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Kapitel 1: Verwandlung

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Ich stehe an einem weiten Feld. Der Acker ist beeindruckend leblos und öde. Kein Halm und kein Blatt ist zu sehen, nichts Grünes auf dem Feld, so weit mein Auge reicht. Der Boden ist verkarstet und schlickig. Er sieht so schwarz aus, als wäre Kohlenstaub darauf gefallen. Er scheint schon vor langer Zeit abgeerntet und dann sich selbst überlassen worden zu sein und liegt nun verwahrlost unter einem diesigen, trüben Himmel einfach da. Die Stimmung in der Atmosphäre ist erfüllt von Resignation und Hoffnungslosigkeit wie am grauesten Herbsttag, den man sich vorstellen kann. Ich möchte den Kragen hochschlagen und bloß schnell weitergehen. Da aber sagt eine Stimme zu mir: „Dies ist das Feld der Männer.“

Wir alle aber schauen mit aufgedecktem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn an und werden so verwandelt in dasselbe Bild von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, wie es vom Herrn, dem Geist, geschieht (2 Kor 3,18).

Das heute oft gehörte Wort „Transformation“ bedeutet „Verwandlung“. Der obige Text in 2. Korinther 3 spricht davon, dass wir in das Ebenbild Christi verwandelt werden. Derjenige, der uns in dieses Bild verwandelt, ist der Heilige Geist. Es sind nicht fromme Veranstaltungen, Predigten, Bücher, Andacht, Bibellese usw., die uns in dieses Bild verwandeln. Solche Dinge sind möglicherweise gute Hilfsmittel, aber wir dürfen uns nicht täuschen und die Hilfen mit dem Eigentlichen verwechseln, was uns wirklich verwandelt. Der Heilige Geist alleine ist in der Lage, uns in eine Begegnung mit Christus zu führen, die uns nicht dieselben bleiben lässt. Wir dürfen unsere Hoffnung und Erwartung nicht zu sehr auf die angebotenen Hilfsmittel setzen und zu wenig auf den, der uns tatsächlich in die alles verwandelnde Begegnung mit Jesus selbst zu führen vermag – von Angesicht zu Angesicht, von Herrlichkeit zu Herrlichkeit. Das ist eine sehr spannende und dramatische Angelegenheit voll großartiger spiritueller Erfahrungen und Erlebnisse.

Verwandlung ist wirklich keine geringe Sache, und sie kann nicht unbemerkt bleiben. Denken wir nur einmal daran, wie eine Kaulquappe sich in einen Frosch verwandelt. Das eine Tier lebt im Wasser, das andere geht ans Land. Und doch ist es dasselbe Tier. Es durchläuft eine Metamorphose, die seine Gestalt und sein Leben vollkommen verändern. Genauso verhält es sich mit der Verwandlung in das Bild Christi. Auch mit allem nur denkbaren religiösen Aufwand können wir uns nicht in das Bild Christi verwandeln. Nur der Heilige Geist kann das tun. Dabei können wir weder darüber bestimmen noch kontrollieren, wie er das macht, sondern wir müssen vertrauen. Haben wir uns zu diesem Vertrauen entschlossen, welches der Anfang des Wandels mit Gott ist, werden wir einen Weg geführt, der ein Geheimnis ist und zu einer neuen Geburt unserer Selbst führt.

So wie uns niemand erklären kann, was in einer Schwangerschaft in der Verborgenheit des Mutterleibes wirklich vor sich geht und wie sich dieses neue Leben dort drinnen bildet und entfaltet, so kann uns auch niemand bis ins Letzte das Wunder der geistlichen Geburt erklären. Die Gemeinde kann uns auf dem Weg beistehen und Mentoren können uns helfen, aber der Weg des Geistes ist und bleibt ein Geheimnis und offenbart sich nur dem, der im Vertrauen die alten Sicherheiten loslässt und an der Hand Gottes einen Weg beschreitet, der über die Grenzen menschlicher Möglichkeiten und Machbarkeiten hinausgeht. Allerdings neigen insbesondere Männer dazu, Geheimnisse lieber aufzulösen und „alles zu wissen“, als einfach zu vertrauen. Da fühlen sie sich besser und haben das Gefühl der Kontrolle. Scheinbar hat auch die Gemeinde alle Geheimnisse des Geistes und Glaubens gelüftet und klärt uns nun bis ins letzte Detail darüber auf, was wir zu tun und zu lassen haben, um „richtig“ zu sein und Gott zu gefallen. Uns wird gesagt, wie wir uns im Gottesdienst zu benehmen haben, was wir anziehen und wie lang unsere Haare sein dürfen, damit wir „christlich aussehen“. Uns wird vermittelt, wann und mit welchem Gebet und Andachtsbuch wir morgens aufstehen und wann wir abends zu einer „christlichen Zeit“ ins Bett gehen sollen, welche Veranstaltungen der Kirche wir die Woche über zu besuchen haben, mit welchen Leuten wir uns in einem Hauskreis treffen werden, die jetzt unsere von oben verordneten Freunde sind usw. Diese Darstellung ist bewusst etwas überzogen, um einen Punkt zu setzen. Der Punkt ist, dass es häufig um alles geht, nur nicht darum, wie wir verwandelt werden, obwohl genau dies das eine Ziel des Geistes mit uns ist.

Was dabei herauskommt, wenn wir den Weg des „Alles-richtig-Machens“ anstatt der Verwandlung gehen, ist häufig nichts anderes, als dass wir lernen, eine fromme Rolle zu spielen und uns gewisse christliche Verhaltensweisen anzueignen, aber verwandeln kann uns das nicht. Wir bleiben dieselben. Diese Erkenntnis ist für viele Christen zum Verzweifeln. Sie haben viel darangesetzt, um Jesus Christus zu folgen und zu dienen, sind in die Gemeinde gegangen, haben „Stille Zeit“ gemacht und alles Mögliche getan, was von ihnen verlangt wurde – nur, verwandelt wurden sie dadurch nicht. Sie haben noch immer keine neue Kraft, die es doch braucht, einen neuen Weg zu gehen. Sie haben noch immer keine neuen Augen, um den Herrn zu sehen. In ihrem Leben ist von „Herrlichkeit“ nichts zu finden.

Die Frucht des Geistes aber ist: Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut, Enthaltsamkeit (Gal 5,22).

Wir können diese ganze Liste über die „Frucht des Geistes“ durchgehen und Punkt für Punkt darüber enttäuscht sein, dass das eigene Leben trotz aller Mühe diese Frucht nicht hervorbringt, oder wir deuten die Frucht kurzerhand in eine rein humanistische Form dieser Eigenschaften um. Wollen wir allerdings das „Echte“ haben, bleibt uns nur übrig, den Tatsachen klar ins Auge zu sehen: Es ist eben nicht die Frucht der eigenen Bemühungen, sondern die Frucht des Geistes, die sich von ganz alleine einstellt, wenn der Heilige Geist uns in das Bild Christi verwandelt. Denn die Frucht des Geistes ist ja nichts anderes als eine Auflistung der Eigenschaften Christi. Jesus ist so. Wir sind nicht so. Wie also können wir verwandelt werden von Leuten wie uns in Leute wie ihn?

Verwandlung ist nicht Veränderung. Zahllose Christen „arbeiten“ an ihrer Veränderung. Sie wollen sich und ihr Leben mit Gottes Hilfe aufbessern und optimieren. Doch Gott scheint auf dieses Anliegen seltsam wenig zu reagieren. Er wird unentwegt angerufen, er möge doch helfen und unterstützen, das Leben mit all seinen Herausforderungen besser in den Griff zu bekommen. Aber er will uns gar nicht helfen, unser Leben mit seiner Hilfe besser geregelt zu bekommen, er möchte, dass wir aufhören, unser Leben zu leben, und anfangen, sein Leben zu leben. Das ist etwas ganz anderes, als Gott dazu zu bewegen, uns zu segnen. Unser Tun zu segnen und unser Lassen zu vergeben, scheint die einzige Aufgabe zu sein, die wir Gott in unserer modernen, humanistischen Kirche noch gelassen haben. Er aber will uns verwandeln.

Und der, welcher auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu. Und er spricht: Schreibe! Denn diese Worte sind gewiss und wahrhaftig (Offb 21,5).

Im Neuen Testament geht es nicht darum, Altes aufzupeppen, sondern abzulegen und dann Neues anzuziehen. Jesus sitzt auf dem Thron, das heißt, er hat die Autorität. Und er benutzt sie, um alles neu zu machen. Und er weist Johannes, dem er diese Worte mitteilt, an, eine Betonung auf diesen Punkt zu legen: „Dies ist gewiss und wahrhaftig …“

Wir finden diese Betonung auf das Ende des Alten und den Anfang des Neuen überall in der Schrift. Ein bekanntes Wort ist 2. Korinther 5,17:

Daher, wenn jemand in Christus ist, so ist er eine neue Schöpfung; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.

Dass das Reich Gottes zu uns kommt und alles beim Alten bleibt – das ist ganz unmöglich. Männer, die den Weg der Verwandlung in das Bild Christi gehen, die also einen Prozess tief gehender und umfassender Erneuerung durchlaufen, müssen der Möglichkeit ins Auge sehen, dass sie trotz aller Hilfsmittel, wie ich sie zu Anfang des Kapitels aufgeführt habe, mit dem Reich Gottes nicht in Berührung gekommen sind, den Heiligen Geist und sein Werk der Transformation nicht ausreichend verstanden haben und darum die Herrlichkeit der neuen Schöpfung nicht erleben.

Eines der größten Hindernisse auf dem Weg der Verwandlung besteht darin, dass Männer meinen, sie wüssten schon Bescheid. Sie schauen sich in der einen und anderen Gemeinde um, lesen das eine und andere Buch und meinen dann, genug gesehen und gelesen zu haben, um mitreden zu können. Jesus selbst aber haben sie zumeist nicht befragt, ob das, was sie sehen und lesen, auch wirklich das ist, wovon er redet, wenn er von der neuen Schöpfung, dem Reich Gottes und der Herrlichkeit Gottes spricht, zu der wir berufen sind. Meine Erfahrung in der Männer- und Gemeindearbeit hat mich immer wieder gelehrt, dass viele Männer wie die Kaulquappe in ihrem Tümpel sitzen und über das Froschsein philosophieren, ohne einer geworden zu sein. So ähnlich sitzen sie in ihren Vorstellungen über Gott und das geistliche Leben fest und sinnieren über das Reich Gottes, ohne es aus eigenem Erleben zu kennen.

Das Reich Gottes ist ja nicht eine Theologie, sondern die Kraft Gottes. Wo sie erscheint, geschieht Verwandlung: Da werden die Stummen zu Redenden, die Blinden zu Sehenden und die Lahmen zu Springenden. Da werden Tote lebendig und Schwache stark. Da werden Sünder zu Gerechten und Ängstliche sprechen: „Ich bin ein Held!“ Da werden die Ersten zu Letzten und die Letzten zu Ersten. Da wird die Finsternis zu Licht und die Wüste zum Garten Eden. Da befreit ein 80 Jahre alter Mann namens Mose ein ganzes Volk aus der Hand des mächtigsten Mannes der alten Welt – dem Pharao. Und dort besiegt ein Hirtenjunge namens David einen Giganten namens Goliath.

Diese Auflistung ließe sich beliebig fortsetzen und mit vielen Bibelstellen belegen, die davon sprechen, dass Gott das Schicksal wendet und einen völlig neuen Ausgangspunkt schafft.

Darum ist das Evangelium die „gute Nachricht“ davon, dass „das Reich Gottes nahe herbeigekommen ist“. Und wie schon gesagt: „Das Reich Gottes besteht nicht in Worten, sondern in Kraft“, wie uns in 1. Korinther 4,20 mitgeteilt wird. Diese Kraft erfüllt den Willen dessen, der auf dem Thron sitzt: Sie macht alles neu.

Ich weiß, für Männer ist diese Auflistung oben sehr interessant, weil es ihrem Wunsch entspricht, etwas Wirkliches und Wesentliches zu bewirken. Sie lesen in der Bibel über all die „Männer des Wunders“, die „durch den Glauben Königreiche bezwangen, Gerechtigkeit wirkten, Verheißungen erlangten, der Löwen Rachen verstopften, des Feuers Kraft auslöschten, des Schwertes Schärfe entgingen, aus der Schwachheit Kraft gewannen, im Kampf stark wurden und der Fremden Heere zurücktrieben“ (vgl. Hebr 11,33-34). Dann legen sie ihre eigene Glaubenserfahrung und Gemeindewirklichkeit daneben und kriegen das eine mit dem anderen nicht in Einklang. Wo ist die Kraft geblieben?! Die Frage nach der Kraft ist für jeden Mann eine sehr zentrale Frage. Männer wollen Kraft haben und etwas tun. Sie sind sehr interessiert an dem, was ihnen Kraft gibt, und andererseits wollen sie abstellen, was sie sinnlos Energie kostet. Jahrelang in einer immer gleich kraftlosen Mühle von Kirchlichkeit zu laufen, in der es nur um „seid nett zueinander“ geht, ist für Männer extrem unattraktiv und scheint ausschließlich Kraft zu kosten, die man aber gerne „opfern“ soll. Es kommt für jeden Mann der Moment, wo er es definitiv wissen will: Wo ist die Kraft, und wie bekomme ich sie? Und die Bibel lässt uns keinen Moment darüber im Unklaren:

Aber ihr werdet Kraft empfangen, wenn der Heilige Geist auf euch gekommen ist … (Apg 1,8).

Jedoch wird der Heilige Geist uns zunächst verwandeln müssen in das Bild Christi, ehe wir mit seiner Kraft auch die Werke Christi tun können. Wir können nicht neue Kraft empfangen, ohne auch neue Menschen zu werden. Ermächtigung und Verwandlung gehen also Hand in Hand. Dies haben aber viele Männer nicht begriffen. Um im Bilde zu sprechen: Sie wollen die Macht haben, zu fliegen, ohne aber von Raupen in Schmetterlinge verwandelt zu werden.

Der ganze Dienst von Jesus fußt auf einem prophetischen Wort aus Jesaja 61, welches er zu seinem „Dienstantritt“ in seiner Heimat-Synagoge in Nazareth zitiert (vgl. Lk 4,14-30). Dieser Text ist eine einzigartige Beschreibung der transformatorischen Kraft des Evangeliums. Er beginnt mit der Erklärung, woher diese Kraft kommt: „Der Geist des Herrn, HERRN, ist auf mir …“ (Jes 61,1). Dies bestätigt unseren Ausgangstext in 2. Korinther 3, wo klar gesagt ist, dass es der Heilige Geist ist, der uns „von Herrlichkeit zu Herrlichkeit“ verwandelt. Danach wird genau erläutert, was diese Kraft des Geistes bewirkt. Vers 3 sagt dazu Folgendes:

… um den Trauernden Zions Frieden, ihnen Kopfschmuck statt Asche zu geben, Freudenöl statt Trauer, ein Ruhmesgewand statt eines verzagten Geistes … (Jes 61,3).

Der Geist des Herrn ist auf Jesus, um diese Verwandlung zustande zu bringen. Eine gänzliche Verkehrung der Verhältnisse soll erzielt werden. Das Eine soll vergehen und das Andere soll werden. Das ist mehr als Veränderung, das ist Revolution. Diese Absicht eines göttlichen „Umsturzes“ der herrschenden Verhältnisse ist dabei gar nicht vereinbar mit der verbreiteten Ansicht unter den Christen, dass Gott uns lediglich Kraft gibt, um in der Asche, Trauer und Depression auszuhalten. So wundert es nicht, dass die Synagoge von Nazareth nichts mit der revolutionären Ankündigung Jesu: „Heute ist diese Schrift vor euren Ohren erfüllt“ (vgl. Lk 4,21) anfangen konnte. Sie hatten diese Worte aus Jesaja schon so oft gehört, ohne je ihre Kraft zu erleben, dass es ihnen völlig abwegig erschien, dass da einer auf einmal damit rechnete, dass diese Worte sich nun tatsächlich „erfüllen“, das heißt, dass nun wirklich und faktisch geschehen sollte, was die Worte sagen.

Auch heute sind viele Kirchen sehr gut darin, alle Kraft aus dem Evangelium herauszupredigen und nur Worthülsen übrig zu lassen, die keinerlei Substanz und Nährwert haben. Diese gehen den Hörern zum einen Ohr rein und zum anderen wieder heraus. Sie sind für das wirkliche Leben vollkommen nutzlos, weil sie nicht die Kraft haben, es zu verwandeln. Was also sollen die Hörer damit anfangen? Heutzutage ist die wichtigste Eigenschaft einer Predigt, dass sie „kurz“ ist. Da sie sowieso „nichts bringt“, möge sie die Hörer wenigstens nicht durch übermäßige Länge quälen. Jesus predigte völlig anders. Seine Predigt brachte die Kraft auf den Plan, die die Worte erfüllte. Da spielte Zeit für die Hörerschaft, die zu damaliger Zeit im Gegensatz zu heute vorwiegend aus Männern bestand, auf einmal gar keine Rolle mehr. Da wollten sie gar nicht wieder nach Hause gehen. Da überschlugen sich die Menschen geradezu, Jesus zu hören und ihn, wenn möglich, zu berühren, da Kraft von ihm ausging – die Kraft des Heiligen Geistes, das Wort Gottes zu erfüllen und alle Dinge zu verwandeln.

In einem kirchlichen Umfeld, in dem sich Woche für Woche, Monat für Monat und Jahr für Jahr im Großen und Ganzen nichts ändert, sondern alles seinen gewohnten Gang geht, haben es Männer schwer, den Weg der Verwandlung zu gehen, eben weil sich um sie her nichts wandelt. Sie müssen gegen den Strom der Routine schwimmen und gegen eine gepflegte Erwartungslosigkeit ankommen, die im Traum nicht davon ausgeht, dass Gott heute so dramatisch eingreifen könnte wie damals. Zu behaupten, dieser weit verbreitete Zustand der Kirche sei „biblisch“ oder entspräche dem „Reich Gottes“, ist nicht korrekt und bringt eine Menge Männer um das Eigentliche, um das es geht.

Im Folgenden gehe ich einmal das fünfte Kapitel des Lukasevangeliums durch, um dort Beispiel um Beispiel zu zeigen, wie die transformatorische Kraft des Evangeliums das Leben ganz verschiedener Männer grundlegend verwandelt hat. Dabei wird sehr deutlich, dass es sich nicht um eine bloße Veränderung der Betroffenen oder Verbesserung ihrer Umstände handelte, sondern um eine Verwandlung der Menschen und ihrer Verhältnisse.

Jesus brachte ihnen nicht lediglich eine sozial-diakonische Hilfestellung und freundliche Unterstützung mit Grüßen von der Gemeinde, sondern ein neues Leben. Los geht es mit der berühmten Geschichte der Berufung des Fischers Simon Petrus:

Als er aber aufhörte zu reden, sprach er zu Simon: Fahre hinaus auf die Tiefe, und lasst eure Netze zu einem Fang hinab! Und Simon antwortete und sprach zu ihm: Meister, wir haben uns die ganze Nacht hindurch bemüht und nichts gefangen, aber auf dein Wort will ich die Netze hinablassen. Und als sie dies getan hatten, umschlossen sie eine große Menge Fische, und ihre Netze rissen. Und sie winkten ihren Gefährten in dem anderen Boot, dass sie kämen und ihnen hülfen; und sie kamen, und sie füllten beide Boote, sodass sie zu sinken drohten.

Als aber Simon Petrus es sah, fiel er zu den Knien Jesu nieder und sprach: Geh von mir hinaus! Denn ich bin ein sündiger Mensch, Herr. Denn Entsetzen hatte ihn erfasst und alle, die bei ihm waren, über den Fischfang, den sie getan hatten; ebenso aber auch Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, die Gefährten von Simon waren. Und Jesus sprach zu Simon: Fürchte dich nicht! Von nun an wirst du Menschen fangen.

Und als sie die Boote ans Land gebracht hatten, verließen sie alles und folgten ihm nach (Lk 5,4-11).

Männer, die nichts gefangen und vergeblich gearbeitet haben, fangen Fische bis zum drohenden Sinken mehrerer Schiffe! Jesus ist an diesem Tag ihr Hauptgewinn, der ihr Verlierer-Schicksal wendet. Männer, die sich selbst angesichts von diesem Wunder als „sündige Menschen“ einschätzen, deren Leben doch wohl von einem Heiligen nicht berührt werden konnte, werden zu Berufenen, zu Menschenfischern und zu Aposteln. Erfolg, neue Identität, ein anderer Job – alles an einem Tag. Das ist so recht nach dem Geschmack von Männern! Das ist nicht nur eine „positive Veränderung“, das ist Transformation und Revolution im Doppelpack. Hier kommt für Petrus die Stunde null. Die „Reset-Taste“ wird gedrückt und das Leben beginnt unter neuen Vorzeichen noch einmal von vorne. Für diese Fischer bricht mit Jesus ein neuer Tag an, eine neue Zeitrechnung. Nicht das alte Leben wird christlich angestrichen, um nun aus Petrus und seinen Kollegen „christliche Fischer“ zu machen. Nein, hier bleibt buchstäblich nichts, wie es war. Sie „verließen alles und folgten ihm nach …“ Das liest sich so einfach. Besonders wenn wir diese „alten Geschichten“ schon so oft gehört haben, dass sie uns nur noch ein Gähnen abgewinnen. Aber wenn wir uns nur einen Moment lang in Petrus und seine Männer hineinversetzen und uns einmal vorstellen, wir wären es, in deren Alltag unvermittelt Jesus so definitiv eintritt, dann verspüren wir vielleicht etwas von der tatsächlichen Brisanz dieser Begebenheit. Dann verstehen wir vielleicht auch etwas von dem „Entsetzen“, welches Petrus angesichts der Ereignisse ergriff. Bis heute hat sich an der Lage von uns Männern nichts verändert: Solange uns das Reich Gottes nicht so tief trifft und bewegt wie damals Petrus und seine Leute, solange uns kein Erstaunen ergreift und uns buchstäblich auf die Knie wirft, sondern uns weiter das Alltagseinerlei einschläfert, während wir davon ausgehen, Gott hinge fernab unseres wirklichen Lebens in der Kirche ab, ist die Männerdämmerung für uns noch nicht angebrochen. Solange wir Gott aus unserem Alltag und unserer Arbeit raushalten und auf den frommen Sonntag in der heiligen Messe beschränken, sind wir noch die Kaulquappen im Tümpel und verstehen von der Realität des Evangeliums rein gar nichts.

Wenn das Reich Gottes auf den Plan tritt, bleibt nichts, wie es war. Da kommt Bewegung in die Routine und Farbe in das graue Alltagseinerlei. Hier wurde ein bis dahin völlig bedeutungsloses Leben zu einem Leben transformiert, welches in die Geschichte einging.

Und es geschah, als er in einer der Städte war, siehe, da war ein Mann voller Aussatz; und als er Jesus sah, fiel er auf sein Angesicht und bat ihn und sprach: Herr, wenn du willst, kannst du mich reinigen. Und er streckte die Hand aus, rührte ihn an und sprach: Ich will. Sei gereinigt! Und sogleich wich der Aussatz von ihm (Lk 5,12-13).

Hier wendet sich das Schicksal für einen aussätzigen Mann. Ein solcher Lepröser war seinerzeit „lebendig tot“. Beherrscht von einer Krankheit, die ihn zu einem Außenseiter machte, zum entstellten „Zombie“, siechte er ohne jede Hoffnung in einer Kolonie von Seinesgleichen einem elenden Ende entgegen. Was aus einem Menschen wird, der zu jedermann Abstand halten muss und verpflichtet ist „Aussatz, Aussatz!“ vor sich her zu schreien, damit bloß keiner auch nur in seine Nähe kommen und sich womöglich infizieren würde, ist schwer vorstellbar. Ob irgendjemand von uns sich ausmalen kann, was es bedeutet, so total isoliert zu sein, wie dieser Aussätzige?

Nun, ehe wir abwinken, sollten wir uns die Klagen zahlloser Ehefrauen anhören, die wie im Chor ein Lied darüber singen können, dass ihr Mann so schrecklich unberührbar ist, sie nicht an sich ranlässt, ihr Herz vor ihnen verbirgt, ihnen nicht mitteilt, was wirklich in ihm vor sich geht und genau wie der Lepröse ständig nonverbal die Botschaft ausstrahlt: „Rühr mich nicht an! Lass mich in Ruhe! Lauf mir nicht hinterher!“ Viele Männer sind an eine Menge Isolation gewöhnt und spielen sehr gekonnt die Nummer „einsamer Wolf“. Und vielen wurde offenbar auch nicht beigebracht, wie das Wort „Kommunikation“ buchstabiert wird. Ihr Aussatz ist nicht äußerlich, sondern innerlich. Dort, in ihrem Inneren, sind sie krank an Unberührbarkeit, ohnmächtig und verwirrt – und darum geneigt, jeden anzuknurren, der sich ihnen nähert.

Und „Jesus streckte die Hand aus und rührte ihn an: ‚Sei rein!‘“ Wieder liest sich dieser kleine Satz so schnell, dass uns vielleicht nicht bewusst wird, welche ungeheure Dramatik darin liegt. Mit dieser Berührung tat Jesus sowohl das Undenkbare als auch das Verbotene! Diese Worte waren es, die für den Aussätzigen die „Reset-Taste“ auslösten und die Zeit auf null drehten. Für den Mann wendete sich das grauenhafte Lepra-Schicksal, brach ein neuer Tag an und eine neue Identität wurde ihm zuteil: Er wurde vom Aussätzigen wieder zu einem menschlichen Individuum. In einem Moment. DAS nenne ich Transformation. Das nenne ich eine Revolution Gottes. Die Macht Gottes stürzte die Herrschaft der Krankheit um und befreite den Mann dazu, wieder ein Mensch zu sein. Großartig!

Solange Männer die direkte Berührung mit Jesus und seine Macht über ihren unheilbaren Zustand nicht erleben, solange sie nicht erfahren, dass Jesus für sie das „Undenkbare und Verbotene“ tut, wird es keine Männerdämmerung geben und alles beim Alten bleiben.

Und es geschah an einem der Tage, dass er lehrte, und es saßen da Pharisäer und Gesetzeslehrer, die aus jedem Dorf von Galiläa und Judäa und aus Jerusalem gekommen waren; und des Herrn Kraft war da, damit er heilte. Und siehe, Männer bringen auf einem Bett einen Menschen, der gelähmt war; und sie suchten, ihn hineinzubringen und vor ihn zu legen. Und da sie nicht fanden, auf welchem Weg sie ihn hineinbringen sollten, wegen der Volksmenge, stiegen sie auf das Dach und ließen ihn durch die Ziegel hinab mit dem Bett in die Mitte vor Jesus. Und als er ihren Glauben sah, sprach er: Mensch, deine Sünden sind dir vergeben … (Lk 5,17-20).

Und er sprach zu dem Gelähmten: Ich sage dir, steh auf und nimm dein Bett auf und geh nach Hause! Und sogleich stand er vor ihnen auf, nahm auf, worauf er gelegen hatte, und ging hin in sein Haus und verherrlichte Gott. Und Staunen ergriff alle, und sie verherrlichten Gott und wurden mit Furcht erfüllt und sprachen: Wir haben heute außerordentliche Dinge gesehen (Lk 5,24-26).

Man stelle sich einmal vor, was die Worte Jesu für diesen gelähmten Mann bedeuteten. Für ihn, den Betreuungsfall, volle Pflegestufe, Inkontinenz, Kontraktionen, Schmerzen – dessen Tag darin besteht, dazuliegen und an die Decke zu starren, waren die Worte „Steh auf, nimm dein Bett und geh nach Hause!“ die Reset-Taste, die Stunde null, der Neuanfang des Lebens. Ein einziger Satz definierte sein Leben neu. In einem Moment verwandelte er sich vom Pflegefall zurück zum eigenständigen Individuum. Das Alte war nun vorbei, Neues war geworden. Und das nicht nur für den „Patienten“, auch für seine Familie und seine Freunde. Das ist Transformation. Das ist wirklich und wahrhaftig die Revolution des Evangeliums.

Wiederum können wir ohne Mühe die Situation des Gelähmten auf uns moderne Männer übertragen. Ist die Lähmung auch zumeist nicht äußerlicher Natur, so fühlen sich doch zahllose Männer genauso gehandicapt und bewegungsunfähig wie dieser „Pflegefall“. Sie wollen mit Kraft handeln und laufen, etwas Bedeutungsvolles tun und „Berge versetzen“, finden sich jedoch nach einem langweiligen Tag im Büro mit Chips und Bier im Fernsehsessel wieder, wo sie nur noch anderen Männern zuschauen, die mutig Heldentaten vollbringen. Aber selbst im TV verschwinden die Helden zusehends und machen Platz für die Heldinnen, die jetzt den Kampf um die Gerechtigkeit führen. Ach, hätten wir nur solche Freunde wie dieser Gelähmte, die uns vor die Füße Jesu legten! Dort würde auch unser Schicksal sich wenden, wenn wir die Worte hörten: „Mann, deine Sünden sind dir vergeben!“

Jesus vergibt uns die Sünden nicht, damit wir dieselben bleiben wie vorher mit einem etwas besseren Gewissen und der Hoffnung, einmal in den Himmel zu kommen. Wenn die Vergebung nicht das Alte entmachtet und das Neue ermächtigt, dann haben wir kein richtiges Verständnis von der Kraft des Evangeliums und dem Ziel, welches Gott mit der Vergebung der Sünden verfolgt. Vergebung ist kein Selbstzweck. Wenn wir nicht aufstehen aus unserem Leben der Ereignislosigkeit, des Aussatzes und der Lähmung und in der Kraft des Evangeliums von Jesus Christus andere Menschen werden, dann ist unsere Idee vom Christsein und der Sündenvergebung dringend korrekturbedürftig. Das Evangelium ist eine Revolution.

Denn ich schäme mich des Evangeliums nicht, ist es doch Gottes Kraft zum Heil jedem Glaubenden … (Röm 1,16).

Was für ein „Heil“ ist hier gemeint? Dass wir alle dereinst einmal in den Himmel kommen? Das wird ja vielerorts so gepredigt. Aber die vier Freunde hatten Glauben für hier und jetzt und nicht erst für den Himmel. Dies bewiesen sie mit dem Abdecken des Daches ja sehr anschaulich und praktisch. Ihre Erwartung an Jesus war schon ohne Worte völlig klar. Sie brauchten das Heil jetzt, denn ihr Freund war jetzt gelähmt. Er brauchte die Heilung nicht erst später im Himmel, sondern hier auf Erden. Ein Evangelium, welches alle Leidenden auf das Jenseits vertröstet, ist makaber und nicht wirklich als ein „Evangelium“ zu bezeichnen. Das Evangelium ist Gottes Kraft jedem Glaubenden zum Heil. Es heißt nicht, es wird … sein, sondern „es ist“. Die Freunde des Gelähmten erlebten die Erfüllung von Römer 1,16. Das Evangelium war ihnen nicht Vertröstung auf später, sondern wirklich Gottes Kraft zum Heil ihres gelähmten Freundes.

Dies zu verstehen ist für uns sehr wichtig. Das Evangelium will erlebt werden. Es will zur Anwendung kommen. Es ist „Gottes Kraft zum Heil“! Jesus ging in dieser Kraft umher und brachte überall, wohin er kam, diese Kraft mit, die das Schicksal der Menschen wendete und ihr Leben transformierte. Das ist die Kraft des Heiligen Geistes, die nicht erst im Himmel wirkt, sondern die hier und heute Verlierer zu Gewinnern macht, Aussätzige zu Menschen und Gelähmte zu Laufenden.

Jesus von Nazareth, wie Gott ihn mit Heiligem Geist und Kraft gesalbt hat, der umherging und wohltat und alle heilte …, denn Gott war mit ihm (Apg 10,38).

Ein Evangelium ohne die Salbung mit Heiligem Geist und Kraft ist ein anderes Evangelium als das der Heiligen Schrift. Dies muss uns dringend klar werden, damit wir nicht am Eigentlichen vorbeigehen und uns mit einem kraftlosen Imitat abgeben. Paulus warnt uns ganz ausdrücklich davor, zwar eine „Form der Gottseligkeit zu haben, aber deren Kraft zu verleugnen“ (vgl. 2. Tim 3,5). Das Evangelium bedeutet in seiner Essenz: „Gott selbst kommt in Christus Jesus zu uns mit Heiligem Geist und Kraft, um in unser Leben Wohltat und Heilung zu bringen.“ Und wenn wir das empfangen haben, dann können wir es auch weitergeben.

Die erlebte Güte Gottes an einem gelähmten Mann versetzte die Menschen damals in völliges Erstaunen und ließ sie Gott verherrlichen. Dies sind die Reaktionen, die dem „richtigen“ Evangelium normalerweise folgen. Dass Menschen gelangweilt in Kirchenbänken sitzen und die Predigt „über sich ergehen lassen“ ist in vollkommener Weise unbiblisch und dem Evangelium gänzlich zuwider. Wenn wir an solch einen verkehrten Zustand auch noch so sehr gewöhnt sein mögen, macht es die Sache nicht besser, sondern umso schlimmer. Dass wir uns erlauben, ein Evangelium zu verkündigen, welches keine Kraft mehr zu bieten hat für die Kranken und Zerbrochenen, ist ein Unding. Eine solche Verkündigung ist nicht in Einklang zu bringen mit der Schrift; wir müssen sie dazu schon sehr verbiegen und verdrehen. Paulus, als der größte Theologe aller Zeiten, erläutert uns ja die rechte Verkündigung des Evangeliums in 1. Korinther 2,4-5 folgendermaßen:

Meine Rede und meine Predigt bestand nicht in überredenden Worten der Weisheit, sondern in Erweisung des Geistes und der Kraft, damit euer Glaube nicht auf Menschenweisheit, sondern auf Gottes Kraft beruhe.

Deutlicher kann es nicht gesagt werden. Hier gibt es nur ein Entweder-oder. Entweder es ist die gottgemäße Predigt, die sich erweist in Geist und Kraft wie bei Jesus auch – oder es ist eine menschengemachte Predigt, die sich in philosophisch-theologischen Betrachtungen ergeht, die aber nicht die transformatorische Kraft hat, ein Leben zu verwandeln.

Denn unser Evangelium erging an euch nicht im Wort allein, sondern auch in Kraft und im Heiligen Geist und in großer Gewissheit … (1Thess 1,5).

Heutzutage haben wir die Kanzeln voll von Worten menschlicher Weisheit, die einen entsprechenden „Glauben“ erzeugen, der keinerlei Kraft hat, keinerlei Herrlichkeit aufweist und keinerlei Heil bringt. Paulus aber will ausdrücklich, dass der Glaube der Predigthörer auf Gottes Kraft beruht.

In der Begebenheit der Heilung des Gelähmten lesen wir: „Und des Herrn Kraft war da, um zu heilen …“ Bei unseren heutigen „Wortgottesdiensten“ fragt man sich, ob überhaupt jemand merken würde, wenn „des Herrn Kraft“ da wäre, um zu heilen. Und selbst wenn es jemand merken sollte, ob er dann wohl in der Lage wäre, mit dieser Kraft zu kooperieren? Würde wohl ein Pastor seine vorbereitete Schriftauslegung zur Seite legen und der Kraft Raum geben, zu tun, was sie tun will – vorbei an seiner Agende, Liturgie und Gewohnheit? Selbst in den Freikirchen, die hohen Wert auf eine persönliche Beziehung zu Jesus legen, wird kaum mit dem Ereignis des Reiches Gottes gerechnet. Und so verwandeln sich die Menschen nicht, sondern bleiben dieselben. Für Männer, die den Weg der Transformation gehen müssen, weil ihnen ihr Herz einfach keine andere Wahl mehr lässt und ihre Sehnsucht nach der Realität des Reiches Gottes und der Kraft des Heiligen Geistes unerträglich groß geworden ist, müssen diese Zusammenhänge klar und deutlich werden, sonst treten sie auf der Stelle und es ändert sich nichts. Die Lähmung bleibt erhalten.

Und danach ging er hinaus und sah einen Zöllner, mit Namen Levi, am Zollhaus sitzen und sprach zu ihm: Folge mir nach! Und er verließ alles, stand auf und folgte ihm nach. Und Levi machte ihm ein großes Mahl in seinem Haus; und da war eine große Menge von Zöllnern und anderen, die mit ihnen zu Tisch lagen (Lk 5,27-29).

Bei Jesus werden Ungerechte – wie die Zöllner, die seinerzeit der Inbegriff von Korruption und „institutionalisierter Ungerechtigkeit“ waren – zu Gerechten. Für Levi war, wie für die anderen Männer in den Bibelstellen von Lukas 5 zuvor auch, die Stunde null gekommen, als Jesus ausgerechnet auf seiner Arbeitsstelle auftaucht. Er wurde für Levi zu einem neuen Anfang … und zum Anlass einer neuen Feier in seinem Haus. Die Wirkung Jesu auf die „Ungerechten“ war durchschlagend. Immer wieder lesen wir in den Evangelien von Jesu Begegnungen mit den Zöllnern – und immer wieder sehen wir ihre erstaunlich positive Reaktion auf diese Begegnungen. Sensationell für sie war die hohe „Berührbarkeit“, die Jesus mit ihnen einging. Wahrscheinlich hatte noch kein Schriftgelehrter jemals bei Matthäus im Büro vorbeigesehen, und sicherlich war noch nie ein Pharisäer über die Schwelle des Hauses eines Zöllners geschritten, ganz zu schweigen davon, mit solchen Verbrechern zu essen!

Jesus hatte mit alledem keinerlei Schwierigkeiten, war er doch für die Ungerechten gekommen, die ihn brauchten, und nicht für die Gerechten, die ihn nicht brauchten. Im „Gleichnis vom Pharisäer und Zöllner“ (vgl. Lk 18,9-10) geht Jesus so weit, einen Pharisäer als Typus für die Selbstgerechten und einen Zöllner als Typus für die Ungerechten einander gegenüberzustellen und zu zeigen, wie Gott die Erkenntnis des Zöllners, dass er sich nicht selbst rechtfertigen kann und Gnade braucht, als viel besser bewertet als die Aufzählung aller frommen Leistungen des Pharisäers, der seiner Meinung nach eigentlich gar keine Gnade brauchte.

Männer auf dem Weg der Verwandlung in das Bild Christi hören auf, sich endlos zu rechtfertigen und zu erklären. Sie verlangen stattdessen nach mehr Gnade. Für sie ist nicht die Kirche, sondern ihr Arbeitsplatz und ihr Zuhause der Ort, wo sie Jesus begegnen, weil sie ihm immer, unbedingt und überall begegnen wollen. Er ist ihr Leben. Das Leben in einen frommen und einen profanen Teil zu zertrennen, kommt für sie nicht mehr in Frage.

Übrigens: Der hebräische Name von Levi ist Matthäus. Der Zöllner Levi wurde zum Apostel Matthäus (vgl. Mk 2,14; Lk 5,27) und schrieb ein Evangelium. Das ist Transformation.

Lukas 5 ist nur ein Kapitel der Evangelien. In zahlreichen anderen Kapiteln finden wir weitere Berichte, wie Menschen die transformatorische und revolutionäre Kraft des Reiches Gottes erlebten. Hier in Lukas 5 sehen wir diese Kraft im Leben verschiedener Männer am Werk. Nicht, dass wir nicht ebenso Kapitel mit Berichten darüber finden könnten, wie Jesus Frauen berührte, aber uns interessiert in diesem Buch die Berührung von Männern. Es gibt für uns eine Berührung mit der Kraft des Evangeliums und nicht nur mit frommen Worten und Regeln. Es gibt für uns eine Berührung mit dem Geist, der die Toten lebendig macht, und nicht nur „Buchstaben, die uns töten“ (vgl. 2 Kor 3,6). Darum ist Lukas 5 für mich so aufschlussreich und bedeutsam für die Männerdämmerung. Wenn ich die Beispiele in diesem Kapitel lese, schlägt mein Herz höher und ich weiß bis in mein Innerstes hinein, dass es dies ist, was ich brauche und meine Brüder ebenso. Ich fürchte, wir wurden an eine Darstellung des Evangeliums gewöhnt, welche nicht die Kraft hat, uns wirklich und machtvoll zu verwandeln. Für viele von uns ist das Evangelium nichts weiter als eine gedankliche Konstruktion, eine Sammlung lehrreicher Geschichten, eine Doktrin, der man zustimmt und dadurch dann irgendwie Christ ist. Aber das ist weder wahr noch das, was wir brauchen. Wir brauchen einen Gott, der genau so an uns handelt, wie er an jenen Männern in Lukas 5 handelte. Die Erfahrung eines solchen „Erweises des Geistes und der Kraft“ wird jeglicher frommer Routine und Langeweile ein drastisches Ende bereiten und das Element der Erschütterung in unser Leben bringen, ohne das es nun einmal keine wirkliche Veränderung gibt.

In Apostelgeschichte 4 lesen wir etwas in diesem Zusammenhang sehr Interessantes über das „Gebet der Gemeinde“, welches sie betete, nachdem die Apostel um Jesu willen von den Oberen Jerusalems heftig angegriffen worden waren und man ihnen geboten hatte, nicht weiter öffentlich vom „Reich Gottes“ und dem „Namen Jesu“ zu sprechen. Sie beteten damals, bis der Heilige Geist so mächtig auf sie fiel, dass die Erde buchstäblich bebte. Ich bin mir sicher, dass bei solchen Gebetsversammlungen keine Langeweile aufkommt! Wo der Geist ist, da ist Erschütterung, da kommen die Dinge in Bewegung und da wird die lähmende Furcht überwunden. Dies sind die typischen Kennzeichen des Reiches Gottes bzw. des Evangeliums.

Die große Gefahr für uns liegt darin, uns an völlig andere Zustände als das „ganz Normale“ zu gewöhnen und sie zu akzeptieren. Den Teufel, den wir akzeptieren, können wir nicht austreiben! In den gängigen Gebetsversammlungen der Gemeinden finden sich kaum Männer. Ihre Idee von Gebet fasst sich in Worten wie „langweilig, immer das Gleiche, ermüdend“, o. ä. zusammen. Dass der Heilige Geist sie erschüttern und durchdringen will, ist ihnen noch nie in den Sinn gekommen. Alles geht sehr gesittet und geplant vor sich. Darum denken sie, auch Gott sei nichts anders als „langweilig, immer gleich, ermüdend“ und dergleichen. Männer müssen ein wachsames Auge auf ihre Umgebung und deren Einfluss auf sie haben. Nicht in allem, wo „Gebet“ draufsteht, ist auch Gebet drin; nicht in allem, was sich „christlich“ nennt, ist auch Christus drin. Die Männerdämmerung beginnt mit einem Aufwachen und Augenöffnen der Männer, einem neuen Hinschauen und Wahrnehmen, was eigentlich wirklich los ist.

Das wohl gängigste, moderne Bild für Transformation ist die Verwandlung einer Raupe in einen Schmetterling. Wenn wir das mit der Metamorphose der Raupe zum Schmetterling nicht kennen würden, würden wir wohl kaum glauben, dass diese beiden dasselbe Tier sind.

Wahrscheinlich würde einen eine Raupe, der man sagt, Schmetterlinge seien einst Raupen gewesen, für völlig übergeschnappt erklären. Raupen kriechen, Schmetterlinge fliegen! Unterschiedlicher kann es nicht sein.

Wir wollen nicht mit Gottes Hilfe bessere Raupen werden, wir wollen Schmetterlinge werden. Wir wollen nicht das Alte optimieren, sondern ablegen und Neues anziehen: Flügel zum Fliegen im Wind des Geistes (vgl. Joh 3,8). Wir brauchen die zahllosen Facetten einer Reich-Gottes-Revolution, wie sie nur der Geist Gottes wirken kann. Wir werden dabei vom Kriechen zum Fliegen, vom Wiederholen zum Überwinden, vom Verwalten zum Ermächtigen und vom Christentum zu Christus gelangen. Diesen Weg zu gehen, ist eine große Herausforderung und bedarf eben einer wirklichen Transformation, da wir im Modus des Altgewohnten und Traditionellen diesen Weg niemals gehen werden und unfähig zum Fliegen, Überwinden, Ermächtigen und der wirklichen Begegnung mit dem wirklichen Christus bleiben, dessen Anblick uns von Herrlichkeit zu Herrlichkeit in sein Bild umgestaltet.

Wenn wir etwas anderes haben wollen, als wir bisher hatten, müssen wir auch andere werden, als wir bisher waren. Viele aber wollen die Alten bleiben und trotzdem das Neue haben. Sie wollen die neue Saat unter das alte Kraut säen und wundern sich, dass das Neue vom Alten erstickt wird (vgl. Lk 8,14). Sie wollen den neuen Wein in die alten Schläuche füllen und wundern sich, dass die altgewohnten Strukturen die Dynamik des neuen Weines nicht aushalten und bersten (vgl. Lk 5,37). Also lehnen sie den neuen Wein ab. Seine Dynamik ist zu bedrohlich für das kirchliche System. Er ist zu lebendig.

So wundert es nicht, dass auch Jesus seinerzeit vom religiösen System abgelehnt wurde. Er war definitiv zu lebendig, zu unberechenbar und ein einziger Störfaktor für die „heilige Ordnung“. Er rief die Leute nicht zurück zur (alten) Ordnung, sondern verkündete das Ende der alten Ordnung, also Revolution. Die sprengte den gewohnten Rahmen und postulierte die Notwendigkeit einer Transformation. Diese würde niemals in der Kraft des Gesetzes (die menschliche Bemühung, Gottes Gebote zu halten) geschehen, sondern nur in der Kraft des Geistes.

Jesus spricht die revolutionären Worte über den Geist auf dem „großen Laubhüttenfest“ der Juden so aus:

Wenn jemand dürstet, so komme er zu mir und trinke. Wer an mich glaubt, aus dessen Leibe werden, wie die Schrift sagt, Ströme lebendigen Wassers fließen. Dies aber sagte er von dem Geist, den die empfangen sollten, die an ihn glaubten … (Joh 7,37-39).

Hier geht es um eine neue Ordnung, die die alte Ordnung überwindet. Das Neue des Geistes ist nicht das Alte des Gesetzes mit ein wenig frischer Schlagsahne oben drauf. Der Heilige Geist unterstützt uns nicht, den alten Weg besser gehen zu können, sondern er unterstützt uns, ihn zu verlassen und einen ganz anderen Weg zu gehen. Dies scheinen viele Christen nicht zu verstehen. Sie rufen den Geist in ihr altes System hinein und machen ihn dort zu einem nicht fassbaren dritten Wesen der Dreieinigkeit in ihrer musealen Liturgie. Nein, der Weg des Gesetzes und der Weg des Geistes sind unvereinbar miteinander. „Der Buchstabe tötet, der Geist aber macht lebendig“ (vgl. 2 Kor 3,6). Nur der Geist befähigt uns, zu Jesus zu kommen und von ihm zu trinken, bis Ströme lebendigen Wassers von uns fließen und wir damit zu Quellen Gottes in einer dürstenden Welt verwandelt werden.

Wer von dem Wasser trinken wird, das ich ihm geben werde, den wird nicht dürsten in Ewigkeit; sondern das Wasser, das ich ihm geben werde, wird in ihm eine Quelle Wassers werden, das ins ewige Leben quillt (Joh 4,14).

Wenn das Reich Gottes zu uns kommt – in dem Namen Jesu und in der Kraft des Heiligen Geistes –, dann verwandelt es alles. Auch uns. Dies muss uns klar sein, wenn wir beten: „Dein Reich komme; dein Wille geschehe, wie im Himmel so auch auf Erden!“ (Mt 6,10).

Männerdämmerung

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