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Fred Beyer, 6. Oktober 1941, Russland

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Es hatte zwei Tage gedauert bis die Werkstattkompanie das Dorf erreicht hatte. Die Männer hatten ihre Fahrzeuge und die Technik in einem Waldstück unter Nadelbäumen geparkt. Fred Beyer und seine Männer hatten ihren Panzer III neben dem Häuschen abgestellt, in dem sie sich einquartiert hatten. Es war schnell klar gewesen, dass der durch den Beschuss eingetretene Schaden von ihnen nicht repariert werden konnte und so waren sie zum Warten auf Hilfe gezwungen gewesen. Beyer hatte sich die Stelle des Treffers angesehen. Die Granate des T 34 war auf der Walzenblende aufgetroffen, hatte dort einen Krater in den Panzerstahl gegraben und war dann anscheinend abgerutscht. Hätte das 76 mm Geschoss ein Stück weiter links daneben getroffen wäre es wahrscheinlich direkt durch die nur 15 Millimeter starke Panzerung der Turmfront durchgegangen. Beyer sah vor sich, wie sich die Granate durch den Stahl gebrannt hätte. Zuerst würde sie Splitter aus dem Panzerstahl schlagen, und dann im Inneren des Panzers explodieren. In ihrem unmittelbaren Wirkungsbereich befänden sich Müller der Fahrer, Lahmann der Richtschütze und er selbst. Der rechts im Turm stehende Ladeschütze und der vorn sitzende Funker könnten mit ganz viel Glück schwer verletzt davon kommen, aber die links sitzenden Männer würden ohne jegliche Chance bleiben. Wenn dann noch die Bereitschaftsmunition explodieren sollte wären alle sofort tot gewesen. Er schob diese Gedanken von sich.

Während der Wartezeit hatten die Männer ihre Kleidung etwas auf Vordermann gebracht und sich ansonsten ausgeruht. Natürlich waren immer wieder Gespräche über ihren Panzer aufgekommen.

„Ich habe das schon lange gesagt“ hatte Beyer erklärt „der Panzer III ist zuverlässig aber zu schwach. Unsere Kiste hat viele Kilometer ohne Probleme abgespult aber wir haben gesehen, dass wir gegen die T34 gar nichts ausrichten können. Das ist doch wie mit Erbsen auf eine Stahlwand zu schießen.“

„Du hast Recht“ war Lahmanns Meinung gewesen „ich habe etliche Treffer erzielt, nur der eine ist durchgegangen. Und nur durch die relativ schwach gepanzerte Heckseite. Von vorn ist der T34 für uns unverwundbar und auch von der Seite haben wir nur minimale Chancen. Mit dieser Kanone einen T34 bekämpfen zu wollen ist doch Selbstmord!“

„Aber was willst du machen“ hatte Bergner, der Funker, gefragt „wir haben nun mal im Moment nichts besseres zur Verfügung.“

„Dann erkläre mir, warum unsere Mühle nicht längst auf die 5cm Kanone umgerüstet worden ist und wir noch keine Zusatzpanzerung bekommen haben“ forderte Lahmann.

„Das kann ich dir sagen“ erwiderte Müller „weil genau wie unsere Einheit alle anderen auch nur noch 30 Prozent Normbestand an Fahrzeugen haben. Mich wundert das überhaupt nicht. Wie viele Kilometer haben wir seit Juni zurückgelegt? Hunderte! Warum gab es keinen Transport mit der Eisenbahn? Kann mir das einer erklären?“

„Du hast wohl noch nie davon gehört, dass die russische Bahn eine andere Spurweite hat als die deutsche“ antwortete Bergner „hast du eine Ahnung wie aufwendig das ist, die Schienen umzunageln? Erst dann können die Spezialwaggons für den Transport genutzt werden.“

„Ach, hört doch jetzt auf damit“ meinte Beyer „wenn die Pfeifen in den zuständigen Ministerien und Entwicklungsabteilungen ihre Arbeit nicht machen, werden wir es eben ausbaden müssen. Jammern bringt uns auch nicht weiter. Wenn es uns gelingt, Moskau zu nehmen, wird sich der Iwan fluchtartig nach Osten zurückziehen und wir werden eine Atempause haben. Vielleicht laufen dann endlich mehr Panzer von den Bändern. Und hoffentlich sind die dann hoffentlich nicht mehr so akkurat zusammengebaut wie jetzt, wo jedes Fahrzeug in die Nacharbeit kommt, wenn es ein paar Schönheitsfehler hat. Interessiert das einen von euch, ob die Werkzeugkästen genau im rechten Winkel auf der Kettenabdeckung montiert sind? Oder ob alles schön lackiert ist? Ich hab mir mal n abgeschossenen T 34 angesehen. Schweißnähte, als ob die ein Dorfschmied gezogen hätte. Na und? Spielt das eine Rolle?“

„Fred, bitte reg dich jetzt nicht mehr so“ bat Müller „wir werden die momentane Lage nicht ändern können. Aber du könntest mal mit den Werkstattfritzen reden, ob die uns nicht ne Transportkiste basteln und hinten am Turm anbringen können. Das wär doch ne feine Sache wenn wir unsere Klamotten darin unterbringen könnten.“

„Die Jungs werden andere Dinge zu tun haben. Aber ich werde es probieren. Haben wir was anzubieten?“

„Nur ein paar Zigaretten und 3 Flaschen Schnaps.“

„Na dann wird das wohl nichts werden.“

„Mir müssn den Durm abnehmn“ erklärte der Oberfeldwebel der Reparatureinheit im breiten sächsischen Dialekt den Männern des Panzers „dazu ham mir unsern Gran offgebaud. Der hebd 3 Donnen und damit ist das keen Broblem. Ham wir ruckzuck erledigd. Dann sehn wir uns n Durmantrieb an und späder gönnd ihr dann gemidlich Richdung Mosgau weiderzuggln.“

„Sag mal“ sprach ihn Müller an „wo kommst du denn her? Ich erkenne einen Chemnitzer Tonfall.“

„Schdimmd genau.“

„Mann! Ich bin aus Hartmannsdorf, da sind wir ja sozusagen Nachbarn.“

„Zwei Sachsen im tiefsten finsteren Russland“ feixte Beyer „ich hab gehört, dass euer Stamm ja ziemlich findig sein soll.“

„Das is so“ sagte der Oberfeldwebel geschmeichelt „Sachsen is das Härz des deudschen Maschinenbaus. Mir gönn alles baun. Wergzeugmaschin, Audos, Lasder, Uhrn.“

„Dann wäre doch die Anfertigung einer Staukiste für unsere Mühle für dich und deine Leute ein Klacks, oder“ fragte Müller.

„N ganz einfaches Modell würde doch reichen. Paar Seitenwände und n Deckel mit Scharnieren drauf, das war’s. Dann das Ding hinten am Turm angeschweißt und fertig ist der Lack.“

„Das is ni erlaubd. Dazu bräuchde ich ne Sondergenähmigung vom Herschdeller. Un der sitzd in Deudschland. Sone Gebäckgiste is beim „F“ serienmäßig angebrachd. Bei euerm „E“ is das wie gesagd ni erlaubd.“

„Du bist gut“ erwiderte Lahmann „es ist auch nicht erlaubt, zusammen mit seinem Panzer in die Luft zu fliegen. Das haben meine Hersteller, Mutter und Vater nämlich, auch verboten. Hab‘ dich nicht so. Bist du n Techniker oder n Sesselfurzer, der nur nach Vorschrift handelt?“

„Meinedwegen“ sagte der Oberfeldwebel „was begomm mir dafür?“

„He, wir sind Reisende“ spottete Beyer „und haben momentan kein Zugriff auf unsere prallen Konten. 2 Flaschen Schnaps, 5 Schachteln Zigaretten.“

„Drei Flaschen.“

„Wir haben nur 2.“

„Na gut, überreded. He, Erwin, gomm ma her“ rief er einem seiner Männer zu.

„Die Herrn hier wünschn ihr Fahrzeug gomfordabler auszustadden. Und zwar mid ner Rommelgisde. Kriegn mer das hin und wie lange dauernd das?“

„Platten haben wir da. Muss mal messen wie wir das Ding drankriegen. Platten zurechtschneiden. Dann verschweißen. Löcher für Scharniere fürn Deckel bohren. Deckel anschrauben. Kiste anschweißen. 4 Stunden.“

„Gut. Kannste schon ma damid anfangn, die andern sähn sich n Durmandrieb an. Paul, warde ma noch midm Gran. Erwin muss noch messn. Mache los Erwin.“

Der Mann kletterte auf den Panzer und hantierte mit einem Zollstock.

„Willsde dir nich die Maße offschreibn“ rief ihm der Oberfeldwebel zu.

„Kann ich mir merken.“

“Was isn das fürn Exemplar“ fragte Bergner grinsend als Erwin weggegangen war.

„Fischgobb. Gommd aus Stralsund. Glasse Handwerger, der is Gold werd. Machd geene großn Worde, sondern legd los. Heude wärn mer abr nich mähr ferdig. Gommd ma morgen middag vorbei.“

Die Männer der Werkstattkompanie hatten gute Arbeit geleistet. Der Turmantrieb funktionierte wieder tadellos und am Turmheck war ein Behälter angebracht worden. Dort brachten die Soldaten ihre Ausrüstung unter, bedanken sich und fuhren weiter. Ihre Einheit hatte einen Vorsprung von 2 Tagen vor ihnen aber sie war kaum 20 Kilometer vorangekommen. Die Russen wussten, dass eine Aufgabe von Moskau ein klares Zeichen wäre, dass der Krieg verloren wäre und warfen alle verfügbaren Truppen in die Angriffsrichtungen der Deutschen, es waren nur noch 250 Kilometer bis zur Hauptstadt. Beyer stieß mit seinen Männern am Nachmittag des Tages zum Bataillon. Bis Wjasma waren es noch 15 Kilometer und die Heeresgruppe Mitte hatte nach langwierigen Vorbereitungen immerhin 1,9 Millionen Soldaten zusammenbringen können von denen ein Teil schon Ende September auf Brjansk vorgerückt war und die Stadt am 6. Oktober eingenommen hatte. Jetzt sollten sich alle Anstrengungen auf die Einnahme von Wjasma bündeln welches am 7. Oktober eingenommen wurde. Damit hatte sich wiederum ein Kessel gebildet.

„Was bleibt den Russen denn weiter übrig, als sich nach Osten durchzuschlagen“ sagte Fred Beyer „die haben ja langsam schon Übung darin: rein in den Kessel, raus aus dem Kessel. 6 russische Armeen sollen drinstecken. Wenn wir die alle hops nehmen sind gleich mal 300.000 Leute gefangen. Denen müsste doch jetzt langsam mal die Puste ausgehen.“

„Und ob“ stimmte ihm Müller zu „das ist so. Noch einen Monat, dann sind wir in Moskau. Da wird der Plan mit Weihnachten schön aufgehen. Noch eine letzte Anstrengung, und der Iwan gibt Fersengeld. Bei Wjasma werden wir sie wieder treiben, verlasst euch drauf.“

„Hauptsache unsere Mühle hält durch“ erwiderte Fred Beyer „wir haben noch ein ganzes Stück vor uns. Also los, es geht weiter.“

Das mit leichter Wintertarnung versehene Fahrzeug, man hatte einfach etwas weiße Farbe auf bestimmte Stellen des Panzers gepinselt, rollte weiter nach Osten. Die Männer in seinem Inneren waren sich sicher, bald in der roten Hauptstadt zu sein.

Drei Musketiere - Eine verlorene Jugend im Krieg, Band 3

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