen, aber die Panzerung hatte deren Eindringen verhindern können. Der Panzer IV rasselte mit 10 Kilometern in der Stunde langsam vorwärts, und alle Männer, bis auf den Ladeschützen, starrten angespannt durch ihre Sichtmittel. Aufgrund seiner erhöhten Position und der in der Kuppel ringsum angebrachten Winkelspiegel hatte der Kommandant den besten Überblick und machte 800 Meter vor ihnen einen T 34 aus. Auch der Richtschütze hatte den Gegner bereits erkannt und visierte ihn an.

„Feindfahrzeug 12 Uhr! Feuer!“

Nach einer Sekunde traf die Panzergranate 39 den T 34 an der 60 Grad geneigten Bugpanzerplatte, und prallte ab. Fast zeitglich hatte der russische Panzer geschossen und die Granate traf das linke Treibrad des Panzer IV. Die Kette lief ab, und die noch laufende rechte Kette zog das Fahrzeug herum. Jetzt stand der Panzer schräg auf der Straße und zeigte einen Teil seiner linken Seite. Der deutsche Richtschütze war schnell gewesen, denn die richtige Seite hatte er beim Zielen schon gehabt, er musste lediglich die Höhe korrigieren. Die nächste Granate schlug gegen die rechte Turmvorderseite des T 34 und ging durch. Im gleichen Augenblick explodierte die Bereitschaftsmunition in Inneren des Fahrzeugs.

„9 Uhr“ brüllte der deutsche Kommandant.

Zwischen zwei Häusern hatte sich ein T 34 hervorgeschoben. Der Richtschütze des Panzer IV musste den Turm des schräg auf der Straße stehenden Fahrzeuges jetzt nach links schwenken, aber er brauchte dafür zu lange. Bevor er die Seite beim Richten hatte, war die Bordkanone des T 34 abgefeuert worden. Die 30 Millimeter Seitenpanzerung des Panzer IV wurden mühelos durchschlagen. Heinz Hornig verspürte einen brutalen Schlag gegen seine linke Seite, hinter ihm schrie der Richtschütze wie ein Tier. Dann hatte Hornig den Eindruck, dass sich Flüssigkeit auf seinem Sitz sammeln würde. Als er nach links schaute sah er, dass seine Uniform aufgerissen worden war und ein Blutschwall aus seinem Körper trat. Erst jetzt nahm er einen wahnsinnigen Schmerz wahr, und ohne dass er es irgendwie beeinflussen konnte, brüllte er vor Qual und Entsetzen auf. Hinter ihm rutschte der Richtschütze bewusstlos von seinem Sitz, ihm waren beide Unterschenkel amputiert worden. Der Kommandant war gegen die Turmwand gesunken, ihm hatten Splitter den Kopf abgerissen. Auch der Ladeschütze war in den Splitterregen gekommen und tot. Der Funker war durch seine Position rechts vorn am besten davongekommen, und auch das zwischen ihm und dem Fahrer befindliche Schaltgetriebe hatte etwas Schutz geboten. Drei Splitter steckten in seinem Rücken, aber die Verwundung war nicht tödlich. Im Kampfraum hatte sich Rauch ausgebreitet und der Mann öffnete seine Luke und zog sich aus dem Panzer heraus. Er kam heraus, ließ sich zu Boden fallen und kroch in den Schutz eines Hauses. Heinz Hornig sah Kreise vor seinen Augen aber er war noch bei Bewusstsein. Der Rauch wurde immer dichter und er wusste, dass er sofort ausbooten musste. Als er versuchte seine Luke zu öffnen gelang ihm das nicht, sie hatte sich durch die heftige Erschütterung des Fahrzeugs beim Treffer verklemmt. Voller Verzweiflung drückte er gegen die Stahlplatten aber diese bewegten sich nicht. Einige Splitter hatten auch die Schottwand zum Motorraum durchschlagen und dort eine Benzinleitung gekappt. Ein kleines Feuer loderte schon. Die 220, 140 und 110 Liter fassenden Tanks wurden undicht, gerieten schlagartig in Brand und platzten auf. Die daraus resultierende mächtige Druckwelle wurde durch die schwere Motorraumabdeckung nach vorn, also auf die Schottwand zwischen Motor- und Kampfraum kanalisiert. Die dünne Schutzwand wurde durch die enorme Energie aus ihren Halterungen gerissen, in den Kampfraum hineingedrückt und damit konnte sich das brennende Benzin als rasend schnelle Flammenwolke direkt dorthin bewegen. Heinz Hornig war sofort dem Feuer ausgesetzt und innerhalb einer Sekunde stand seine Uniform in Flammen, seine Haare brannten und die Haut verschmorte. Er lebte noch drei Sekunden, dann sackte er als klumpiger schwarzer Gegenstand zusammen. Die Explosion der Munition erlebte er nicht mehr mit.

Im Ort war mittlerweile ein heftiges Gefecht entbrannt. Der zweite Panzer IV hatte den T 34 ausschalten können und dieser brannte auf der Straße stehend aus. Eine führende Hand war auf keiner der beiden Seiten zu erkennen und der Kampf artete zum Chaos auf. Die Straße war durch die abgeschossenen Panzer versperrt, so dass sich die anderen Kampfwagen jetzt rücksichtslos Wege neben dem Ort bahnten und die überwiegend aus Holz gebauten Häuser dort einfach wegwalzten. Die aus dem Osten kommenden Panzer waren jetzt in Schussweite der PAK und die Bedienungen feuerten in schneller Folge Granaten ab. Vier T 34 wurden zerstört, noch ungefähr 15 fuhren auf die deutschen Stellungen zu. Die Panzer schossen aus der Bewegung heraus Sprenggranaten ab, die erwartungsgemäß schlecht gezielt waren. Bei 200 Meter Entfernung gerieten nochmals drei T 34 in Brand, aber dann waren die Kampfwagen am Bahndamm angekommen und kletterten diesen herauf. Diesen Moment nutzten einige deutsche Soldaten und schleuderten geballte Ladungen auf die Panzer. Zwei weitere Fahrzeuge konnten ausgeschaltet werden. Mittlerweile waren drei Panzer IV an diesem Abschnitt angekommen und da sie aus der Flanke feuerten, gingen noch vier T 34 verloren. Die übrigen überwanden jetzt den Bahndamm und die Infanteristen waren in ihren Löchern abgetaucht. Einer der T 34 fuhr direkt auf dem Bahndamm entlang und überrollte einige PAK und MG-Stellungen, bis er durch einen Treffer in das Heck ausgeschaltet wurde. Weber sah, dass drei russische Panzersoldaten ausbooteten, vom Panzer sprangen und kriechend versuchten auf die andere Seite des Bahndamms zu kommen. In diesem Moment sprangen zwei Grenadiere hoch, beide hatten die Seitengewehre aufgepflanzt. Die Soldaten feuerten aus kurzer Entfernung auf die Russen, dann rammten sie den schon Toten oder Verwundeten die Bajonette tief in die Rücken.

5 russische Panzer waren in den Ort über den Bahndamm eingebrochen und walzten PAK und MG nieder. Etliche der auf den T 34 aufgesessenen russischen Infanteristen waren durch die hochgehenden Panzer getötet worden, aber ungefähr 60 Rotarmisten befanden sich jetzt auf dem Gefechtsfeld westlich des Bahndammes. Nun wurden sie von den noch in ihren Löchern am Bahndamm hockenden deutschen Soldaten von hinten beschossen. Einige der Russen gingen zu Boden, die anderen versuchten zwischen den Häusern Deckung zu finden. Aus dem Süden versuchten die T 34 in die Nähe der Ortsmitte zu kommen, aber einige Fahrzeuge wurden von Panzernahbekämpfern vernichtet. Als nur noch zwei Kampfwagen übrig waren drehten diese ab. In der Gegend des Bahndamms spielten sich jetzt unvorstellbare Szenen ab. Den durchgebrochenen russischen Panzern waren durch die auf der Straße stehenden abgeschossen eigenen und deutschen Fahrzeugen die Auswege nach Norden oder Süden versperrt. Auch die durchgehenden flachen Häuserfronten waren für sie ein nicht zu überwindendes Hindernis. Als die Panzersoldaten feststellten, dass ihnen jegliche Fluchtmöglichkeit fehlte drehten sie um, und versuchten wieder an den Bahndamm heranzukommen. Bis dorthin waren es nur 100 Meter. Die 5 T 34 fuhren auseinandergezogen auf einer Breite von 200 Metern auf den Bahndamm zu und überrollten noch einige deutsche Soldaten. Zwei T 34 wurden noch von den Panzern IV abgeschossen, die restlichen drei kamen über den Bahndamm hinweg und flüchteten nach Osten. Für die russische Infanterie war die Lage aussichtslos geworden. Sie war im Ort von den Deutschen eingeschlossen. Etwa 45 Rotarmisten warfen ihre Waffen weg und hoben die Hände. Sie wurden auf der Straße zusammengetrieben, dann mussten sie sich in einer Reihe an den Häuserwänden aufstellen. Fünf der russischen Soldaten wurden ein Stück zur Seite geführt. Vor den anderen etwa 40 Männern hatten sich deutsche Grenadiere aufgestellt, dann gab es den Feuerbefehl und die Gefangenen brachen im Gewehr und MPi-Feuer zusammen. An den Häuserwänden hatten sich große Blutflecken gebildet. Ein Offizier schritt die auf der Straße liegenden Körper ab. Ab und an hob er seine Pistole und gab noch einen Schuss ab. Dann wurde es ruhig.

Günther Weber sah von Bahndamm aus an vielen Stellen des Ortes öligen Qualm träge nach oben steigen, auch etliche Häuser waren in Brand geraten. Aus dem Norden war Geschützfeuer zu hören. Sanitäter untersuchten die auf dem Boden liegenden deutschen Soldaten, einige wurden auf Tragen gelegt und weggebracht. Der beißende Qualm der ausbrennenden Panzer zog über die Gegend und der aufgekommene Wind trug ihn nach Osten weg. Dort standen sowjetische Truppen bereit die gewillt waren den Deutschen all das heimzuzahlen, was sie an Tod, Leid und Elend über ihr Land gebracht hatten.

Ohne Gnade.

Drei Musketiere - Eine verlorene Jugend im Krieg, Band 15

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