Читать книгу Faszination Geocaching - Meine Schönsten Erlebnisse - Frank Hillmann - Страница 8
ОглавлениеZweiter Cache
Hier ist mal rein gar nichts. Ich stehe in der Ecke des großen Parkplatzes eines Einkaufszentrums. Aber warum stehe ich hier, wenn der Waldweg auf der anderen Straßenseite beginnt? Tippfehler im GPS? Ungenaue Koordinaten? Flüchtigkeitsfehler? Eigentlich nicht! Ich bin sorgfältig vorgegangen, habe ja bei meinem ersten Cache erfahren, wie wichtig es ist, besonnen und scharfsinnig zu agieren. Außerdem, wie soll ich hier bei den vielen Einkauf-Muggels ungestört und unauffällig Infos über die nächste Station suchen und auch finden? Hier gilt die STVO steht auf dem Schild, das ziemlich genau an den Startkoordinaten steht. Ok, dann ist es wohl dieses Schild, welches meine verstärkte Aufmerksamkeit fordert. Ich sehe wohl ziemlich hilflos aus, oder warum fragen mich die Muggels, ob sie mir helfen können? Schön peinlich! Nein, nicht schon wieder ein Schokoriegel, das will ich jetzt nicht.
Schilderservice-Druckwerkstatt steht auf einem der vielen Aufkleber, die rückseitig auf dem Schild kleben. RAL-Nummer, DIN usw. Tel 05208155 Fax: 0812643. Komisch, Telefonnummer aus dem Nachbarort und Fax in Bayern. Tja, nicht mein Problem! Aber meine Lösung! Nur die Null vor der 52 ist zur Tarnung da, der Rest sind die exakten Koos der nächsten Station, ganz offensichtlich angebracht. Auch cool. Jetzige Position markieren, runter scrollen, Ziffern editieren, neuen Wegpunkt speichern, danach auswählen und GOTO drücken. Das sind die einzelnen Schritte, die mein GPS-Gerät erfordert, um mich zur nächsten Station zu bringen. Gewiss, etwas umständlich und die Bedienung lässt im Vergleich zum jetzigen Stand der Technik echt zu wünschen übrig. Dafür ist mein GPS aber wasserdicht, schön gelb, zuverlässig, auf drei Meter genau und als Einsteigermodell für rund 80 Euronen zu haben.
In meiner Homezone, in der ich meine ersten Caches suchen werde, beginnen alle Koordinaten mit N 52xxxxx und E 008xxxx. Gut zu wissen, falls solche Ziffern mal irgendwo auftauchen. Jedes Mal neue Herausforderungen, andere Ideen, andere Aufgabenstellungen, die oft erst erkannt werden wollen, um sich dann der Lösung mehr oder weniger stark zu widersetzen, das macht Geocaching so spannend.
Nun bin ich tatsächlich am Rande des Waldweges und hier ist schon wieder ein Schild, allerdings ganz ohne Aufkleber. BORA steht im Hint. Auf meinem Listing ist am Rand ein Buchstabenstreifen mit eingedruckt. In der oberen Zeile liegen die ersten 13 Buchstaben des Alphabets, in der Zeile darunter die zweiten 13. Ich ersetze die Buchstaben von BORA jeweils einzeln durch die gegenüberliegenden und erhalte somit OBEN. So funktioniert ROT 13, und ich weiß, wo ich suchen muss. Oben am Schild.
Wie sollte es auch anders sein, oben am Schild ist nichts zu sehen. Die ersten Zweifel steigen in mir auf, ob das der richtige Cache für mich ist, oder ob Geocaching überhaupt mein neues Hobby wird. Und jetzt? Na, wenigstens stehe ich nicht mehr auf dem Parkplatz und werde doof angequatscht. Ich habe so rein gar keine Idee, wie es hier weitergehen könnte. Vorsichtshalber habe ich mir die letzten zehn Logs über die Druckfunktion auf der GC-Seite mit ausgedruckt. Ich lese die Einträge und stelle freudig fest, dass hier auch schon andere Cacher leichte Probleme hatten. Natürlich steht nicht im Logtext, „Schau dort nach“, spoilern gehört sich nicht. Vielmehr umschreiben die Leute mit ihren eigenen mehr oder weniger mehrdeutigen Sätzen des Rätsels Lösung. Jeder Eintrag für sich genommen führt nicht wirklich weiter, aber alles zusammen, mit etwas Fantasie, lässt mich erahnen, dass der begehrte Hinweis nicht oben am Schild, sondern oben im Schild untergebracht ist. Ja nee, is' klar. Im Schild, wie soll das gehen? So: Den Schutzdeckel des Metallrohres vorsichtig abziehen, die Schnur fassen, die am Deckel befestigt ist, und dann so lange ziehen, bis der Petling erscheint. Alle Zweifel sind verschwunden, definitiv mein Cache, definitiv mein Hobby. Das hat aber ganz schön gedauert, ok, dann will ich jetzt mal etwas schneller vorgehen.
Das GPS-Gerät erwartet schon sehnsüchtig meine Finger, aber daraus wird nichts. Was ist das jetzt schon wieder? Wo sind meine Zahlen die mit 52 und 8 beginnen? Hier steht nur: 356 Meter 196°. Mehr nicht. Ende im Gelände? Aus die Maus? Nein, eine neue Herausforderung. Einen kleinen hübschen Kompass nenne ich mein Eigen, kann ihn sogar lesen und bedienen, hey, ich war vier Jahre bei der Bundeswehr, habe die Rekruten oft den Umgang mit Karte und Kompass lehren dürfen, zudem bin ich technisch sehr interessiert.
Leider nutzt mir all das im Moment reichlich wenig. Ich habe keine Karte. Der Weg vor mir geht nur geschätzte 50 Meter geradeaus, mit einer Peilung komme ich somit auch nicht weiter. Zugegeben, beim Surfen und Recherchieren habe ich ansatzweise von Wegpunktprojektion gelesen, mich aber nicht weiter dafür interessiert, weil mein kleiner, gelber, wasserdichter Freund das leider nicht kann. Ein Aufgeben oder Pausieren kommt für mich nicht in Frage. Es ist noch ein paar Stunden hell. Noch habe ich null Peilung, aber ich ahne, wie es klappen könnte. Bisher war es so: Nachdem ich GOTO gedrückt habe, zeigt mir ein Pfeil die Richtung und eine Zahl die Entfernung zum Ziel. Das kommt meinen Angaben schon recht nahe. Wenn ich mich nun von hier wieder entferne, so wird die Anzeige logischerweise von jetzt (null), wieder größer. Somit erhalte ich den Radius in 356 Meter Entfernung, auf dem die nächste Station liegt. Mit dem Kompass ermittele ich grob die Richtung und folge dem Weg. Zum Glück gibt es dieses Mal nur einen. Ich schaue währenddessen gebannt auf das Display. Die magischen Zahlen, die ich sehen möchte sind also: Entfernung (vom letzten Punkt) 356 Meter und, aufgepasst, Richtung 16°. Das ist die Gegenpeilung 196° – 180°, die ich erhalten muss, wenn ich eine manuelle Rückwärtsprojektion durchführe. Bingo, hier angekommen finde ich eine kleine Wanderhütte, in der ich kurz pausiere und fast überwältigt bin von meinem eigenen Ideenreichtum.
Auch dieses Vorfinale ähnelt dem des ersten Cache. Nett finde ich, dass ich hier, wind- und wettergeschützt, am Tisch sitzend die Finalkoordianten ermitteln kann. Keine auffällige Baumwurzel, wieder einmal irgendwie nichts. Das kenne ich ja mittlerweile schon recht gut. Eine große Dose verspricht das Listing. Große Dosen kann man aber hier nicht verstecken. Nach etwas längerer Suche finde ich einen Petling. Dann ist wohl das Listing falsch, denn ein Petling ist definitiv keine große Dose, das kann ich selbst mit meiner geringen Erfahrung beurteilen. Komisch. Im Petling steckt ein Zettel, darauf steht: „Du bist hier falsch. Beachte bei deiner Berechnung exakt die Reihenfolge und denke an die Vorzeichen“. Scheint wohl ein beliebter Fehler zu sein. Aber irgendwie finde ich es klasse, hier nicht mit seinem Fehler alleine gelassen zu werden, sondern den richtigen Tipp zu bekommen.
Zurück zur Hütte, Fehler erkannt, Fehler beseitigt, nur bleiben jetzt eigenartigerweise drei Ziffern aus meinen Aufzeichnungen übrig. Ein Gefühl, als wenn man etwas am Auto repariert hat und alles toll funktioniert, obwohl drei Schrauben übrig sind. Mmmmmmh? Ok, learning by doing, trial and error, oder einfach mal Mut zur Lücke. Hier muss es sein, mein GPS zeigt „Ankunft am Ziel“. Ich stehe so ca. 20 Meter vom Weg entfernt in einer Fichtenschonung. Die Bäume sind in exakten Reihen gepflanzt, sind alle gleich groß und der Boden ist absolut regelmäßig mit Fichtennadeln bedeckt. Ach Mann , kann es denn nicht mal einfacher sein? Am Boden ist nichts, wirklich, den hab ich mit meinen Augen gründlich abgescannt. Zeit für eine kleine Pause.
Das Wetter ist schön, der Wald duftet, der Boden läuft sich ganz weich, wie ein dicker Teppich. Die Sonne glitzert schrägt durch die Bäume, es ist ganz still hier. Kein Lärm von den Straßen, hier hört man nichts, nicht mal einen Vogel. Ich genieße diese Ruhe und setze mich auf den weichen Waldboden. Alles schön. Echt! Nur die Dose hätte ich jetzt trotzdem noch gerne. Mein Blick schweift umher, nicht direkt suchend, sondern den Wald bewundernd. Zeitlupe, Tempo raus. Irgendwie hatte ich es vorher schon eilig. Ich schaue mir die Bäume an, saftige Äste mit Nadeln, trockene, abgebrochene Zweige, helle Stellen mit Harz und ein Vogelhaus. Na, ich schau mal, ob da jemand wohnt.
Vielleicht ist es für Fledermäuse, für Krabbeltiere oder eine Borkenkäferfalle? Auf jeden Fall für ganz kleine Tierchen, denn es hat keinen Eingang. Na, dann setze ich mich wieder hin und gehe nochmal gedanklich alle Stationen durch. Alles logisch, allerdings erkennt man seine eigene Fehler selbst eher schlecht. Ich sehe mir noch einmal das Vogelhaus an. Komische Konstruktion. Etwas versteckt ist dort ein Vorhängeschloss angebracht. Ein Vorhänge-Zahlenschloss hab ich noch nie gesehen. Interessant!
Ok, einen Versuch ist es wert. Mit zittrigen Fingern drehe ich die Rädchen des Schlosses und zwar auf die drei Ziffern, die bei meiner Finalberechnung übrig geblieben waren. Irgendetwas stört die Ruhe hier plötzlich im Wald. Ein lautes „YES“ schallt von den Bäumen zurück. Ups, war ich das etwa? Sonst ist ja niemand hier! Hier loggen, im Net loggen, das geht nun wie von selbst. Ich setze profimäßig meinen Nicknamen unter meinen Eintrag. Dazu noch ein No Trade (NT) denn ich habe nichts getauscht und ein Thanks For The Cache (TFTC).